1819 / 30 p. 2 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung, Tue, 13 Apr 1819 18:00:01 GMT) scan diff

Vielleicht hat noch niemals eine Begebenheit des Auslandes hier so viel Aufsehen erregt , als die Er- mordung des Herrn von Kobebue in Manheim. Auch hier wird die That allgemein verabscheut. Un- sere Zeitungen erzählen die Umstände auf sehr ver- schiedene (großentheils ganz unrichtige) Art; auf die Erzählung der einen, daß die Studenten zu Erlangen bei vershloßenen Thüren ein Todesurtheil über Herrn v. Kobtebue abgefaßt und durchs Loos den Voll- strecker dieses Urtheils bestimmt hätten, bemerkt ein anderes Blatt, daß jene Zeitung auch im Ernste an die Existenz einer Frau mit einem Todtenkopfe ge- glaubt habe.

München, vom 5. April. Die Diskußionen in der Deputirtenkammer über die Gemeinde - Umlagen haben manchen für die Bairische Verwaltung sehr wesentlichen Gegenstand zur Sprache gebraht. So rügte der Abgeordnete K öster, daß nach dem IXten Artikel die Anordnung von Kreis - Umlagen der höch- sten Stelle vorbehalten sey, woraus folge, daß dem ganzen Staate ohne Beistimmung der Stände eine Abgabe aufgelegt werden könne. Eben derselbe tadelte die Befreiung der Standesherrn von den Umlagen.

Der Freiherr von Weinuba ch erklärte es für üngerecht , daß die Gemeinden zur Armen - Schulen- und Hebammen - Anstalt alles beitragen sollten, da doch 14 aufgehobene Abteien und Stifter wol an 60 Mil- lionen Fl. betragen hätten, von denen ein Theil für Schulen und fromme Zwecke nah dem Reichs - Depu- tationsshluße von 1803 hätte verwendet werden sollen.

Hannover, vom 5. April. Jun der heutigen Si6ung des provisorischen allgemeinen Landtages ist ein Schreiben des Prinzen Regenten vom 5, Januar in Bezug auf die Einrichtung der fünfiigen allgemeinen Stände - Versammlung verlesen und darüber das Gut- achten der Stände verlangt worden. Es heißt in diesem Schreiben „daß es nicht in dem Nlane liege, Haupt- veränderungen in der Konstitution eintreten zu laßen, nah welchen den Ständen das Recht der Steuer- Bewilligung und der Theilnahme an der Geseßgebung zustehe; denn theils habe die Erfahrung den Nuben dieser alten Landes - Verfaßung bewährt, theils würden die nah bloß theoretischen Grundsätzen eingeführten Verfaßungen nie den Nugzen derer gewähren, die nach den Bedürfnißen des Staats sich allmählig ausgebil- det hätten. Auf den Grund der alten Landes - Ver- faßung müße daher auch die durch die Vereinigung aller Provinzen in ein Ganzes jeßt nothwendig ge- wordene allgemeine Landtags :- Versammlung gebildet und hienach die allgemeine Versammlung in zwei Kurien odec Kammern um so mehr abgetheilt werden, als das Jntereße der Korporationen, aus welchen der Landtag gebildet werde , seiner Natur nach verschieden sey, und daher durch die Beschlüße einer einzigen Versammlung si nit aussprechen könne.

Nach dem mit vorgelegten Plane soll die erste Kam: mer bestehen aus den mediatisirten Fürsten und Gra-

4 fen, dem Erblandmarschal des Königreichs, den Mit: |

gliedern der Ritterschaft, welchen na geschehener Gründung eines Majorates von bestimmter Größe eine Viril - Stimme beigelegt werden wird, aus dem Prä: sidenten des Obersteuer- Koüegii und den Mitgliedern des landschaftlichen Schah: Kollegii von der Ritter: schaft, den Präsidenten der Lüneburger und der Bre: mer Landschaft, den 35 von der Ritterschaft zu er: wählenden Deputirten, den fatholishen Bischöfen und den protestantischen Aebten der höhern Stifter.

In die zweite Kammer werden dagegen eintreten,

die Mitglieder des Sab - Kollegii bürgerlichen Stan:

des, drei Depu'irte der geistlichen Güter- Administra: tion, die Deputirten der fleineren Stifter, ein Depu: tirter von der Universität Görtingen, 29 Deputirte von den Städten und 22 Deputirte von den freiem | Grundbesizern die nicht zur Ritterschaft gehören.

Der Erblanomarschal und in deßen Abwesenheit der Président des Obersteuer - Kollegit werden beide vereinigte Kammern présidiren ; jede einzelne Kam: mer aber wird drei Subjefte aus ihrer Mitte erwäh:| len, unter welchen der Landesherr einen zum Präs | denten für selbige ernennen wird. |

Der Landtag versammelt sich alle Fahre, die ge: wählten Mitglieder treten neh 6 Jahren aus, kön: nen aber wieder gewählt werden. Zuhörer werden bei den Deliberationen nie zugelaßen.

Alle landesherrliche Propositionen werden an beide Kammern gebracht; stimmen ihre Beschlüße nich! überein, so wird eine Vereinigung durch eine von bes den anzuordnende Kommißion versucht, welcher aud landesherrliche Komißarien, um die Uebereinstimmung zu befördern beigeordnet werden fönnen. Zu den ständischen Anträgen ist Uebereinstimmung beider Kam; mern gleichfalls erfoderlich. |

Der jeßigen Stände - Versammlung ist die fôörda: samste Berathung über diesen Gegenstand empfohlen und wird selbige nah deren Beendigung aufgelóf rwoerden.

Frankfurt, vom 5. April. In der zroölftch Sitzung der Bundes - Versammlung am 29sstten Mütj wurde von den Kur- und Großherzoglich - Heßische Gesandten erklärt, daß beide Höfe der Bundes : Ein tracht ein patriotisches Opfer ihrer Nachgiebigkeit d hin zu bringen sich entschloßen , daß sie unter Vor behalt des, nach ihrer vollständigsten Ueberzeugu!j verfaßungsmäßigen Rechtes zur zeitigen Wiedervert? nigung ihrer Kontingente, den von der Mehrheit der gten Sißung gefaßten Beschluß, in Gemäßh! des daselbst gemachten Vorschlags der königl. Wir tembergschen Gesandschaft, als einstweilen gelten} Verfügung, und zwar bis zu dem Zeitpunkte annih} men, wo auch über die jeßige Bundes » Matril!} ein endlicher Beschluß gefaßt werden solle. Zuglei} erachteten es Jhre Königl. Hoheiten für dringend, v} baldmöglichst eine ganz genaue Bestimmung arübt} entstehe, wenn Stimmenmehrheit entscheide, auf d

giht ferner ein ähnlicher Fall eintrete, da die betheiligten Glieder niht immer geneigt seyn möch- ten, der Eintracht des Bundes ihr Recht zu opfern.

Das Prásidium zog indeß den aus der Stimmen- Mehrheit resultirenden Beschluß: daß es bei dem in

der gten Sisung vom 11. März d. J. gültig gefaßten Beschluße sein Verbleiben, und die Frage wegen der Korps - Eintheilung sonach ihre Erledigung erhalten habe, daß hingegen dem Antrage, zu bestimmen, wenn die Srimmen - Mehrheit enrscheide, Folge zu geben sey.

E C E N eem eeres

Ueber die Mennoniten in den Preußischen Staaten.

Durch unser neues Militair - System sind die Men- noniten, die in unsern Provinzen angesiedelt sind, mit ihrer Glaubenslehre: daß ein Christ keine Waf: fen führen dürfe, in ein bedenfliches Gedränge ge- rathen.

E hat zwar bezweifeln wollen, ob diese Lehre der Taufgesinnten (wie die Mennoniten allgemei- ner und richtiger genannt werden) wirklich ein wesent: licher Artikel ihres Glaubens sey, und sucht sie in den Verdacht zu bringen, daß sie sih nur aus Bequem- lihfeit und Feigheit dem Soldatendienste entziehen; aber {o lang es faktisch nicht geläugnet werden kann, daß die Katechumenen vor der Taufe feierlich geloben, feine Waffen zu führen: so lang ist es auch ein ganz müßi- ges Unternehmen, aus dem Fundamentbuch des Men no das Gegentheil beweisen zu wollen. Uebrigens, wer die Güter des Lebens und das Leben selbst an eine Sache sest, glaubt daran, und diesen Glauben ha- ben die Väter der Mennoniten unverzagt gegen ihre Verfolger bekannt.

Arnold theilt in seiner Kirchen: und Kebter - Hi- storie ein Schreiben des Jakob Hutter mit, eines Taufgesinnten des 16ten Jahrhunderts, der sih für seinen Glauben verbrennen ließ, worin er sagt ehe wir unsern großen Feinden einen Streich gäben mit einer Hand, geschweige mit Spieß, Schwert und Hel: leparten, wie die Weit thut, ehe stürben wir, und lie- gen unser Leben ehe nehmen.“

Die legte Verfolgung, welche fie im Anfange des 18ten Jahrhunderts in der Schweiz erduldeten, hatte gerade in ihrer Weigerung, das Vaterland zu verthei- digen, den vorzüglichsten Grund. Das Schreiben der General - Staaten an den Kanton Bern, vom 16. März 1710 (Schyn, bist. Menn. p. 290.) führt diese Wei- gerung ausdrücklich als einen Glaubenssaß der Nieder- ländischen Mennoniten und ihrer Schweizerischen Brü: der an und entschuldiget ste.

Es is ganz gegründet, daß ein Theil dieser Sekte nicht mehr strenge daran hält. Jn den Nordamerifka- nischen Staaten, woselbst sie sehr zahlreich sind, haben sie gegen die Engländer mit gefochten ; auch entbindet die Versaßungs : Urkunde fie niht von dem Eintritte in die Miliz, von der Wasfenübung und von der Pflicht, auf den Ruf der Regierung zur Vertheidigung des Vateclandes ins Feld zu rücken, obwol die Quä- ker hievon ausgenommen werden, weil diese noch jest sich beharrlich weigern, in den Krieg zu gehn, und die- jenigen Mitglieder ihrer Gemeine, welche an dem Frei- heitkriege Theil nahmen (z. B. die Generale Green, Miflin und Lacy), von ihrer Gemeinschaft aus- s{chloßen. :

Die Holländischen Taufgesinnten waren vor der Revolution von 1795 vom Dienste in den Bürger- garden, den Schutteryen, ausgeschloßen, weil dieses ein Vorrecht der Neformirten war. Im Revolutions- kriege traten Manche von ihnen in die Nationalgar- den und nahmen thätigen Ántheil am Kriege. Eben dieses geschah im Jahr 1799 bei der Landung am Hel- der. Auch die Französische Konscription verschonte sie nicht, aber sie konnten leicht Stellvertreter finden, wie dies auch bei der gegenwärtigen Militair : Einrichtung

‘statt findet. Jhre Religionslehrer haben sih Übrigens

in die Bedürfniße und Begriffe der Zeit fügen gelernt, und statt der Erklärung, welche sonst vor der Taufe den Katechumenen dahin abgefodert wurde der christ- lichen Pflicht gemäß nicht zu regieren und nicht die

Waffen zu führen, ‘' verlangen sie nur die Erklärung : 1, €8s sey beßer zu gehorchen, als zu regieren, beßer zu leiden, als sich zur Wehr zu seßen. ““

Jn Holland und Amerika ist daher bereits eine Re- form vorgegangen, die wir in Preußen von dem ruhigen Wirken und Walten der Zeit noch zu erwarten haben. Denn die unsrigen, mit Ausnahme einiger Bewohner der Rheinprovinzen, hangen der ursprünglichen Lehre mit der Entschloßenheit an, die manchen ihrer Väter E oder auf das Blutgerüst beglei- tet hat.

Die Zahl der Mennoniten in den Preußischen Staaten belief sich im Jahre 1817 auf 15,555, von denen allein 12,649 in West - Preußen (und zwar 11,468 auf dem Lande und 1,181 in den Städten ) wohnten. Seit 1805 hat sich ihre Anzahl verringert, indem man damals noch 14,256 in West : Preußen zählte. Jn Dst- Preußen lebten 864. Die West - und Ost - Preußischen Mennoniten sind es vorzüglich, von denen wir sprechen.

Die Geistlichen der herrschenden Kirche: haben sich die undanfkbare Mühe gegeben, ihnen beweisen zu wols len, daß die Lehre: keine Waffen zu führen, antibis blisch sey , weil wir nach 1 Joh. 5, 16. auch das Les ben laßen sollen für die Brüder. Dazu braucht man aber nicht mit Schwerdt und Lanze bewafnet zu seyn. Die Apostel und viele andere Bekenner haben auch für die Brüder das Leben gelaßen ; so auch viel Mennonis ten. Die Meinung, daß ihr Glaube sie nicht hindere, auf obrigkeitlichen Befehl die Wasfen zu führen , weil er ihnen gebiete, der Obrigkeit Gehorsam zu leisten, ist irrig, weil dieser Gehorsam sih nur auf die bürger- lichen Verhältniße, nicht auf die Angelegenheiten des Glaubens und Gewißens erstreckt.

Es ijt wahrscheinlih, daß einige verständige Leh- rer der Taufgesinnten in der ersten Hälfte des 16ten Jahrhunderts, namentli Menno Simonis, von dem die Mennoniten sich benamen, durch die Auf: nahme dieses Dogma in ihr Glaubensbefenntniß den politischen Zwock zu erreichen suchten, ihre Anhanger von der Beschuldigung zu reinigen, daß sie mit den Münsterschen Fanatikern, die unter dem Namen der Wiedertäufer als Rebellen und Feinde der bürgerlichen Ordnung ein Gegenstand des öffentlichen Haßes waren, gemeinschaftliche Sache hätten. Menno steckte deshalb das Schwert nicht bloß in die Scheide, er warf Schwert und Scheide für immer von sich. Die Verfolgungen der orthodoxen Klerisei hérten zwar nicht auf , und sie verschaffte durch ihren Einfluß auf den weltlichen Arm vielen Taufgesinnten die Märtyrerkrone ; doch mit der allmáligen Mündigkeit der weltlichen Regie- rungen gewann die entwafnete harmlose Gemeine mehr und mehr Land, während die Anhanger des Ba t- tenburg, eines andern Lehrers der Taufgesinnten, der noch das Schwert Gideons predigte, binnen kurzer Zeit vertilgt wurden.

Menno gründete seine Lehre auf der Bibel, die dem Christen untersage, Beleidigungen zu rächen. „¡Wir gehen niemals in den Krieg, nicht weil wic den Tod fürchten, wir segnen vielmehr den Augenblick, der uns mit dem Wesen der Wesen vereinigt; aber des- halb nicht, weil wir nicht Wölfe, nicht Tiger, nicht Doggen sind, sondern Menschen, sondern Christen.“ (Cérémonies et coutumes religieuses T, 4. p. 1355) Christus sagt zwar! „ich bin nicht kommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert‘ Wenn jedoch die Lehre der Taufgesianten auch nicht antibiblisch is , so ist sie gewiß antipreußisch. Wir Preußen, die wir geborne Soldaten sind, wir müßen diese Lehren mit