1819 / 45 p. 2 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung, Sat, 05 Jun 1819 18:00:01 GMT) scan diff

inan nicht erwarten kann, daß die Leser die Geschichte

der leßten Jahre voufkommen gegenwärtig haben, #0 wird es nit unziemlih seyn, einiges Geschichtliche voranzuschicken.

Nach dem Amnestiegeseß vom 12. YFanuar 1816 giebt es dreierlei Arten von Berbanntenz diejenigen nicht mitge: rechnet, welche wegen Vercaths gegen den Könzg seit der Restauratión von einem Kriegsgerichte verurtheilt wetden sollten, und von denenLabedoyere, Ney, Mouton- Duvernet wirklich mit dem Tode bestraft, Dro uot und Cambrone aber freigesprochen find; B er- tkrand in St. Helena , die Brüder l’ Allemand, d’Erlon, NRovigo sind die bekanntesten unter den übrigen. Die eigentlich Verbannten sind dem- nach er st li ch die, welche nah der Verordnung vom 25sten Julius 1815 anfänglich bloß aus Paris ver: iviesen wurden , und diese sind es, welche man die Verbannten auf Zeit nennk. Ursprünglich waren ihrer 38, und mehre von ihnen, 3+ B, die Generale Alix, Excellmans®, Lamarque, Lobau 2é- sind schon begnadigt; Marschall Soult, Vandam- me, Carnot, Forbin-Janson u. a. halten si noch im Auslande auf ; zweitens die ganze Familie Bonaparte; drittens die Königsmörder, welche den Bona- partischen Nachtrag zur Konstitution anerkannt, Uns terzeichnet, und Steben von ihm seit dem 25sten März 1815 angenommen haben.

Diese beiden legten Klaßen sind nach dem Aus- drucke des Gesehes auf immer verbannt. Gleich- wobl hat der König auch von diesen {on einige be- gnadigt y namentlih den bekannten Herzog Éam- baceres.

Für alle diese Verbannten ohne Unter:

chied waren Petitionen behufs ihrer Zurükbe- rufung ins Vaterland bei der Deputirtenkammer ein- gereicht, aber alle diese Petitionen nicht von ihnen felbst, sondern von andern Personen, zum Theil von ganzen Kommunen unterzeichnet. Cine zur Prüfung des Jnhalts' dieser Bittschriften niedergesebte Kom- mißion sóute nun am 17ten Bericht erstatten, und der Deputirte Cotton war der Wortführer. Natür- licherweise“ ging es über die Befugniße der Deputir- tenkammer hinaus , alle diese Verbannten geradezu zurüczuberufen, selbst wenn ste auch ihr Gesuch, statthaft befunden hátte; und die Deputirtenkammer, so wie ihre Kommißion beschied sich auch, daß eine solchè Entscheidung ihr allein nicht zukomme. Es blieb also im Falle der Zustimmng nur der Weg Übrig, diese Angelegenheit an die Minister zu verweisen, das heißt, die Zurückberufung der Verbannten dem Kö- nige zu empfehlen. Dazu war auch die Minorität der Kommißion geneigt y die Majorität aber, und un- ter dieser Cotton, war der Meinung, daß die Bitt- schriften von Seiten der Kammer gar keine Beach- tung verdienten, und daß ihr nichts anderes übrig bliebe, als darüber zur Tagesordnung zu schreiten. Gleich nachdem dieser Antrag ausgesprochen war, vere langte B. Constant, Caumartin, La Fayette, Chauvelin und mehre andre von der linken Seite das Wort, indeß die réhte Seite und der Mittel- punkt die Tagsordnung foderten. Caumartin, zu- glei Mitglied der Kommißion, betrat die Tribune ¿e Gründe dar, warum die Minorität der Kommißion die Sache an die Minister zu vevwei- sen für gut gefunden. Er schien mehr auf das Be: müth, als den Verstand wirken zu wollen; alle Ber- bannte, sagte er, büßten bloß für politische , vorüber- begangene Zwiste mit der Entfernung vom Vaterlande und von ihren Familien ; die Zeit der Ruhe und Ver- gessenheit alles politischen Unheils sey gekommen, die Kammer könne nicht weniger thun, als die Güte des Köthigs ansprechen, und das erhabene Teskament seines hingeopferten Bruders für die Unglücklichen geltend machen. Hiegegen erhob sich der Siegel- bewahrer de Serre mit einer mehr den Verstand entsprechenden Rede, deren wesentlichen Jnhalt wir wittheilen wollen : :

Mlle vorliegenden Bittschriften, sagte er, fließen übereinstimmend mit den nämlichen orten, find in den nämlichen Ausdrücken abgefaßt, fo daß kein Zweis- fel übrig bleibt, sie stammen alle aus einer Quelle» Und sieht man auf ihren Inhalt, so is nicht etwa blos dié Rede von Zurückberufung derjenigen Personen, welche nach dem Gese vom 12. Januar 1816 auf Zeir aus Frankreich verwiesen sind, sondern von allen Ver- bannten ohne Unterschied, also auch von den Kü: nigsmördern, ja selbst von der Familie Bonaparte.

Allerdings waren im Jahre 1789 ale Franzofen die ihr Vaterland liebten, von gleichen Wünschen, durchdrungen, alle wollten gleiches Recht und gleiche Gerechtigkeit, Gründung der politischen, Sicherstellung der bürgerlichen Freiheit ; aber als die Revolution das Königthum antastete, da trat sie aus dem Gez leise des National - Willens, sie wurde verbrecherisch und ganz Frankreich fühlte ihre Ausartung. Lange und große Leiden haben uns belehrt, daß die öffentliche Freiheit in Frankreich unzertrennlich von dem König- thume ist, daß nur das Königthum das Vaterland befestigen kann, und daß der erste Tag, an welchem wir mit Sicherheit Frieden, Freiheit und Wohlfahrt erwarten konnten, der Tag seiner Wiederherstellung war. (Eine lebhafte Bewegung der Beistimmung äu- serte sich bei diesen Worten). In den ersten unge- trübten Tagen dieser Wiederherstellung glaubte man alles, was geschehen, mit einem dichten Schleier bes deen zu können, aber anders ist es seit der unglüf- lichen Katastrophe des März 1815 und ihren trauri- gen Folgen; seitdem fühlt jedermann die dringende Nothwendigkeit strenger Maasregeln zum Schuße des Königthums und zur Verhütung ähnlicher Gefahren. Darum nur wurden jene Beschlüße der Verbannung ausgesprochen. Jedermann weiß indeß, daß der über- reichte Gesesvorschlag sih nicht auf diejenigen aus: dehnte, welche für den Jod des unglüctliczen Monar- chen gestimmt, selbst nicht in dem Falle, wenn sie wäh: rend der hundert Tage von neuem Beweise der Fort:

dauer ihrer feindseligen Gefinnung gegen das Königl. |

Haus geg ben. Va jedermann weiß, daß der König selbst, als in der Kammer dieser Punkt in Antrag ge- bracht wurde, lange widerstand und lieber Gnade als Recht vorwalten laßen wollte. Männer, durch ihre unerschütterliche Ergebenheit für die Sache des Königl. Hauses und, der konstitutionellen Grundfeste bekannt, dachten und sprachen in eben dem Sinne; aber beide Kammern vereinigten sich in dem“ Beschluße, jene Vo- tanten, insofern sie sich in dem gedachten Falle befän- den, auf immer aus Frankreich zu verbannen. Der König -gab endlich seine Beistimmüung, und nun ist die: ser Beschluß unwiderruflich, und jeder Versuch, den König zu einer Abänderung desselben zu nöthigen, der freien Bewegung seiner Gnade vorzugreifen , ein Eingrif in die Königl. Macht, eine Verleßung ihrer Mürde. Ueberall in ganz Frankreich wird man die Wahrheit dieser Betrachtungen fühlen, denn mit je: dem Tage gewinnr die Ueberzeugung an Klarheit und Stärke, daß es für Frankreich kein Heil, keine Sicher: heit und feine Freiheit giebt als unter der Regierung

der Bourbons, und daß gleichmäßig, wie die Karte

eine Stütze des Thrones und das Fundament zur Ér- haltung der rechtmäßigen Dynastie ist, die rechtmäßtîge Dynastie auch allein die Daner der Karte verbürgk. (Wiederum die lebhaftesten Aeuserungen der Beistim- mung). Wenn man mir einwendet, daß_ ich selbst bei der Disfkußion des Berbanaungs8gese&es für die. Vo- tannten gesprochen u : * für sie geltend zu

worte ih, was damals thunlich war, ist es jeßt, nah: * dem das Gesey einmal gegeben und also abgefaßt F worden, nicht mehr; ich antworte daß gestern nicht heute ist, daß was damals das öffentliche Jntereße er: (laubte es heute verbietet, und daß es Rücksichten auf Leben und Tod für die Erhaltung der gesellschaftlichen"

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*) Die Karte sagt nehmlih, daß kein Franzose wegen des / j

Vergangenen in Unspruch genommen werden soll,

® dnung giebt, welche das Höchste voù àllén G e-

“Feen sind; ich ¿antwoorte endlich, daß ja der nämliche

Buchs/abr der Karte, auf den man sich für die BVo- tanren beruft, auch der Familie Bonaparte zu stat- tea kommen würde, und daß wenn man doch demohn- geächt sch nicht erlauben wird, ihre mit dém höhe:

ren Erhaltung8geseß unvertrögliche Rückkehr zu fodern,

man sich auch descheiden muß, dem Könige und dem regierenden Hause nicht die Zurückberufung sener Kö: nigsmörder anzumuthen. Demnach, so schloß der Redner, niemals werden jen e Königsmörder zurück- gerufen, es sey denn, w9 die Milde des Königs dem Alter und der Gebrechlichkeit die Rückkehr gestatteté.

: Was aber die auf Zéit Berwiesenen betrift, o überláäße ' man sie mit voller Zuversicht der Gerechtigteitsliebe | und der Güte des Königs.

Der lebendigste Zuruf der Beistimmung erscholl beim Schluße dieser Lede, und das Uebergehen zur Tage3ord- nung wurde von der Kammer mit einer großen Mehr- heit und nur mit dem Widerspruche von 2 Piitglie-

. decn, von denen wir nur die betanntesten unter ihnen, i als la Fayett €; Chauvelin, B. Constant, DaüU-

nou, d’Argenson, Manuel, Bignon anführen wollen, beschloßen. Seit diesem Bescyluße, den jene Rede des Siegelbewahrers vorzüglich herbeiführte, hat dieser, wenn auc) nicht in der öffentlichen Meinung überhaupt, doch in der Gunst der Liberalen viel ver- loren, scin Niemals (jamais) wird ihm in dem In- dépendent, den Annales politiques;, dem Constitu- tionel, dér Gazette de France und andern Blättern hart rorgerückt und die Hofnung unverbohlen geäu- sert, daß in der gedachten Sizung die in Rede ste- hende Frage nur in Ansehung der Form beseitigt, teineswegs aber die Sache selbs äbgeschloßen sey. Doch \chcint im Allgemeinen die össentliche Meinung für die Minifter günitïg zu bleiben, ja sih zu erhô- hen, indem es dem Publikum wohi gefällt, daß sie sich von allen Seiten unabhangig zu erhälten suhen. Auch findet in eben diesem BVerrächr die Be- {culdigung feinen Glauben, daß auswártige Kabinette auf die Schritte der Minisier Cinfluß gehabt, wohl aber konnten die- Minister glauben, daß sie dem gan- zen Europa einen Beweis ihrer Gesinnung für das

tegierénde Haus schuldig seyen.

München, vom 26. May. den Sibungen der 2ten Kammer vom 22. 24- 25. u. 26sten wurde die Durchsprehung des Staatsbedarfes fortgejeßt. Unter andern äuserté Häcker ,; hmerzlih seyen ihm die Ausgaben zum Vollzug des Konkordates weil er darin unveräuserliche Rechte des Landesherrn und Rechte der Menschheit als Gnadensachen des Römi- \hen Hofes béhándelt sehe.‘ Die Univerfität von Landshut sollte: nah München verlegt werden, um die Münchnér Akadeinie der Wißénschaften gemeinnüßiger zu mathen, und die theuren Mitglieder derselben auch âls Profeßorên zu brauchen. Socher und Behr wi- dersprachen diesem. Hofstetten wollte stati der zwei Erzbischöfe des Konkordats nur einen ; er fürchtete Zwie: spalt, und wollte die Einküüfte des einen an arme Land: pfarrer gegeben wißen. Der Abgeordn. v. Wei nba ch trug darauf an», das Justizministerium gar eingehn

Vorläufige Uebersiht des Ertrages dér Abga- ven in den vier teutschen östlichen Provinzen des Preußischen Staates, Brandenburg, Pommern, Schlesien und Sachsen, nach dem Zustande vor dem j. Jänuar 1819. Grundsteuern unter vekschiedenen Midl. 1Gr.\Vf. Benennungen nach d. Etat für 1818 4,478,797 15) 1 Quatember in den Sächsischen Lan: destheilen, nach demselben . 281 Vermischte Abgab n, nach demselbèn 31 Zölle nach dem Ertrage von 1817 2,545 Accise und andre Verbrauchsteuern nach demselben » - - s 9,025, 040i —|—

Spalte [16,389,025] 8 9|

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zu taßen. Destreich habe Leins, sagte ét, und bas Baiersche Ober - Appellgericht , das zwxi Präsidenten habe, fönne die Minister - Geschäfte mit versehn. Mehre sprachen in ähnlichem Sinne, der Ersparung halber ; doch Köster meinte, wenn man Ersparnißé suche, so sey die Gerechtigfeitpflege wol das lebtes an dem gespart werden müße.

Der König hat zum Jahrestage der gegebenen Verfaßung (26. May) eine Denkräänze prägen laßen. Die Städte des ersten und zweiten Ranges tefommen sie in Gold, die übrigen Gemeinden in Silber. Dié Stände haben auf denselben Täg, dec zugleich Ge- burtstag des Königes ist, eine Gegendenkmünzé präz gen laßen, mit der Inschrift: dem Geber der Ver- faßurg Baierns die dankbaren Ständé._

Wiesbaden, vom 20. May. Die Naßausché Stándeversarnmlung hat für dies Jahr ihre Arbeiten vollendet. Was sie gewirkt, und in welchec Art, das fommt nun allmälig zur óffentlichen Kunde , durch dié Sigungsberichte der einzelnen Abtheilungen oder UAus- schüße, welche der Preße übergeben sind. Wir werdere Gelegenheit finden, auf das Ganze kter Berathungen zurücckzukommen. Vorläufig machen wir auf zwet Gesche aufmerksam, die aus diesen Berathungen erz wachsen sind. Das eine hébt alle Reste des noch vorhandenen Zunft - Zwoanges gänzlih auf und ver: vollständiget so die eingeführte Gewerb : Freiheit; das andere, mit jenem in genauen Zusammenhange, ord? net die Verhältniße der Handwerks : Gehiifen (Gesellen) zum Meister und des Gesindes zur Dienstherrschaft.

Baden, vom 25. May: Das heutige Staats - und Regierungsblatt enthält zwei landezherr!. Ver- ordnungen. Die erste sebt eine Geseßgebefommißion in Karlsruhe nieder, „um einem schon lange gefühlten Bedürfniße abzuhelfen und das durch Uebermacht auf- gebrungene Französische bürgerliche Recht dem Karakter Unserer Unterthanen und ihrem angewohnten Rechte mehr anzupäßen““ wié €s im Éingange heist; die andere ernennt die für diesen Zweck ausersehenen Mitglieder.

Sto&holm, vom 14 May. Die Abreise des Kronprinzen nach dem Lager in Schonen , welhes aus 16,000 Mann bestehen wird, ist nun gestimmt auf den 29. d., und die des Königs auf den 5. Jun. festge: seßt. Der Norwegische Staatsminister, Herr von Anfker, und der Staatsrath, Herr Mobfeldt, di Sr. Majestät begleiten soüen, werden bis zum #. Jun. abreisen. Morgen begiebr sih Sr. Majestät, beglei: tet von einem Theile des Hofcs, nach dem Schloße Rosersberg, um dort etwa 8 Tage zu verweilen.

Wien, vom 23: May. Se. Kaiserl. Hoheit der Großfürst Michael von Rufland haben vorgez stern abends, nah einem neuntégigen Aufenthalte iri hiesiger Kaiserstadt , Ihre Rücreise nah St. Peters- burg angetreten. i

Am 14. May feierten die Aerzte Berlins, wie geè wéhnlih, das Andenfen der an diesem Tage zuerst ausgelbten Schutpockenimpfung und ihres - hover- dienten Erfinders, Ed. Fenner?’s. Die dabei der Ge: sellschaft vorgelegten Listen der im Jahr 1817 in d Preuß. Monarchie gemachten Jmpfungen gaden sehr ew freuliche Resultate. Jn Allfm werden geimpft 307,599. : Reht: 18x.

Uebertrag |16;389,025| 2 Ertrag des Salzmonopols, nach den Rechnungen für 1816. © + » Personensteuer nach cem Etat f. 1818 Gewerbesteuer nah dem Ertrage f. Iu S S Stempel näch demselben . « Beitrag der altländischen Städte zur General + Servis «Kaße * + *

: : Suinme |2i,383,6271 10j 24 R gedähten Prövinzen enthielten aim Schlußé des Jahres 1817 =5,205,568 Bewohner, und brachten also für den Kopf im Durchschnitte auf: vier Thaler; zwei Groschen, sièben Pfennige

| 1,526,555) 23 1,002,121} 8

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