1819 / 47 p. 2 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung, Sat, 12 Jun 1819 18:00:01 GMT) scan diff

Einrichtung gemacht und dabei seine leisesten Wünsche zu erfüllen gesucht hatte.

Die Regierungen zu Chili und Buenos - Ayres ha- ben einen gemeinschaftlichen Plan zur Befreiung Pes ru’s entworfen.

München, den 2. Juni. Die Sißungen der 2ten Kammer vom 28. May bis heut waren fortdauernd der Erörterung des vorgelegten Staatsbedarfes und namentlich dem 2ten Theile desselben, nämlich der Einnahme gewidmet. Nachdem Hornthal, Zim- mer, Sturz, Seuffert, Schätler, Rettig 2c. als eingeschriebene Redner gesprochen, kam es zur freien Besprechung der einzelnen Ansäte der Einnahme. Scharf getadelt und fast einmüthig verwerflich gefun- den wurde die Einnahme aus dem Lotto; nur zwei Stimmen erschienen dafür. Aehnliche Ausstellungen fanden statt gegen den Weinaufschlag, gegen die Zug- viehsteuer, gegen die Einkünfte aus den Posten 2c. Zeigte sich indeß ‘in diesen verschiedenen Angriffen der Abgeordneten wirklich ein vielseitiges Talent: sto ist doch auch auf der andern Seite nicht zu verkennen, daß die Redner der Regierung mit Gewandheit und Umsicht, und besonders mit der Ruhe, welche auf fes- ten Zahlen gebauet ist, sich den Angriffen gewachsen zeigten. Uebrigens zeigte sich mannichfaltig auch hier, daß heut zu Tage die zu gutmeintesten Vorschläge zu nichts führen, wenn man statt der zu streichenden Ein- nahme nicht zugleich eine beßere mit anzugeben im Stande ist. Dies erinnert uns an Behr's Worte, zit welchen er, der als Mitglied des dritten Aus- \hußes den Staatsbedarf fast 5 Monate lang von allen Seiten mit Eifer untersucht hatte, am 22. May sein Jnneres so wahr ‘als schón darlegte. „Jch kann versichern'“ sagte er „daß es mir hoher Ernst war, etwas aufzufinden, wo sich weitere Ersparungen anbringen ließen. Als ih noch auf der Oberfläche stand, glaubte ich, dies sey sehr leicht; ganz anders war es, als ih mit den Mitgliedern des Ausshußes in das Detail ging. Wenn wir dann an jede einzelne Posi: tion gingen und uns fragten, wie Ersparung möglich sey, ohne wohlerworbene, auf urfundlihen Titeln be- ruhende Rechte zu verleßen, so war am Ende das Resultat, es läßt sich nichts hinwegnehmen. Wahr-

‘haftig oft mit sehr unangenehmen Gefühlen sind wir, an die Schranken gestoßen, die ohne Ungerechtigkeit nicht überschritten werden konnten. Es ward uns bald flar, daß Ersparung zwar eingeleitet, im Mo- ment aber nur in geringer Maaße in Vollzug geseht werden können, ohne Verlegung wohlerworbener Rechte, und wir hätten den Geist des bravey Baierschen Vol- kes ganz mißkennen müßen, hätten wir Ersparungen gegen Recht vorschlagen wollen. Es ist aber nicht genug, die Grundsäße der Gerechtigkeit im Munde zu führen und sie im nächsten Momente durch willkühr- liches Streichen zu überschreiten. Jn diesem Geiste wird die Kainmer prüfen. Die Kammer besteht aus Männern, denen das Recht heilig ist und heilig seyn wuß. Jch würde mich selbsi am meisten verachten,

könnte ih mi durch irgend etwas von dieser Bahn

* ableiten jlaßen. Wollte man aber die Würde eines Volksvertreters bemeßen nach dem .

Maaße der Opposition gegen die Regie: rung, oder nach dem Beifall jenes Theiles des Publikums, der nicht unterrichtet i st

‘und nicht seyn kann, dann gestehe ih, dar-

nah nicht zu geizen. Das ist doch klar, daß wir gleich ehrlich mit der Regierung seyn müßen, und ihr durchaus die Mittel nichc vorenthaltenkönnen, das Wohl des Volkes zu besorgen.

Inland.

Berlin, vom 12. Junius. Im siebenundseh®L-

zigsten Jahre des Lebens und im achtundvierzigsten *

des Staatsdienstes starb am 6. Junius zu Charlot- tenburg der Königlich Preußische Wirkliche Geheime Legationsrath , Herr Heinrih Renfner,- Ritter des rothen Adler - Ordens zweiter Klaße, Kommandeur des Königl, Dänischen Danebrogs - und des Königl. Schwedischen Nordstern : Ordens.

Geboren zu Berlin am 15. Februar 17553, unker äuseren Verhältnißen welche ihn wenig hoffen ließen, verdankt er die edlere Bildung und das Vertrauen, die ihn zu hohen Würden im Staate emporhoben,

nur der Thätigkeit seines Geistes und der Treue feis

nes Gemüthes. Diese erwarben ihm früh Gönner, und dankbar hat er noch im Alter sich oft und gern

der sorgsamen Theilnahme und Leitung eines Me: * rians und Ermans erinnert, welche damals Vor: geseßte des Französischen Gymnasiums waren. Aber das Leben, nicht die Schule, die er früh verließ, hat seine

Ausbildung vollendet. Wenig über achtzehn Jahre alt, führten Zufälligkeiten , die so oft über die Rich: tung eines ganzen Lebens entscheiden, ihn zu der Kö: niglich Preußischen Gesandtschaft im Haag, wo er vom 5. August 1771 bis zum 21. May 1791, fast zwanzig

Jahre lang blieb, und in den Dienstgeschäften aller /

Stufen allmälig Kenntniße sammelud, Kräfte ent: wickelnd, und Zuverläßigkeit erprobend, nah und nah zum wirklichen Legationssekretair, dann zum Legations:

rathe befördert, seinem großen Könige perfönlich als

ein treuer Diener bekannt , unter seinem Nachfolger, zulest in einer höchst shwierigen Zeit, der Preußischen

Mißion im Haag als Geschäftsträger selbstständig vor: stand, uud beehrt mit dem Vertrauen des erlauchten Hauses Oranien nur dann erst zurückberufen wurde, 4 als die Stürme ausbrachen, welche seitdem den We: sten von Eurvpa zunächst ergriffen, um endlich alle

Staaten der gebildeten Welt zu ershüttern.

Es bezeichnet den eigenthümlichen Geist des Ver storbenen, daß er in dieser ganz praftischen Laufbahn das Bedürfniß fühlte und die Zeit fand, sich eine um- i faßende Kenntniß der schönen Litteratur Frankreih® Er besaß eine : große Belesenheit darin, und Üüberseßte selbst mehre : wichtige Werke, unter welchen besonders die Franz: :

Britanniens und Italiens anzueignen.

fische Ueberjezung der physiognomischen Fragmente L a- vaters Aufmerksamkeit erregte. Außerdem unter- hielt und nährte er durch fortgeseßte Lektüre die Be- kanntschaft mit den Dichtern der Römer. Bis an das Ende seines Lebens suchte und fand er fast täg- lih Erholung und Genuß in den flaßischen Schrift- stellern des Alterthumes und fast aller neuen Völker. Auf das Studium der Geschichte leitete ihn zunächst

seine diplomatische Laufbahn, allein auch darin ge-

wann er eine umfaßendere Ansicht, und die Geschichte blieb ihm nicht nur ein Abriß der politischen Ereig- niße, sondern sie zog ihn auch an als Gemälde des geselligen Zustandes aller Zeiten und Länder, durch die Annehmlichkeit und die Kraft des Vortrages, welche die Meisterwerke der Geschichte neben die edel: sten Blüthen der Dichkunft stellt.

Nach seiner Zurückberufung im Jahre 1791 ward der Verstorbene als Geheimer Legationsrath in das Departement der auswärtigen Angelegenheiten zu Berlin verseßt, und er begleitete als solcher den Ge- heimen Staats - und Kabinets - Minister, Grafen v. d. Schulenburg im Jahre 1792 auf dem Feldzuge am Rhein. Ferner unermüdet thätig in diesem Wir- kungsfreise folgte er im Herbste des Jahres 1806 dem Hofe und den höchsten Behörden nah Preu- ßen, und kehrte mit diesen erst zu Ende des Jahres 1309 nach Berlin zurück, wo er in Folge der be- schränkteren Thätigkeit, und der einfacheren Organisation des Ministeriums der auswärt. Angelegenheiten welche die Zeit erfoderte, einige Monate ohne Anstellung bei den laufenden Geschäften nur zu besonderen Aufträ- gen bestimmt blieb, und namentlich den General- Feldmarschal, Grafen von Kalkreuth, auf einer Sendung nach Paris begleitete.

Jm Julius des Jahres 1810 trat er wieder in volle Thätigkeit bei dem Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten mit dem Karakter als Geheimer Staats- rath, welcher in Folge der Verordnung vom 7. Febr. 1817 wegen der den Civilbeamten beizulegenden Amts- titel, ohne Veränderung seines Wirkungsfkreises in die Benennung „Wirklicher Geheimer Legationsrath““ ab- geändert wurde. Im Jahre 1215 folgte: er dem Staatsfanzler Fü:sten v. Hardenberg nat Paris. Seit dem glücklich daselbst geschloßnen Frieden ist er in Berlin bei der ersten Sektion des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten in einer achtungswerthen Wirksamkeit ‘geblieben.

Sein hohes Pflichtgefühl und eine unerschütter- liche Dieusttreue hielten den schwach organisirten Kör- per auch bei zunehmendem Alter und fortschreitender Kränklichkeit unter mühsamen, zum Theil mißlichen und undanfkbaren Arbeiten durch die Macht des Ge- müthes aufrecht; auch mit allmälig erlöschenden Kräf- ten unermüdet thätig hat er noch am Vorabende sei nes Todes seine gewöhnlichen Geschäfte verrichtet, und ist endlich ganz entkräftet zu den treuen Die- nern versammelt worden, deren innige Anhänglichkeit an das Königl. Haus, an ihre Dienstpfliht, und an ihr Vaterland in dem Gedächtniße der Zeitgenoßen, und als Beispiel für die Nachkommen lebt.

Sein edler Sinn für häusliche und gesellige Pflichten hat ihm auch außer dem Kreise seiner Be- rufsgeschäfte eine danfbare Anerkennung und ein rühm-: lihes Andenken erworben. Scine erste Ehe wurde bald durch d:n Tod getrennt. Aus der zweiten glück- lichen Verbindung is eine trauernde Witwe zurüdckge- blieben; aber ein hoffnungsvoller Sohn, die einzige Frucht derselben, ist dem Vater längst vorangegangen.

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: Ueber die Jury.

/ Die Verordnung Sr. Majestät, daß die Franzö: sische Gerichtsverfaßung im Grosherzogthume Nieder: Rhein bis zur Vollendung der Revision des gericht: lichen Verfahrens für die gesammte Monarchie beibe- halten werden foll, verbunden mit der Organisation eines Rheinischen obersten Gerichtshofes in Berlin, führt das Intereße an den Erörterungen über die Oeffentlichkeit des gerichtlichen, besonders des peinli- chen Verfahrens und namentlich über die sogenannten Geschwornen : Gerichte auch für die andern Provinzen des Staates näher.

Ueber die Oeffentlichkeit dürfte man si leicht vereinigen, shwerer über die Geschwornen, deren Institution in den älteren Provinzen der Monarcbie im Allgemeinen weder als Bedürfnis, noch als Wohl- that anerkannt wird *).

Es ist hier nicht der Ort, für die eine oder die andre Meinung in die Schranken zu treteu; dagegen scheint es an seiner Stelle, den eigentlichen Streit- punkt, der nicht überall deutlich aufgefaßt ist, anschau-

») Daß die Engländer und die Franzosen in der Jury Eins dexr Palladien ihrer politishen und ihrer búr- gerlihen Freiheit erblicken , begreift sich leiht, Wenn die Baierschen und Badischen Stände diese Institution begchren, so dürfen wir den Wunsch ihrer Kommitten» ten vorausseßen, und eben deshalb einen Mangel der gerihtlichen Verfaßung, der dem Volke fühlbar gewor- den. Bei uns hat die Ueberzeugung von den Vorzú- gen unsrer Justizverwaltung so tiefe Wurzel gefaßt,

lih zu machen, und die unter dem nicht - retsver-. ständigen Publikum ziemlihch verbreitete Meinung zu berichtigen, als komme es nur darauf an, daß in Stelle gelehrter und ausgelernter Richter, zwölf ungelehrte, obwol sonst verf:ändige und redlihe Siandesgenoßen ein Le lis

Im Wesentlichen wird es schon gnügen, die Ver- schiedenheit des Verfahrens tande n.

1. Wenn nah den Formen unsrer Kriminalord: nung das Verbrechen gerichtlih untersucht ist, und das Urtheil über den Angeklagten nunmehr gefällt werden sol: so ertennt das Gericht sowol darüber, ob der Angeklagte das Verbrechen begangen habe, als auch, welches Strafgeses auf den Verbrecher anzu- wenden sey ?

Das Urtheil des erkennenden Gerichtes: ob-- der Angeklagte der That schuldig ? wird durch die Beweis- formen bestimmt, weiche die Kriminalordnung vors

schreibt.

Diesen Beweisregeln zufolge ist das Gericht ver- piitehe den Angetlagten der That schuldig zu er- ären :

daß s{werlich einer unter uns gefunden wird, der, wenn er s{uldlos in cinem peinlihen Prozeße befangen wäre, sein Shicksal nicht mit Vertrauen einem PreUs ßishen Gerichte übergäbe , und nur mit Zittern einer Jury. So wenig aber aus bder Vorliebe der Englän- der für die Jury gefolgert werden kann, #o wenig dürfen wir unsre Vorliebe für unsre Einrichtungen gegen die Jury anführen.