1819 / 48 p. 1 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung, Tue, 15 Jun 1819 18:00:01 GMT) scan diff

a) auf sein eignes vor gehörig heseztem Kriminal-

gericht abgelegtes Geständniße;

b) auf díe Aussage zweier über alle Einwèndungen

erhabener Zeugen ;

c) auf eine vom Angeklagten anerkanntè Urkunde ;

d) auf ein mit den geseßlichen Erfodernißen verse:

henes Gutachten von Kunstverständigen.

Fsstt keins dieser Beweismittel vollständig vorhan: den, so kanù der Angeklagte der That für überführt nicht geachtet werden, es entsteht aber mehr oder minder Wahrscheinlichkeit, je nachdem sich die vorhan- denen Beweise mehr oder minder der Vollständigkeit náhèrn. So gehört es z. B. zu den nahen Anzeigen, die eiten dringenden Verdacht begründen, wenn @ in vollgütiger Zeuge die Hauptumstände eines be: gangenen Verbrechens aus eigner Sinnes : Erfahrung eidlich ausgesagt hat. Tressen mehre Anzeigen Über: einstimmend zusammen, und werden sle durch den Karakter und die Lebensweise des Angeklagten unter: stüst, so is ein hoher Grad von Wahrschein: lichkeit vorhanden, fonst aber nur ein Verdacht. Ob Eins, oder das Andere, muß der Nichter vernünf: tig beurtheilen»

Ein hoher Grad von MWahkrscheinlithkeit zieht eine außerordentlihe vom Richter zu er- meßende Strafe nach sich. i

Ein Verdacht begründet die v orläufige Los: sprechung (auch Absolution von der Fnstanz bis auf weitern Beweis genannt) doch hangt es von dem Uctheil des Richters ab, ob der Angeklagte unter polizeilihe Aufsicht zu stellen.

2. Das Verfahren na dec: im Großherzogthum Féo v RAT bestehenden GBerichtsverfaßung ist fol: gendes :

Wenn auf den Vortrag des General - Prokurators die Anklage: Kammer entschieden hat, daß ein Ver- brechen (eine That, dur welche eine Leibes - d entehrende, oder eine bloß entehrende Strafe verwirkt wird) vorhanden sey: sto verweist sie den Prozeß an den peinlichen Gerithtshof , welcher der Aßisenhof genannt wird und aus 5 Mitgliedern des Appellations: hofes als Richtern und aus 12 Geschwornen besteht.

Die Geschwornen find Jnwohner des Departe: ments, in welchem das Gericht gehalten wird. (Die Gesetze enthalten die Erfodernißè eines Geschwornen, worauf es für den vorliegenden Zweck nicht ankommt.) Der Aßisenpräsident, der älteste unter den 5 Richtern, erßäit zeitig vor Eröfnung der Sizung durch die Verwaltungs - Behörde ein Verzeichnis von 60 fähigen Fnwehnern, aus denen er 36 zur Sißzung einberuft. Zo Einberufene müßen wenigstens gegenwärtig seyn.

Aus diesen Eiùberufenen werben für den vorlie: genden Rechtsfall die Geschwornen mittels Loses ge: wählt. Sowol der Angeklagte, als der General: Prokurator können fie, bis auf die geseßliche Zahl von 12, verwerfen.

Vor der Zusammenkunft des Aßisengerichtes hat deè Präsident inzwischen- das Verfahren vorbereitet, indem er den Angeklagten und die Zeugen gerichilich ver: hört, einen Vertheidiger beigeordnet und deßen Unter- xedung mit dem Angeklagten veranstaltet hat.

F nun in vorbemerkter Weise das Aßisengericht gebildet, so wird zum offentlihen Verfahren geschrit- ten. Der Angeklagte wird in Gegenwart fämmtli: cher Riéthter, des Gerichts: Aktuars, der Geschwornen, des etwanigen Civilklägers, des General : Prokura- rors, des Vertheidigers und der versammelten Zuhs? cer über die Antlage vernommen. Ein Gleiches ge- \c;ieht mit den Zeugen, die einzeln und eidlich abge- hört werden.

-“ Geschrieben wird durch decn Afinar nur, wenn Zusätze oder Veränderungen in den Aussagen des N1:- geftlagten oder der Zcugen vorkcntien. Die Geschwor- gn éönnen für fich aufzeichnen, was sie erheblich inden.

Das Verfahren dauert ohne Unterbrechung fork, die zur Erholüng nothwendig erfoderliche Zeit abgerechnet.

|} nung, der auh darüber erfenut, ob der

Nach vollendetem Verhör des Angeklagten und der Zeugén ' wird der etwanige Civilkfläger und der General : Profurator gehört, dem der Augetlagte oder sein Vertheidiger antwortet. "Der Präfident beschließt die Verhandlung durch eine: summáärishe Darstellung der Sache, worin èêr die Geschwornen besonders auf die wesentlichsten Beweise der That aufraerksam macht, sie an ihre Pflichten erinnert, und die Fragen an sie richtet, welche sie über die That und die we- sentlichsten Umstände derselben zu beantworten haben.

Auf diesem Wege durch Anschauen und Anhören zu einem Urtheile über die That vorbereitet, faßen die Geschwornen, in einem besonderen Zimmer, ihren Be- {luß nach Mehrheit der Stimmen ab, und ihr Vor- steher spricht hienächst im Saale des öffentlichen Ver- hórs diesen Beschluß :„nicht shuldig! oder: sch ul- dig! vor der Versammlung aus. Im ersten F erfolgt die Loslaßung, im zweiten trägt der General: Prokurator auf Anwendung des Geseßes an, und das

- Gericht, wenn es zuvor die Vertheidigung des Ange-

flagten gehört, fällt das Strafurtheil.

Aus dieser Darstellung der beiden Verfahrungsaxs ten ergiebt sich die Verschiedenheit ihres Resultates.

Der Richter, nah der Preußischen Kriminalord: ( j Angeklagte der That schuldig sey, is durch das Gese verpflichtet sein Urtheil über die Schuld oder Unschuld des Ange flagten auf Beweise zu gründen, die das Geseh als

Schranken hinstelit, innerhalb deren seine Ueberzeus gung sih bewegen muß. i

Wenn z. B. zwei üunverwerfliche Zeugen überein- stimmend eidlich aus eigner Sinnen- Ansczauung verst: chern, daß der Angeklagte der Urheber der That sey: so muß der Richter nach unsrer Kriminalerdnung ihn schuldig erklären, und das Strafgeses, welhés auf die That angedrohet worden, auf ihn anwenden. Die Méglichkeit eines Sinnen- Jrrthums, eines falschen Zeugnißes darf sein Ur:heil nicht bestimmen.

« ‘list-Ein unverwerflicher Zeuge aufgetreten , eine nahe Anzeige vorhanden, und der Richter muß den Angeklagten der erfláren. Das auf die Begehung der That geordnete Strafgeseß darf er zwar nicht anwenden, aver er muß,

liche Strafe zuetkenneù.

Allgemeine

Preußishe Staats - eitung,

Falle

That dringend verdächtig auf Franzöfische Leser eingeschränkt, muß

Jst auch dieser Eine Zeuge nicht über allen Zioei- fel erhaben, und der Angeklagte fann seine Unschuld *

nicht vollständig erweisen : so wird er vorläufig losge-

sprochen und nah Befinden der Umstände unter po- lizeilichè Aufficht gestellt.

Ganz anders die Geschwornen.

_ Erstens. Jhre Ueberzeugung ist durch feine Schranken geseblicher Beweisformen, nicht durch das eigne Geständniß des Angeklagten, nicht durch die Anzahl und Eigenschaft der Zeugen, nicht durch an- dre Beweismittel begránzt. Die eigne deutliche Ans und Einsicht der That, die sie während des öoffentlis chen Verfahrens erlangten, ist die Vorschrift, nach der sie, ihrer gewißenhaften Uedèrzeugung gemäß urtheilen.

Zweitens. Jhr Urtheil muß sich über Sthuld oder Schuldlosigkeit bestimmt aussprechen, und kann sich mit feinem „verdächtig!“ durhhelfen. Außeror- dentliche Strafen wegen dringenden Verdachtes und Lossprehung von der Jstanz finden daher nicht statt.

Die Einführung der Jury is hienach wesentlich mit der Abschaffung unsrer Beweistheorie verbun-

den. Jn ihre Stelle tritt die subjektive Ueberzeugung wenn sie von der Schuld des

der Geschwornen, welche, Angeklagten in ihrem Gewißeu nicht liberzeugt sind,

ihn lossprehen müßen, ohne, wenn sie auch von sei- À ner Unschuld uicht Überzeugt seyn sollten, ein Straf: wie in solchem

S e Weis

indem er den

urtheil über ihn fällen zu fönnen,

Falle der Richter nah der Preußischen Kriminalord-

nung berechtiget und verpflichtet ist,

Angeklagten in eine außerordentliche Strafe verurtheilt. (Die Fortsegung folgt.)

f lichkeit ais Gegengewi

so is Schreckens gewesen, und auch zuleßt

A |

wegen dieses dringenden Verdachtes, eine außerordents !

ed E E T i

F

4g Stü, Berlin, den 15ten Junius 1819.

18 O eie T E

1. Amtliche Nachrichten.

Kronik des Tages.

Berlin, vom 15. Junius. Der und Stadigerichts - Uktigirius Bisping zu Horsimar

Der bisherige Land: |

ist zum Justiz - Kommißarius bei den Unbergerichten in dem Departement des Oberlandesgerichts zu Müún- ster bestellt worden.

E K H OOD R E E

II, Zeitungs-Nachrichten.

A usland.

aris, vom 5 Junius. Nachdera endlich auch das Budjet für das Ministerium des Jnneren in der De- putirten: Kammer vollständig angenommen worden, schritt man zu dem Budjet für das Kriegsministe cium. Je mehr seit sieven und zwanzig Fahren ros reichs Kriegsmacht für das ganze part C ewu ? stand des Erstaunens, der a nachdem je glúlich überwunden und in i bührendes Vcaas le Fégedracht worden, immer der Gegen an ht e tung geblieben ist: desto allgemeiner. un Au Jute n dem gegenwärtigen Kriegszustand Frank: Sd und an ille dem seyn was für die Herstellung und Bildung seiner Armee gethan wird. Q auch die verschiedenen Ansichten, die darüber in der epu: tirtenkammer bei dieser Gelegenheit zur Sprache ge: kommen, zwar nicht so a als sie es MAtep ne, aber doch soviel als es der Raum dieses B aues gestattet, hier näher erwähnt werden sollen. Die A E jorirát der Kommißion zur Prüfung des Budjets hatte auf die unbedingte Annahme, desselben angetragen, aber ein Mitglied derselben, der Herr von Salis, hatte cine abweichende Meinung, und sagte unter F dern : Obgleich der Sib der größten Ausgaben n em Kriegs : Departen:ent sey, so dürfe man ste e aum antasten, wenn man nicht die Sicherheit, des e gefäh lf Millionen weniger bewi igt legt sogleich seine Verantwort- cht in die S LAN, 7A auch nichr ein Mann, nicht ein Pferd, n ei - n s gestrichen; nicht eine Reparatur zur P festen Plätze ihm versagt werdenz aber da 818, acht Millionen erspart und doch 1819 eben st0 wirth schaftlich verfahren würde, so könnten wohl acht Millionen Franks von der vorgesh1agenen Ausgabe für das laufende Jahr vorläufig in Abreh- nung kommen. Dem Grafen la Bourdonnaye

éinem Hauptsprecher der Ultras, war diese Herunter: E Bade A gering, er stimmte auf nicht r àls 170 Millionen Fr. Der wesentliche Jnhalt seiner viele Bewegungen des Misvergnügens auf der lin- ken Seite und im Centrum verursachenden Rede war: Nicht wie viel T Frankreich halten könn è, sondern wie vie en müße, davon sey

. . . . Q T: die Rede; die gegenwärtige politische Stellung Fran reichs sey Lan Aen in der Geschichte, nicht in der

Art und Weise des

beweglich und veränderlich;

Routine einer gewöhnlichen Politik müße man Be: lehrung über das zu beobachtende Verfahren suchen, sondern sie ganz aus dem eigenthümlichen Zustande der Dinge s{öópfen. Zweimal wäre Frankreich dur den Beistand Europas von dem Joche einer gewaltsa: men Herrschaft befreit ; die fremden Mächte hätten dadurch, daß sie ihre Truppen gänzlich zurückgezogen und Frankreich znr heiligen Allianz zugelaßen , einen Beweis gegeben, daß ihnen an deßen Jutegrität und Gewicht in Euro"a selbst gelegen sey. Die Vermeh: rung .der Armee und zwar durch die angenommene

Rekrutirung3geseges sey daher nicht zur Sicherheit Frankreichs nöthig, sondern be- drohe sie im Gegentheil, bedrohe die Sicherheit und Ruhe des ganzen Europa. Denn durch jene Kompoe sition der Armee, durch die Art des Avancements käz men an ihre Spibe alle die Männer, welche sie bis an die äusersten Gränzen Europas geführt, Männer, welche die Mojorate gern wieder erwerben möchten, die sie durch die Friedensverträge verloren; und gerads dann, wenn man die Armee so unmäßig vergrößere, daß dadurch ihre Unterhaltung fast unmöglih und in jedem Falle die Besoldung eines Jeden sehr gering auss fallen werde, müßte jener Geist der Erorberung und des Gewinnes um so mehr gereißt und entflammt werden. Umsonst würde man si verhehlen, daß in Frankreich der Hauptsis jener den Thronen gefährlis chen Lehren sey, daher alle Blicke der Souverains auf Frankreich gerichtet blieben; und darum sey man um so mehr der Ruhe Europas, der Erhaltung der herge: steliten Ordnung und der Legitimität eine beträchf- lichen Verminderung, der Armee schuldig.

Gegen diese Ansicht erklárte sih zuerst der Gra Hautefeuille, und sagte unter andern: ,„Dbm o man gar nicht die wohlwollende Politik der Europäi- schen Souverains in Zweifel ziehen dürfe, so wäre doch ein blindes Vertrauen darauf unverzeihlich , und stritte gegen alle Lehren der Geschichte; alie Politik sey

was alle große Mächte thäten, und sie alle unterhielten große Armeen, müßte Frankreich seiner Ehre und seiner Sicherheit wegen auch thun. .

Benjamin Constant aber griff den Grafen La Bourdonnaye vornehmlich wegen der Behaup- tung an: daß in Frankreich der Heerd und Mittel- punkt eines revolutionairen, dem ganzen Europa ge: fährlichen Geistes sey. Frankreich , sagte er, ist nicht revolutionair, aber tonstitionell it es mit hervorleuch: tender und einiger Willenskraft.