1819 / 77 p. 2 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung, Sat, 25 Sep 1819 18:00:01 GMT) scan diff

musten, um ihre Habsucht zu sättigen, die Auflagen verdoppeln, Anleihen machen, dem Reichen seinen Ue- berfluß, dem Armen auch das Nothdürftige entziehen; wir musten unsern würdigen Verbündeten, um sie los zu twerden, eine goldene Brücke schlagen, die sie mit sh hinwegführten. ‘’ (Das Gedächtnis hat diesen Tagschriftsteiler ganz verl aßen, oder er hat nie etwas von den Feldzügen seiner Landsleute in Teutschland, Ftalien, der Schweiz, Spanien, Preußen, Polen, Ruß- land gehört, nie gelesen, wie die Feldherrn Frankreichs ihre Degen in die Wage der Gerechtigkeit gelegt, wié Frankreich 1init dem Raube eller Länder sich gemästet. Nicht den zehnten Theil deßen, was sie geraubt, ha: ben sie im Frieden erstattet. Daß die Französische Induftrie sich leicht gehecben, is gar nicht zu verwun: dern, denn sie hat sehr wenig gelitten, und die wih- tigsten Gegenstände fanden während der Kontinental- Sperre Bonaparte’ s einen reicheren Markt. Welche Fabrik haben die Feldzüge der Verbündeten in den Jahren 1814 und 1815 zerstört ?)

Die Wahlen der neuen Deputirten sind nun voll- endet, doch erst zum Theil bekannt. Es har nicht den Anschein, als ob sie im Sinné der Minister geschehen ; aber auch die Ultraliberalen dürften sich niht überall begünstiget halten, obwol die sogenannten Ultra : No: yalisten noch weniger. Unter den neu- oder wieder: gewählten Deputirten zeihnen wir jeßt nur aus: die Herren Becquez,Courvoisier, Beugnot, Lam- brechts, Gregoire, den Gen. Lieut. Grafen Fo y, S avoie- Rollin, Gr. François von Nantes. Von den bis jeßt bekannt gewordenen 58 Depurtirten sind 17, welche in den Listen unsrer. liberalen Jour- nale stehn; 12 sind Präfidenten der Wahl . Kollegien, mithin im Sinne der Regierung; 9 gehören feiner Liste an. Am wenigsten ‘durften die Herren Lam- brechts und Gregoire den Ministern in einem Au- genblicke gefallen, wo ein interimistisches, von den Li- beralen bereits angefohtenes Konkordat zur Kenntnis und Berathung der Kammer kommt ; der erste nicht, weil ec als ehemaliger Profeßor des kanonisehen Rech: tes die Quellen der päpstlicen Befugniße erschöpft hat; der andre nicht als das befannte Haupt der Jan- senisten. Die Herren Etienne und General Ta: rayre, Fievée und Canuel, die ersten beiden von den Liberalen, die andern beiden von ihren Gegnern empfohlen, sind durchgefallen, obwol sie zum Theil viele Stimmen erhielten.

Die so eben erschienene Uebersezung des Englischen Werkes des berüchtigten Profeßor Hobhouse „Ge- schichte der 100 Tage ‘' ist wegen ihres ärgerlichen In: haltes vom General - Prokureur konfiscirt worden.

Seitdem der feierliche Aufzug Hunts in London, die revolutionairen Toasts, der Gesang der Marseiller Hymne 2c. hieselbst bekannt ‘geworden, will man sich überreden, daß die Reformers die Absicht hätten, Bo: naparte an die Spige der Englischen Angelegenhei- ten zu stellen. Man segt diese Meinung in Verbin: dung mit der Weigerung der Englischen Regierung,

die Gráfin Montholon ans Land kommen zu laßen. Sie ist mit einem Sohne von 10 Jahren und eini: gen in St. Helena gebornen Töchtérn auf Niederlän- dishem Boden angelangt. Nach ihrer Erzählung ist Bonaparte gesund. (Die Englischen Minister m&- gen den Reformers alles Erfinnliche zutrauen, aber Besorgniße hegen se deshalb schwerlich.)

Der Minister des Juneren vexhelt sich nicht, daß die Eilfertigkeit der telegraphischen Depesche vom 12. Mai 1816, welche die Begnadigoungen in Grenoble ver- weigerte, einer vollständigern Rechtfertigung bedürfe. Er theilt deshalb zwei. von ihm an den Präfeêten des Jsere - Departements erlaßene Verfügungen vom 6. Mai und 10. Jun. 1816- mit, aus deren erster sih ergiebt, daß der Gen. Donadieu dem Auf: stande eine übertriebene Wichtigkeit, gegen beßeres Wißen beigelegt, indem er die Anzahl der Rebellen auf 7000 angegeben ; daß er berichtet, mit ihnen ein so blutiges Gefecht bestanden zu haben, daß der Bo- den 1 Lieue umher mit ihren Leichen bedeckt sey ; daß 4000 Piemonteser ihnen zu Hilfe zögen u. d. gl. Nux auf den Grund dieser angezeigten Gefahren habe der König unerbittlihe Strenge eintreten laßen, da man aber die Täuschung hinterher erfahren, sey der Präz- feët aufs nachdrüdcklihste zurechtgewiesen worden. Daß aber die Polizei nicht beßere Nachrichten hatte, wird immer befremden.

Auch Bertrand Guesclin soll ein Denkmal erhalten, und zwar an seinem Geburtsorte Broous im Kreise Dinant, in der Bretagne. i

Herr Cornuaille hat auf Stahl in erhabener Arbeit eine Banknote verfertigt, die sich unter den typographischen Kunstwerken der Aus tellung auszeich- ner. Der Moniteur behauptet, daß sie unnachahmlich und Frankreich das einzige Land sey, wo man das Papiergeld in einer Vollkommenheit, die jede Verfäl- shung unmöglih mache, verfertige. (Wir erlauben uns nach so vielfáltigen Erfahrungen einigeh Zweifel.)

Der Graf Rostopscchin widerspricht der Nach- riht, daß er das Haus des Marschal Ney gekauft habe. Er verbittet sich bei dieser Gelegenheit den Ti- tel eines Vertheidigers von Moskau, welches Nies mand vertheidiget habe, und hade vertheidigen fönnen.

Die junge Königin von Spanien wurde am 14. d. auf ihrer Reise zu Beaune erwartet. Zu ihrem feierlihen Empfang ist an der Spanischen Gränze Al- les in Berrcitschaft.

Herr Cuvier unterzeichnet vorläufig die Ver:

fügungen der Kommißion für den öffentlichen Un: terricht.

London, vom 17. September. Der Prinz Regent empfing heute die Adreße des Gemeinderathes der City,

und äuserte sein Mißfallen über deren Jnhalt. „Zu |

einer Zeit, wo übelwollende Lärmschläger sich thätig

bestreben, die Gemüther zu erhißzen und sie durch die . verwegensten und hinterlistigsten Mittel von ihrer

Pflicht gegen den König und die Verfaßung abzuwen-

den, follten die Obrigkeiten sich vor allem der Erhal- tung der öffentlizen Ruhe befleißigèn. Der Gemein: derath müße die der Versammlung in Manchester vor: hergegängenen Ereigniße gar nicht und nur unvollsiän: dig diejenigen kennen, welche sie begleitet. Sollten bei der Ausführung der geseblihen Maasregeln die Ge- seße verleßt worden seyn, so ständen die Gerichte des Landes zur Remedur offen; außergerichtliche Unter: fuchung dagegen anzuordnen sey mit den flarsten Grund sägen der öffentlichen Gerechtigfeit nicht zu ver- einbaren.‘'

Die rechtlichen Bewohner der Hauptstadt wollen dem Prinzen Regenten eine Adreße gegen die Volks: versammlungen überreichen. Von der Stadt Oxford ist solche Adreße schon eingegangen.

Unsre Zeitungen sind noch immer mit der Frage über die Geses- und Verfaßungsmäßigkeit solcher Ver- sammlungen beschäftigt. (Wie dem auch seyn möge,

fo sieht man wol ein, daß eine Zusammenkunft von

50, 100, 200,000 Fáusten, der öffentlihen Ruhe und Ordnung sehr gefährlich werden fönnez; allein welche Berathungen für die bsfentlichèé Wohlfahrt sie anstel: len, welche für die Staatsverfaßung wohlthätige Be- {lüße von ihnen gefaßt werden können, ist gar nicht zu begreifen. Eine Staatsverfaßung, die solche Ver: fammlungen für gese6mäßig erklärt, scheint wenigstens keine liberale zu seyn.)

In der Gegend von Glasgow hat eine von der Obrigkeit vorher für ungesehmäßig evklärte Volksver- sammlung statt gehabt, wobei einige Konstabler schwer verroundet worden.

Jn Dublin und einigen benachbarten Städten hat die Regierung durch Verstärkung der Wachèn und durch das Patrouilliren der Reiterei Vorsichtmaasregeln ge- troffen.

Hunt hat vor einigen Tagen einen feierlichen

Einzug in London gehalten. Eine große Menschen- maße begleitete den Zug. Man bewegte über seinen Kopf eine große rothe Fahne mit der Jnschrift „„Frei- heit oder Tod.‘! Jun der Kron - und Anker - Taverne war ein großes Mahl von seinem Anhange bereitet. Burdett, Wilfon, Wolselei u. a. bekannte Re- formers nahmen jedoch keinen Theil. Die Trinksprüche waren in ganz revolutionairer Form; auch wurden die Französischen Freiheitgesänge angestimmt, doch weiter keine thätlicen Unordnungen begangen. (Sir R. Wilson konnte auch keinen Theil nehmen, weil er am 14. d. noch in Paris war.) Unser neuer Gesandter nah Rio Faneirò , Herr Thornton, hat sich am Bord des Superbe einge: schift. Mit diesem Linienschiffe von 78, dem Vengeur von 94 und dem Hyperion von 32 Kanonen is der Kommodore Hardy in See gegangen. Seine versie- gelten Befehle soll er auf einer gewißen Höhe eröf- nen. Die Schiffe sind kriegerisch ausgerüstet, und bemannt.

Nach amtlichen Berichten àus Augufturàa vom 8. Jul. haben sich die Jusurgenten : Generale Bolivar

und Santander vereinigt um auf die Hauptstadt von Neugranada, Santa Fe de Bogota vorzurücken. Die Spanier haben in diese Stadt ihre ganze Macht, bis auf 600 Mann geworfen. i

Durch Briefe aus St. Thomas von Oronoko wird die Einnahme von Barcelona dur die Insurgenten bestätigt.

Madrid, vom 1. September. Die Gesundheits- Funta sagt in einer Bekanntmachung vom 22. v. M. daß in St. Fernando auf der Insel Leon. (1 Meile etwa von Kadix) sowol in den Militairhospitälern als unter den Jnwohnern eine Krankheit ausgebrochen sey, die man als das gelbe Fieber mit allen ihm eiz genthümlichen Kennzeichen erkannt habe. Sie hat alle ihr zu Gebote stehende Vorsichtmaasregeln angewens det, um einer Verbreitung des Uebels zu begegnen, doch ist man hier in großer Besorgnis und glaubt, daß der Abgang des Kriegsgeschwaders nah Süd: Amerika dadurch verzögert werden dürfte. Unsre Hofzeitung verfichert dagegen, daß nicht das geringste Zeichen von zu besorgender Ansteckung auf allen KÜs= ten des Landes vorhanden sey. Von andern Seiten wird gemeldet, daß die Truppen scleunigst entfernt und nach Estremadura geschickt wörden.

Nach Französischen Nachrichten is unt Kadix ein Kordon von 5 Meilen im Umkreise gezogen und alle Gemeinschaft mit dieser Gegend abgeschnitten worden, da man voraussezt, daß die Krankheit auch die Be- wohner von Kadix schon angesteckt have. j

Frankfurt am Main, vom 15. September. Der teutsche Handels - und Gewerb - Verein hat ge- stern unter dem Vorsige seines provisoristen Borste- hers, Herrn Sch nell, seine zweite, sehr zahlreiche Zu- sammenkunft gehalten. Der Vorsteher bezog sch, um die Versammlung von dem gegenwärtigen Zustande: des Vereines und!’ von dem, was der Ausschuß seit der leßzs ten Meße geleistet, in Kenntnis zu sehen, auf die am:- lichen Berichte, die in der vom Herrn Prof. Lis re- digirten Zeitschrift abgedruckt sind, æœdbei er bemerfte, daß auch der antipiratische Verein in Hamburg mit der Geselischaft in Verbindung getreten sey, und der Handels - und Fabrikstand der Preußischen Rhein- lande von mehren Seiten her sich zum Beitritt ge- neigt erklärt habe. Jn ganz Baiern, Sachsen, Wür- temberg, Baden, Heßen und Naßau werde nicht leicht ein Kaufmann oder Fabrik - Jnhaber von Bedeutung gefunden werden, der nicht schon der Gesellschaft an- gehöre. An den Höfen dieser Länder habe die Depu- tation des Vereines die erfreulihste Aufnahme und die bündigsten Zusicherungen erhalten. Aber die Noth fey groß, und wenn die Hilfe nicht zu spät kommen solle, müße sie bald kommen. Diese Meße habe den teut- schen Handels - und Fabrikstand aufs Aeuserste ge- bracht ; die nächste, wenn sie nicht beßer sey, werfe ihn zu Boden. Es müße daher bei der Bundesver: sammlung dringend um Hilfe gebeten werden, wozu ein Entwurf mitgetheilt, auch angetragen wurde, eiñe