1819 / 78 p. 2 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung, Tue, 28 Sep 1819 18:00:01 GMT) scan diff

Feinde, ihre Kräfte zu sammeln. Und Jhr beklagt Euch, daß der Léwe brüllt, den Jhr gereizt habt. Ihr, die fich zu behaupten nicht entblöden, daß die Parthei der Minister beinah null sey, wie haben Euch beinah alle Wähler in den Depar:ements der dritten Reihe ge: täuscht! Begreift Jhr jeyt, daß Jhr null seyd, daß es Euer Glaube ist, den Frankreich verworfen hat ? Aber ich kenne Eure Antwort „das Wahlgeseß muß solche Früchte tragen.“ Kommt von diesem Jrrthume zurúck! nicht das Wahlgeseß, nicht die leeren Ge- schwäte der Minerva, des Jndépendant und der gan: zen Sekte sind Euer Verderben ; aber das Andenken an Alles, ‘so Jhr gethan, aber die täglich fich mehrenden Zeichen von allem, was ihr zu thun im Sinne habt. Jhr beschuldigt das Wahigeses ? segnet es vielmehr. És entfernt Feinde von Eu, die auf Eure Libelle nicht mit Vernunftgründen antworten würden ; es zügelt eine heftige, leidenschaftlihe Volksmenge, die noch voil ist von den Erinnerungen ihrer Schmach und ihrer Leiden. Hat Euer Widerstand nicht jederzeit den Strom noch ungestümer angeshweilt? Würden diese Tage des Schreckens, deren Jhr so gern gedenkt, die uns mehr Seufzer gekostet als Euch, ohne den Eigensinn Eures Hochmuthes über Frankreich gekommen seyn? Jhr habt ihre Greuel hervorgebracht ; Jhr habt die Wahlen veranlaßt, die Euch in Zorn seßen. Erntet also die Garben, deren Saat Jhr gestreut habt. Aber nein, man wird Euch z#@ diefer Erndte nicht kommen laßen. Diese Parthei, wenn Zhr denn eine Parthei haben wollt, die Parthei des Königes und des Voltes, nur der Ro- yalist und nur der Liberale hat Euch wider Euren Wil- len gerettet und wird Euch wider Euren Willen noch einmal retten, 1c,‘ Dagegen erklärt nun Herr Benj. Constant an seinem Theile (in einer früheren Nr. der Renommée), daß ex zwar die Parthei des Herrn von Chateaubriand weit mehr fürchte, als die Mini- ster und Ministerielien, weil es denn doch beßer sey, sich übel zu befinden, als ganz und gar zu sterben: daß es aber doch ein Drittes, die Gesunoheit, gebe, und daß sich die politische Gesundheit Frankreichs nur bei den Liberalen, bei den unabhängigen Anhängern der Verfaßung befinde. Denn die Minister hätten ket: nen andern Gedanken, als die Erhal¿ung, wo möglich die Erweiterung, ihres Ansehens ; sie swlößen sich weder den Leuren von 1815, noch den Lideralen an. Die Ei- nen fürchteten sie als gefährliche Mitbewerber um ihre Pläge, die Anderen als unbequeme Vertheidiger von Grundsäzen, durch welche sie besHränft würden. Sie wünschten sich von beiden los zu machen, und sich in der Kammer eine gutrillige Mehrheit zu af:

fen, und deshalb schmeielten sie bald der Volks: Dp:

position gegen die aristokratische, bald dieser gegen jene. Daher sey denn auch die Veræœaltung auf den alten Fuß geblieben, schwankend, ränkevoll, willkürlich. Eine Menge bedeutender Sinekuren seyen geblieden, welche so vershrien sie auch seyen, gar nicht angetasiet roerden dürften, indeß die Gewalt, den mœmechselseitigen Haß und die Besorgniße der Partheien benußend, von einem gelehrigen Schwarme umgeben ihren Weg ver- folge, das Gute verschiebe, das Schlechte bestehen laße, die verhcißenen Einrichtungen nur halb gewähre, und darin jederzeit etwas Mangelhaftes verstecke, wo- durh sle unnüß oder kraftlos würden. Alle subal- terne Beamte von 1815 wären noh auf ihren Stel: len, die damals unterdrückren Bürger fänden feine Genugthuung, das Verwaltungssystem von 1815, wenn es «auch éäuserlicy von den Ministern und einigen Prä: fekten gemißbilligt sey, werde noch immer von den Maires und ihren Gehilfen, und von den Unterprä- fekten als Geseg befolgt, weil die Minister alle Or- gane der ultraroyalisiischen Parthei zu schonen beflis- sen wären, u. d. gl. (Fs diese Schilderung ge- gründet, so ift Herr B. Constant von dem Zustande der Verwaltung in anderen Ländern sehr schlecht un- terrihtet, wenn er behauptet, daß der Zustand Frank: reichs dennoch der be ste sey.)

Dem Herrn Gregoire geschieht übrigens unrecht,

| wenn er zu den Königsmördern gezählt wird. Er

war notorisch und erwiesen auf einer Sendung in Amtsgeschäfien abwesend, als der Konvent das To- desgurtheil sprach; und es ist theils gar niht beseiz nigt, daß er dieses Urtheil schriftli gebilligt, theils könnte eine solche spätere Erklärung eine Theilnahme an dem schon vollzogenen Urtheil gar nicht genannt werden. Schon fcuher sogar hatte Grego1ire im Konvent allgemein auf Abschaffung der Todesstrafe angetragen. Gewiß is dagegen, daß er von Anfang an si zu streng republifanishen Grundsäßen be- kannt, und daß er zu den wenigen gehört, die auch während der Bonapartisch en Herrschaft diese Grund: säße nicht verläugnet haben. Der ultraroyalistischen Parthei ist der ehemalige Bischof von Blois als ein entschiedener Gegner des Pavbstthumes verhaßt, obwol auf seinem religiósen und moralischen Karakter kein Flecken haftet. Den Zorn der doktrinairen und mini- steriellen Parthei über seine Wahl kann man nur ein Spiegelgefeht nennen, da die Mini;ier im Ernste nicht besorgen fönnen, daß der nun son bejahrte Mann der bestehenden Verfaßung durch seinen Einfluß und seine Rathsculäge gefährlich seyn werde.

Das Departement der Untrer-Seine hat mei- stentheils Kaufleute von Änsehn gewahlt.

Unsre Blätter bemerkten, der Gelehrsamkeit teut: scher Zeitungen folgend, daß der Ursprung des in ei- nigen teutsczen Städten bekannt gewordenen Losungsx wortes zur Plünderung Jüdischer Häuser in den 3ei- ten der Kreuzzüge gesucht werden raüße. (Ohne den Fundgcuben des Vrientes uud der Erklärung alter Münzen aus den Zeiten der Tempelherrn vorgreifen zu wollen, glauben nir mit Anderen meinen zu kon- nen, daß das Hep, Hep ganz teutschen U-sprunges, daß es Heb”’, Heb?* geschrieben werden müße, und dasselbe sey, was wir hiesigen Ortes halt, halt nen- nen. Denn in einigen Gegenden Teutschlands, (na- mentlich auch, wie wir glauben, in Würzburg) rwoird das Wort heben gebraucht, wo wir halten sagen. Wir besien es noch in aufheben, arrêter).

Unsre Zeitung, der Independant, sept die Preu- Fische Landwehr im Großherzothume Nieder - Rhein auf den Kriegsfuß, angeöliw na teutschen Blättern !! Ueberhaupr kommt der Unwißenheir, worin sich die meisten unsrer Zeirungen, besonders von der sogenannt liberalen Parthei, Über das Lusland und deßen innere Verhältniße befinden, nur die Dreistigkeit gleich, mit der sie darüber urtheilen. ;

Unsre Politiker beharren dabei, daß die Nicht: Ra- tifitation des Florida: Traktates von Seiten des Kö- niges von Spanien ein Werk der Englischen Regie- rung sey, obwol die gegenwärtigen Verhältniße diese Meinung höchst unwahrscheinlie machen. Weit mehr dürfte dafür sich sagen laßen, daß der zwishen Spa- nien und den Nord : Amerikanischen Freistaaten hervor- gebrachte Zwiespalr zunächst die Vereinigung der Insel Kuba mit den Vereinigten Staaten veranlapen werde. Die Bewohner dieser Jnsel sind die autgeklär:esten der Spanischen Unterthanen in den Amerikanischen Kolonien, welches ihrer Verbindung mit den _Vereinig- ten Staaten, woselbst die Kinder der angesehenen und wohlhabenden Kubaner erzogen zu werden pflegen, zu- geschrieben werden muß. Dieser Aufenthalt läutert auch besonders ihre Religionsbegriffe.

Der General : Lieutenant Hax o hat die neuen Bes festigungs werke um Bayonne angeordnet. Die Regie- rung will nah unseren Blättern diesen Plat zu einem der festesten des Königreiches machen. /

Man klagt, daß seit einiger Zeit starke Desertio- nen unsrer Soldaten nach den Niederlanden statt finden.

Der Engländer Hobhouse erzählt in seiner kon- fiscirten Geschichte der 100 Tage die Schlacht bei Wa-

terloo also: „Napoleon war am 16. und 17. Jun.

Sieger; er grif am 18. die Engländer an und hatts ste bis 81 Uhr geschlagen, als 4 Garde - Bataillons, deren verzweifelter Angriff (was sezte die Sieger 1n Verzweiflung ? ) auf die Englischen Batterien zurü«

geschlagen wurde, eine allgemeine Verwirrung verur:

sachten. Die Französishe Armee glaubte, daß die alte

Garde zurückgeschlagen sey; man wiederhotte es überall,

und diesem Geschrei folgte bald ein anders: wer fann,

rette sich! Die ganze Armee begab sich auf die Fiucht ; vergeblicy suchte die alte Garde (die doch auch zur ganzen Armee gehörte) sie aufzuhalten; fe ward von der Masse der Flüchtlinge mit ffortgerißen. Alles stürzte sih auf ven Vereinigungspunkt und es erfolgte die vollständizste Niederlage.‘ Auf den Titel wird die- ser Geschichtaschreiber Profeßor am Trinity- Kollegium zu Cambridge genannt (hoffentlich nicht der Geschichte).

Mana kann den Geist des ganzen Buches nach dieser Probe beurtheilen. Zu den Reformers gehört Herr Hobhouse bekanntlich, als ein Klient des Sir Fr. Burdett.

Der König ist von dem Gichtanfall völlig herge: stellt und hat wiederum die Ausstellung besichtigt.

Der General Taravre ( der anfangs als nicht gewählt angezeigt wurde ) ist 1m Departement Unter-

Charente doch gewählt worden. Unter den neuen De: putirten zählt man fünf zur rechten Seite der Kam- mer. Den Ministern räumen die Liberalen sechs ein, die Übrigen eignen sie sich zu. Nur über den Admiral Halgan herrscht Ungewißheit.

Das Journal des débats richtet seine Angriffe febt unverßolen auf die Person des Ministers des Ju- neren. Dagegen wird es von dem Journal de Paris aufgefodert, sich Über die chrlose Anschuldigung, daß dieser Minister selbst die angebliche Verschroörung der Patrioten im Jahre 1816 erfunden und ausgeführt habe, unumwunden zu erklären. Es bemerkt, daß der Verfaßer des Aufsaßes im Journal des débats im Jahre 1816 selbst den Posten eines General - Sekre- tairs im Polizei : Ministerium bekleidet hade, daß also ihm die Sünden der Polizei zur Last falen würden, die er anflage. Es mag seyn, daß die Minister des Königs bei allgemeiner Freiheit der Preße den Schmä- hungen der Libellisten nicht entzogen werden können, nur scheint doch, als ob die Libellisten dieser Art si den Namen dex Royalisten zur Ungebühr beilegten. Denn nur das Vertrauen des Königes hat die Mini- ster zu ihren Stellen gerufen, und die Liebe für den Kögig wählt andre Formen und eine andere Sprache, als die einer Schmähschrift. Auch scheint ihre Leiden- schaftlichkeit übersehen zu haben, daß die wahren Freunde des Königes und des Königthumes einen unläugbar sehr gewandten Staatsmann durch die heftigen Schritte des unversöhnlichsten Haßes nicht in die Nothwendig- keit seßen würden, sich ohne Nükkehr in die Arme ihrer entschiedensten Gegner zu werfen, und eben da: durch auf den König und das Königthum den Streich zu lenken, den sie abwenden zu wollen sich das An- sehn geben.

_ Es is ganz ungegründet , daß Madame Mansfon eine Pension erhalten habe, wie einige Zeitungen ver- sichern. Nur für ihren Sohn hat die Regierung durch Ertheilung eines Stipendiums gesorgt.

Die neuen Abgeordneten des Jsere- Departements haben ihren Kommittenten mit ihrer Danksagung zus gleich die Maasregeln mitgetheilt, für welche sie stim men werden. Sie sind: die Organisation der Muni- cipal-Verwaltungen, die Einführung der Departements- Verwaltung statt der Präfektur, die Verantwortlich. keit der Minister und Unterbeamten, die Einrichtung einer die Freiheit beshirmenden Jury, die Abschaffung der Ausnahme : Gesege, die Entfernung der Schweizer und an ihrer Stelle eine National : Garde.

London, vom 17. September. Unsre Zeitungen sind erfüllt mit der Beschreibung des Huntschen Ein- ¿Uges in London. Man darf sich aber dabei nihts wei- ter denken, als das Schauspiel, das eine durch die Stadt ziehende Kunstreiter - oder Seiltänzer : Gesell- fchaft gewährt, in etwas vergrößertem Maasstabe. Er- sheinungen dieser Art ‘gehören dem Augenblicke aus: shließend an, und sind im folgenden vergeßen. Da-

gegen läst sich {werlich in Abrede stellen, daß es den Schriftstellern des Tages gelungen is, durch die ent- stellten Berichte übec die Begebenheit in Manchester, überladen mic jeder Form poetiswer Uebertreibungen, auch eine große Zahl rechtlicher Leute zu überreden, daß eine greuelhafte Verleyung der Verfaßung des Landes vorgefallen, welche die Aufmerfsamkeit und Theilnahme aller Freunde des Varerlandes verdiene. Bei ruhiger und besoanener Erwägung der Natur sol: cher Versammlungen, und bei erlangter Ueberzeugung, daß die Deflamationen der Zeitungen sich auf Nichts zurückführen laßen, wird man auch leicht von allen übereilten Maasregeln, welche die leidens%zaftliche Be- wegung des Augenblickes gutheißt oder befördert, ab- stehen, um zu begreifen, daß die Aufreizungen der Tagschriftsteller nur zum Verderben des Vaterlandes führen, und nicht zur Ordnuug und Ruhe unter dem Schute des Geseges und der Verfaßung.

Die Volksversarumiung in Southroarë, welcher Sir R. Wilson beiwohnen wollte, ist auf den 23. d festgesest.

Den Lärm zu Paisëley, unfern Glasgow, abgerech- net, hat man von neueren Bewegungen des Volkes nichts gehört.

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Madrid, vom 7. September. Der Kordon um Kadix fängt von San Lucar de Barrameda an und endigt bei Couil. Schon seit dem 26. August wer- den in Kadix keine Páße mehr jenseit des Kordons ausgefertigt. Der Magistrat von Sevilla hat alle ‘Per- sonen aus der Stadr entfernt, die seit dem 22. Uug. Kadix oder eine der verdächtigen Gegenden verlagen haben. (Wohin gehen sie aber?) Aehnliche Maasres geln sind bis nah Estremadura hin genommen wor den. Auf der Junsel Leon selbst wüthet die Krankheit noch sehr, doch spúrt man zu Kadix bis jezt noch-/we- nig. Die Armee ist nicht angesteckt und ganz außer Gefahr. Der Graf v. Kalderon, noch zur Zeit kfommandirender General, hat sein Hauptquartier auf einem Landgute bei der Stadt Urrera.

Das Gefolge der Königin geht übermorgen zu ih: rem Empfange nach Jrun, unter andern die Came- rera mayor, Gráâfin v. Alcudia, verwittwete Mar: quise v. Cerralbo.

Aarau, vom 16. September. Die Schweizer Tag- saßung hat ihre Sißungen vollendet. Eine ihrer leg: ten Verhandlungen betraf die Preßfreiheit, und ward durch einen Vortrag des Gesandten von Uri veranlaßt, der über die Schmähschriften gegen die katholische Kirche Beschwerde führte. Der einmüthige Beschluß erfolgte dahin: die sämmtlichen Stände einzuladen, den üdev diesen Gegenstand schon früher (am 20. Aug. 1826) gefaßten Beschluß durch zweckgemäße Verfügungen in Vollzug zu bringen, damit durch keine Drucksriften und Zeitungsblätter beshimpfende oder beleidigende Aufsäße gegen eins der beiden christlihen Glauben bekenntniße bekannt gemacht und verbreitet würden.

Inland.

Berlin, vom 27. September. Das Kondolenz- schreiben Sr. Majestät des Königes an die verc- wittwete Frau Fürstin Blücher von Wahlstatt lautet: „Jch empfange mit großer Betrübnis durch eingegangene Meldung die Nachricht von dem Tode Ihres Gatten, des Fürsten Blücher von Wah l- statt. Ungern erneure Jch Jhren Schmerz durch die Erinnerung an den großen Verlust, den Sie er- litten haben; doch vermag Jh nicht, die Aeuserung Meiner lebhaften Theilnahme daran zurückzuhalten. Das Vaterland trauert mit Uns um den Verlust sei: nes ersten Feldherrn; es wird ihm dankbar ein un- vergängliches Andenken bewahren. Unfähig, Jhnen Trost zuzusprechen, deßen Bedürfnis Jh Selbst fühle,

kann Jch nur wünschen, daß die Zeit Jhren Kummer