1819 / 81 p. 1 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung, Sat, 09 Oct 1819 18:00:01 GMT) scan diff

Dieß find die Gründe, wodurch Seine Kaiserliche Majestát fich bewogen finden, die Ernennung einer Central: Unrersuchungs- Kommißion, in ausschließen- det Beziehung auf den hier bemerkten Gegenstand, in

Der Wahl des aus der Geschichte der Revolution bekannten Gregoire in dié Kammer der Fránzösi: cen Abgeordneten wird von seinen Freunden und

einden eine so große Wiehtigkeit beigelegt, daß wir uns nit enthalten können, eine nähere Kenntnis von ihm zu geben. / / | i . Heinrich Gregoire;, am 4. Decbr. 1750 zu Veho unweit Luneville geboren, widmete sich, nach vollendeten Studien zu Mes und Nancy, dem geist- lichen Stande, und ward anfangs Profeßor ¡an der Schule zu Pont -à-Móöussdon. Zwei Preisschrifteri „Lob dér Poesie, und über die bürgerliche Vérbeßerung der Juden ‘‘ verschafften ihin die Aufnahme in die Aka: deinien zu Meb und Nancy. Er war Pfarrer zu Eni: berménil, als er im Jahr 1789 von der Geistlichkeit der Baillage Nancy zum Deputirten in die vom Kö- nige zusammenderufene Versammlung der Reichstände

ewählt wurde. Hier war er unter dénen, welche die Vereinigung der Abgeordneten des geistlichen Standes mit dêm dritten Stade vorzüglich betrieben, und einer der Ersten, die fich demselben anschlóßen.

Fn der Nationalvèrsammlung sprach er anfangs "mit _Sieyes gegen die unbedingte Aufhebung des Zeheäitén der Geistlichkeit, als einen Akt des höchsten Unrechtes, gab èr bald dem Ungestüm der Gegner nach, so wie er fich jederzeit den Anträgen anschloß, welthé auf die völlige Umgestaltung der politischen und fkirchlihen Verfaßung Frankreichs gerichtet wa: ren; doch erklärte er sih gegèn ein Schisma i der katholischen Kirche. So tvie er den Jüdischen Bewoh- nern die Theilnähwme an den Bürgerrehten bewirkte, so sprath er au seit dem Beginn der Revolution für die Rechte der farbigen Menschen gegen die Aristokrä- tie der. weißen Farbe, weshalb ihm seine Gegner den Verlust det Jusel St. Domingo zur Last legen. Nach der unglücklichen Flucht Ludwigs des 16ten trug er darauf án, ihn vor Gericht zu stellen, indem er den Grundsaß der Unverleglichkeit des Königes be- kämpfte. Das Departement Loiré und Cher , das ihn nóch während der fonstituirènden Versammlung zum Bischöfe gewählt hatte, wählte ihn auch zu seis nem Abgeordneten im National - Konventèe. Hier ftiminté er am 10. August 1792 für den Antrag des Collot d’Hérbois auf Abschaffung des Königthums durch ein förmliches Geseb. Am 15. Novbr. trat er auf der Rednerbühne des Konventes für die Verur- theilung des Königs auf. ee Weil Ludwig Kapet, sagte er, verhaftet ist; ergiebt sich hiéraus nicht von selbst, daß ein Urtheil über ihn gesprochen werden muß? Unter welchem Gesichtspunkte seine Verbres chen auch gebracht werden mögen : das Strafgesehbuch, die Verfaßung und die Natur der Sachè fodern ein Urtheil. Was mich betrifft; so mißbillige ih die To- desstrafe, und hosse, daß dieses Ueberbleibsel der Bar- harei aus unsern Geseßken verschwinden werde. Der Gesellschaft reiht es hin, daß der Schuldige weiter nicht schaden könne. Ludwig Kapet wird die Wohl: that des' Gesehes theilen; wenn ihr die Todesstrafe abschasst, ihr werdet ihn alsdann zum aseyn verur- theilen. ‘‘ Als der Konvent das Urtheil fällte, war er auf einer Sendung zur, Organisation des Departe- ments Montblane abwesend, schrieb aber vòn dort mit seinen Kollegen, Jagot, Herault und Simond an den Konvent: „Wir glauben, daß es die Pflicht eines jeden Deputirten sey, seine Méinnng dffentlich auszusprechen; es würde Feigheit heißen, wenn wir unsre Abwesenheit benußen wwoliten; uns dieser Pflicht

Borschlag' zu bringen; und die Präsidial- Gesandtschaft ift zu dern Ende angewiesen, den Entwurf eines Be- schlußes über diese Maasregel der Bundesversammlung zu schleuniger Verathung vorzulegen.

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zu entziehen. Wir erklären, daß wir für die Verur: theilung Ludwig Kapets durch den Nationalkonvent ohne Appellation an das Volk stimmen.‘ Der neuste Biograph Gregoires, Lavaud, bemerkt, daß der Entwurf des Schreibens die Todesstrafe angedeutet, Gregoire aber diese Stelle weggestrichen habe. Da

jedoch seine mündliche Abstimmung den höchsten Grad nur dann ausschließt, wenn die Geseßgebung zuvor die Todesstrafe allgemein abgeschafft haben werde: so stehen seine Gegner nicht an, ihn dennoch den Kûx nigsmördern beizuzählen. Anders urtheilte unmittelz bar nah der That der Bischof von Calvados, der im seinem Journal des amis am 2. Februar 1793 sagt: „Zum Tröste der Menschheit, zur Ehre des evangeliz schen Glaubens, zum Ruhme des Französischen Bischof thums, fann ich die Namen der Französischen Bischöfe auf die Liste derer seßen, die für das Leben des Königes gestimmt haben. Auch weiß ih, daß verschiedene katho- lishe und protestantische Pfarrer dahin gehören, na- mentlich Rabaud de St. Etienne u. s. w.‘“ Er nennt alsdann außer sih 8 Bischöfe und fügt hinzu =+ „„ih meine, daß auchGregoire, Bischof von Loire und Cher, auf dieses Verzeichnis gesezt werden muß. Seine mündliche und gedruckte Abstimmung schließt die Toz desstrafe ausdrücklich aus. Er stimmt mit den andern Kommißarien des Montblanc für die Verurtheilung des Königes durch den Konvent ohne Appellation, aker die Art der Strafe ist nicht ausgedrückt, und mit Recht muß man annehmen, besonders in Rücksicht auf den festen Karakter dieses tugendhaften Mannes und würdigen Bischoffs, daß êr auch in seiner lezten Ab-, stimmung den Grundsäßen treu geblieben , die er auf der Rednerbühne entwickelt.‘“‘ Auch wurde Greéegoire späterhin von den Jakobinerin, aus deren Geselis& aft er ausgeschieden war, seiner Abstimmung wegen ver- folgt, obwol er den Gefahren der Schreckenstage glüdck: lih entging. An dem Beschluße, der die kirchliche Freiheit sämmtlichen christlichen Religionspartheien vers schaffte, nahin er wesentlichen Antheil. Als Mitglied des Rathes der 500, zu welchem er gewählt wurde; begünstigte er die Entwürfe Bonapartes am 18. Brümaire des Jahres 8, weil er für das Heil der Französischen Republik große Hoffnungen auf ihm grünz dete. Er ward Mitglied des gescßgebenden Korps, und späterhin des Erhaltenden : Senates, obwol Bo= naparte ihn damals schon haßte. Auf dieser Stelle sprach er dreist, obwol ohne Erfolg, gegen die Kaiserz würde, gegen die Institution des neuen Adels, gegen die Könskription, gegen die Besiznahme des Kirchen: staates, gegen die Scheidung Bonapartes. Doch ward er felbst Graf und Kommandeur des Ordens dec Éhrénlegion. Am 15. März 1814 erklärte er sich mit Nachdruck für die Entsezung des Kaisers, doch ward er vom Könige Ludwig XVIU…. nicht in die Kam- mer der Pairs berufen, und verlor sein Gehalt als Senator. Während der ioo Táge nahm èêr feine Stelle an und erklärte sich wider die von Bonaparte vorgelegte Zusaß - Aîte zur Verfaßungs- Urkunde. Seit der Wiederherstellung des Königthums war er daher jeder öffentlichen Wirksamkeit entzogen und lebte den Beschäftigungen der Litteratur. Daß aber die Wahl eines solchen Mannes in die Kammer der Abgeordne- ten für die Regierung ein ösfentlihes Aergernis seyt müße, geht aus dem kurzen Abriße seines politischen Lebens hinreichend heryor,

der geseßlichen Strafe ausspricht, und die Todesstrafe

Allgemeine

Preußishe Staats - Zeitung,

58 B

ams ar elben mAUR A O A

g 1ftes Stü. Berlin, den 9ten Oktober 1819. i

I. Amtliche Nachrichten,

Kronik des Tages.

Verlin, vom 9 Oktober. Se. Königl. Ma- jestát haben den Rath bei dem bisherigen provisori- schen Revisions - Hofe in Koblenz, Dahm, und den Kammergerichtsrath Madihn zu Appellations : Ge- richtörá hen bei dem Appellations: Hofe in Köln aller- gnädigst zu ernennen geruhet.

Se. Königliche Majestät haben den bisheri: gen Regierungs - Aßeßor Grafen v. Sch miesin g, zum Landrath, des Warendorfer Kreises im Münsterschen Regierungs : Bezirke, und den Gutsbesiger v. Schlie:

ben auf Sucimin, zum Landrath "des Stargardtec Kreises, Danziger Regierungs -: Bezirkes, zu ernennen geruhet.

Seine Majestät der König haben dem Gehei men Sekrétair Bo hm bei der allgemeinen Witt vens Verpflegungs :Anstalt und der Officier - Wittwen : Kaße, das allgemeine Ehrenzeichen erster Klaße zu verleihen geruhet.

Seine Majestät der König haben dem Schul- lehrer Paech zu Leitersdorff das aligemeine Ehrenzeis chen zweiter Klaße zu verleihen geruhet.

Il. Zeitungs-Nachrichten,

Frankfurt a. M. vom 30. September. Außer den bereits mitgetheilten Beschlüßen der Bundestags- Virsammlung hat dieselde auf den Antrag der Präsi: dial: Gesandschaft noch einhellig beschloßen, daß fol: genoe ses Gegenstände :

1, Die Errichtung einer permanenten Jnstanz, um den öffentliccen Rechtszustand im Bunde zu sichern,

“und die zum gerichtlichen Wege geeigneten Streitig-

keiten der Bundesstaaten unter einander zu shnellerer Entsche:dung zu bringen. Hierbei dürfte von dem Gesichtpunkte auszugehen seyn, daß alle Streitsachen und Beschwerden zuvörderst an die Bundesversamm- lung gebracht, und zu deren Prüfung und Beurthei- lung gesellt werden müßten, in wie fern soléhe po- lítish zu behandeln und von ihr selbst schon zu erle: digen. seyen, oder ob dieselbden einer gerichtlichen Ent: scheidung bedürfen, um alsdann der deshalb angeord: teten permanenten Jnstanz, jedo nur von dem Bun: destagé, zugewiesen zu werden. . Ebenfalls würde der gerichtliche Spruch, so wie er von dieser Junstanz an die Parteien erlaßen worden, wiederum dem Bundes: tage mitzutheilen seyn, als welcher auch nur die etwa nöthigen Exekutionsmittel zu ‘deßen Vollziehung zu verfügen haben“ würde.

2. Die Einführung einer definitiven Exekutions- Ordnung, mit Bestimmung von ausreicyeuden kräfti: gen Mitteln, um sowol die Beschiüße des Bundes: tages, als auch die Erkenntniße. der gerichtlichen Jn- ftanz, in ungehinderte Vollziehung zu segen.

5. Feststellung der völfkerrechtlihen Verhältniße des Bundes, in Ansehung von Krieg und Frieden.

4. Die Verhandlung über die Bundesfestungen, zur Beschlußnahme auf das abgegebene Gutachlen der Militair - Kommißion.

5, Die matrifulmäßigen Kontingent - Stellungen, zur weiteren Prüfung der, wegen angeblich zu großer Anstrengung im Frieden, dagegen erhobenen Bes s{chwerden.

6. Die Erleichterung des Handels und Verkehrs zwischen den verschiedenen Bundesstaaten, um den Ars tifel 19 der Bundesakte zur möglichslen Ausführung zu bringenz soviel die Verschiedenartigkeit der Lofulits ten und besonders die Steuersysteme der einzelnen Bundesstaaten solche zulaßen können ‘‘ in der Urt zur nöthigen Justruktions: Einholung gestellt werden, um bei Wiedereröffnung des Bundestages nach den Ferien dieselben unverweilt verhandeln und zu einer endlichen Beschlußnahme bringen zu konnen.

Zu 5. und 4. befinden sich unter den Beilagen des Protokolls zwei wichtige Aufsäge, von denen wir einen wesentlichen Auszug geden.

Zu 3. Um zu Festsegung der völkerrecht- lihen Verhältniße Teutschlands für Krieg und Frieden zu gelangen hat der für diesen Zweck früher ernannte Bundestags - Ausschuß folgende polis tische Satzungen als Vorfragen aufgestellt: Der teut- he Bund führt nur Krieg für die Erhaltung dec Unabhängigkeit und Unverleubarkeit seiner Glieder.