1819 / 86 p. 2 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung, Tue, 26 Oct 1819 18:00:01 GMT) scan diff

[I. Zeitungs-Nachrichten.

A usland.

Paris, vom 16. Oktober. Die sämmtlichen Par- theien scheinen jeßt darüber einverstanden zu seyn, daß eine * Veránderung im Ministerium nicht eintreten werde. Auch der Kriegsminister arbeitet wieder mit dem Könige und hat bereits den militairischen Uebun- gen beigewohnt. -

Herr Benj. Constant vertheidigt sih in unseren Zeitungen wider die Beschuldigung, als ob er irgend einem Minister einen Aufsaß zur Beschränkung der Preßfreiheit eingereicht habe. Man wird kein Beden- fen tragen können, ihn von dieser Beschuldigung frei zu sprechen.

_Die Regierung hat aus Terre : Neuve eine Anzahl Hunde kommen laßen, die wegen ihres merkwür* ic.a Jnstinktes, Menschen aus dem Waßer zu ziehen, be- fannt sind. Sie sind in Brest angekommen, und sollen an den Ufern der Seine stationirt werden.

Die Thibetschen Ziegen, die in den Gegenden von Perpignan, Marseille und Toulon untergebracht sind, gedeihen sehr und pflanzen sich fort.

Die Weinlese in der Champagne ist vollendet und hat die Erwartungen übertroffen. Man glaubt, daß der diesjährige Champagner noch beßer seyn werde, als der vorjährige, der sehr gut gerathen war.

Der General - Lieutenant Jomini erklärt sich in der jet ershienenen dritten Auflage seiner kritischen

Kriegsgeschichte Friedrichs des Großen wider das

jegige Kriegessystem. „Ein solcher Zustand wirft uns in das dritte oder vierte Jahrhundert zurück, und wenn die Gesehgebung und ein neues Völkerrecht die: sem Aufstehen in Mas8e niht Gränzen seßen, st0 läßt sich gar nicht berechnen, wo die Verheerungen enden werden. Der Krieg wird eine weit furchtbarere Geißel, als je zuvor, denn die Bevölkerung der gefitteten Na- tionen wird aufgerieben, nicht wie im Mittelalter um den Verwüstungen wilder Horden zu begegnen , son- dern um ein klägliches politisches Gleichgewicht zu bewahren und schließlih am Ende eines Jahrhunderts zu wißen, ob diese oder jene Provinz einen Präfekten aus Paris, aus Pétersburg oder aus Wien erhalten solle. Es wird in der That Zeit seyn, daß die Kabi- nette größeren Jdeen Raum geben, und daß das Blut nur für die großen Jntereßen der Welt fernerhin fließe.““

Der Oberst Papas Oglou, der als Admiral des Murad Bei während der Bonapartischen Unterneh- mung auf Egypten in Französishe Dienste trat, ist auf seinem Landsißze bei Marseille, 60 Jahr alt, ver- storben.

Einige Blätter hatten unlängst einen aus Ant- werpen datirten Brief einer angeblichen Schwester der Miß Patterson, vermählten Jérome Bónaparte, bekannt gemacht, worin sie sih über eine seit 5 Jah: ren erlittene ungerechte Verhaftung, Beraubung ih- res Vermögens und andere Unbill von Seiten des

Polizeiministers beklagt. Das Journal de Paris ent: hält jeßt eine Auskunft über diese Betrügerin, die zu Strasburg geborne Tochter eines Hauptmannes mit Namen Ober st.

London, vom 18. Oktober. Nach den Aeuserun-

gen der Minifkerialzeitung würde das Parlament noch

lánger als bis zum 25. f. 9M. prorogirt worden seyn, wenn die Regierung es nicht dringend nothwendig

hielte, Maasregeln zu ergreifen, durch welche den ver: * wegenen Unternehmungen der Reformers, und dem |

Geiste des Aufruhrs, der die Auflösung aller Natio- nal - Jnstitutionen beabsichtige, eine Gränze geseßt roerde.

Der Stadtrath von London hat einen Ausschuß ernannt, um die bei der leßten Lordmayorwahl vorge: fallenen Unregelmäßigkeiten zu untersuchen und An- tráge zur Bestrafung der Unruhftifter zu machen.

Gegen den Buchhändler Carlile, der theils we- gen der Verbreitung der Schrift des Thomas Payne:

„Zeitalter der Vernunft‘ als eines unerlaubten, Got:

láfterungen enthaltenden Buches, theils wegen einer anderen, die Neligion antastenden Schrift vor Gericht gestellt worden, haben die Geschwornen das Schul» dig gesprochen. Er ist vorläufig ins Gefängnis ge- seßt. Das richterliche, seine Bestrafung aussprechende Urtheil; ist noch nicht erfolgt.

Jn Yortk hat unter Mitwirkung des Grafen Fit

William, Herzogs von Norfolk, Lords Milton und |

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anderer Whigs von Adel eine Versammlung zum Tadel der Manchester-Vorfälle statt gefunden. Man hat eine diesen Tadel aussprèchende Adreße an den Prin: zen Regenten beschloßen. In New: Castle ist eine ähnliche, ganz friedlich beendigte Versammlung, die 5

man auf 100,000 Menschen äßt, gehalten worden.

Das legte dem Mac Gregor überbliebene Schif

ist in Plymouth mit der Nachricht von der gänzlichen Auflösung seines Unternehmens angekommen.

Stocckholm, vom 153. Oftober. Am 7. d. isk der Kanal, der den Mälarsee mit dem Meere verbindet, in Gegenwart Sr. Maj. des Königes und des Kron: prinzen nah 13jähriger Arbeit eröffnet worden. Er

kostet einer Aktiengesellschaft nahe an 600,000 Rihlr Banko. Die Fahrt hieher wird durch den Kanal um

6 Meilen kürzer, und dem Jnnlande werden viele

Bequemlichkeiten verschaft. lar von der See ist nur 4550

Die Entfernung des M& Schwed. Ellen, etwas *

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über 2 Meile, und hievon beträgt ein kleiner Binnensee\ t N

allein 1500 Ellen. Der WWaßerspiegel des Kanals ha

60 Fuß Breite über einen Neigungswinkel von 55%

und fo daß Fahrzeuge von 12 Fuß éönnen. Eine einzige Schléuse verbindet diese Ge: wäßer.

Tiefe durchgehen

Der Kanal heißt der Sódbertelge - Kanal (nah l

einer am See belegenen kleinen Stadt) und der Y

Schleuse ist mit Genehmigung des Königs der Karls X1V Johanns: Schleuse beigelegt.

Der König wird den Kronprinzen nah Upsala be- ¿leiten und einige Tage daselbst verbleiben. Die Woh- nung des Erzbischofes ist zur Aufnahme des Prinzen eingerichtet.

Warschau, vom 18. Oktober. Se. Majestät der Kaiser ist am 16. Abends nach Petersburg zurückge- fehrt. Der König von Würtemberg hatte schon früher die Rückreise in seine Staaten angetreten.

Würzburg, vom 153. Oktob. Morgen wird bei uns die Weinlese beginnen; der diesjährige Wein wird dem von 1311 nicht nur gleich kommen, sondern ihn auch noch übertreffen.

Stade, vom 20. Oktob. Die hiesige Regierung hat bekannt gemacht , daß die Herzogl. Oldenburgsche Regierung abermals 9 Ballen Baumrwoolle, welche das von Havannah kommende; am 7. d. M. auf der We-

ser eingetroffene] Schiff Oceanus, Kapt. Prob st, mit sich geführt, zurückgewiesen habe; daher denn die sorg: fältigste Aufmerksamkeit zur Verhütung des Eingangs dieser höchst verdächtigen Waaren in hiesige Provinz empfohlen wird.

Inlánd.

Berlin, vom 25. Oktober. Am Königl. Hofe ist die betrübendé Nachricht von dem am 15. d. im Haag erfolgten Ableben Jhrer Königl. Hoheit der verwit- weten Frau Herzogin von Braunschweig, Frie- derife Luise Wilhelminé, gebornen Prinzeßin von Oraúien, Schwester Sr. Mäjestät des Königs der Niederlande eingegangen. Die verewigte Fürstin war am 28. Nóôv. 1770 geboren und seit dem 20. Sept. 1805 Wittwe des Prinzen Kärl Georg Au- gust von Braunshweig-Wolfenbüttel.

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Ueber die Jury in Frankre i ch. (Fortsebung.)

So unbedenflih dem Herrn le Graverend dar- in beigetreten werden muß, daß die Wahl der Ge- shwornen von den Präfekten (oder welche Art der ver- waltenden Beamten man in ihre Stelle segen möge) nicht abhängig gemacht werden könne, ohne die per- sönliche Sicherheit in Gefahr zu bringen : so wenig kann man der Meinung beitreten, daß die Liste der Geschwornen auf die Anzahl der Wähler , und, wenn damit nicht auszureichen wäre, auf diejenigen Bewohner zwischen 30 und 70 Jahren ; welche nach ihnen den höchsten Steuersas bezahlen, zu beschrän- ken sey. Wir seßen hier zwar von selbst voraus, daß gegen das Wahlgeses in RNüeksichr auf die Verfaßung nichts zu erinnern sey, welches wir, als diesem Ge- genstande völlig fremd, auf sich beruhen laßen ; aber für die Geshwornengerichte treten ganz andre Bejgie- hungen ein. Es würde zu weit führen, hiér in spe: cielle Erörterungen einzugehen; die Unterschiede treten von selbst klar hervor, und wir merken nur ganz all: gemein an, daß, wenn die Municipal- und Kommu-: nal : Verwaltung nach verständigen Grundsägen überall eingerichtet worden, es gar nicht schwer halten werde, durch die Kommunen selbst jährlich eine Liste dérjeni- gen Bewohner, welche zu Geschwornen tüchtig sind; ohne beschränfkende Rücksicht auf ihre Theilnahme an dem Wahlrechte, anfertigen zu läßen. i

Herr le Gräverend hält eine jährliche Liste von 400 Geschwornen für jedes Departement hinreichend. Es scheint wol zu geringe gerechnet , doch hangt die: ses ganz von der Lokalität ab.

Wenn er übrigens die Wahl dér für jedes Assisen: geriht zu ernennenden Geschwornen von dem Löôse ab- hängig machen will, so glauben wir ihm darin ganz beipflichten zu müßen.

_PVeber die Art wie gégenroärtig die Lisken in Frank: reich angefertigt werden, erzählt der Verfaßer zwei von einer achtungswerthen Magistratsperson ihm mit- getheilte Fälle, in welchen der Präfekt die Listen von 60 Geschwornen so partheiish angefertigt hatté, daß sich, wie auch die Wähl der 56 durch die Präsidenten der Assiseu in Thätigkeit gesezten Jndividuen hätte erfolgen mögen, in dem einen Falle die Lossprechung der Schul- digen, im anderen die Verurtheilung eines Unschuldi-: gen vorßerséhen ließ. Es begab sih auch so; dem durch die Jury einmüthig für schuldig erklärten An- geklagten stand jedoch das Rechtsmittel der Kaßation offen. Das Urtheil ward kaßirt, und eine neue Jury aus einem benachbarten Departement ernannt, die ihn einmüthig für nicht schuldig erklärte.

Herr le Graverend untersucht hienächst die Frage: ob es zur Vollständigkeit der Einrichtung des Geschwornen : Gerichtes éiner Unklage: Jury (wesentlich

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und nüblih) bedürfe? Er hält sich von der Vortref- lichkeit dieser Einrichtung in England* überzeugt, ist aber der Meinung, daß sie in Frankreich weder einge- führt werden fönne, noch daß sie einen Nugen stif- ten werde. „Um die Institutionen eines Volkes recht zu würbigen (sagt er), darf man sié nicht einzeln beur- theilen; man muß das Genze des Organisations : Sy- stemes eines Staátes im Auge béhalien; hat man aber bei solcher Untersuchungy besonders den Zweck, qu bestiminen, ob eine gegebne Einrichtung aus einem

ande in das ândre, es sey unbedingt oder mit Mos difixationen, verpflanzt werden könne: so muß man die Sitten und Géroohnheiten beider Länder gründlich ver- gleichen. Jun vorliegenden Falle wird rnan leicht fin: den, daß die Elemente der großen (Anklage: ) Jury, ivie sie in England eingerichtet ist; in Frankreich gänz- lich fehlen; wenn sie sich aber auch äuffinden ließen, so muß man sich doch sehr vor einer Neuérung hüten, die dem Karafter und dem Wunsche der Nation o ganz entgegengesebt ist, da bei uns solche Einrichtun: gen, die noch nicht dur lange Gewohnheit, wie in England, ein Gegenstand der Veréhrung geworden sind, unüberwindlichen Widerstand sinden würden. Könnte man aber die Anklage : Jury auhch àâus anderen Ele: menten zusammenseven, fo frägt sich, ob sie von Nusen seyn würde. ( Fortsegung folgt. )

Vérfäßung der Süd- Amerikanischen Staaten.

| Die Verfaßungs : Urkunde dêr Vereinten- Staaten von Süd - Amerika, gegeden zu Buenos- Ayres am 22. April und feierlih verkündet am 25. Mai d. J., ist in Dèueck erschienen: Sie gleicht so ziemlich allen Verfaßungen, die wir im Laufe von 30 Jahren unter unsern Augen haben entstehn sehn. i

Welche Provinzen diese Vereintent Staäten um- faßen, enthält weder die Konstitutions- Urkunde selbst, noch die vórangedruckten Urkunden, (die Unabhängigkeits- Afte d. d. S. Miguel von Zucumän vom 9. Jul. 1816 und das Manifest des General: Kongreßes zu Buenos : Ayres an die Nationen vom 25. Dkt. 1817.) Doch ist die Verfaßungs - Urkunde unterzeichnet wegen Buenos: Ayres, Catamarca, Charcas, Chichzs, Cocha- bainba, Cordoba, Stadt Jujuy mit Gebiet, Mendoza, Mizque, Rioja, Sanjagdò del Estero, Sân -: Louis, Tu- cuman (Peruanische Städte uind Prövinzen).

Wahrscheinlich ist die Absicht der Stifter dieser Konstitution, ganz Peru und Chili in Einen Staat zu vereinigen. : Der erste Abschnitt der Verfaßungs -: Urkunde han: delt von der Religion. ¿e Die rômisch : katholisch : apo: stolische Religion- ist die Staats: Religion, Die Re-