1919 / 85 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 12 Apr 1919 18:00:01 GMT) scan diff

Geheimrat Bornhak erklärs als Verireter des preußischen Ministers für Handel und Gewerbe: Die preußische Beravermaltung toitd auf den staatlichen Gruben den |Schichtwechsel auf Wunsch um eine Stunde hinauéscieben und auf die privaten Gruben dahin. ein- iirbèn, daß diése im Béturfnisfalle das gleiche tun. Schwierigkeiten Tönniten si nur daraus ergeben, doß die Belegschaften auf die Benußung bestimmtet Arbeiterzüge angewiesen sind. Die Eisenbahnverwaltung hat sid äber bereit erflärt, bei der Verlegung derartiger Arbeiterzüge Þas grcißte Entaegertfemmen zu zeigen. |

Ministerialdirektor Rehmer:: Im Namen der bayerischen Regierung (Zurufe: Welcher?) es gibt nur eine bayerische Re-

erung, und das ist die in Bamberg —, (Bravo!) also 1m Namen der bayerischen Regierung habe ich zu erklären, daß die Einführung dêr |Sommerzeit für 1919 entsprechend der |Haltung, welche die land« mirtschaftlihe Bevölkerung Bayerns autn2bmslos und die Arbeiter- {haft in Handel und Industrie zum überwiegenden Teil einnimmt, eden ablehnt. (Bravo! rets.) Schon in den vergangenen drei Jahren ist}t bei uns die Sommerzeit von der landwirtshaftlichen Be- ölterung in fteigendem Maße nicht beachtet worden Und man sollte es. vermeiden, Maßnahmen zu treffen, die man \{ließlich nicht durc- hren kann. Nach Erhebungen der Unterrichtéverwaltung ist die Wirkung der Sommerzeit auf“ die Schuljugend eine weitaus über- U ungünstige gewesen. Wir sind daher der Meinung, daß die MNachteille dieser Maßnahine ihre eventuellen Vorteile meit überwiegen.

Abg. Kaeppler (Sog.): Die Regierung hätte vor der Ein- btingung eines solchen |Veseßentrwourfes auch die Kreise hören müssen, de gegen die Einführung der Sommerzeit sind. Schon während des Krieges wurde diese Maßnahme in weiten Kreisen als sehr lästig cmpfunden. Man sollte in der jebigen Zeit nicht neue Mißstimmung schaffen. (Sehr richtig!) Besonders bei den Arbeitern, die am meisten unter der Einführung der Sommerzeit leiden. Für die Arbeiter auf dem Lande bedeutet es ein großes Opfer, wenn es 1hnen dur die Sböommerzeit unmöüglih gemacht wird, vor dem Gang zur \Arbeits\tätte ar der Bestellung ihres kleinen Ackers zu arbeiten, Die württem- bétgischen Eisenbahner haben sogar mit dem [Streik zur Abwehr der Sommerzeit gedroht, Es wäre am besten, wenn die Regierung die

drlage zuriüdziehen würde. (Lebbafte Zustimmung.) Jm anderen Falle bitte ih um (Ablohnung der Vorlage. (Beifall)

Abg. Diez (Zentr.): Wer will denn eigéntlih in Deutschland die (Sommerzeit? Kein Mensch außer dem Reichskohlenkommissar. (Séhr richtig!) Alle werkltätiaen Schichten der Bevölkerung sind da- gbgen, lor allem die Landwirte. Selbst die [Kühe wehren fich gegen die fünstiliche 'Sommernzeit und \treiken, Wenn man den Kindern eine Stunde 'Nachtruhe auf diese Weise \tichlt, fo sckädigt man dadurch die

BPolksgesundheit. (Sohr ribtia!) In der Landwirtschaft kann man die,

Sommerzeit gar nicht durchühren, Die Annahme der Vorlage würde also zu einer besonderen |Stadt- und VLandzeit führen, ‘Die Vorlage Föllte abgelehnt werden. (Beifall.)

Abg. Dr. Hartmann (Dnat.): Als einziger Arzt in dieser Versammlung begrüße ich die Vorlage im Interesse der Volksgesund- heit, die während dea rieaecs sebr gelitten hat. "Die Beibehaltung der Sommerzeit nckrde es ermöglichen, daß die aesckchwahte. Bevolkerung mehr als sonst den heilsamen Einfluß des Sonnenlichtes - genießen kann. Jeder Hiygieniker weiß, wie gesundbeitsfördernd das fFrwh- aufsteben 1. (Beifall und Widerspruch.)

(Abg. K o ch- Merseburg (Dem.): Das Frühaufstoben is wohl esund, wenn der dadurch verstärkte Hunger acstillt werden kann. Das iyt aber jetzt nit der Fal. (Séhr richtig!) Die Stunde geht von der Machtrube ab und bei der \{leckchten Ernährung ist das doppelt ver- anamiévoll. Jch kann erklären, daß der größte Teil meiner Freunde die Vorlage ablehnèn wixd. (Beifall.) Die Kohlenersparnis muß auf anderen [Wegen erreickcht werden. Es ist ganz urmöglich, den land- wirtschaftlichen Betrieb der Sommerzeit anzupassen. Jch bitte, die Sommerzeit abzulehnen. (Lebhafter Beifall.)

Ein Schlußantrag wird angenommen.

Die Abgg. S chu l z - Bromberg (Dnat.), Du \ che (D. Vp.) und Geyer, (U. Sog.) erklären, sie seten durh den Sck{luß der Debatte berbindert worden, ibre ablebmende Haltung gur Vorlage zu begründen.

Bei der hierauf folgenden Abstimmung wird der Geseß- entwürf in allen seinen Teilen abgelehnt. Das Abstim- Een, wird von déêr Mehrheit mit Beifallrufen

egrüßt. i

s folgt die erste Beratung des Geseßentwurfs Rberdie Ausbildung von Kriegsteilnehmern zum Nichterante.

“Nach §8 1 können Zwischensemester, die an einer deutschen Universität zwischen den ordentlichen Studienhalbjahren téin- gèrichtet werden, Kriegsteilnehmern von der Landeszèntral- behörde als volle Halbjahre auf das dutijährige Studium der Nechts wissenschaft angerechnet werden. Nach § 2 kann die Landeszentralbehörde für einen Kriegsteilnehmer den dret- Me Vorbereitungsdienst zwischen dèr ersten und zweiten uristischen Prüfung um höchstens ein Fahr abkürzen.

Die Abga. Schiele (Dnat.) u. Gen. beantragen die Aenderung, daß die Zwischensemester als volle Halbjahre deten sollen. Die Anrégunig soll also nicht in das Belieben der

nzelstaaten geftellt werden. |

Abg. Grünewald (Dem.): Meine Fraktion begrüßt diesen Beseßentwutrf, weil er sozialer Fürsorge und ausreichender Geretig- kät den Kriegsteilnehmern gegenüber dient. Nur wünschen wir, daß die Verkürzung des Studiums nicht zu einet dauernden Ver- edes führt. Die Zußsammenziehung der Seniester könnte das

epetitemvesen begünstigen, aber später wird man, doch auf den mormalen Zustand wieder zurückkommen müssen. Die Referendare müssen auch im praktischen Leben, im Handel und auf idem \ozialen Gebiete und in der Industrie ausgebildet werden. (Zustimmung.) Das prak- tische Leben wird in Zukunft an die Juristen nod mehr Anforderungen stellen als biléher. Die Assessoren müssen ferner, schneller zu einer etgis« mäßigen Anstellung gelangen, damik die üblen Wirkungen des Assessori8mus aufhören. Der Erlaß des preußischen Hultusministers über Regelung des juristischen Studiums hat in Studentenkreisen Auf- regung bervorgerufen, daß manche \ogar bés{lossen haben, dem Spartakuskund beizutreten, (Solche Angelegenlbeiten dürfen nidt von einem einzelnen Buúndesstaat aus geregelt werden. Die Neickis- regierung muß dafür ein Einvernehmen unter den Eingellstaaten für das ganze Reich herstellen. Redner empfiet lt \{ließlih die \studierende Jugend sder besonderen Fürßorge seitens der Nationallversammlung.

Abg. Wer muth (Dnat.): Gegen die Verkürzuna der Aus- bilduna dder Juristen muß man Bedenken erheben. Es besteht im Volke die seltsame Auffassung, als ob für den Richterberuf nur die Kennt- nisse von Formalièn erforderlih sei. Jm Rätekongreß von Berlin lioat heute socar der Antrag vor, die Unabsetbarkeit der Richter. zu beseitigen und die Richter ohne das Erfordernis der juriftischen Vor- bereitung aus dèm Volke zu wählen. Der junae Jurist muß juristis{ denken lernen und das historische Wachsen des Rechtes begreifen lernen, un den Bau zu erennèn, ¿u ‘dem Jahrbunderte die Bausteine zu sammengetragen haben. Auch in Volkswirtscbaft und Nationalökonomie muß er ausgebildet werden. Für die praktische Ausbildung zwischen den beiden Examen sind bier Jahre allerdings etwas lang. Van könnte die Kürzuna auf drei Jahre zur dauernden Ginrichkung machen. Aber eine Herabseßung auf wei Jahre wäre fehr bbédenklid. Gut Ding will Weile haben. Der Jurist braucht auch allgemeine Lebenserfahrung und Menhcenkenntnis. Richter, die nur Paragraphenmenschen sind, sind mit die besten. Wenn meine Fraktion troß der Bedenken dem Gesebentiwurf freund!lih gagenübersteht, acsckicht es, weil wir nit wollen, baß das Helddentum, das si im Kriege bewährt hat, moch bestraff wird darrch dew Verlust von Studienjahren, Wiv \ckirldew den U) R Ee heißesten Dank, und dirum- missen alle : geaen bas

(Geseh atißer Betvacht biléibew. Der Jurist kommt

äter als alle anderen Berufe zu einom festen @inkömmem und. bicsen punkt, dürfen win niGi nob weiter minguärüden, é, e A À

vos nicht dis Yandeszentralbebhörden zu der Verfürzung der Stiudienzeit_ und der Borbereitungszeit e wsrdon, sondern day dis Sade gleid bon Reichéwegen bdimmt wird, "Wai einzélstatlider Megelung könte eine ganz verschiedene Handhabung der Ermächtigung stattfinden. Zur weiteren Grörterung unseres An-

trages beantrage ich das Gese einer Kommission von- 14 oder 21 Mitaliedern zu aiberweisen. NReichsjustizminister Dr, Landsberg: Das Reichsjustiz-

ministerium beschäftigt fih nit nur mit kleinen Fragen, mäe es die vorliegende ist, sondern es ift daran, Aufgaben von gewaltiger Größe zu lösen. Die Vorarbeiten für den Entrourf eines neuen Strafgeseb- buches sind so weit gediehen, daß ih die Veröffentlihung des Ent- wurfes noch vor Ablauf dieses Jahres glaube in Aussicht stellen zu können. (Bravo!) Das neue Strafgesebbuch wird ein gewaltiges Kulturwer?k sein, und. es wird den Nachweis führen, daß das deut\che Volk geistig nicht zusammengébrochen ist. Weiter sind wir beschäftigt mit einer Novelle zur Strafprozeßordnung; ich glaube, hre Ver- öffentlichung schon in einem ganz kurzen, nur nach [Wochen zählenden Zeitraum in Aussicht stellen zu können, und wir haben den Ghrgeiz, die Novelle so auszugestalten, daß nah threr Verabschiedung niemand mehr den Wunsch nach einer neuen Straßprozeßordnung aussprechen wird, meil sie dann eben nickchts mehr zu wünschen übrig läßt. (Heiter- keit.) Der vorliegende Entwurf ist, wenn ich es sagen darf, ein Neben- produkt des Reichsjustizamts. Ich glaube, er spricht für sich felbst. Maßgebend für seine Einbringung war einmal die Erwägung, daß fehr viele Studierende 1nfolge der Vershlehterung 1hrer Ver- mögenslage genötigt sein würden, das Studium gänz aufzugeben, wenn tbnen nit irgend welche Erleichterungen geboten werden, vor allen Tingen aber die Erwägung, daß es unter den Studierenden, die am Krieg teilgenommen haben, fehr |viele geben wird, deren |Spannkraft und Fahbigakeit, sich geistig intenstwv zu betätigen, so {wer gelitten hat, daß ihnen durch Gewährung von Erleichterungen ein gewisser Anreiz gegeben werden muß. Diejenigen aber, die einen derartigen Anreiz nicht ntg haben, und tie au dur materielle Gründe nicht gz- ¿wungen sind, diese Erleichterungen in Anspru zu nehmen, möchte ih dringend bitten, die volle Studienzeit auszunußen, schon deshalb, roeil für normale Verhältnisse ein dreijähriger Zeitraum eber zu kurz bemessen ist als zu lang. (Sehr rigtig!)) J iglaute nicht, daß die Verlage eine Beratung 1m Aus\chGuß notig hat, und ih bitte, sie ohne Ausscußberatung anzunehmen.

Abg. Dr. Kahl (D. Vp.): Die Ankündigung, daß uns noch in diesem Iabre der Entwurf eines neuen Strafgeseßbuches vorgelegt wetden Toll, tat mid; mit ganz Lejenterer Freude erfüllt. Wir be- grüßen den vorliegenden Entwurf, der mir noch \symparhifcher geworden ist dur tâe eben gehörte Begründung des Herrn NeichSjustizministers, inébesondere dur die Hervorbebung der psrcholoaisten Erwägung, die mit zur Einbringung des Entwurfes geführt hat. Jch begrüße es besonders, daß der Eniirairf dos Maß der Erleichterungen einer- seits auf das Billige erstreckt, andererseits auf das [Notwendige be- \diränkt, Jr) übrigen lege ich großen Wert darauf, daß der Begriff der Kriegsielnehmer im- denkbar weitesten und für die Beteiligten aunsticsten Sinne verstanten mird. Ich glaube, roir können die Vor- lage chne Kemmissionsbèratung: annehmen.

Abg. Haase (U. Soz.): Meine Fraktion stimmt dem Entwurf zu, erwartet aber, daß das Gèseß nit dazu benußb wird, wie es im Mürz in Berlin gesehen ist, dne Stidierenden indirekt zu zwingen, si irgendmrelhen Freimilligenverbänten anzusd.[ießen.

Abg. Dr. Spghmwn (Zentr.): Wir haben keine Veranlassung, in eine Kommisssionsberatung einzutreten. Eine Verständigung "über den Begriff „Kriegsteilnehmer“ ist hier \ckem erteicht. Es kann sich nur darum. handeln, wie weit auch die Lute terüdsihtigt werden scllen, die jeßt für die innere Ordnung unseres Landes im |Heere§- dienste steben. Auch diesen Personen sollen die Wehlfahrten des Ge- ees zugewendet werden. Jch bitte, die Vorlage in zweiter Lesung anzunebimen.

Abg. Hampe (D. Nat): Die Gesetesvorlage if von großer Tragweite. Wir dürfen uns nit allein von unterem Wohlwollen

füt die Kriccóteilnehmer [eiten Tassên, sondern wit müssen aut daran

denken, daß die Düchtigkeit unseres Richterstandes durckch eine gute Vorbildung geleitet werden muß. [Die Bedenken meines Freundes Warmutbh ird deéhalb durchaus begründet. Wir halten es vor allem für sehr bedenklich, daß den Landeszentralbehörden o aroße Selb- ständigkeit bei der [Handhabung des Geseßes eingeräumt wird. Jn Braunscknoeig ist unter der Räteregierung die Todesstrafe geseßlich abgesckchafft worden. (Hört, bört!) Wenn so etwas geschieht, Tann ih micht das gleiche Vertrauen zu den [Landeëzentralbehörden haben, wie es. der ‘Reichsjustizminister hier acäußert hat. ‘Auch der Begriff „Kriegsteilnohmer“ ist außerordentli debnbar. Wir bitten deshalb, ie Vorlags einer Kommission zu überweisen.

Damit ließt die Besprechung. Der Antrag auf Ueber- weisung an eine Kommission wird nicht aenügend unterstüßt; unter Ablehnung aller Abänderungsanträge wird der Geseß- entwurf in allen drei Lesungen einstimmig angenommen.

Jn allen drei Lesungen wird auch der Geseßeniwurf, betreffend die Aenderung der Kriegssteuergesebe vom 21. Juni 1916 (Verwendung der Einnahme aus der Kriags8abaabe für die Fehlbeträge der Rechnungsjahrz« 1916, 1917 und 1918), ohne Debatte angenommen. :

Damit ist die Tagesordnung erledigt.

Nächste Sißung Sonnabend 10 Uhr (Jnterpellation Auer, betreffend Mißstände bei der Verteilung ded ausländischen Lebensmittel, Gesehentwurf über Ermächtigung zum Erlaß von Verordnungen, Nationalfeiertag am 1. Mai, Kaliwirtschafts- geseß).

Schluß 7 Uhr.

Preußische Lanbdesversamulung. 16. Sißung voin 11. April 1919. (Bericht von Wolffs Telegraphenbüro.)

Am Regierungstische die Minister -Hirsh, Braun, Haenis u. a. |

Präsident Leinert eröffnet die Sizung nah 11/4 Uhr.

Auf der Tagesordnung steht zunächst eine förmliche An- frage des Zentrums über die Lage der Bergarbeiter im beseßten Saargebiet. i -

Namens des verhinderten Ministers für Handel und Ge- werbe gibt ein Regierungskomimissar die Erklärung ab, daß dor Minister zur Beantwortung nah Verständigung mit dem Präsidium bereit ist. qs

Aba. Meyer- Frankfurt (Dem.) erstattet den Bericht des Geschäftsordnungsausshusses über die Vorwegnahme einiger vorläufiger Bestimmungen der Geschäftsordnung, denen Ju älouh rückwirkende Kraft beigelegt werben soll.’

Es handelt sih zunächst um folgende Ergänzung des § 23:

„Das Haus kann einen Urantrag an einen Auss{huß überweisen, ohne daß er besprochen worden ist, wenn der Antragsteller zustimmt und auf die mündlihe Begründung verzichtet."

Dazu beantragt der Berichterstatter, hinter dem Wort „Urantrag“ einzufügen: „ohne Geseßentpurf“. Jn der Er- örterung erflärt i Abg. Dr. No senfeld (U. Soz.) fh gegen den Antrag, dessen Fassung e Möglichkeit einer Vergewaltigung der Minderheit nicht aus]dletze. ; is ;

Der als Vertreter des Präsidenten flir diesen Beratungs- egenstand bestellte Bürodireïtor, Geheimrat Plate suht aus ben Geschäfteordnukgén ded früheren Abgeordnetenhauses und dés Reichs-

tags sowie aus denen des Auslandes nachzuweisen, dag die Ve- türchtuag des Vorredners grundlos ilt. i

Abg. Adolf Hoffmann (U. Soz.) ist durch diese Darlegung nicht überzeugt worden.

Gegen die Stimmen der U. Soz. wird der Antrag des Ausschusses mit der Ergänzung angenommen, ebenso ohne Erö: tecung ein neuer § 33, der die Jnhitution der feinen Anfragen in die Geschäftsordnung einführt.

Es folgt die Beratung des von sämtlichen Fraktionen mit Ausnahme der U. Soz. eingebrachten Antrags, die Staatsregierung zu ersuchen, bei der Neichscegierung dahin zu wirken, daß feinem Friedensvertrage zugestimmt wird, der nicht die Sicherheit dafür bietet, 1) daß er ein wahrer Frieden der Verständigung is, 2) daß gegenüber den 14 Wilsonschen Bedingungen keinerlei Verschärsung eins tritt, insbesondere kein deutsches Gebiet abgetreten mird, 3) haß die Blockade sofort aufgehoben, 4) die s{leunigste Rückführung der Gefangenen nah Deutschland festgeseßt und5) die unverzügliche Räumung der besegzten Gebiete angeordnet wird.

Präsident Leinert: Meine Damen und Herren! Die iFrals tionen mit Ausnahme der U. Soz. haben mich beauftragt, bei dieseur Gegenstand eine Begründung des Antrages zu geben. Wir stehen vor einem außerordentlih wichtigen Abschnitt der Weltgeschichte, Nach diesem entseßlichen Kriege und nach der furchtbar traurigen Periode des Waffenstillstandes nehmen die Friedensverhandlungen ihren Anfang. Niemals in der Geschichte der Menschheit war in dic Hände einer Friedens8- konferenz eine so große Verantwortung gelegt wie in die der demnächst zuz sammentretenden. DieZukunft derKulturnationen ist abhängig von den Be- schlüssen dieser Friedenskonferenz, und diese können nur getragen werden von dem Vertrauen der gesamten daran teilnehmenden Nationen. Das deutsche Volk hat alle Vorauésetzungen für dieses Vertrauen ge- schaffen, von dem das Friedenswerk abhängig sein muß, es hat sie geschaffen dadur, daß in die Verfassungen sowohl des Deutschen Neichs wie der Einzelrepubliken die Bestimmung hineingebracht worden ift, daß alle Gewalt beim deutschen Volke liegt. Daher ist der Friede auf unserer Seite zu {ließen nicht mit Vertretern irgend

welher Interessen, die dem Volke fremd sind, sondern der Friede ift.

zu schließen mit dem ganzen deuishen Volke. Diese Vorausseßungen bestehen aber auf der andern Seite, bei unseren Gegnern, nicht oder niht in gleihem Maße. Das deutsche Volë hat deshalb die allergrößte Besorgnis, daß dieser Friede nit ein voller Friede der Verständigun

sein wird, sondern daß er ein imperialistischer, dem deutschen Volke aufgezwungener Gewalt- und Zwangbfriede werden Tönne, und deshalb ist von der größten deutschen Republik, von der Nepublik Preußen, es noch in leßter Stunde erforderlich, eine Mahnung an das Mensth- beitêégefühl der Entente zu rihten und zu verlangen, daß der Friede ein Friede werde, der aufgebaut ist auf Gerechligkeit und auf dev Zustimmung und Verständigung aller beteiligten Völker. Die Grundlage dieses Friedens follen die 14 Punkte bilden, die der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika aufgesiellt hat. Sie sind von uns angenommen worden, als die Waffenftillstands- verhandlungen begannen, nicht um sie uns aufzwingen zu lafsea, sondern unser. Volk! hat se angenommen, um teilzunehmen an der Durchführung dieser Bestimmungen. Mit der Annahme dex 14 Wilsonschen Punkte haben wir aber auch vor der Welt die Bürg«- schaft mitübernommen, daß diese 14 Punkte das Programm - der Men\chheit nerden. Das i aber nur erreichbar, wenn die Ver«- ständigung auf Grund dieser 14 Punkte erfolgt und leßtere niht ¡um Schaden des deutf{chen Volkes vershärft werden. Eine Verständigung über das Zusammenleben der Völker ist nur zu \chaffen, wenn dex Gedanke der Züchtigung und der Strafe ines dieser Völker durch andere nicht in die Tat umgeseßt wird. Aber diese Gefahr ist vorhanden. Darum tollen wir unserer Volksregierung sagen, daß sie nur einen Frieden \chließen darf, der uns die Sicherheit bietet, daß alle Hindernisse der Völkerversöhnung beseitigt werden. (Bravo!) Für alle Zukunft müssen Haß- und Nacvegejühle eines Volkes gegen ein anderes ver- s{winden. (Sehr wahr !) Wir verlangen deshalb, daß unsere Negterung mit der ehrlihen Absicht der Völkerverständigung auf die Konfereng geht. Stellen wir aber dies Verlangen an die Regierung, so verpflichtet uns das auch, die Regierung aufzufordern, keiner Bedingung des Friedens zuzustimmen, die unser Dasein, unser Leben gefährdet. (Sehr wahr!) Der militärische Sieg, den die Entente über das deutshe olf errungen hat, gibt der Entente fein Mecht, die Lebens- interessen des dentshen Volks zu vergewaltigen. (Sehr wahr! bei den Soz.) Deshalb darf thr auch kein unzweifelhaft von Deutschen bewobntes Gebiet unseres Landes überlassen werden. Wenn unsere deutshen Brüder, die mit uns zusammengestanden baben in Not und Leib, ein Verteilungs- objeft für die Entente werden follen, dann wäre das eine Vergewaltigung, die das deut]|che Volk nicht ertragen kann. (Sehr wahr!) Die Folge wäre eine ungeheure Kraftanstrengung des deutschen Volkes, um dies Unrecht wieder zu beseitigen. Die geistigen und wirtschaftlichen Kräfte, die dazu erforderli wären, wollen wir lieber verwenden zur positiven Kulturarbeit für unser Volk. (Sehr gut!) Unsere Negierung darf niemals ihre Zustimmung zu einem Gewaltfrieden geben, der Deutsche Unter die Fremdherrschaft anderer bringt. (Bravo!) Der Friede darf aber nit nur den Bestand des deutschen Volkes sichern, er muß uns auc die Zurükführung der deutschen Gefangenen bringen. (Lebhafte Zustimmung.) Es ist eine Barbarei ohnegleichen, Kriegs8- aefängene, die gefämyft haben zur Verteidigung threr Heimat, auch nach Beendigung des Kriezes noch gefangen zu behalten und wie Sklaven zu behandeln. Es wäre die s{chlimmste Vergewaliigung der Menschen- rechte, wenn auch nach dem geschlossenen Frieden die in die Hände der Gegner gefallenen Deutschen zwangsweise zurückgehalten würden. (Lebhafte Zustimmung.) Schon heute weinen Millionen unserer Volksangehörigen Tränen um diejenigen, die noch in Feindesland ih befinden. Ein Friede, der sie nicht befreien würde aus ‘den Händen unserer Gegner, würde kein Frieden der Freude ‘sein, er würde verflucht werden und Haß erzeugen gegen diejenigen, zu denen uns der Friede doch wieder in ein vernünftigs und menschlihes BVerhällnis bringen soll. (Sehr e Eine \olŸso Vergewaltigung “würde jeder Menschlichkeit Hohn \prethen. Aus denselben Ciwägungen heraus, damit der Friéde uns auch die Freiheit brinat, wollen wir, daß die Besegung deut\her Gebiete durch deu Militcrismus unserer Gegner mit dem Friedensvertrag aufhört. Diess Beseßung ist die Ausübung eines brutalen Kriegämittels, das in Fricdens- zeiten keine Berechtigung mebr hat. Ein Frieden, der nicht allea Kriegshandlungen ein Cnde macht, ist kein Frieden. (Sehr wahr!) Endlich muß mit dem Frieden8vertrag auch die brutale Blockade ihr Ende finden. Der Erfolg die)erBlokade ist gewesen, daß imKriege und au noG während des Waffenstillstandes Hunderitausende unserer Volksgenofsen gestorben find. Die Blokade trägt auch die Schuld an unseren jammervollen wirtshaftlicen Verhältnissen. Das deu!she Volk muß Hungerqualen ausstehen, und es fehlen uns die Rohstoffe, die wir aus allen Teilen der Welt zur Wiederaufrihtung unserer Wirtschaft brauchen. Die Blokade ist eine der furchtbarsten Waffen den Entente gewesen, fe erscheint ‘als ein Mittel, um in zynisher Weise zu prüfen, wieviel wohl ein Volk ertragen kann, das sich erhalten will. Das deutsche Bolk hat wahrhaftig gezeigt, daß es ungeheure Opfer zu bringen im stande ist. Jhm wixd aber der Lebensfaden abgeschnitten, wenn nicht bei Unterzeichnung des Friedensvertrages die Blokade auf- gehoben und die Absperrung vom Weltmarkt beseitigt wird. (Lebhafte Zustimmung.) All das wollen wir heute noch einmal von dieser Stelle aus allen ztlvilisierten Völkern der Welt zurufen. Wir halten es für unsere erste Pflicht, noch jeßt in zwölfter Stunde, wo der Krieg endgültig zu Gnde gehen foll, diesen Appell an das Gewissen der ganzen Kulturwelt zu rihten,, der den einmütigen Wünschen des ganzen Volkes entspriht. (Lebhafte Zustimmung.) Die Preußische Regierung hat mir mitgeteilt daß sie bereits im Sinne dieser Forderung an die Reichsregierung herangetreten ist. (Lebhastes Bravo!) Die Annabme dieses Autrages wird beweisen, daß das deutshe Voll weit davon entfernt is, Haß- und Rachegedankeu za hegen, daß es nichts sehnlicher wlins{t, ais mit den anderen YPlovn

\

-der Grundlage der Freiheit und Gerechtigkeit zufammenzulebén. ird ein solher Friede dec Verständtgurg Vio E dann with er Förderung von Menschenwürde und- Menscheng üd in der ganzen elt beitiagen. Wird. aber das deutsche Volk vergewaltigt, so würde Welt noch weit entfernt davon sein, das Ziel zu errei.hen, tas

¿ Völker 1chnlihst erstreben. (Lebhafte Zustimmung.)

_Avg. Adolph Hoffmann (U. Soz): Die Nede des Herra äsidenten hat bewiesen, wie recht meine Freunde hatten, wenn sie

weigerten, einer gemeinsamen Erklärung zuzustimmen. Jch will 6 Gründen, die Sie auh billigen werden, heute niht näher darouf gehen. Jch will nur daran erinnern, daß heute noch

000 russische Gefangene in Deutschland find. - (Hört, hört!

den U. Soz) Âls übereinstimmenden Willen meiner eunde habe ih zu eflären: Auchß wir sind gegen jede ers{ärfung der Wilsonshen Bedingungen, insbesondere gegen

e Abtretung deutschin Gebietes. Auch wir verlangen die sofortige ifhebung der Blockade und die \hleunigste Nückkehr der deutschen fangenen sowie die Näumung der beseßten Gebiete, Wir haben 6 an der Resolution der übrigen Fraktionen nicht beteiligt, weil r es ab'ehnen, einen Appell an die bürgerlichen Regierungen der pitalistishen Länder zu richten. (Schallendes Gelächter bet der ebrheit. Nufe: Faule Ausrede!) Wir protestieren dagegen, daß die tedensverhandlungen der deutschen Nepub(if Männern anvertraut sind, è während des Krieges die Gewaltpolitik der impecialijtishen Re- rung unteritüßt haben. (Sehr wahr! bei den U. Soz.) Wir nden uns an das internationale Proletariat aller Länder, wir arten einen wirklihen Völkerfrieden nur von dem brüderlidhe sainmeuwiren der Arbeiter der ganzen Welt, von dem Kampf der ternationale des Proletariats gegen die Internationale des jpita!s. Erst wenn die soziale Weltrevolution des Proletariats erall den Sieg errungen bat über den raubgierigen Imperialismus,

ein Friede mögli, der für immer die Kriege aus\{ließt und en Völkern freie Cntwickiung garantiert. Ein folcher Friede witd ch dem deutschen Volke Rubße, Woblstand und Glü bringen. jelächter rech1s. Bravo ! bei den U. Soz.)

Der Antrag wird hierauf angenommen, die Unabhängigen ozialdemolraten enthalten sich der Abstimmung.

Ein Antrag über das Begnadigungsrecht und e Amnestie wird dem Nechi8ausshzuß überwiesen.

Dann folgen sechs Anträge über Gemeiudefragen.

Abz. von der Osten (D. Nat.) erhebt Einspruh gegen die jeitige Auflösung der Kreistage. Man bringt jeßt Männer in he amtliche Stellungen, die keinerlei Sachkenntnis haben. Poli- he Gründe sollten bei solchen Besezungen niht maßgebend sein. je Regierung darf vor dem Nadikalismus niht zurückweichen. Sie ß endlih Front machen gegen bie verirrten Teile des Volks, die s russishe Muster bei uns einführen wollen. (Beifall rets. Zu- e der U. Soz.: Scbarfmacher !)

Abg. Leid (U. Soz.) verlangt die Aufhebung der alten Ge- indevorstände und Magistrate. Die alte Wirt¡chaft muß gänzlich ggefegt werden.

Abg. Schreiber (Dem.) beantragt, die Verordnungen über die sammenseßung der Kreistage der Landeëversammlung zur Nach- litung vorzulegen.

Abg. Scholich (Soz.) wünscht die Vorlegung eines neuen Ge- indeverfassung8geseßes. Die Junker, die sich am 9. November ver- hen hatien, wagen si wieder hervor. (Lärm rechts.) Am 9. No- nber mußten wir sie {{ügen. (Gelächter rechts.) Wenn wir ein- il niht mehr die Macht haben follten und sie niht s{üßen würden, nn würde es ihnen an Kop! und Kragen?gehen. (Gelächter rechts.) egen widerspenstige Gemeindevorsteher muß eingeschritten werd: n.

Ünterstaatsfekretär im Ministerium des Innern Meyer: Der hq. von der Osten hat kritisiert, daß die Verordnung wegen der Auf- ing und Neuwahl der Gemeindevertretungen und der Kreistage erst tz vor dem Zusammentritt der Preußischen Landesversammlung er- sen worden ist. Gs ist das nicht durch die jeßige, fondern durch die tige Negierung gesehen. Der eigentlihe Grund dafür bestand in r Unrubè, die fih im Lande geltend gemacht hatte wegen der nah m 9, November unzeitgemäß gewordenen Verfassung der Gemeinde-

waltungen und der unzeitgemäßen Zusammenseßung der Ge- indevertretungen. Das Vorgehen der Regierung war außerdem rade darauf berechnet, die Beschwerden über die Eingriffe der tbeiterräte in die Gemeindeverwaltungen gegenstandslos zu hen, über die sch Herr von der Vsten so sehr beklagt t, Wenn Herr von der Osten sich vor einer fortwährenden ngiebigkeit der Regierung gegen solche Wünsche gewarnt hat, so ist m gegenüber doh t arauf hinzuweisen, daß mit dem früheren System

„völligen Unzugänglichkeit gegenüber allen Neformwünschen die limmsten Erfahrungen gemacht worden sind. Der Minifterpräsident it am 25. März aus8ge!prochen, daß in Gemeinde, Kreis und Provinz t gleihen demotratiihen Grundrechte im Staat wie im Neiche zu gelten ben. Daß diese Verordnungen an einzelnen technisGen Mängeln den, bestreitet die Negierung keineswegs, sie ist gern bereit, mit t Landeéversammlung in der Richtung auf Verbesserungen zusammen- wirken. Die Besorgnis des Herrn von der Osten, daß eine zweifelhafte ber strittige Nechtslage daraus ent\teben kann, daß die neugewählten Periretungsförpers{Gaften vermögensrechtlice Beschlüsse fassen, die ttituell nahher, wenn die Verordnungen dur die Landesverjammlung îndert werden sollten und auf Grund dieser Aenderungen Neu- ahlen statifinden, wieder aufgehoben werden könnten, ist nicht be- lndet. Bis zur Aenderung der Verordnungen behalten diese ibre volle ‘irfsamkeit und fönnen die auf Grund dieser Verordnungen gewählten Drperschaften rechtsgültige Beschlüsse fassen. Die Verordnungen r Landesoersammlu1g zunächst zur Prüfung vorzulegen, hält die egterung nicht für möglich; die Wahlen sind zum großen Teil jon erfolgt oder vorbereitet, und eine weitere Hinaus|[chiebung ürde nur neue Unruhen in der Bevölkerung hervorrufen. uh der Antrag Hoffmann fordert wohl nur die Aufhebung der éherigen Magistvate usw. im Gesetzeswege, nit etwa durch e Notverordnung. Mit ungeheurer Plößlichkeit, mit einem id geht das nit; das würde den Gemeinden bloß neue erlegenheiten bringen. Dem Wunsche des Abg. Scholich auf tun- ite Beschleunigung der Gemeindewahlen t|st \chon entsprochen ; ele Wahlen sind bereits durhgeführt oder werden es in den aller- isten Tagen sein. Der Protest der Landräte in dem Negierungs- zuk Breslau ist hon Mitte Februar wieder jurbagezogen worden. e Umständlichkeit der Prüfung der Gültigkeit von Ge- eindewahlen is in den bestehenden Gesegen begründet ; 6 wird die Regierung dort, wo grobe Wahlverstöße bgewiesen werden, von threm Recht der Auflösung den ausgiebigsten Vébrauh machen. Die Forderung eines neuen Gemeinderechts wird Dn der Regierung voll als berechtigt anerkannt; fie wird so {nell è möglih ein neues Gemeinderecht vorlegen, wenn auch bei der edeutung und der Wichtigkeit dieser Materie die Vorarbeiten nicht deritürzt werden dürfen. Auch die Selbstverwaltung der Kreise ird niht gestört werden: nach dem Programm der Regierung Baan 9 ihr darauf an, die Selbslverwaltung auszubauen. Beifall.

Abg. Dr. Leidig (D. V.): Die Regterung betont, daß die Verordnung von der vorigen Regierung ergangen ist. Der jeßigen es also offenbar dabei selbst niht ganz geheuer. Wir halten ian fest, daß die frühere Regierung zu diesem Grlaß nicht mehr Pa gt war; nachdem die Landesversammlung gewählt war, lag leses Recht allein bei ihr. Jch kann verstehen, daß geseßestreue andrâte ih gesagt haben: solche Erlasse sind ungültig, weil sie

SONDETAnUgE der Landesrersammlung eingreisen. (Lachen 03. ). 7

Die Anträge werden dem Gemeindeauss{chuß überwiesen.

Dann folgen drei Anträge auf Aufhebung der tisilihen Schulaufsicht, Hebung der Volksschulr nd des Lehrerstande s. L Abg. Herrmann (D. Nat.) fördert Aufh-bung der geistlichen

ulaufsicht und führt aus: Die Sihulaufficht darf nur noch püdag-

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aogisch gebildeten Personen übertragen werden. Notwendig ist eine Reform des Besoldungsgeseßes. Heute beziehen Lehrer nah 25 jähriger Dienstzeit nicht fo Miel wie gin 186 jähriger Arbeiter, Der Redner fritifièrt weiter scharf die Zustände dèr Landschulen, die Ueberfüllung der Klassèn, die \chlechte Beschaffenheit der Lehrerwohnungen usw.

Minister für Wissenschaft, Kunst und Volkébiltung Haäenisch: Meinè Damen und. Herren! Auf ias große (Gebie! der [Œul- politischen Probleme, lie der Herr Vorredner in iden Bereich seiner vielfa {hr interessanten Betrachtungen gezogen lhat, will ich ihm bei der |Geschäftélage des Hauses [heute nidit im einzelnen folgen. Jh glaute, mir werden bas medckmäßiger bis zur Beratung des Kultus- etats aufschieben (sehr ridtig): bei dieser Gelegenheit werden wir eine ‘Debatte über alle diese sckulpolitishen ‘Fragen, die ja auch der Staatsregierung im iallccmeinen und mir im besorderert sehr aim Herzen liegen, viel [systematiscer und grürütllicher führen Fönnen als leute, wo bie allevvershiddensten Gegenstände auf ber Tageëorbnung steben urrd gatlreide ‘Herren fbarauf bringen, zum! mnädsten, ganz anderê gearteten Punkt ker ‘Tageêorbnunjg übergehen gu fönnen, Nur eine Bemerkung Tann id mir bo init senken, un zwar möchte ih sagen: Vor Tiscke las tman's anders!

So schr ih mich über den regen \chulveformerischen Eifer gefreut kabe, lder aus vielen ‘Teilen der ‘Réde des Herrn '‘Albgeordneten Herr- mann (Fresterêdorf) lberauélang, fo fehr id midi ber feine sckarfe Fritif an der Ueberfüllun# unserer Volkéschulen, besonders unserer Landschullen, gefreut habe, so sehr ih mi über die sehr scharfen Worte, die er in der Kritik? der miserablen Lehrermchniungen auf dem Lande acfunden hat, und über so mances andere in seiner Rede gefreut habe so mre es mir od ncckch fehr viel erfreulicher gewesen, der Herr Akgeordnete Herrmann hätte diese sckcharfe Kritik von dieser Stelle aus bereits vor einem Jahre geübt, zu einer Zeit also, wo Sie (nad rechts) noch die regierende Partei waren. (Sehr gut! und Bravo! links. Rufe rechts: Sind wir gar nit gewesen!) ‘Die Herren von der Deuischmaticmäalen Partei bestreiten, taß sie vor eincm Jclhhre die regiereride Partei waren. (Heiterkeit irks und bei den Deutschen Demokraten.) Es winde mich Febr interefsieten, ben Jhnèen zu Hören, wer denn eigentlich tamaïls regierende Partei war. (Rufe rechts: Wir ind eine neue Partei!) Ja Sie aben einen neuen N amen, tas weiß ih wohl. Aber cen nur der Name i} neu. (Daß Ske stamalés, \als ‘Sie noch „Fonservativ“ firmierten, auf die Regierung, deß ste jahrzehntelang auf unsern ganzen Verwaltungsäpparat den denkbar größten Einfluß aus- geübt baben, wer will denn das testreiten?! | die Regierung, wer hatte in ter Verwaltung das Heft in ter Hand die Lardrâte, die Regierungépräsidenten, die Minister, auh gerade die KQultusminister waren das nit alles Jhre Leute? (Widerspruch und Zurufe reckts.) Oder wollen Sie etwa beboupten, baß wir Sozialdemokraten damals die maßgébente Partei gewesen sind? (Sehr gut! und Heiterkeit links.) [Wir waren es nit, das Zenirum war es vit, die Demokraten waren es aub nit. M n!

n, wenn Ste bestreiten wollen, daß Sie die regierende Barte? gewesen fund, dann beißt es einfa, taß Sie am hellen Tage die

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Sonne vom Himmel wegleugnen. (Zustimmung |links.)

Also: Die Kritik, die der Herr Abgeordnete ‘Herrmann an vielen Mißständen in unserm Schulleben geübt hat, mit Net geübt hat, triff micht die , gegemvärtige Regierung und nit die gegemvärtigen Mehrheitsparteien des "Hauses, trifft am allerwenigsten meine Partei, sondern es sind die

Sünden Ihres eigenen alten Regimes,, die jeßt von SJihhrer Seite an den Pranger gestellt werten. Umd, bvie gesagt, es wäre mir nur Tieb gewesen, der Herr Vorredner hätte den starken |Ein- Partei in-hder Regierung, in der Vermraltung früher batte, dazu benußt, um kauf den von ibm gerügten Gebieten zu jener Zeit \&on gründ Wandel zu Taffen. (Zuruf rechts.) !Na, es ist aber nit gelungen. Meine Herren, ih erinnere mi [chr l{bhcft: Wenn mir bon ber [linken Seite in all dem früheren Jahren bei den Sta!ldebiatien nicht wahr, Herr von der Osten, Sie haben

sib aub lebhaft daran beteiligt \Æärfste Kritf an lter Neberfüllung

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der Klassen, an den Lehrerwclhhnungen, an den |Schulaufsichtsverhält- nissen und manchen anderen Dingen geübt n, dann sind wir von Ihnen oft genug als gewissenlcse Heber Üg:latoren gebrandmarkt

worden, Das wissen Sie doc alle, arin rellen wir uns doch kein X für ein U maden: twir kennen uns boch lange genug! (Heiterkeit.) Mer, meine |Herren, besser spät als gar nit, und wie im Himmel- rei befanntsid Freude ift über einen |Sünder, der Buße tut vor néunundneunzig \Gerecten, bie der |Vuße micht bedürfen, so freue ih mib auch (Zuruf reckts) ja, id feine 8 Kultu2minister natürlich die Bibel auch des letibaften \ck&ulreformerisden (Eifers, der aus der Rede des Herrn Vorredners hervorklang, und es wird uns eîine besondere Freude fein, ihn und seine ganze Partei bei den grund- egenden |Sulreformen, bie wir Planen, und die ja, in dem Negierungéprogramm, das lder Herr Ministerpräsident lvor wenigen Wochen lhier vorgetragen lhat, niedergelegt sind es wird uns, sage ib, eine besondere Freude und Genugtuung sein, Sie alle als kräftige Mithelfer und Mitstreiter ltabei begrüßen gu können. (Bravo!)

Meine Herren, 1 sagte \{on, daß ih bei der |Geschäftslage des Hauses auf Ginzelheiten nit eingehen will. Jch will ‘es insbesondere meinen Herren Referenten überlassen, über die Bes oldungsfrage des näberen zu \prechen. Jch därf aber wohl den [Herrn Vorredner daran erinnern, daß er ja vor wenigen Tagen erst mit einer Meihe seiner verehrten Verufsfkollegen mir im Kultuêministerium die Freude seines Besucbs gemacht hat und daß er dort zweifellos auch aus der eingehenden Unterhaltung mit mir undd meinen Mitarbeitern die Ueber- eugung gewonnen haben wird, daß wir die ohne jede Frage vorhandene sdmwcre Notlage der Lehrer vollauf würdigen; er wird den Eindruck gewonnen haben, daß wir für älle die von ihm Hier und neulih tin Privatgespräh erörtertem Fragen volles Verständnis*' und ein warmes Herg haben. Ich glaube, der Herr Abgeordnete Herrmann hat mir neulih am Ende seines Besuches auch ausdrücklich versichert, daß e1 von der vollen Loyalität gerade aub der neuen Regierung den Lehrern und inébesondere den Lantilehrern gegenüber voll überzeugt sei, Weit dieser Ueberzeugung is er von mir aus dem Ministerium geschieden. Jch stimme mit dem [Herrn Vorredner durhaus darin überein, daß das Wohl der Schule aufs engste zusammenhängt mitdem Wohle der Lehrer, und daß ein gedeihliher Unter- rit nit möglich ist, wenn die Lehrer hungertü und frieren und wenn sie in Hundehütten wclhnen müssen: Der Meinung sind wir alls mit- «ircander; un wsd irgend im Bereich dés finanziell Möglichén itg!, das [oll und wivd geshehêw, um dén Beitihtigten Klagen

und Wünschen der Lehrer abzuhelfen. Darauf darf si die preußisdhe Lehrerschaft: verlassen. j

Ih hatte mich eigentlih nur gum Worte gemeldet, um mi kutt&r

MAlbführungen gu sprehen über die am Beginn der Rede des Der

bgeordneten Herrmann angeregte Frage der geistlihen Schal- aufsicht. Meine Herren, es ist Ihnen ja bekannt, daß durch den Erlaß der Regierung vom 27. November diese Frage zunächst in d Bereich der öffentliken Erörterung gezogen worden is. Die Frags der Sculaufsiht hat dann während bieser HRevolutionsmonaté tin ganze Geschichte der (Jrrungen und Wirrungen durchlaufen müssen, die aber nun, wie ich annehmen darf, zu Ende ist. J habe Ihnen nämlih mitzuteilen, taß in meinem Ministerium ein Geseßentwuf fertiggestellt worden ist, dar die ODvtssfhulaufsihtgeners11 aufhebt (Bravo! bei den Sozialdemokraten), und der gan allgemein dié Kreisschulaufsicht durch Fachleuntn einführt. (Wicderboltes Bravo bei den Sogialdemekraten.) Vêeias Herren, dieser Geseßentwurf liegt bereits seit einer Meihe von Zagén dem Staatsministerium vor und wird in ihm mit der größten Be- \leunigung verabschiedet werden. Jch hoffe, daß er dem hohen Hause bereitsin denallernächsten Wochen zur BesGl®F- fassung unterbreit?twerden kann.

Meine Herren, id sagte: bis wir zw diesem Beschluß kommen

hat die Frage der S&ulaufsicht iw den leßten Monaten eine Geschichts durlaufen, die man leider eine Geschichte der Jrrungen uni MWirrungen bezeihnen muß. Die geistlihe Ortéschulaufsicht, um diesen technisch nibt ganz zutreffenden Auédruck® zu gebrauchen way zunäckst aufgehoben werden durch den eben \ckon emähnten Grlay vom 27. Nevember 1918. VPeber die sachlihe Notwendiqkeit diesen Maßregel das möchte ich besonders auc den Herren von der äußerste Linken sagen hat selbstverständlich zwishen meint damaligen Kollegen im Kultusministerium Herrit Adolph Hoffmann und mir nicht die alllermiadetstäà Meinungsverschtiedenheitbestanden. (Hört, hört!) Wix beide waren duraus einer Meinung, daß das Gebiet der Shulaufsihl in dem Sinne geregelt werden müsse, daß generell die Kreisshul- aufsibt durh Fachmännr eintritt, also in dem Sinne, wie es dis Lehrerschaft und die weitesten Kreise des Volkes seit Jahrzehnten gefordert hatten. (Widerspruh rechts.) Meine Herren, leider aber wies der Erlaß, wie mande Erlasse, die in den ersten wilden Revolutionänrocken ‘herauëgetemmen sind, einige formal-juristisds Mängel auf, urid so kam es, daß sib Durckführung teilweiss große praktishe Scwierigkeiten entgegerstellten. Besonders stark, meine Herren, waren diese Schwierigkeiten und Widerstände in den besezien Gebieten im Osten und Westen unseres Vaterlandes, in det Provinz Posen und im Rheinland. Dieser Widerstand nahm ¿umi Teil so bedenklike Formen an, daß aus all gemein-politischen Grwägungen heraus, kie bekannte Aniwort des Herrn Präsidenten des Staatêministeriums auf das Protestschreiben des Kardinals Hartmann von Cöln nit zu umgehen war. (Zurufe.) Diese Antwort des Herrn Präsidenten des Staatsministeriums wird vem dorther ein Pie zug genannt. Jch weiß, daß sie in Lehrerkreisen Vebhaftes Befremden nd berechtigten Umvillen hervorgerufen hat (sehr rihtig!), aber bei deu allgemein-politischen Situation, meine verehrten Herren, wie sie damals im Dezember und Januar in unserm Lande lbestand, war die vorsäufiga Zurücknahme dieses juristisch nicht einwanFfreien Erlasfes eine politischa Notwendigkeit, ter aub ih mih nit verschließen konnte. So hr idé mit Leib und Seele Unterrihtsminister bin, und so sehr ih alle For derungen und Notwendigkeiten der Unterrichtéverwaltung vertrete und mit ganzer Seele verfeckte, so bin ih toch zuglei d audch Staat minister und muß unter gew:ssen Umständen allgemein-politisäe Niücksichten das Uebergewicht gewinnen lassen über noch so berechtigts Ressortinteressen, und diese allgemein-politiscen Rücksichten, die Sie ja fenneù und die zum Teil auf das engste mit den L085 rejßungsbestrebungen im Osten und Westen -§wW- sammenhängen, machten wie gefagt jene Aniwort des Herrn Präsidenten des Staatêministeriums an den Her1.n Kardinal] Hartmaua zu einer bedauerlichen Þpoliiischen Notwendigkeit. ' Naturgemäß hat num- ader diese Aniwort an den Herrm Kardiuall Hartmann in die Durchführung der Kreis\hulaufsiht und die Bw seitigung der geistlichen Schulaufsicht eine gewisse Unruhe und: Un sicherheit hineingebraht (sehe ritig!), die i2on den weitesten Hreison mit Recht lebhaft beklagt worden sind.

Meine Herren, ih habé deshalb, um gzunädcst bis zu der ¡egd tevorslebenden geseßli hen Regelung der ganzen Materie eins cemwisse Ortnung zu schaffen, angchordnet, daß überall dort, mo dey Erlaß vom 27. November 1918 bereits durchgeführt war, #8 daa fein Betrerden baben fiolle, daz aber in anderen |Gebieter, wo bis Durlführung auf unüberwindliche prektische Schwierigkeiten gestojen war, die Durchführung gunöchst nicht erwungen werden sollte.

Es wird nun in dem demokratischen Antrag gefragt, wie Vin Dinge heute praktisch in den einzelnen Bezirken des Staates liegen. Ich habe die Berichte der einzelnen Previnzregierungen darüber ais gefordert, und darf Ihnen eine kurze Uebersicht geben, wie die Dinge mit der Orts- resp. Kreisshulaufsiht héute praktisch bestellt sind.

Nach den mir vorliegenden Berichten der Regierungspräsidentää i der Grulaß om 27. November restlos durhgeführl worden in den Regierungsbezirken Gumbinnen, Allenstein, Franka furt, Stralsund, Magdeburg, Merseburg, Schleswig und {i der Provinz Hannover. Jn den (Regierungsbezirken Königsberg und [Danzig hat sich der Erlaß nicht voll, aber "doch ¿umi

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großen [Teil durckchführen lassen. - [Die Regierung |[Marienwerdei berichtet, daß sie die Durchführung der im Erlaß you

27. [November angeordneten Maßnahmen befohlen hat und dit genaue Durchführung überwachen werde. Nach einem Berich4 der Regierung in Potédam bon Anfang Januar sind die in dén Crlaß geforderten Maßnakimen durchgeführt worden, soweit die Kürßzs der Zeit es gestattet habe. Die Regierung in Sitettin lhat nah einem Bericht vom 6. Januar d. Js. das [\Nötige veranlaßt; über örtlidhe Wüiderstänte und Verzögerungen üt ihr mit Ausnahme eines Falles nichts bekannt geworden. Die Regierung in Köélin berichtet, daß der Gulaß sinngemäß zur Ausführung gekommen sei. Die Regierüngèn in Breslau und Erfurt teilem mit, deß die Uebernäkime der Orts- \{ulinspetktion durh die Kreiésulinspektoren äbgeschlossen sei; ; it zalilreiden Fällen jedo hätten die Ortsschulinspektoren unter Be- ruung auf die angebliche Ungeseßlichkeit des Verfahrens Einspruäj erhoben. Die Régierung in Litgniÿ berichtet, sie dürfe annehmen, bag bte Maßnahmen des Grlasses sinngemäß gur Aussührüng tekeman seien. Die Régierung iw Oppeln hat den Grllaß den Kreis- (h Del

L ETIT I E E: E RA E E T T F T