1919 / 96 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 28 Apr 1919 18:00:01 GMT) scan diff

Jtalien.

Der Ministerpräfident Orlando ist aus Paris in Rom eingetroffen und begeistert empfangen worden. Er begab ns nah dem Oririnal, vor dem große Kundgebungen statt- anden.

Die Regierung beschloß nach einem zweistündigen Minister- rat die Kammer auf nächsten Dienstag einzuberufen. Wie „Wolffs Telegraphenbüro“ meldet, rechnet man mit einer ganz fturzen Tagung und mit einer vdn allen bürgerlichen Parteien gemcinsam eingebrachten Tagesordnung, die der Regierung für ihre Haltung in Paris das Vertrauen aus- sprechen wird.

Die Leiturg der republikanishen Partei hot an den Minislerpräjidenten Clemencegu ein Telegramm gesandt, in dem es der „Agenzia Stefani“ zufolge u. a. heißt:

Die republikanisce Partei, die Urheberin der Garibaldi-Expe- dition nah den Utgonnen, die beständig gegen den Imperialiemus Tämpfte, besteht auf dem heiligen Rechte Jtaliens, JIstrien und Fiume für die Verwirklihung feiner nationalen Forderungen für fich beanspruhen zu können. Die republikani\che Partei vertraut Ihnen die Verteidigung der gerechten Sache Italiens an und macht auf die Gefahr von Zwistigkeiten ¡wischen ten Demo- kEratien aufmerksam.

Niederlande. Die in Amsterdam stattfindende Juternationale Sozialisienkonferenz , beschränkte fich dem Blatt „Het

Voik“ zufolge vorgestern auf die “Prüfung des von den Sekretären aufgestellten Programms der Konferenz, das soscende fieben Punkte umfaßt: 1) Erörterung über den Abschluß der Bariser Friedenskonferenz. 2) Die Entsendung einer Studienkommissiou nah Nußland. 3) Die territorialen Fragen. 4) Die auf das Moskauer Manifest zu gebende Antwort. 5) Die neuen Statuten der Jaternationale. 6) Die Organisation der Arbeiterpresse. 7) Die Organisation eines Kongresses im August. Belgien.

Einer Hava?-Neuter-Meldung zufolge wurde während der in Brússel stattfindenden belagaisch-luxemburgischen Ver- handlungen von belgisher Seite die bestimmte Erklärung abgezcben, doß Belgien unter feinen Umsländen beabsichtige, die Autonomie und Unabhängigkeit Luxemburgs anzutasten.

Kunst und Wissenschaft.

Die Galerie Eduard Schulte erdfffnet ihre Mai- außstellung mit einer Gedächtnigausstellung des Ende 1918 ver- {torbenen Berliner Landschafters Julius Wentscher; ferner werden größere Sainmlungen von Alfred Bahmann-München, Otto Dil- München, Paul Hans Ohmert-Neubabelsberg, Alerandter Steinbrecht- Dießen und Carl Strathmann-München gezeigt.

Literatur

Der vor 8 Jahren begründete „Schlesishe Bund für Heimatshuyz" fand sein Arbeitsfeld biéther im Wirken für tie Er- baltung und Pflege der heimischen Tier- und Pflanzenwelt sowie der Zeugnisse alter heimailiher Kultur, wie Bauten, Denkmäler, Namen, Schriften und Werke dcr Volkskunst. Aus der staatlichen Umwälzung sind ihk e Pflichten erwacbsen und er hat, ihnen MNechnung tragend, das Gebtet seiner Wirksamkeit verbreitet, um für die Erhaltung der Provinz als kulturelle Einheit seine Krast einzusetzen, in der Voraussicht, daß Schlesien als Vermittlerin der west- lihen und öftliden Kulturen in Zukunft eine wichtigere Nolle zu \pielcn herufen sein werde a!s biéther. Der Bund hat auf diesem neuen Arbeitéfeld dcn esten Schritt mit der Herausgabe einer Schrift getan, die „Schlesien, ein Bekenntnts- buch“ benannt ist. Hervorragende Angehörige der Provinz kommen in 16r mit karzen Aushührungen zu Woit, in denen fie in dieser (Zchicksalslunte ibrer engeren Heimat für deren Einheit, Eigenart und Kulturmi- sion warm herzig und beredt eintreten. Die Schrift wird ?veit über die Grenzen der Provinz Schlesien hir.aus Anteil und Liderball tvecken.

Von dem üm Verlag von S. Hirzel in Be-=lin erscheinenden Deutschen Wörterbuch der Gebrüder Grimm ist die 15, Lieferung des dreizchnten Bandes erschienen. Sie ist ven Dr. K. von Bahder bearbeitet und enthä!t die Wörter Wasserka{ten bis wal! schelig.

Kurze Anzetgen

neu erschienener Schriften, deren Besprehung vorbehalten bleibt. Einsendungen sind nur an die Schriftleitung, Wil belmstr. 32, zu rihten. Rücfsendung findet in keinem Falle statt.

Aus den Tagen des Wahns. Zwei poetische Erzählungen ron Neinhold Sck midt. Brosch. 2 #. Potsdam, Kommissions- Verlag von Edmund Stcin.

Die Verstaatlihung des Feuerversicherungs8- wesens Von Dr. oec. publ. Hans Batke. 4 4. Berlin SW. 11, Verband öffentl. Feuerversicherungsarstalten in Deutschland.

Bantwvesen.

Einen Kursus über das Siedlungswesen wird der Leiter des deutschen Archivs für Städtetau, Siedlungswesen und Wobnwesen, Negierungsbaumeister Langen, unter Mitwirkung be- kannter Fachleute dieses Gebiets in der Zeit vom 2. bis 28, Pai d. Is. im Hause des Vereins deuls{cher Ingenieure, Sommerstraße 4a (am Brandenburger Tor), abhalten. Der Vortragskursus ist e folhe Heren bestimmt, die \sich hauptberuflih tem Siedlungéwe}en widmen wollcn. Ein gleichzeitiger Uebungékursus seßt auch fach- technische Kenntnisse voraus.

Ausstellungsnachrichten.

Die Ausstellung einfachen Hausrats im Kunfst- gewerbemuseum ist zweimal wêchentlih, am Dienstag und Donnerstag, auch Abends von 6 bis 8 Uhr bei freiem Eintritt geöffnet.

Theater und Musik.

Opernhaus.

Ein Jabrzent ist feit der leyten Neueinstudierung von Mozarts ,DonJuan“ im Opernhause verflossen, der früher einen ständigen Play im Spielplan behauptete. Der alte, naive Nochliß\che Text, der uns mit allen setnen Schwächen lieb und vertraut geworden tvar; hat schon vor Zeiten der Levischen Bearbeitung weichen müssen, die durhaus niht einwandfret ift und noch nicht das Gnde des Erxperimentierens mit neuen Ueber- feßungen darstellt. Wie dem auch set, der „Don Juan", der sich früher so fcei und ungezwungen bewegte und trog der Unzulänglichkeiten des alten Textes doch auch in diesem Mozartschen Geist atmete, der muntere Leporello. der mit (&lotternden Knien sein „Herr Gouverneur zu Pferde“ fang, Don Octavio, dem man die Arie: „Ein Band der Freundschaft", \cherzhaft „Buchbinderarie“ genannt, jeßt gestrichen hat, sie haben mit dem Streben nah Genauigkeit des Ausdrucks die Unbefangenheit ihres Bühnenlebens

eingebüßt, sind ge-

\preizte und gezierte Herren geworden, und man kann keiner Borjtellung des „Don Juan" mehr beiwohnen, ohne an alle die gelehrten Abhandlungen zu denken, die über ihn geschrieben worden sind. Auch die Neueinstudierung unter der Lettung von Dr. Sirauß am Freitag hatte etwas Shwerblütiges. Zum großen Leil lag das an dem neuen Vertreter der Citelrolle, Herrn Armster, dem 1rog seines stattlichen Aeußern und seiner s{önen Stimme der spanische Nitter wesensfremd ist. Von der früheren Beseßung sind nur die lieblihe Zerline des Fräulein Artôt te Padilla, und der edle Komtur des Herrn Knüpfer am alten Platze geblieben. Ueber ihren Leistungen wie über der des Orchesters wehte ganz reiner Mozartscher Geiit. Nicht aus diesem Geiste ge- boren, aber doch eine in ihrer Art geniale und fesselnde Leistung war die Donna Anna der Frau Kemp, die dur ihr hinreißendes dramatisches Gestaltungsvermögen und Temperament über manches Unmozartische ibres Gesanges leicht hinwegsehen ließ und die Zuhörer im Bann hielt. Wenig am Plaße war dagegen Fräulein von Granfelt als Donna Elvira. Annehmbare Leistungen boten die Herren Hutt (Octavio), Stol (Leporello) und Habih (Majsetto). Dr. Strauß, der viele Zeitmaße breiter nahm, als man es gewöhnt ift, begleitete die Re- zitative selbst ausdruckévoll am Klavier. Szenisch sah man nichts Neues, aber manches gegen früher vereinfaht. Die Oper {loß nach dec neuerdings bevorzugten Auffassung des Werks als dramma giocos0 nicht mit Don Fuans Tod ab, sondern mit dem von Morzart \päter hinzugefügten heiteren Nachspiel. i

Deutsches Künfstlertheater.

Lothar Schmidts dreiaktiges Lustspiel Das Schloß am Wannsee“, das am Sonnabend im Künstlertheater nicht ohne Widerspruch in Szene ging, sollle die Satire des Kriegs-

gewinners, des geistlosen Geldproßen, werden, der mit seinem *

Neich!1um wohl ein Schloß erstehen kann, aber für die Kunst- und KNuiturschäge, die es birgt, völlig unempfängliß und unempfindlih ist. Der Grundgedanke des Lustspiels ist gesund und gut, leider aber machte sich der Verfasscr einer argen Geshmalklosigkett \chuldig, als er den Streit zweier Kunstsachverständiger, ob ein altes în der getauften Villa befindlihes Möbelstück ein Nacht- stuhl oder ein Süetigerät aus dem Besiy Ludwigs X1V. von Frankreih gewesen sei, mit der sonst sehr dürftigen Handlung seines Stüces wverquickte. Dieser „Scherz" wversing nicht, er verstimmte nur. Was an Heiterkeit auskam, war in der Hauptsahe dem flotten Spiel, irsbesondere Max Adalberts unwiderstehlih komischer Darstellung des genannten Berliner Kriegs- aewinners zu verdanken. Neben ihm zeichnete ih Else Bâäck als dessen Frau, Käte Haa? als dessen Tochter und Heinrich Schroth e Kultur- und Anstanbslehrer der Krieg3gewinnerfamilie beson- ers aus.

Mannigfaltiges.

_ Der RNeichsverband der deutschen Presse hielt am R A B, inBerlin eine Vertreterversammlung ab, die aus Berlin wie aus dem Neiche zahlreich besucht war. Nach eingehender, den ganzen Tag füllender Verhandlung wurde, wie „W. T. B.° mitteilt, der grundlegende Paragraph der neuen Saßung angenommen, nah dem der Neih2verband seine Umbildung in eine gewerkshaftlihe Organisation vollzieht. Die Beratungen wurden heute fortgeseßt.

Anläßlih der am 29. April, nahm. 54 Uhr, im Stadkvero1d- netensigungssaal des Berliner Nathauses unter dem Vorsiß des Neichs- finanzministers Dr. Dernburg statifindenden 5. Generalver- sammlung des Groß Berliner Vereins für Klein- wohnungSwesen wird, anschließend an dey- Bericht des Ge- \chäftsführers Dipl.-Ing. Leyser über die Tätigkeit des Vereins im Jahre 1918 nebst Ueberblick über die zuklinftige Gestaltung des MWohnungéwesens in Groß Berlin, der Stadtbauinspektor Dr.-Jng. Wolf Dortmund einen siherlih weite Kreise interessierenden Vortrag über „Die Kleinwohnung auf wir1schaftliher Grundlage“ halten.

Postwertzeichenversteigerungen des Neichspost- musceums in Berlin werden laut ,„W. T. B.* demnächst veranstaltet wertea. Die erste Vaanstalturg, bei der Restbestände ungebrauchter Postwertzceichen der früberen deutichen Postanstalten in der Türkei (‘Ausgabe 1906/12 mit Wasserzeichen) verkautit werden sollen, wid vorauésichtlich Viitte Juni (stattfinden. Die Einzelheiten werden now) bekannigemnacht werden.

Danzia, 26 Al (W, L. B.) Oie Ortegrupbe Dana deg Neichsbunds für Kricgsbeschädigte und Kriegs- hinterbliebene veranstaltete heute eine Straßenkundgebung ihrer Mitglieder. Ueber 2000 Kriegsbeshädigte duihzogen Vor- mittags die Stadt nah dcm Heumar?kt (die Shwerverwundeten wurden auf mehreren Wagen mitgcführt). Dort wurden von drei Wagen zugleih Ansprachen gehalten, in denen die Notlage der Kriegsbeschädialea und Kriegs8binterbliebenen dargesteUt und die bireits in Berlin mit der Regierung verhandelten Forde- rungen aufgestellt wmurden. Auch drei Kriegerwiiwen sprachen und verlargten, daß thre Bezüge um mindestens 100 vH aufgebesse:t würden. Nach Annahme einer Entschließung zogen die Kund- gebenden zum Nat hause, wo der Oberbürgermeister Sa h m in einer Anfprace ihnen Unterstützung zusagte. Im Nathaus fand dann eine Verhandlung zwischen einer aus 12 Personen, darunter vier Kriegerwitwen, bestehenden Abordnung der Ortsgruppe des NReichs- bundes und verschiezenen Behördenvertretern statt, in der die

Forderungen durchgesprehen wurden. Die Kundgebung verlief ungestört, 4 Stettin, 27, April. (W. T. B.) Heute vormittag war

von ktommunistisher Seite eine Versammlung auf den hiesigen Schloßhof berufen, die von mehreren tausend Perjonen besuht war. Als der Néedner zu sprechen begann, ertörten von allen Seiten der Versammlung Hochrufe auf die Negierung Gbert-Scheidemann. Gleich darauf wurden von Leuten in Soldatenuniferm meh1ere Handgranaten geworsen, dur

die Ein Mann getotet und viele PEet\onen verleßt wurden. Auf den Nedner wurden Schüsse aus A1meerevolvern abgegeben, doch wurde er anscheinend nicht

getrofffen. Der Mens\heamenge bemächtigte ich Angst und Schreten. Bei dem Gedränge nach dena ziemiih engen Ausgängen wurden viele Personen, darunter viele Frauen und Kinder, verleßt. Ansceinend handelt es sh um einen kommunistishen Put ch- versu von auswärtigen Hezzern, die, wie man annimmt, aus Süd- deutsh!land hierher gekommen find, um die hiesige Arbeiterschaft, die bisher musterhafle Nuhe und Ordnung bewahrt hat, zum Aufstand aufzu- reizen. Ueber die Vorfälle wurde ein amtlicher Bericht ausgegeben, tin dem es beißt: Der erste Redner der kommunisti- schen Partei hat sofort gegen die bestehende Regierung und die regierungétreuen Truppen gehegt. Da:aufhin ist von Mehrheits- sozialisten und anwesenden Soldaten mit einem Hoch auf die jeßige Negierung geantwortet worden. Es sollen ia der ersten Zeit d r Für- und Widerrede cinige Zünder von Wen erxplodiert sein. Von wem geworfen, ist bisher nicht festzusteDen. Daraufhin sollen aus der Neiße von Zivilpersonen scharfe Schüfse abgefeuert worden sein, wsdurch mehrere Personen verwundet wurden. Nunmehr follen auch die Soldaten von ihren Wzffen Gebrau gemacht und den Schloß- hof gesäubert haben. Die Luhgange sind von ihnen bescht worden, und es hat sodann zwischen beiden Parteien eine Schießerei statt- gefunden. Später war eine Abteilung Soldaten in einem Hause am Königsplay eingeschlossen worden. Sie wurde \charf be- mee und saß der Gefahr ausgeseßt, vollständig ent- waffnet zu werden. Daraufßtn sind vom Garnisonkommando Abteilungen in. Bewegung geseut worden mit dem Auftrage, unter Ems jeder unnötigen Schärfe bis zu den Ein- ges{chlossenen vorzudringen, ' dieselben in Schußhaft zu nebmen und

zurüzuführen. Die Zurückführung der eingeshlossenen Manüschafteu ist dann ohne besondere Schwierigkeiten gelungen. Um jeden An- schein einer Vertushung und einer Entweihung der in Schußhaît genoummenen Soldaten zu verhindern, sind dieselben, dem Wunsche des Arbeiterrates entspreckcnd, in das LueeeluBungrge ees des Garnisonkommandos geführt worden. Hier werden die Verhandlungen fortgesegr, die zurzeit noch andauern.

Leipzig, 27. April. (W. T. B.) Zur Eröffnung der Leipziger Messe fand in der Alberthalle eine Kundgebung für Volferbund und Welthandel stait, zu der die Handelskammer, das Meßamt und die Liga für den Völkerbund ein- geladen hatten. An Stelle von Dr. Dernburg, der verhindert war, \vrach der Professor Quidde. Der Oberbürgermeister führte die zahlrei ershienenen neutralen Kaufleute ein. Folgende Entschließung wurde cinsiimmig angenommen: „Die Versamm- lurg deutschber und neutraler Kaufleute, vertrauend auf die sittliche Macht des Nechts, bekennt si freudig zu dem Gedanken des Völker bundes. Gegründet auf die Gbenbürtigkeit aller Glieder wird*er der Menschkeit einen dauernden Frieden sichern.“

Hamburg, 26. April. (W. T. B.) Leßte Naht wurde die Neustadt dur Drahtverhaue und eine Postenkette von 1500 Manu abgesperrt. Viele Verhaftungen wurden vorgenommen und viele Waffen, Schießbedarf und gestohlene Sachen beschlagnahmt. Ein aus acht Fahrzeugen bestehendes Torpedoboots- geshwader, das zur Bewachung des Hafens eingetroffen war, ist Morgens wieder abgedampft.

Wien, 27. April. (W. T. B.) Die Poltzeidtrektion erließ dem „Korr.-Büro“ zufolge angesihts der öffentlichen Kundgebungen der leßten Tage eine Neihe von Ver- fügungen, in denen fie erstens darauf aufmerksam macht, daß während der Tagung der Nationalversammlung oder des Landtages

diefer Zeit find Versammlungen an die Genehmigung der Behörde ua desgleichen öoffentlihe Umnzüge. Die Polizetdirektion wird ünftig solhe Versammlungen und Umzüge, die ohne Genehmigung er- folgen, verhindern und deren Veranstalter dem Strafgericht überantworten. Versammlungen, deren Zweck dem Strafgeseze zuwiderläuft, oder deren Abhaltung die öffentlize Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet, werden untersagt. Schließlih wird darauf aufmerksam gemacht, daß weder in allgemein zugänglichen Versammlungen, noch in Vereinsversammlungen die Teilnehmer bewaffnet ersheinen dürfen. Die Polizeidirektion richtet an alle Kreise der Bevölkerung, insg- besondere an die ernsten politischen Parteien, die dringende Mahnung, fo im Interesse des Gemeinwohls streng auf den Boden des Ge- eßes zu stellen und nit zuzulassen, daß unter dem Schuge der Versamml!ungsfreiheit verbreherishe Elemente ih1e lihtscheuen Ziele ju E und die gedeihlihe Entwicklung der Nepublik zu stören uchen.

Wien, 28. April. (W. T. B.) Unter dem Vorsiß des Rektors der Akademie der bildenden Künste fand, wie das „Korr.-Büro“ mitteilt, am Sonntag im Konzerlhaussaale eine Kundgebung der Künstlerschaft und der kunstliebenden Kreise gegen

die italienishen Ansprüche auf den öster- reichischen Kunstbesihß statt. Der Maler Hobenberger legte in {hafen Worten Verwahrung gegen das Vorgehen

der Italiener ein, worauf eine dementsprehende Entschließung einstimmig angenommen wurde. Die Ve1sammlungstkeilnehmer be- gaben sih hierauf zu den Vertretungen von Amerika, England, Frankreich und der neutralen Staaten, wo sie die Bitte vorbrachten, den Künstlern und»threr gerechten Sache zu helfen und diesen Hilferuf ihren Negierungen zu übermitteln.

__ Reval, 27. April. (W. T. B.) Am 265. April entstand dur eine Beschießung durch die Bolshewisten in Narwa ein großer Brand. 100 Häuser wurden eingeäschert, 5000 Ein- wohner find obdahlos. Es wurde eine Hilfsaktion unter der Leitung der amcrikanis@en Kommission eingeleitet.

(Fortsezung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.) E)

Theater.

Opernhaus. (Unter den Linden.) Dienstag: Mittags

12 Ubr: Symphoniemittagskonzert. (Programm wie am Abend.) Abends 7 Uhr: K. Symphonickonzert der Kapelle der Opeec zum Besten ihres Witwen- und Waisenfonds. Leitung: Generalmusikdirektor Dr. Richard Strauß. (Zum Symphonie- mittagskonzcrt sind Einlaßkarten bei Bote u. Bock, Leipziger Se s und Tauenßzienst1aße 7, am Konzerttage im Opernhause zu haden.

Schauspielhaus. (AmGendarmen!narkt.) Dienstag: 118.Dauer-

bezug6vorstellung. Dienst- und Freipläße sind aufgehoben. Neu ein- s : Coriolau. Spielleitung: Dr. Neinharo Bruck. Anfang 7 Uhr.

_ _Mitiwoh: Opernhaus. 106. Dauerbezugsvorstellung. ODienst-

und Freipläße sind aufgehoben. Dou Juan, Oper in zwei Akten hon Wolfgang Amadeus Mozart. Text von Lorenzo Da Ponte. Nach dem Original der ersten Aufführung in Prag, überseßt von Herraann Levi. Anfang 7 Uhr. Z Schauspielhaus, 119, Dauerbezugsvorstellung, Dienst- und Freiplöße sind ausgehoben. Die Kreuzelschreiber. Bauernkomödie mit Gesang in drei Akten (6 Bilder) von Ludwig Anzengruber. Spielleitang: Albert Patry, Anfang 7 Uhr.

Familieunacchrichten.

Verlobt: Frl. Irmgard Dieterih mit Hrn. Amtsrichter Paul Neumann (Stettin Beuthen O. S.) 2 Frl. A ite s a Hrn. Hauptmann Kuno Hans von Both (Schwerin i. Mecklb.).

Verehelicht: Hr. Havplmann Anton von Veltheim mit Frl. Clisabeth-Ruth von Veltheim (Ostrau). Hr. Hans von Holtendorff mit Frl. Armgard-Maria von Raven (Berlin).

Gestorben: Hr. Justizrat Ernst Kaiser (Breslau). Hr. Ober- regierungsrat a. D. Dr. Arthur von Gizycki (Wiesbaden). @r. Oberapotheker d. Nes. Apothekenbesißer Botthardt Höntsch (Warmbr.nn). Hr. Landschattsrat und Rittergutsbesiter Stanislaus von Modlibowski (Posen).

Verantworklicher Shriftleiter: Direktor Dr. Tyrol, Charlottenbura.

Verantwortlich für den Anzeigenteil: Der Vorsteher der tsftelle, Nechnunasrat Mengering in E

d M T Q (Menaeriua) in Barka. ; ruck der Norddeutschen evei ag {, jrlin, belm E

Berlin, Acht Beilagen : (A L L U Teinsdlieklidi Börsenbeilage) 77 zu

Versammlungen unter freiem Himmel nicht gestattet find. Außerhalb

Erfte Beilage

%

F L x Sas

zuy Dentschen Reichsanzeiger und Preußischen Staatsanzeiger.

M 96

Acehtamtliches.

Statistik und Volkswirtschaft.

Ueber die höhere Fustizlaufbahn in Preußen

werden im „Justizministerialblatt“ statistishe Mitteilungen verdfent- liht, denen die folgenden Angaben entnommen seien.

Es betrug die Zahl der Rechtsstudierenden bei den

yreußischen Universitäten

im Sommerhalbjahr 1910

im Winterbhalbjahr 1910/11 ,.. . 6069 = 26,87

«oe D689 = 25,64 DD,

im Sommerhalbjahr 1911 ... .. 9996=23W ,„, im WinterhalUbjahr 1911/12 ..,. 5978 = 2461 „, im Sominerhalbjahr 1912 ..... 5764=227 „, im, Winterhalbjahr 1912/13 . ... 5690= 22,2 „, im Sommerhalbjahr 1913 ..... 0809 = 2066 „7 im. Wiuterhalbjahr 1913/14 .... 5376 = 201 „, im Sonmerhalbjahr 1914 ..... 5119 =19, ,„, im Winterhalbjahr 1914/15 „. .. 4660=1840 ,, im Sommerhalbiahr 1915 . .... 4563=184 y,, im interhalbjahr 1915/16 . « ¿« 4859 = 19,60 „, im Sommerhalbjahr 1916 ..... 9161 =19,18 „, im Winterbalbjahr 1916/17 .. 5685 =201 ,, im Sommerhalbjahr 1917 .… ... 6575 = 21,6 „, im Winterhalbjahr 1917/18 .... 7120=2l1, ,„,

im Sommerhalbjahr 1918 ....…. 7938 = 22,62 dex Gesamtzahl der Studierenden. Von den Rechtsstudierenden standen im ersten Semester: im Winterhalbjahr 1917/18 661, im Sommer-

halbjahr 1918 929.

Die Zahl der vorhandenen Referendare

im Jahre 1060 0806, TOT Ter f: 0000, 1918 ¿-% 5456.

| Von den am 1. August 1918 vorhanden gewesenen

dom Stande vom 1. August) im Jahre

1910. ¿ « 7667,

TOLL. « « 7579,

O2 « « 4,0075,

im Jahre 1913, ¿ ¿ 1114; 1914 ... 6635, 1915 © «

Referendaren sind vereidigt

betrug, (na

im Jahre im Jahre tim Jahre 1906 . 6 O c O 19019 ¿e O10) M 90. 1919, 801 -1916 338, T O S. 020, O 220 O 104. 13839 1918 e LOA

1910 « .. 400,

Die: Zahl der vorhandenen Geri

chtsassessoren betrug

(na dem Stande vom 1. Oktober) : im Jahre im Iahre im Jahre O 4 31881913 «3802, 1916... 89702, V 3403 1914... 8789 * 1917 ¿. « 0866, T2 c. D069, 1919... 9880, « 1918 .. - 3600,

You den: am 1. Oktober 1918 vorhanden

Cerihtsassessoren hatten O L «100 A e oe L 1905 s...

Ss LOd 1910. «s. Z04 6 1911 . « « 319,

ein Dienstalter von

gewesenen

1914 es» (0D 1915 „4. 012, 1916 « « 206,

A 10 O. 420 107.» S0

4 1908 . .. 122,

Die Zahl der

1913 „. « 674,

1918 .

23.

zur Anstellung als Richter oder

Staatsanwalt gelangten Gerichtsassessoren betrug

ü Jahre im Jahre im Jahre O 200 4013: «806, 1916. . 37, I « Ad, 10A 000 O1 4 M4, I 4 LOT, O e200, T S

Davoa

elangten zur Anstellung

neuer planmäßiger Stellen für höhere

Staatshaushalt für das Fahr O e 411; i. ; «108, 2... 8

für das Jahr 1919... +149; L 1914 , « . 165, 1915... —,

101 «« è 1918.

ustizbeamte

für das Jahr

infolge der Scaffung

durch den

G

R

Die zur ersten planmäßigen Anstellung gelangten

Geridts

schnittliches Assessorendienstalter

ini: Jahre | im Jahre 4910 v. 5 J. Mon. 19 Tg., 1915 v. 6 Ll 5:06, 4 Mon. 10.Tg9,,! 1916: y.-6 1912 v. 5 J. 6 Mon. 24 Tg., 1917 v. 7 1913 y. 5 11 Mon. 29 Tg, 1918 v. 8 1814 v. 6 J. Mon. 12 Tg,,

L Mon J. 10 Mon L (C Won J Lon

assessoren hatten zur Zeit der Anstellung ein durch-

24 V0; ¿18 Ta., ¿i 29 0 «20. Ld

Die Zahl der zur Rechtsanwaltschaft zugelassenen Geriditsassessoren belief sich 496 bet insgesamt 6174 1) 6613

im Jahre 1910 auf

ü U O5 » y 1913 " 619 v e e 0E v 202 v v v e O (D 4 s I A y & C « ey O 128 s

vorhandenen Rechtsanwälten und Notaren. Bei Kriegsausbruch waren vorhanden:

Paamäsig angestellte höhere

echtsanwälte und Notare . . ««

Gerichtêassessoren

S; E 0-00

E a E L

7150 ' 7632 7958 TTA5 7644 7505 7411

Justizbeamte 6 963 7958

3 789 6 635

zusamtnen . .

29 345.

Im Kriege sind nah den Fesistellungen bis Ende Februar 1919

gefallen:

anm bis angestellte höhere Justizbeamte 45

cchtsanwälte und Notare .

Gerichtsassessoren Neferendare . ..

t zu bemerken, jedoch wesentli, zurüd.

S . . . . « . . « . . b09 L226

zusammen . . 2578 = 10,17 vH.

Der Umfang det Pesamten Dienstgeschäfte ist während des Krieges erheblich zurückgegangen. Ueber das Maß dieses Ge- \ äftsrügangs gibt die vergleichende Darstellung für die Jahre

12, 1913 und 1914 im „FJustizministerialblatt“ von 1915 S. 172 ff. owie für die Jahre 1915, 1916 und 1917 im „Justizministerialblatt" f 1918 S. 330 f. Aufsluß Ein Wiederanwachßsen der Geschäfte

leiben sie hinter dem früheren Umfang noch

Berlin, Montag, den 29. April

L lr deur anber ti i (L A Ad e P E E T N E Cre P E E

Der Grundbesig der preußischen Staats- forstverwaltung und seine Veränderungen im Nehchnungsjahre 1917.

Nach einer der preußischen Landesversammlung vorgelegten Nach- weisung der Veränderungen des Grundbesitzes der Staatsforstverwal- tung im Nechnungsjahre 1917 hatte diejer Ende März 1918 einen Flächeninhalt von 3 052 092 ba; seit 1867 hat er einen Meinzugang von 446 664 hs erfahren. Am größten ist der Grundbesiß der Staatsforstverwaltung im Negierungsbezirk Marien- werder, wo er Ende März 1918 297 186 ha umfaßte. Jm Regierungsbezirk Allenstein betrug sein Flächeninhalt zu der- selben Zeit 238 904 he, im Negicrungsbezirk Potsdam 223702 ha, im Megierungsbezirk Frankfurt a. O. 208735 ha, im Regierungsbezirk Cassel 206846 ha. Dann folgen die Regierungsbezirke Gumbinnen mit 163178 ha, Bromberg mit 144912 ha, Danzig mit 141872 ba, Königsberg mit 136193 ha, Stettin mit 121400 ha, Posen mit 108807 ha, Hildesheim mit 104223 ba Grundbeslß der Staatsforstverwaltung. Im Regierungsbezirk Köslin [tegen 98 207 lus, im Regierungsbezirk Oppeln #82462 ha, im Regierungsbezik Lüneburg 81849 ha, im Regierungsbezirk Merseburg 77 132 bz, im Negierungsbezirk Magde- burg 68178 ha, im Regierungsbezirk Trier 67 453 h=%, im Ve- gierungsbezirk Breslau 63158 ha, im Regierungsbezirk Wicsbaden 53 613 ha. Jn den übrigen Negierungsbezirten besißt die Staais- forstrerwaltung je weniger als 50000 ha, die Tleinsten ¿Flächen in den Regierungsbezirken Stade (18 208 hs), Düsselvorf (17 890 ba), Osnabrück mit Aurih (15537 bo), Cöln (14721 ba) und Sigmaringen (1 ha).

Der Regierungsbezirk Morienwerder, in dem der Grund- besiß der Staatéfoustverwaltung am umfangreichsien ist, weist au die größte Zunahme deéselten seit dem Jahre 1867 um 113 398 ha auf. Erst in weitem Abstand folgen die drei oft- preußischen Regierungsbezirke Allenstein, Gumbinnen und Königsberg mit einer Gefamtvcrmehrung um 74269 ha, die Negierungsbezirke Polen (+ 49 772 ha), Köélin (4+ 47 693 ha), Danzia (+ 44 326 ha), Bromberg (+ 41 818 ha), Frankfurt a. O. (4+ 23 720 ho), Schleê- wig (+4 15218 ha). Vermindert hat st{ der Grundbesiß der Staatsforstverwaltung gegenüber dem Bestande des Jahres 1867 in den Negierungsbezirken Cassel (— 12 634 ha), Stettin (— 8088 ha), Minden mit Münster (— 2979 ha), Merseburg (— 1702 ha), Breélau (— 842 ha) und Düsseldorf (— 8 ha),

Im Rechnungsjahre yom 1. April 1917 bis 31. März 1918 find bei der Staatsforslverwaltung in Zugang

ekommen : durch Kauf Grundstücke von 392 ha 64 s 79 qm Ge-

samifläce, für die 181394 4, d. st. im Durchschnitt 462 4 für 1 h3, als Kaufpreis gezahlt worden sind, durch Tausch 131 ha 76 a 97 qm, dur Zusammenlegung, Auseinandersezung und Ablösung 121 ha 18 a 42 qw. In Abgang famen in demselben Recbnungsjahr durch Verkauf Grundstücke von 405 ha 35 s 87 qm Gesamtfläche, für die ein Grlô8 von 2525 884 46, d. h. im Durdshnitt 6231,23 für 1 ha, erzielt worden ist, dur Tausch 85 hs 58 a 98 qm, dur) Zusammenlegung, Aukeinandersezuna und Ablösung 84 ha 95 a 10 qm. Demnach hat der Grundbesig der Staa!sforstverwaliung im lezten Berichtéjahre im ganzen nux um. 69 ha 70 a 23 qm zugenommen.

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Zur Arbeiterbewegung.

Neber die Forderungen der Telegraphen- und Telephonarbeiter enthalten die über diesen Gegenstand in den eitungen erschienenen Artikel zum Teil unzutreffende und irreführende Angaben, zu deren Klarstellung das Reichs8postministerium vorläufig folgendes mitteilt : Die Löhne der Telegraphenarbeiter find durch Verhandlungen mit den beiten in Betracht P rméendei Organi- sationen —dem Bunde Deutscher Telegrapbenarkeiter und dem Verbande der Telcgrapkenarbeitcr im Dezember 1918 um 30 bis 40 vH je nah der Teuerung in den einzelnen Ober-Postdirektionsbezirken erhöht worten. Kurz danah hat ouch noch eine Erhöhung der Teuerungébezüae um 30 bis 40 vH stattgefunden. Dessenungeachtet stellten Ende März 1919 b:ide Organisationen erneute Forderungen von verschiedener Höhe. Sie cinigten sich {hließlich untereinander auf cinen Tarif, der sür einen 18 Jahre alten ungelernten Arbeiter ein Jahreêéeinkommen von 4800 4 ergibt, und wonach sich nach 8-jähriger Beschäftigung das Einkommen eines solchen inzwischen angelernten Arbeiters auf 6000 é jährlich tellen würde. In den Verhandlungen mit dem Reichspostminister hat dieser zugesagt, die Löhne der Tele- graphenarbeiter soweit zu erh8hen, daß sie überall die Löhne der leichartigen Arbeiterkategorie bei der (Sisenbahnverwaltung erreichen. Nukerbeti erklärte {ich der Minister bereit, den seit Jahren von den Telegraphenarbeitern vertretenen Wunsh zu erfüllen, das Wodcbenlohnsystem später nah besonderen Vereinbarungen einzuführen. Dagegen glaubte der Vtinister eine Bewilligung der von den beiden Verbänden geforderten Lohnerhöhung allein nicht verantworten zu können, da sie für die in Betraht kommenden rund 18 400 Arbeiter im Neichspostgebiet einen Jahreëaufwand von mindestens 30 Millionen Mark bedeuten - würde. Die Bezüge mancher Telegraphen- arbeiter würden dabei selbst über die der unteren Kategorie dee mittleren Beamten hinausgehen, jedenfals aber die Bezüge der unteren Postbeamten erheblich übersteigen. Eine Neuregelung der Einkommen aller anderen Angehörigen der unteren und mittleren Beamten auf der Grundlage der von den Telegraphenarbeitern geforderten Löhne bedeutete aber eine jährlihe Mehrauëgabe von etwa 250 Millionen Mark. Da nun die MNeichspostverwaltung bereits im abgelaufenen Rechnungsjahre 1918 einer Unterbilanz von etwa 325 Millionen Mark gegenüber- steht, wäre eine Bewilligung der neuen Lohnforderungen für 1919 unter Berückfichtigung auch aller anderen Verteuerungs- faktoren bei der Neichbpostverwaltung mit einem Defizit von etwa 700—800 Millionen Mark verbunden. Die zwischen den Ver- tretern der beiden Verbände und der Neichspostverwaltung gepflogenen Verhandlungen haben zu etnem Einverständnis nicht geführt. Infolge- dessen hat der Neichspostminister die Angeleg?nheit dem Lohnamte des Neidhsarbeitsministertums zur Regelung überwiesen, dessen Schieds- spruch die Reichspostverwaltung {ich selbstverständlich unterwerfen wird.

Zur Stellungnahme zu der Lohnbewegung der Eisen- bahner fand gestern, wie hicsige Montagsblätier melden, in Herlin eine vom Deutschen Eisenbahnerverband ein- berufene und von 7000 bis 8000 Cisenbahnhandwerkern, Arbeitern und Beamten besuchte Versammlung im Sportyalast stait. Die Versammlung nahm eine Entschließung an, wonach die sofortige Erhöhung des Stundenlohnes um 1 46 mit rückwirkender Kraft ab 1. April gefordert wird. Geichzeitig foil eine entsprechende Gr- höhung der unteren und mittleren Beamtengehälter eintreten. Die Versammelten verlangen, daß bis spätestens 7. Mai die Forderungen anerkannt werden, widrigenfalls fie die Folgerungen zichen werden.

Im Ruhrbergbaugebiet sind „W. T. B.“ zufolge in der Frühschicht am Sonnabend 36045 Be ner nit zur Anfahrt erschienen gegen 44 658 in der Morgenschiht am Greag, G8 fehlten 16,60 vH der Gesamtbelegschaften der Frübschicht gegen 20,38 vH am Tage vorher. Jn der Morgen-, Mittag-

und Nachtschiht am Freitag waren insgesamt 97 194 Berg-

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arbeiter autständig gegen 128776 am Tage vorher. Nachdem der Bergarbeiterausstand im wesentlihtn beendet ist, nimmt die Versorgung der Stadt Cssen mit Gas seit gestern wieder ihren Fortgang. 17 Tage hindurch war die Stadt vôllig in Dunkelheit gebüllt. Am 26. und 26. war es in Buer und Umgegerd zu Plünderungen gekommen, so war z. B, in Buer das Warenhaus Althof mit über 13 Millionen Mark an Waren ausgeplündert worden; auch mehrere Tote waren zu verzeichnen. Jetzt sind Truppen eingeröckt. Bisher wurden über 80 Plünderer festgenommen. Unter dem Schuß der Trnppen wird nunmehr im Revier von Buer, wo bisher noch völliger Ausstand herrschte, die Arbeit wieder aufgenommen. S zeigt ih bei den Belegschaften eine heftige Erbitterung gegen die Sttreikleiter.

Vcber den Versuch, eine neue allgemeine Ausstands8“ bewegung in Oberschlesien hervorzurufen, [e über die Vorgänge in Gleiwiß gibt die Pressestelle des Komm:ssariats in Oberschlesien. einen amt- lihen Bericht heraus, dem „W. T. B." folgendes entnimmt: „Die im Anschluß an die Gleiwi anes S Vorgänge gestellten Forderungen lauten: 1 Sofortige Aufhebung der Freiwilligenverbände , 2) Aufhebúng-, des Belagerungszustandes in ganz Oberschlesien, 3) Benußung der Kasernen zu Wohnzwecken. 4) sofortige Freigabe der zu amtlichen Zwecken benußten Wohnhäuser, 5) sofortige Freigabe ter auf Grund der Unruhen Werhafteten, 6) Fortbezahiung der Streik- und Feiér= \chichten, 7) die Arbeit der ge\awten Belegschaft von Gleiwiy rubt, bis die Forderungen erfüllt sind. Nackdem Freitagabend dur Militär die Nuhe in Gleiwiß wiederbergefiellt worden war, erschienen die Vertreter sämtlicher GewerksGaften von Gleiwitz am Sonnabend auf dem Staatskonmmissariat für Oberschlesien, um dem Staatskommissär Hoersing ibre Wünsche vorzutragen. Jm einzelnen forderten dann noch die Vertreter Einsezung einer Üntersuhungsfommission, Gr richtung von Betriebêwehren, die für Nuhe und Ordnung sorgen werden, und sofortige Beseitigung der - gesonderten Bezahlung des Grenzshuyzes durch die Werksleitungen. Der Staatstommijjar Hoersing. betonte die ganz besondere Pflicht der Gewerkschaften, auf die Arbeiterz schaft wieder dahin zu wirken, taß sie in den Gewerkschaften ihre Führer erblickt. Zu den Einzelforderungen bemerkte der Staats. tommissar, eine Werkêwehr aus orgonisieriten Arteitern set begrüßen, doch dürfe dieselbe nicht bewaffnet sein. Einer Auflösung des Grenzshußzes könne er niht zustimmen. Wo Vebergriffe des Militärs vorgekommen seien, würden die Betreffenden sireng bestraft werden. Zur Untersuchung der Vorgänge sei eine fünfgliedrige uns partetishe Kommission eingeseßt worden. Die Forderung, daß an Grenzschußtruppen Lohn oder Gehalt von den Werken niht mebr

ezablt werden solle, werde von der Arbeiterschaft ganz Oberschlesiens geteilt. Auch er sehe ein, daß die Lohnlisien, der Werke dadur stark belastet werden, und et “1WETDE deshalb sofort dem Berg- ._ und Hüttenmännischen Vereiu, Anweisung geben, daß vom 1. Mai ab Whne und Gehälter an Grenzschußtruppen niht mehr gezahit werden. Das Standrecht über Gleiwiy ijt eine Ausnahme und fällt natürli sofort weg, wenn die; Nuhe und Ordnung gewahrt wird. Obwohl nach so kurzer Aussprache eine Einigkeit zwis(en der Delegation und dem Staatskommissar erzielt wurde, wurde dann doch von Gleiwiß aus der Versuch einer Weneralstreikproklamation unternommen. Es steht zu. hoffen, daß an dem gesunden Sinn der Mehrheit der. obers \{lesischen Arbeiterschaft diese Bestrebungen abprallen werden." 7. Dem „Oberschlesishen Wanderer" zufolge traten die Arbeiter - dex Oberschlesischen Elektrizitätswerke in Borsig- werk in einen Symvathieausstand mit den Berg-

arbeitern ein, dem sh au die Wasserwerke teile weise anges{loßen haben. Da dadurh aud andere Be triebe in Mitleidenschaft gezogen sind, find auch. „wisder

einzelne Kohlengruben und Hüttenwerke s\tillgelent. So kann in Gleiwiß von einem Generalausstand gesprochen werden. Dort haben {ich u. a. die Gleiwißzer Kohlengruben, die Cifenbahnwerkstätte, die Huldichinskrwerke, die Lokomotipwerkitätte, die Hüttenwerke von Hagenscheid usw. dem Sympathiestreik ange- \{lossen. Fast überall gilt als Hauptforderung die Zurückziehung der Grenzshußtruppen. Infolge des AuéLstands der Glefktrizitätswertemar ant gesirigen Sonntag jeglicher Verkehr in Obers Le lahmagelegt. Ganz Oberschlesien war in tiefstes Dunkel achuflt. Das Erscheinen der oberschlesischen Zeitungen ist wegen Strom- mangels in Frage gestellt. Mit RNüclsicht darauf, dch aufzeiner Anzabl obers{lesischer staatlicher und privater Verwaltuagen in legter Zeit von Arbeitern und Angestellten zahlreiche Generaidirektoren 8 êntere Beamte in leitenden Stellungen abgeseßt worden sind, N einer Meidung aus Kattowitz zufolge der Oberschlesijce Berg- und Hüttenmänni\he Verein am 19. d. M. an das preußzische Staatéministerium, den preußischen Miniîter- präsidenten, den Handel8minister, don Neichswirt\chaftsminiskë, den Neich8arbeil8minister und die Neichskohlenstelle quide„der Bitte | gewandt, von- seiten der Regierung gegen die verhängnisvolle Beamtenabsezung sofort energisch einzuschreiten. Am 24. April haben sid) die obershlesis&en Jndustrieverwaltungen erneut mil dieser Angelegenheit beschäftigt und einstimmig eîne Entschließung angenommen, die Staatsregierung nochmals auf ble {weren Gefahren hinzuweisen, die die Abseßung von Be- amten in Lleitender S1ellung zur Folge habe. Bei ten „jeßigen völlig zerrütteten wirts{ha{tliden und Béetriebsverbältnissen der Werke muß die Absezuug in kurzer Zeit zur Stillegung der Betriebe führer. Die Verwaltungen hätten begründeten Anlaß zu der Annahnte, daß die Absezungen planmäßig von polnischer Seite na ru\sishem Muster organisiert seien. Die bishec von Staats- behörden getroffenen Maßnahmen scien zur Beruhigung der Arbeiter und Angestellten niht geeignet. Die Gesamiheit der obers{chlesishen Industrieverwaltungen hat daher die Staats- regierung nochmals dringend ersuht, Abhilfe zu \Gaffen und ins- besondere die nahgecrdneten Behörden nadrücklih anzuweisen, daß è ven Absezungen energisch entgegentreten, insbesondere auch durch, Uflérung der Arbeitér und Angestellten über das Unzulässige ihres Vorgehéns8, gegebenenfalls auch durch Cinbringung cines Geseßen1wurfs, durch den die Abseßzungen von Beamten durch Arbciter und Angestellte unter Strafe gesteUt werden. i

Im Straßenbahnerausstand in Leipzig ist, wie „W. T. B.“ erfährt, cine Ginigung erzielt worden." Der neu abgeschlossene Larifvertrag foll Geitungsdauer vom 1. Mai bis 30. September haben. Am gestrigen Sonntag ist der Straßer bahu- betrieb wieder aufgenommen worden. f

Nah ciner von „W. T. B.“ übermiltelten Meldung der „Agence Havas" aus Paris haben die Angestellten der Om - nibusgesellschaften, der Untergrund- und Stvraßéns bahnen für ten 1, Mai den Allgemeinausstand. he-

\hlossen, L LO

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