1897 / 53 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 03 Mar 1897 18:00:01 GMT) scan diff

grofien Zahl der Entwürfe, die au2gearbeitet find, wird man erkennen können, wie außerordentlih schwierig es ift, der geseßgeberishen Auf- gabe in cinem Gesetzentwurf in diesez: Falle zu genügen. Ich glaube aber, daß die Lösung, die von dem Herrn Vorredner empfohlen wird, daß man gleichzeitig in dieser Vorlage die Regelung des Befähigung®- nahweises aufzunebmen bätte und diese generalisieren sollte, für das gesammte Handwerk die allerbedenklihste ist. Die Regierung steht auf dem gleihen Standpunkt, der der Reih8-Gewerbeordnung ¡zu Grunde liegt, daß man den Befähigungsnachweis nur für solche Gewerbe erfordern soll, bei denen ein öffentliches Interesse konkurriert. (Sehr richtig! links.) Daker baben wir bisher den Befähigungs- nahweis für eine Reibe von Gewerben in der Reih3-Gewerbeordnung vorgesehen. Unter anderen erwäbne ih das Sifferhandwerk, die Sciffsmasthinisten, die Apotheker, Hebammen, Lootsen, kurz eine ganze Reibe von Gewerben. Es würde nach dieser Auffassung auh wobl in Frage kommen können, ob sih etwa das Bedürfniß geltend machen follte, für das Baugewerbe den Befähigungsnachweis vorzu- schreiben, weil dabei ein öffentlißes Interesse in Frage kemmen fann. Darüber hinaus für das gesammte übrige Handwerk den Be- fähigungênahweis vorzuschreiben, daran denkt die Regierung niht. (Sehr richtig! linke. Rufe im Zentrum: Leider!) Daran denkt au keiner der übrigen Bundesstaaten, aus dem einfachen Grunde, weil die Erfahrungen, die man bei uns in Preußen und Oesterreih gemaht bat, die größten Bedenken gegen eine solche Generalisierung des Befäbigungëenachweises ergeben. (Sebr rihtig! links.)

Ich erlaube mir namentli darauf aufmerksam zu machen, daß die ganze Gestaltung unseres Haxdweiks ergiebt, daß sowohl auf der cinen Seite eine Spezialisierung des Handwerk3, eine Auflösung in ¿ablreiche Unterhandwerke, wenn ich mich fo ausdrücken darf, sich heraus8gebildet hat, wie beispielsweise bei dem S@hlofserhandwer? und dem Schmiedebandwerk, daß auf der anderen Seite dagegen eine Kumulation der Handwerke, die Aufnahme von solchen gewerblichen Arbeiten, die bisber zu dem einen Handwerk gehören, zu einem anderen Handwerk f\ich vollzieht, was namentliß auf dem platten Lande absolut nit zu vermeiden ist. Mit dieser eigen- artigen Gestaltung des Handwerks, die in einer fortgesetzten Ver- shiebung und Aenderung begriffen i, ist die Einführung des Befäh igungsnahweises niht vereinbar. (Sekr ribtig! links.) Man muß wobl berücksihtigen, daß der Befähigungsnahweis ja nit bloß eine positive Bedeutung kat, daß derjenige, der den Nachweis liefert, das Handwerk kctreiben darf; er hat auch die negaiive Be- deutung, daß derjenige, der den Nahweis niht geliefert, das Hand- werk nicht keireiben da1f. Wo liegt nun die Grenze zwischen den einzelnen Eewerben? Wir baben aus dem Bericht der Kommission über die Verhältnisse ix Oefterrcih gesehen, daß dort eine vollständige i mödhte fagen Tontenticse Literatur ih ergeben bat über die zablreihen Fragen ter Abgrenzung des einen Handwerks von dem andern. Da war die Frage: wohin gehört die Herstellung der Treppen? steht fie dem Zimmermeister oder dem Tishler zu? Da war die Frage zwishen den Bäckern und Konditoren : wem steht es ¿u1, die Torten zu machen und die Faschingékrapfen? Eine andere baiübmte Frage war die über die Wurst. Da ftritten sich die Metzger und Selcher, wêr die Befugniß hätte, die Wurst ¿zu mahen. Wer sckließlid den Sieg davongetragen bat, das weiß i selber nit mehr. Aber die Erfabrung bat man gemacht, daß die Durchführung des Befähigungänahweiseces mit außerordentlichen Schwierigkeiten verknüpft ift, daß sie schon jeßt mit der Entwidckelung und Geftaltung des Handwerks nicht vereinbar ift und vollent s unver- einbar fein wird mit der Weiterentwickelung, wie wir fie mit voller Sicherheit in Autsibt nehmen können. :

Ich glaube taber, beschränken wir uns auf das, was erreihbar ift, Errei&kar ift aver nichis Arderes, als was in dem Entwurf enthalten ift, der demnä an den Bundeërath gelangen wird, und allen deren, weilen das Interesse des Handwerks am Herzen liegt, fann ich nur dringend empfehlen, nit gegen den Eniwurf zu agitieren, fondern anziureimen, was Ihnen in dem Entwurf gebeten wird. Damit dienen Sie und belfen Sie dem Handwerk am meisten. (Leb- baster Beifall links.)

Auf Antrag des Abg. Freiherrn von Erffa (kons.) tritt das Haus in die B-sprehung der Jnterpellation ein.

Abg. Bueck (nl.): Die nationalliberale Partei bat ein warmes Herz für das Handwerk; fie hat tas bewiesen dur die Zuftimwung zu verschiedenen für das Handwerk eingebrahten Vorlagen. Wir find nicht cinverstanden mit der Zwangeorganisation. Wir stehen in der Mehrheit auf dem Boden der Gewerbefreiheit. Cbenfo wenig Tônnen wir uns für den Befäbigungénaweis im allgemeinen erklären. Wir sind der Meinung, daß durch die umfangreihe Er- örterung im Reichétage die Materie eigentlich erschöpft ift. Ein Ge- sezentwurf ift im Bundesrath abgelebnt worden. Der zweite Ent- wurf, dessen Grundlagen uns rit befannt sind, fann feine genügerde Grundlage für eine längere Erörterung bilden. Wir werden detbalb darauf nicht näber eingeken. Bisher babe ih im Namen meiner Partei gesprechen. Für das Uebrige bitte ih mih allein verantwortlich zu machen. Die geftrige Debatte und die beutige ging von dem Grundsaß aus, den Mittelstand

hüten. Aber jeder Fortschritt des wirthschaftlihen und ge-

l Lebers ift verknüpft gewesen mit dem Zusammenbruh

Verbältniffe. Als an die Stelle ter Hörigkeit die Erk- unterthänigfeit trat, als später aud diese beseitigt wurde, rourde das jedesmal von den Betheiligten beklagt. Eine wesentli&e Grundlage dezs Hantwerks warea die Zwangs- und Bannrechte; sie passen nicht mebr in die Zeit der fortgeshrittenen Technik. Der Zusammenbruch alter VzerbältniFe und Formen vollzieht fih jeßt viel schneller als früber. Wo der Schuhmacher sih den individuellen Bedürfnifsen und dem Gesdmad feiner Kunden anpafët, ift das Schuhmachergewerkte ein blühendes. Aber es ift durdaus niht lohnend, wo der Schuhmacher nur mit der Maschine fkeonfkurriert. In den Schubfabriken finden die Submaßher oft eine lobnentere Stellung als die fkleinen Meister. Die Hantwerk-, welde auf dem persönlihen Verkebr beruhen, wrden immer besteben bleiben. Andere Handwerke werden durch die Maschinen verdrängt werden, wieder andere werden

j ilfe der Maschinen sich auédehnen. Daß mit

deé Hantroerks ein Rüdckgang des Mittelftandes ein-

werden. Das beweist die Statistik der Ein-

Daran ändern nichts die tônenden Worte

wchrerer r g , die wobl Eindruck tei den Wählern gemaht baben, tie aber erschlaffend wirken in dem Kampfe jeßt, in dem jeder seine Ttatkraft anspannen muß. Die kleinen Gewerbe- treibenden werden in eine scheinbare, gefährlide Sicherheit gewiegt. Der vom Bundesrath abgelehnte Entwurf erregt im Handwerker- tande Sllusionen, die si nit erfüllen föônnen, aber seine Selbft- itäntigtzit bemmen. Die Gewerbefreibeit von 1810 ift verschiedent- lil) micber cingeshrärft worden, aber immer hat der wadsende Verkehr tie Séhrarkez wieder gebroden, und wenn Sie Zwangéinnungen und PBeibigunctnalhzeie cinfübren, fo werden aud diese Formen wieder

abgeshüttelt werden. Der Befähiaung8nahweis würde nur ein Denkftein für die Kurzsihtigkeit der Gesetzgeber sein. : :

Abg. Metzner (Zentr.): Die Interpellation if ja eigentli im Reichstag erledigt durch die Antwort des Herrn Staatssekretärs vou Boetticher. Wir wollten damals eine Besprechung nicht herbeiführen, aber die Gegner des Handwerks führten sie berbei, und ibre Reden baben befser als alle unsere Agitationen gewirkt. Als Mitglied der Hand- werker - Konferenz, welde die Vorlage der preußischen Regierung beguta@tet bat, babe ich mich mit meinen dwerkêgenofsen in

lesien verständigt, und wir find zu dem Ents{luß gekommen, daß die Vorlage nur der Anfang zu einer Reorganisation war, daß diele Vorlage aber bedenklich fei wegen der starken Bevormundung des Handwerks. Der technische Fortschritt war auch vor der Gewerbe- freibeit vorhanden; aber das Handwerk ftand sch beßer, und erft die legte Zeit bat die Ruinen gebraht, aus denen, boffentlih bald, wieder neues Leben erblüben foll. Darum will ih hoffen, daß die Nachrichten der „Frankfurter Zeitung“ unzutreffend gewesen find; denn eine Vorlage, wie fie dort geschildert wurde, kann den Hand- werfkerstand nit befriedigen. : F

Abg. Freiherr von Zedliß und Neukirch (fr. kons.): Ich tann den Zweck der Interpellation niht recht erkennen; denn nah der Erklärung des Herrn Staatssekretärs von Boetticher konnte ein Zweifel an der Einbringung der Vorlage niht mehr besteben. Wir fennen den neuen Entwurf nicht, aber das ift doch klar, daß die ver- bündeten Regierungen das Bedürfniß einer fkorporativen Gestaltung des Handwerks als dringend anerkennen. Das ift zur Zeit ausreichend. Ueber die Einzelbeiten wird man sih fpäter ein Urtheil zu bilden haben. Der Minister hat betont, daß die Organisation niht Selbst- zweck fei, sondern als Grundlage dienen foll zur materiellen Hebung des Handwerks. Die Auffassung des Ministers theile i, daß der preußische¡Staat auf dem Gebiete der Verwaltung viel zu wenig gethan, daß er zu sehr der Großindustrie seine Aufmerksamkeit zugewendet und das Handwerk hat verkümmern lassen. Preußen bat sih von den süddeuishen Bundesftaaten, Württemberg an der Spigze, weit überholen lassen. Ih freue mich, daß der Herr Minister bekundet hat, daß es in Preußen auf diesem Gebiete befser werden foll, daß die Afffsoziation des Handwerks, die tehnische Durchbildung und die Frage des Kunftgewerbes gefördert werden toll, aber ih bin nit obne Zweifel, ob sih der Wille des Ministers auch tis in die äußerste Spiße der Verwaltung bemerkbar machen wird. Die preußischen Regierungen stehen den Verhältnissen viel zu fern, um eine sahkundige Bek E der Handwerkerverbältnisse zu sichern. Hier ift das Bedürfniß na einer Dezentralisation der Verwaltung auf die Kreise besonders dringend notbwendig. Wenn in Desterreih für das Handwerk fo gut gesorgt wird, so liegt cs daran, daß die Bebörden dafür den Verbältnifsen to nabe stehen. Der Minister follie seinen Einfluß nah diefer Rich- tung bin geltend machen. Im Regierungsbezirk Düfseldorf _müssen 1000—1200 reue Innungen gebildet werden. Dabei müssen die lokalen Verbältniffe besonders berücsihtigt werden. Das kann nit bei der Bezirksregierung gescheben, font würde die Aufsicht ein un- gebeurer Wuft von Schreibwerk werden. Der Geist der Schreib- stube, der in Wirklichkeit die Negation des Geistes ist, würde den Segen der Organisation vernihten. Die Zwangsorganifation wird den Befähigungsnachweis nicht verhindern , sondern nothwendig herbeiführen. Wenn mehrere Millionen Staatétbürger zufrieden und zu einem Wall gegen die Sozialdemokratie gemaht werden follen, fo ist das eine sehr große Aufgabe. Eine folche Organisation ist eine politishe Macht erften Ranges, deren Einfluß durchaus nit zu untershägen ist. Wenn die Handwerker auf dem Befähigungs- nachweis bestehen, so werden sie ihn in kurzer Zeit auf Grund ibrer Organisation erringen. Es ist nur zu wünschen, daß diese Entwicklung fih bald vollzieben möge. So lange der Befähigungsnachweis als erstrebenswerthes Ziel betrahtet wird, wird \sih die Mehrheit der Handwerker nicht beruhigen. Die Regierung sollte erwägen, ob sie nit selbft die Initiative ergreift, um den Befähigungsnachweis einzuführen. Dann werden die Haudwerker sih wieder um das Königlihe Banner schaaren, dann wird eine gute, wirthschaftlihe Entwicklung des Vaterlandes erfolgen.

Abg. von Brockhausen (fkons.): Im Reichstage handelte es sih darum, wann die Vorlage an den Reichstag kommt; hier aber ist die Frage, ob die preußische Regierung noch auf demselben Stand- punkt stebt, den sie in ihrer Vorlage eingenommen hat. Eine Vor- lage nach den Nathrihten der „Frankf. Zeitung“ würde für die

ndwerker ein Schlag ins Gesicht sein. Den Befäbigungêänachweis ält der Minister nur da für nothwendig, wo ein öffentliches Interesse vorliegt, also z. B. beim Baugewerbe. Ich glaube, daß der Be- fäbigungsnahweis die nothwendige Folge der Zwangéorganisation fein wird. Daß die Haudwerker als Arbeiter in der Fabrik höheres Einkommen erzielen als als Meister, ift niht entsheidend. Ent- sheidend ift die Selbitändigkeit der Handwerker, und daß dieselben auch ihre Söhne wieder dem Handwerk zuführen. Es muß bald gebolfen werden, denn manche Vorlagen, die gemaWt worden sind, haben die Handwerker nicht befriedigt, z. B. die über die Hand- werkerkammern. Wenn die neue Vorlage an den Reichstag kommt, fo werden die Konservativen wobl Aenderungsanträge im Sinne des preußishen Entwurfs ftellen, und die preußishe Regierung sollte diefe Anträge ibrerseits unterftügen. Wenn die von den Betheiligten selbst gewün'chten Vorlagen niht vom Bundesrath genebmigt werden, wie ¿. B. die Margarinevorlage, fo muß das nur die Neihe der Sozial- demokratie vermehren.

Abg. Ehlers (fr. Vgg.): Ich habe die Interpellation und die Besprehung derselben niht für nothwendig gehalten. Ich habe nen {weren Stand. Wenn man nicht die Hilfsmittel vorschlägt, die das allgemeine Geschrei verlangt, dann wird man als Feind des Handwerks verschrieen. Es ift gerade, als ob der Kranke vom Arzt uicht bloß die Untersuhung der Krankheit verlangt, sondern ihm auch die Medi- famente vorschreibt. In der Medizin baben ja au die Pfuscher großen Zulauf. Wenn man den Interpellanten bört, dann fönnte man faft annehmen, daß die Gewerbeordnung von 1869 direkt an die Blütbezeit des Handwerks anknüpfte. Die Söbne der Handwerker werden allerdings jeßt Kaufleute und Shreibzr; aber wo bleiben denn die Söhne der Geheimen Kommerzien-NRäthe? Sie werden Offiziere, weil sie das für vornehmer balten. Diese ungefunde Neigung der Nicht- atung des eigenen Berufs läßt fih durch kein Geseß beseitigen. Die Vorlage, welce an den Reichstag kommen wird, wird außerordentli übershägt. Wird fie angenommen, fo wird die Welt auch nicht aus dem Leim geben, aber eine Blüthe des Handwerks wird auch nit daraus entstehen. Zweckmäßig wäre es, wenn die Regierung ihre “Autorität dadurch bewährte, daß sie nicht auf alle falschen Forde- rungen eingeht, die an sie herantreten. Die Zwangsinnungen sind der erste Schriti zum Befähigungsnahweis. Der Minister hat die Punkte bezeichnet, an denen dem Handwerk geholfen werden fann : Genossenschaften, technische Ausbildung, Uebergang zum Kurnst- ewerbe u. \. w. Hier können Staat und Gemeinde und auch das

ublikum außerordentlißh nüßlich wirken, und zwar im Nahmen der bestehenden Gewerbeordnung. Weite Kreise des Handwerks wollen von den Zwangsinnungen nihts wissen. Aber die Anhänger der Zwangsinnungen schreien lauter. E

Abg. Felisch (konf.): Die Gegner werden wir nit belehren können. iz Mehrheit des Hauses steht auf seiten des Handwerks, und die Regierung entnimmt aus den heutigen Verhandlungen vielleicht noch Manes zum Nuten der Vorlage, welche si jeyt im Bundes- rath befindet. Der Minister hat anerkannt, daß die Fürsorge für das Handwerk nicht immer auf der Höhe gestanden habe, die nothwendig war. Dieses unumwundene Zugeständniß ift sehr erfreulii für mih; aber èamit ist noch nit sicher gesteüt, daz die Organifation auch für ganz Deutschland eine gleihmäßige sein wird. Der Handwerkerftand verlangt den Befähigungsnahweis, und wenn er nidt in die Vorlage bineinkommt, so wird das nit gut thun für die Wablen im nähften Il :

Abg. Pleß (Zentr.) tritt ebenfalls für die Zwangsinnung und den Befähbigungsnachweis ein,

Damit ift die Jnterpellation erledigt. Z

Es folgt die Berathung des Antrages des Abg. Brütt:

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die Köntgliße Staatsregierung zu uben, enüber

Thatsache, s die Fäbren über R ise Wil P „u

ibren Zweck nicht ecfüllen, mit möglihfter Bes ania Maß-

been je treffen, durch welhe entsprehende bhilf g2s en wird.

Abg. Brütt (fr. kTonf.): Es handelt sich um die Verhütung von Scädigungen preußischer Unterthanen durch das Reih. Jedem PEvGumternabener wird es untersagt, andere Interessen zu schädigen.

jer ist das Reih der Bauunternehmer. Es : hat sich fich

zwei feste Brücken zu bauen, die aber hauptsächlih den Eifenbabee verkehr bewältigen. Der andere Verkehr ift bauptsäthlih auf die Fäbren verlegt worden. Die 14 Fähbren baben in diesem Winter 6 Wochen lang den Dienst versagt. Das Reich muß aber die Fähren fo herstellen, daß sie unbedingt funktionieren. Redner f\childert die Mißstände, wel§e sih berausg-stellt haben. Wenn die Fähren nicht im Betriebe seien, dann müsse anderweitig gesorgt werden dur Dreb:- brüden cd:-r durch Wege und Eisenbahnen am Kanal, die Regierung müfse ihre Autorität einsezen, daß diesen s{reienden Mikß- ftänden abgeholfen werde.

Gebcimer Ober-Regierungs. Rath Just: Ich kann erklären, daß in der That beklagenswerthe Unzuträglichkeiten sih herausgestellt baben. Wenn es der Regierung nit celungen ift, diefe Mißstände zu be- seitigen, fo liegt das an den Verbältniffen. Auch ohne die Anregung des Vorredne:s würde die DeRiena ihre Pflicht darin erblickt baben, mit dem Reich wegen der Vorbeugung8maßregein in Verbin- dung zu treten. Beftimmte Vorschläge sind noch nicht zu maden, da die Verbältnifse bei jeder Fähre verschiedenartig sind.

Abg. Dr. Martens (nl.) führt Klage darüber, daß bei dem Unfall eincr Fähre der Schaden für einen untergeaangenen Wagen u. . w. niht ersezt worden ist, und bringt mebrere Beschwerden voc, die aber im Einzelnen nit verständlich sind.

Abg. von Bülow-Eckernförde (konf,): Die Kanalverwaltung bat ihr Mözlichstes gethan, sogar ein Dampfschiff eingestellt; aber das- selbe konnte nit ans Land beran und war daber {wer zu erreichen. E Weis die Hoffnung aus, daß die Regierung bald etwa3

un werde.

Nach einem Schlußwort des Antragstellers wird der An-

trag angenommen. : : j Der Geseßentwurf, beireffend die Fischerei der erei in der

Ufereigenthümer und die Koppelfis Provinz Hannover, wird in zweiter Lesung ohne Debatte angenommen.

Es folgt die Berathung von Petitionen.

__ Die Petitionen aus Breslau, betreffend die Heran- ziehung der sogenannten freien Konsumvereine zur Einkommensteuer, beantragt die Kommission der Regierung als Material zu überweisen, während Abg. Meßtner vor- schlägt, die Petition der Staatsregierung als aterial zu überweisen mit dem Ersuchen, noch im Laufe dieser Session eine Abänderung der Einkommens-, Gewerbe- und Kommunal- steuer-Geseze zur Beschlußfassung vorzulegen, welche es er- möglicht, alle Konsumvereine, in welche Form sie sich auch kleiden, in gerechter Weise zu allen Steuerlasten hberan- zuziehen.

Abg. Baensch - Sch{mitlein (fr. konf.) wünsht, daß die Petition nicht in den Papierkorb wandere, fondern zu einem Er- gebniß führe. Was für den Handwerker zutrifft, führt er aus, trifft auch für den kleinen Kaufmann zu, der in seinen wirth- schaftlicen Verbältnifsen außerordentklich zurückzegangen if; der Mittelstand in Stadt und Land bildet einen festen Damm gegen den Umsturz. Durch die Besteuerung der Konsumvereine müssen diese den Gewerbetreibenden gleihgestelltt werden. Wenn das gesehen ist, wird das Sprüchwort: „Handwerk hat goldenen Boden* au auf den Kaufmannsftand Anwendung finden. Redner ftellt den An- trag, die Petition zur Berücksichtigung zu überweisen,

Gek eimer Ober-Finanz-Nath Wallah: Der Antrag Mezner geht von der irrthümlihen Anf{ha2uung aus, daß die Konsumvereine überhaupt keiner Steuer unterliegen. Der Breslauer Konsumverein unterliegt der Gewerbesteuer. Zur Einkommensteuer wird der Breê- lauer Konfumverein nicht herangezogen, weil er feine juriftishe Person ist. Eine Aenderung kann nur auf dem Wege der Gesetzgebung er- folgen, aber eine solche Acnderung hat mande Bedenken gegen fi.

Abg. Mesner (Zentr.) befürwortet seinen Antrag unter Hin- weis auf dea Breslauer Koniurmverein, der ein Riesengeshäft betreibe. Im letzten Jahre habe der Umsaß 10 Millionen betragen; der Verein vertheile sehr große Gewinne und verstebe es, sh von der Ein- fommensteuer zu drücken. Er habe zablreihes Perfonal, betreibe eine große Dampfväckerei und stelle doch keinen Gewerbebetrieb dar. Alle Bestimmungen der Gewerbeordnung fänden auf ibn nicht An- wendung. Die Polen sollten dem Beispiel dieses Konsumvereins foigen, dann fönne ibnen die Polizei nihis anhaben. Es verlegze das Geretigfeitsgefühl, daß andere G-schäfte überlastet seien, wäh- rend folche Millionengeschäfte steuerfrei blieben.

_ Abg. Hirt (kon!.): Es handelt sih hierbei lediglih um eine Forderung dec Gerechtigkeit, um eine hohwihtige Frage für den Mittelftand, dem man den Kampf um die Existenz niht dur die Geseßgebung ershweren solle. Die Regierung wird ih der Ver-- pflihtung nibt entziehen fönnen, dieser Ungerehtigkeit ein Ende zu machen. Redner empfichlt die Ann2hme des Antrages auf Be- rücsichtigung.

__ Abg. Dr. Eckel s (nl.): Gegenüber dem alten Reichstage auf einem Bauplatze, der 24 Millionen kosten soll, wird tin neues großes Waarenzaus errihiet. Wieviel kleine Kaufleute werden durch ein solches Etablifsement um idr täglihes Brot kommen ? Eine ähn“ liche Nele wie die großen Waarenhäufer spielt der Breslauer Kon- fumverein. Gs wäre eine große Lücke der Geseßgebung, wenn es nit gelingen follte, denselben zu den Steuern beranzuzieben, wie die anderen Kaufleute. Jh babe das Vertrauen zur Staatsregierung, daß sie, wie sie die anderen Steuerzabler berangejogen hat, auch den We finden wird, die Konsumvereine heranzuziehen. Ich {ließe mich dem Antrage auf Berücksichtigung an.

_ Abg. Parisius (fc. Volksp.): Gegen den Autrag der Kommission ist nichts einzuwenden. Im Gegentheil, man kann nuc wünschen, daß die Regierung sih mehr mit den Konsumvereinen beschäftigt als bisher, damit sie endli das Wesen derselben erkennt. Die Konsum- vereine steben j t viel \{lechter als die meisten Kaufleute; sie bezahlen höhere Steuern als die Kaufleute. Dur das neue Reichégeseg sind fie erheblih beshränkt. Der Antrag Metzner wücde sih auch auf die ländlichen Konsumvereine erftrecken und lasse es zweifelhaft er- scheinen ob auch die fogenannten Konsumanstalten darunter fallen. Durch die ganze Gesetzg:bunz will man die Konsumvereine nur aus der Welt schaffen.

Abg. Metzner (Zentr.) erklärt ih für den Antrag Baensch, der die Berüsichtigung der Petition verlange.

bg. Dr. von Cuny (nl.): Wir wollen niht die Konsumvereine aus der Welt \{affen; ich bin sogar ein Freund derselben. Wir wollen nur Licht und Luft gleihmäßig vertheilen ; fie follen ebenso

Steuern zahlen wie die Kaufleute. Redner empfiehlt den Antrag zur Berücksichtigung.

Abg. Hirt (kons.): Ih bin ein eifriger Genossenschaftler; ih trete nur dafür ein, daß die Konsumbereine ebenso Steuern bezahlen wie die Kaufleute.

S Dr. von Korn (fonf.) bestreitet, daß die Konsumvereine s{l-&@t behandelt würden ; der Breélauer Konfumverein bestreitet das ebenfalls in seinem Jahresberiht. Seine Partei wolle nur die Be- fteuerung der Konsumvereine gleih den Genossenschaften.

Die Petition wird mit großer Mehrheit der Regierung zur Berüctfichtigung überwiesen. „Eine Petition von Gewerbetreibenden des Unterlahn- kreises bittet um Herabseßung des Mittelsazes der Ge- werbesteuer.

Die Kommission beantragt die Ueberweisung an die Re- gierung als Material. : /

Abg. von a ch oppe (fr: tant? erkennt M, I E Setläruns

egierung fehr entgegentommend gewe ; l

a E a nöth E aber man sel vielfah der Ansicht, daß eine Herabsetzung des Mittelsazes beantragt werten könne. :

Geheimer Finanz-Rath Dr. Str uh weist darauf bin, daß die Re- gierung von allen Anträgen die Hälfte ganz, ein weiteres Viertel theilweise berüdcksichtigt habe und immer ein woblwollendes Gnt- gegenkommen beweise. Eine allgemeine Herabseßung des Mittelsaßes würde sih nicht empfehlen; denn dadur würden ja auch die leistungs- fähigeren Steuerzahler entlastet; es müßte denn dem Finanz-Minifter das Recht gegeben werden, in folhen Fällen die Mittelsäße zu

höhen.

S i nregung des Abz. Schaffner (nl.), daß man auf

die Auf eine Anrea „in i, grene E (aurer Saifon eshâfte machen, Rücksicht nehmen müfse, erklärt :

E La Rb De Stex ß, daß eine Berücksichtigvung dieses Wunsches niht möglich set. Ss :

Die Petition wird darauf als Material übcrwiesen.

Die Wahl des Abg. Jsenburg (kons.) wird, entsprehend dem Antrag der Wahlprüfungskommission, für gültig erklärt.

Schluß 41/2 Uhr. Nächste Sigung Freitag 11 Uhr. (Etat der landwirthschaftlihen Verwaltung.)

Parlamentarische Nachrichten.

Dem Neichstag is folgender Entwurf eines Jn- validenversiherungsgeseßes zur verfassungsmäßigen Beschlußfassung zugegangen: g i i

An die Stelle des Gesetzes, betreffend die Invaliditäts- un Alteréversicherung, vom 22. Juni 1889 (Reichs - Geseßbl. S. 97), und des Geschzes, betreffer.d die Abänderung des §157 des Jn- validitäts- und Alterêversiherungsgesetzes, vom 8. Juni 1891 (Reichs- Gefetzbk. S. 337), treten die nachstehenden Bestimmungen.

L. Umfang und Gegenstand der Verficherung. S Versicherungspflicht. :

Nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes werden vcm vollendeten sechz?hnten Lebenéjabre ab versichert : i /

E Perfonen, wel@e als Arbeitcr, Gehilfen, Gefellen, Lehrlinge oder Dienstboten gegen Lobn oder Gebalt beschäftiat werden ; j

2) Betriebébeamte, Werkmeister und Techniker sowie Handlungsgebilfen und -Lehrlinge (auss{ließlih der in Apotbeken be- ichâftigten Gehilfen und Lehrlinge), welche Lohn oder Gehalt bezieben, deren regelmäßiger Jabresa1beitsverdienst an Lohn oder Gehalt aker zweitausend Mark nicht übersteigt, sowie : j

3) die gegen Lobn odec Gehalt beschäftigten Er der Swiffffs8- besaßung deutscher Seefahrzeuge 2 des See-Unfallverficherungs- geseBpes) und von Fahrzeugen der Binnenschiffahrt, Schiffsführer jedoch nur dann, wenn ibr regelmäßiger Jahresarbeits- verdient an Lobn oder Gehalt zweitaufend Mark nicht übersteigt. Die Führung der Reichsflagge auf Grund der gemäß Artikel 11_§ 7 Absay 1 des Gesezes vom 15. März_1888 (Reichs- Geseybl. S. 71) ertheilten Ermähtigung maht das Schiff nicht zu einem deutschen Secfahrzeuge im Sinne dieses Gesetzes.

S2

Durch Beschluß des Bundesraths kann die Vorschrift des § 1 für beftimmte Berufszweige allgemein oder mit Beschränkung auf gewisse Bezirke auh : s

1) auf Betriebêunternehmer, welche niht regelmäßig wenigstens

cinen Lohnarbeiter beschäftigen, sowie 5 2) obne Rücksiht auf die Zahl der von ibnen beschäftigten Lobn- arbeiter auf solche felbständiae Gewerbetreibende, welhe in eigenen Betriebéstätten im Auftrage und für Nehuung anderec Gewerbetreibenden mit der Herstellung oder Bearbeitung gewerbliher Erzeugnisse beshäftigt werden (Hausgewerbe- treibende), erstreckt werden, und zwar auf leßtere aud dann, wenn sie die Nob- und Hilfsftoffe selbst besbafen, und auch für die Zit, während welder sie vorübergehend für eigene Nechnung arbeiten.

Durch Besc{luß des Bundesraths kann ferner bestimmt werten, daß und inwieweit Gewerbetreibende, in decen Auftrag und für deren Rechnung von Hausgzwerbetreibenden (Absay 1) gearbeitet wird, ge- balten sein follen, rüdckfihtlich dcr Haus8gewerbetreibenten und ihrer Gehilfen, Ge!ellen und Lebrlinge die in diesem Geseße den Arbeit- gebern auferlezten Verpflichtungen zu erfüllen. Durch Beschluß des Bundesraths kann endlich bestimmt werden, daß und inwieweit Gewerbetreibende, in deren Auftrag Zwischen- personen (Ausgeber, Faktoren, Zwishenmcister 2c.) ge- werbliche Erzeugnisse herstellen oder bearbeiten lassen, gehalten fein sollen, rüdcksibtlich der von den Zwischen- personen hierbei beschäftigten Hausgewerbetreibenden (Absatz L) und deren Gehilfen, Gesellen und Lebrlingen die in diefem Gesey den Arbeitgebern auferlegten Ver- vflihtungen zu erfüllen.

&-3.

_Als8 Lobn oder Gehalt gelten au Tantièmen und Natural- bezüge. Für dieselben wird der Durchschnittswerth in Ansatz gebracht; diefer Werth wird von der unteren Verwaltuncsbebörde feitgeseßt.

Eine Beschäftigung, für welche als Entgelt nur freier Ünterkalt gewährt wird, gilt im Sinne dieses Gesetzes nicht als eine die Ver- fiberungépfliht begcündende E

. 3a,

Der Verficherungspflicht unterliegen niht Personen,

welche Lohnarbcit nur in bestimmten Jahreszeiten für niht mehr als-zwölf Wochen übernehmen, im übrigen aber ibren Lebensunterhalt als Betriebsunternebmer oder anderweit felbständig erwerben oder obne Lohn oder Gebalt thätig sind. Der Bundesrath ist befugt, bierüber nähere Bestimmungen zu erlassen. , Durch Beschluß des Bundeêratbs wird bestimmt, inwieweit im übrigen vorübergehende Dienstleistungen als versicherungs- vflihtige Beschäftigung im Sinne dieses Gesezes niht anzu- sehen sind.

_Der Bundesrath ift befugt, Ausländer, welchen der Aufenthalt im Inlande nur für eine bestimmte Dauer be- bôrdlich gestattet ift und die nah Ablauf dieser Zeit in das Ausland zurückehren müssen, von der Verfsicherungs- pflicht zu befreien.

& 4.

Beamte des Neis und der Bundesstaaten, die mit Pension®- anwartschaft angestellten Beamten von Kommunalverbänden und auf Grund bbeses Gesetzes errichteten Verficherungs- anstalten oder zugelassenen besonderen Kassenein- ritungen, Perfonea des Soldatenstandes, welche dienftlih als Arbeiter beshäftigt werden, unterliegen in Ansehung ihrer dienftlihen Beschäftigung der Versicherungs pf licht nit.

“_ Der Versicherungépflicht unterliegen ferner niht Personen, welchen auf Grund dieses Geseges eine Invalidenrente bewilligt ist, fowie diejenigen Personen, deren Erwerbsfähigkeit in- folge von Alter, Krankheit oder anderen Gebrechen dauernd auf weniger als ein Drittel berabgeseßt ift. Dies ist dann anzunehmen, wenn sie niht mebr im stande sind, dur eine ihrea Kräften und Fähigkeiten entsprechende Lohn- arbcit, die ibnen unter billiger Berickstchtiguag ibrer Vorbildung und bisherigen Berufsthätigkeit zugemuthet werden kann, cin Drittel desjenigen zu erwerben, was fkörper- lih und geiftig gesunde Lohnarbeiter derselben Art durch Arbeit zu verdienen pflegen.

8 4a.

Auf ibren Anirag sind von der Versicherungspflicht zu befreien

fonea, welhen vcm Reih, von cinem Bundesstaate, einem

ommunalrerbande, etner auf Grund dieses Geseyes er- richteten Versiherungsanstalt oder zugelassenen besonderen Kasseneinrihtung Pensiorea, Wartegelder oder ähnliche Be- züge wenigstens im Mindestbetrace der Invalidenrente bewilligt sind, oder welhen auf Grund der reihägeseßlihen Bestimmungen über Unfallversiherung der Bezuz einer jährlichen Rente von mindestens demselben Betrage ustebt. Dasselbe gilt von solchen Personen, welche, ohne Invalitenrente zu beziehen, das siebenzigste Lebensjahr zurüdckgelegt baben. Ueber den An- trag entscheidet die untere Verwaliungsbehörde des Beschäftigungs- ortes. Gegen ten Bescheid derselben ist die Beschwerde an die zu- nächst vorgesezte Behörde zulässig, welche endgültig entscheidet. 8 5. D Besondere Kasseneinrihtungen.

. Versicherungépflichtige Personen, welte in Betrieben des Reichs, eines Bundeéftaates oder eines Kommunalverbandes beschäftigt werden, genügen der geseßlihen Versicherungtpfliht dur Betbeiligung an einer für den betreffenden Betrieb bestehenden oder zu errichtenden befonteren Kasseneinrihtung, durch welte ihnen eine den reihtgesetzlih vorgesehenen Leistungen gleicwerthig?z Fürsorge gesichert ist, sofern bei der betreffenden Kaffeneinrihtung folgende Vorauéfeßzungen zutreffen:

1) Die Beiträge der Versicherten dürfen, soweit sie für die In- validenversiherung in Höhe des reihsgeseßtzlichen Anspruchs ent- rihtet werden, die Hälfte des für den leßteren nah § 20 zu erbeben- ten Beitrags nit übersteigen. Diese Bestimmung findet keine An- wendung, fofern in dec betreffenden Kafseneinrihtung die Beiträge nah einem von der Berehnung8weise des § 20 abweichenden Ver- fahren aufgebraht und infolge dessen“ höhere Beiträge erforderli werden, um die der Kafseneinrihtung aus Invaliden- und Alters- renten in Höbe des reichsgeseßlihen Anspruchs obliegenden Leistung-n zu deen. Sofern bie: nah höhere Beiträge zu erheben sind, dürtken e Beiträge der Versicherten diejenigen der Arbeitgeber niht über-

eigen.

2) Bei Bereclbnung der Wartezeit und der Rente ift den bei solchen Kafseneinrichtungen betbeiligten Personen, soweit es sih um das Maß des reichsgeseßlihen Anspruchs bandelt, unbeschadet der Be- stimmung tes § 32 die bei Versicherung?anstalten 41) zurückzelegte Beitragézeit in Anrechnung zu bringen.

3) Ueber den Anspruch der einzelnen Betbeiligten auf Gewährung von Invaliden- und Altersrente muß ein sciedëgeridtlihes Verfahren unter PViitwirkung von Vertretern der Versicherten zugelassen sein.

Der Bundezrath bestimmt auf Antrag der zuständigen Reichs-, Staats- oder Kommunakbehörde, welche Kasseneinrihtungen (Pensions-, Alters-, Invalidenkassen) den vorstehenden Anforderungen entsprechen. Den vom Bündeërath anerkannten Kasseneinrihtungen diefer Art wird zu den von ibnen zu leistenden Invaliden- und Alterêrenten der Neichszushuß (S 25) gewährt, sofern ein Anspruch auf solche Renten auch nah den Vorschriften dieses Gesetzes befteben würde.

8 6.

Von dem Inkrafttreten dieses Gefeßes ab wird die Betheiligung bei solhen vom Bundesrath zugelassenen Kafseneinrihtungen der Ver- sicherung in einer Versicherungsanftalt gleihgeahtet. Inwiew eit die Bestimmungen des § 4a auf die Mitalieber solcher Kafseneinrihtungen Anwendung finden, wird durh das Statut geregelt.

Wenn bei einer folchen Kafseneinritung die Beiträge nit in der nah §8 99 f. vorgeschriebenen Form erhoben werden, kat der Borftand der Kasscneinritung den aus der leßteren ausscheidenden Personen die Dauer ihrer Betheiligung und für diesen On die Oöbe des bezogenen Lohnes, die Zugehbörigkeit zu einer Krankenkasse, sowie die Dauer etwaiger Krankbeiten 17) zu bescheinigen. Der Bundesrath is beugt, über Form und Inhalt der Bescheinigung Vorschriften zu erlassen. Q

S €.

Durch Beschluß des Bundesraths kann auf Antrag bestimmt werden, daß und inwieweit die Bestimmungen des § 4 Absatz 1 auf Beamte, welhe von anderen öffentlihen Verbänden oder Körper- schaften mit Pensionsanwartschaft angestellt sind, sowie daß die Bestimmungen der §8 5 und 6 auf Mitglieder anderer Kassen- einridtungen, welche die Fürsorge für den Fall der Invalidität und des Alters zum Gegenstande haben, Anwendung finden sollen.

S8. Freiwillige Verficherung.

Personen, auf welhe die Versiherungspfliht gemäß § 2 Absay 1 durch Beschluß des Bundesraths erstreckt werden darf, find, solange dies nicht geschehen ift und solange sie das pierzigfte Lebentjahr noh nit vollendet haben, befugt, freiwillig in die Versicherung einzutreten (Selbstversicherung). Dies gilt auch für diejenigen Personen, welhe auf Grund des §3 Absatz 2 und §3a der Versiherungspflict nicht unterliegen.

Personen, welche aus einem die Versiherungspflicht oder die Berechtigung zur Selbstversiherung be- gründenden Verhältniß ausfcheiden, sind befugt, die Bersicherung freiwillig fortzuseßen oder zu erneuern (S 32). (Freiwillige Fortsezung der Versicherung.)

Die freiwillige Versiherung (Absatz 1 und 2) ift aus- geschlossen, sobald die Erwerbsunfähigkeit ununter- brochen fechsundzwanzig Wochen gewährt hat 10) oder s S un Sinne des § 4 Absay 2 einge- treten ift.

Die in Betrieben, für welche eine besondere Kassen- einrichtung (§8 5 und 7) errihtet ist, beschäftigten Personen der vorbezeihneten Art sind berechtigt, fich bei der Kasseneinrihtung freiwillig zu versihern. Die in folhenBetrieben beschäftigten versiherungspflihtigen Personen sind ferner beim Ausscheiden aus dem diese Bersicherungspfliht begründenden Arbeits- oder Dienft- verhältnisse befugt, die Versicherung bei der besonderen Kasseneinrihtung freiwillig fortzuseßen, solange fie niht durch ein neues Arbeits- oder Dienstverhältniß bei einer anderen besonderen Kasseneinrihtung oder bei einer Versiherungsanftalt versiherungspflihtig werden. Solange die Vorausseßungen für die freiwillige Ver- sicherung bei ciner besonderen Kasseneinrihtung ge- eben sind, findet die freiwillige Versicherung bei einer Versicherungsanftalt nit statt.

8 9. Gegenstand der Versicherung. i

Gegenstand der Versicherung ift der Anspru auf Gewährung Que Rente für den Fall der Erwerbsunfähigkeit oder des

ters.

Invalidenrente erhält obne Rückficht auf das Lebensalter der- jenige Versicherte, welher im Sinne des §8 4 Absatz d dauernd erwerbsunfähig ift. Eine dur einen Unfall herbeigeführte Erwerbs- unfäbigkeit begründet unbeshadet der Vorschriften des § 76 den An- spruch auf Invalidenrente nur insoweit, als nicht nah den Be- E der Reichégeseße über Unfallversiherung eine Rente zu eiften ift.

Altersrente erbält ohne Rücksiht auf das Vorhandensein von Erwerbsunfäbigkeit derjenige Versicherte, welcher das siebenzigste Lebensjahr vollendet hat.

8 10. Invalidenrente erhält au derjenige niht dauernd erwerbsunfähige Versicherte, welher während sechsundzwanzig Wochen ununter- bro@en erwerb8unfähig gewesen ift, für die weitere Dauer seiner Erwerbséunfähigkeit.

8 11. Dem Verficherten ftebt ein Anfpruch auf Invalidenrente nicht

¿u, wenn er die Erwerbsunfähigkeit vorsäßlih berbeigeführt hat. Der

Anspruch kann ganz oder theilweise Frgtetebut werden, wenn der Versicherte sih die Erwerbêunfähigkeit bei Begehung eines Verbrehens oder eines vorsäulihen Vergehens zu-

ezogen hat. ie 8 12.

It ein Versicherter dergestalt erkrankt, daß als Folze der Krankheit Erwerbéunfähigkeit zu besorgen ift, welche einen An- pru auf reich8geseßlide Invalidenrente begründet, so ift die Ver- siherungéanftalt befugt, zur Abwendung dieses Nachtbeils ein Heilverfahren in dem thr geeignet T Inenben Umfange ein - treien zu lassen.

Die Versicherungsanftalt kann das Heilverfabren unter den im § 7 Absay 1 des Krankenversicherungs8- geseßes bezeihneten Vorausseßungen, sowie dann, wenn der Erkrankte sich bereits früheren zum Zweck des Hitilverfahrenë vcn der VersiherurgEanftalt getroffenen Maßregeln entzogen bat, durch Unterbringung in einem Krankenbause oder in einer Anftalt für Genesende oder durch Anordnung einer Badekur ge- währen. In folhen Fällen ift für die Angehörigen des Versicherten während dieses Heilverfahrens der im S 7 Absay 2 des Krankenversiherung8gesetes bezeidhnete Betrag des Krankengeldes auch dann zu bezablen, wenn der Versiherte der reihs- oder lande8geseglichen Krankenfürsorge nicht unterliegt, und zwar, sofern er dieser früher unterlag, unter Zugrundelegung des zuleßt maßgebend gewesenen Krankengeldes, im übrigen unter Zugrundelegung des für den Ort der letzten Be- schäftigung oder des legten Aufentbalts maßgebenden Tagelohnes.

Läßt die Versiherungsanftalt ein Heilverfabren ein- treten, fo gehen bei Versicherten, welche der reihs8- oder landesgeseßlihen Krankenfürsorge unterliegen, vom Beginn dieses Heilverfabhrens an bis zu dessen Beendi- gung die Verpflichtungen der Krankenkasse gegen den Versicherten auf die Versiherungëanfstalt über. Diefer hat die Krankenkasse Ersatz zu leisten in Höhe desjenigen Krankengeldes, welches der Versicherte von der Kranken- kasse für sih beanspruchen konnte.

Die Versicherungêanftalt, welhe ein Heilverfahren ein- treten läßt, ift befugt, dice Fürsorge für den Erkrankten der Krankenkafse, welcher er angehört oder zulett angeböôrt hat, in dem- jenigen Umfange zu übertragen, welhen die Versiherungêansftalt für geboten erachtet. Werden dadur der Kasse Leistungen auferlegt, welche über den Umfang der von ibr geseßli Ó oder statutarisch zu leistenden Fürsorge binaus8 geben, so hat die Versicherungsanftalt die entiebenben Mehbrkofien zu erseßen. Bestand eine Fürsorgepfliht der Krankenkasse nicht mehr, so ift ihr von der Versicherungsanstalt bei Gewährung der im §6 Absatz 1 Ziffer 1 des Kranken- versiherungsgeseßes bezeihneten Leistungen das halbe, bei Unterbringung des Ver'icherten in ein Krankenhaus oder in eine Anftalt für Genesende das anderthalbfache Krankengeld zu erseßen, sofern niht böbere Aufwendungen nach- gewiesen werden.

Wird der Versicherte in Folge der Krankkeit erwerbéunfähig, so verliert er, foells er sih den vorftebend bezeihneten Maßnahmen entzozen hat, den Anspruch auf Invalidenrente, sofern anzunehmen ist, daß die Erwerbsunfähigkeit dur dieses Verhalten veranlaft ift.

Streitigkeiten, welche aus dieien Bestimmungen zwischen den Versiherungsanftalten und den Versicherten entsteben, werden, soweit fie niht bei der Renten- feststellung zum Austrage gelangen, von der Aufsihts- behörde der Versicherungsanstalten entschieden. Sireitig- keiten, welche aus diesen Bestimmungen zwishen den Ver- sicherungsanstalten und den betheiligten Krankenkassen entstehen, werden, fofern es si um die Geltendmachung der in Absatu 1 bis 4 bezeichneten Befugnisse handelt, endgültig von der Uufsichtsbebörde der betheiligten Krankenkassen, fofern es sih um Erfatzansprüche bandelt, im VerwaltungéEstreitverfahren, oder, wo ein solches nit besteht, dur die Aufsihtsbehörde der betheiligten Kranken - kassen entshieden. Die Entscheidung der Aufsihtsbebörde fann binnen vier Wochen nah der Zusteilung im Wege des Nekurses nzch Maßgabe der 88 20 und 21 der Gewerbe- ordnung angefochten werden.

Als Krankenkassen im Sinne der vorstehenden Bes stimmungen gelten auch diejenigen Hilfskassen, welen die im § 75a des Krankenversiherungägeseßes vorge!ehene amtlihe Bescheinigung ausgestellt ift.

S 13.

Durch statutarishe Beftimmung einer Gemeinde für ibren Bezirk oder eines weiteren Kommunalverbandes für seinen Bezirk oder Theile desfelben fann, sofern daselbft nab Herkommen der Lobn der in land- oder forstwirthschaftlihen Betrieben beschäftigten Arbeiter ganz oder zum Thil in Form von Naturalleiftungen gewährt wird, bestimmt werden, daß denjenigen in diesem Bezirke wobnenten Rentenempfängern, welche innerhalb desfelben als Arbeiter in land- und forftwirthschaft- [iben Betrieben ihren Lohn oder Gehalt ganz oder zum Theil in Form von Naturalleistungen bezogen baben, auch die Rente bis zu zwei Dritteln ihres Betrages in dieser Form gewährt wird. Der Werth der Naturalleistungen wird nah Durchschnittspreisen in Ansatz ebracht. Dieselben werden von der höheren Verwaltungsbehörde estgeseßt. Die ftatutarishe Bestimmung bedarf der Genebmigung der höheren Verwaltungsbebörde. : j

Solchen Perfonen, welhen wegen gewobnbeitsmäßiger Trunksucht nach Anordnung der zuständigen Behörde geistige Getränke in öffents- lichea Schankstätten niht verabfolgt werden dürfen, ift die Rente in derjenigen Gemeinde, für deren Bezirk eine folche Anordnung getroffen worden ift, auch ohne daß die Voraussezungen des Absatzes 1 vor- liegen, ihrem vollen Betrage nah in Naturalleiftungen zu gewähren.

Der Anspruch auf die Rente geht zu demjenigen Betrage, in welchem Naturalleistungen gewährt werden, auf den Kommunalverband, für dessen Bezirk eine folhe Bestimmung getroffen ift, über, wogegen diesem die Leistung der Naturalien obliegt.

Dem Teinadberodiiattn. auf welchen vorstehende Beftimmungen Sing finden sollen, ift die3 von dem Kommunalverbande mit- zutbeilen.

Z Der Bezugsberechtigte ift befugt, binnen zwei Wochen nat der uftellung dieser Mittheilung die Entscheidung der Kommunal. Aufs ichtsbehörde anzurufen. Auf demselben Wege werden alle übrigen Streitigkeiten entschieden, welhe aus der Anwendung dieser Bes stimmungen zwishen dem Bezugsberehtigten und dem Kommunak-

verbande entstehen. /

Sobald der Uebergang des Anspruchs auf Rente endgültig fest- stebt, hat auf Antrag des Kommunalverbandes der Vorstand der Ver« ficherungéanftalt die Postverwaltung hiervon rechtzeitig in Kenntniß

u feten. E 8 14.

Ist der Berechtigte ein Ausländer, fo kann er, falls er seinen Wohnsiß im Deut}ichen Reih aufgiebt, mit dem dreifahen Betrage der Jahresrente abgefunden werden. Durch Beschluß des Bundesraths kann diese Bestimmung für bestimmte Grenzgebiete oder für die Angehörigen solher auë- waärtiger Staaten, durch deren Gesetßgebung deutschen Arbeitern eine entsprehende Fürsorge für den Fall der Erwerbsunfähigkeit oder des Alters gewährleistet ift, außer Kraft geseßt werden.

8 15. Voraus’ezunzen des Anspru Hs.

Zur ay e eines Anspruchs auf Jnvaliden- c der Altersrente

Se außer dem Nachweise der Erwerbsunfähigkeit bezi hungsweise des

1) die Zurücklegung der vorgeschriebenen Wartezeit ;

geseßlih e Juríleg: Alters, erfordcrlich : 2) die Leiftung von Beiträgen.