1897 / 56 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 06 Mar 1897 18:00:01 GMT) scan diff

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Der parlamentarische Ausschuß zur Unter- suchung des Einfalls Jameson's in Transvaal hielt gestern eine Sißung ab. Wyndham nahm das Verhör Cecil Rhodes’ wieder auf. Dieser stellte in seinen Aus- führungen die Schwierigkeit der Naturalisierung in der Süd- afrikanishen Republik der im Oranje-Freiftaat bestchenden Leichtigkeit derselben gegenüber. Er sagte ferner, die Politik der Netherlands-Eisenbahn gegen die Kapkolonie sei beharrlich unfreundlih gewesen; die Bahn habe 85 Proz. ihres Gewinnes an die Regierung der Südafrikanischen Republik bezahlt. Jm Jahre 1887 sei zwischen der Südafrikanischen Republik und der Kapkolonie eine Vereinbarung getroffen worden, der zufolge die Kapkolonie den Zoll für den aus Transvaal kommenden Taback aufhob, wogegen Transvaal für gewisse Erzeugnisse der Kapkolonie zollfreie Einfuhr gestattete. Die Kapkolonie habe ihren Theil des Abkommens erfüllt, Transvaal aber nicht. Schließlich stellte Rhodes in Abrede, daß er oder Jameson je die Politik der Auffaugung der Transvaal - Republik dur die Kapkolonie verkündet habe. Jm weiteren Verlauf des Verhörs erklärte Rhodes, die Anhänger der Récform- Bewegung in Johannesburg hätten die Hoffnung aufgegeben gehabt, daß ihre Beshwcrden durch ftonstitutionelle Mittel würden abgestelit werden. Er habe die Reformer nicht auf- gefordert, einen Regierungewechsel herbeizuführen, er habe nur gefordert, daß, wenn die Bewegung Erfolg habe, zwischen Transvaal und dem übrigen Südafrika das System des Freihandels eingeführt werden solle. Die Regierung der

uren habe steis Neigung gezeigt, den britishen Handel zu hemmen. Auf eine Reihe Fragen Chamberlain’ s über die Lage in Transvaal vor dem Einfall erklärte Rhodes, dic D YUn in Johannesburg sei cine allgemeine, nicht nur auf die Handels: und Kapitalistenkreise beschränkte ge- wesen; sie sei von selbst entstanden und seit Jahren vor dem Aufstande angewachsen. Das Vorgehen von Transvaal sei das denkbar feindlihste gegen die Kapkolonie ge- wesen; deshalb sei eine Aenderung in der Negierung von Transvaal wünschenswerth. Die Bewegung von 1890 und die Wirren von 1894 zeugten für die ernste Unzufriedenheit. Es seien innerhalb 5 Jahren dreimal ernste Unruhen in Trans- vaal ausgebrochen, in welche die Kapkolonie hätte mit hinein- gezogen werden können. Die gegenwärtige Form der Re- gierung in Transvaal sei eine ernste Gefahr für den Frieden in Südafrika. Jn Beantwortung ciner Frage Labouchère's erklärte Rhodes, er habe selbst 50 000 Pfund von den den es des Johannesburger Reformcomités auferlegten

eldsirafen gezahlt. Hierauf wurde die weitere Verhandlung auf Dienstag vertagt.

__ Gestern Abend wurde in London eine stark besuchte öffentlihe Versammlung abgehalten, in welcher gegen die Ver- wendung der britischen Floite gegen die Kreter Einspruch er- hoben wurde. An derjelben nahmen der frühere Minister Shaw-Lefèvre und eine Anzahl Parlamentsmitglieder theil. Der (iet bg Geschäflsträger Metaxas, der mit großer Begeisterung empfangen wurde, theilte mit, daß er die von

der Versammlung angenommene Protestresolution dem König telegraphieren werde.

Der König von Siam gedenkt in diesem Sommer nach England zu kommen und ein Jahr daselbst zu verweilen, um das dortige Leben und die Hilfsquellen des Landes kennen zu lernen. Der König, der in der Nähe von London Aufenthalt E wird, will vorher eine Reise durch Europa unter-

neymen.

Frankreich.

Der Deputirte Goblet hat, wie die Pariser Blätter melden, dem Minister des Aeußern Ha notaux die Absicht angekündigt, vor Ablauf der Griechenland gestellten Frist über die Blockadefrage zu interpellieren. Es heißt, der Minister Laux werde eine Beantwortung der Jnterpellation vor

eantwortung des Ultimatums ablehnen.

JFtalien.

Gestern ij: eine Erklärung des Minister-Präsidenten

di Rudini an vie Wähler veröffentliht worden, welche das Wahlprogramm der Regierung bildet. Der Minister- Prôösident erörtert darin, wie „W. T. B.“ meldet, zunächst die afrikanishe Frage und weist die beiden cxtremcn Wünsche zurück, nämlich die vollständige Unterwerfung Abessyniens auf der einen oder die gänzlihe Aufgabe der afrikanischen Besißungen, mit Einshluß der Küstenpläße Assab und Massowah, die niemand Jtalien streitig mache und die leiht zu vertheidigen seien, auf der anderen Seite. Es würde unrichtig sein, unter den gegenwärtigen Umständen auf der Hochebene von Abessynien zu bleiben. „Frei von jeder Verpflichtung, Herren unseres Willens und unserer Ent- schliezungen, können wir zu gelegener Zeit und auf günstige Weise allmählich zu der Löfung gelangen, die uns das wahre Interesse des Landes anräth.“ Das italienishe Voik sei jeßt berufen, zwishen der Politik der Ausdehnung und der Politik der Sammlung, zwischen ciner Militär- politik und einer Wirthschaftspolitik zu entscheiden. Es wird sodann die auswärtige Politik behandelt und ausgeführt, daß die blutigen Ercignisse im Orient Jtalien daran erinnerten, daß seine höchsten Interessen und sehr nahe gerückte Gefahren cs ihm gr Pflicht machten, alle seine Kräfte für den Augenblick aufzusparen, in welhem sich die Probleme lösen müßten, welhe ganz Europa beshäf- tigten, und von denen auch die Zukunft und die Größe des Vaterlandes abhängen fönnten. Die italienishe Regierung sei frei von Begehrlichkeit und Ehrgeiz und sei überzeugt, daß nur die Einigkeit unter den Mächten der zivilisierten Welt einen Krieg ersparen könne, dessen Grenzen und Folgen {wer zu ermessen seien. Sie habe sih siets bemüht und bemühe sich auch ferner, in offenem und loyalem Sinne jeden Anlaß zu Meinungsverschiedenheiten und Zwistigkeiten zu beseitigen, welche den Frieden stören könnten. Sodann spriht der Minister- räsident den warmen Wunsch aus, daß nicht dur ungezügelten hrgeiz oder aus edlen Beweagründen cntspringende Un- geduld der von den Mächten eifersüchtig aufrecht erhaltene und von den Völkern gewünschte Friede gefährdet werden möge. Alsdann verbreitet sh die Erklärung über die Fragen der Finanzverwaltung und des Schaßes. Es wird gezeigt, daß die Finanzlage und die wirthschaftlihe Lage in günstiger Ent- wickelung begriffen scien und die Neuordnung des Noten- umlaufs bald eine vollendete Thatsahe sein werde. Das Gleichgewicht des Staatshaushalts fei erreiht. Der wirthschaftlihe und finanzielle Aufschwung, der die höchste Nothwendigkeit für das Land bilde, sei untrennbar von ciner besonnenen und friedlihen auswärtigen Politik, von einer Afrikapolitik ohne Abenteuer, ohne Vergeudungen und ohne Thorheiten. Ferner wird auf Reformen zur Hebung der

Produktion des Landes hingewiesen, alsdann ausführ- lih die Frage der Verwaltungsreform besprohen und die dazu erforderlichen Maßnahmen angeführt, darunter an erster Stelle die Einführung eines verbesserten Wahlverfahrens bei den Wahlen zu den Verwaltungskörperschaften. Diese Reform erklärt di Rudini für besonders dringend und an der Spige des Programms stehend. Was {ließli die soziale Frage angehe, so erklärt die Kundgebung, die Regierung babe die dringende Pflicht, die auf den iy der Arbeit und gegen die unver- meidlichen, durch Alter, Krankheit und Unfälle eus ehenden Uebel gerihteten Einrihtungen zu fördern. Der Aufruf \{hließt mit der warmen Aufforderung an die Wähler des Landes, Männer ins Parlament zu entsenden, welche des Vaterlandes und des Königs würdig seien:

Belgien.

_Der Senat hat gestern den Gesezentwurf, betreffend die

Glüccksspiele, im Ganzen angenommen. Durch das Geseg werden Glü6- und Bankspiele an öffentlihen oder dem Publikum zugänglichen Orten verboten. Eine Ausnahme wird für die Städte Spa und Ostende gemacht, wo die Einrichtung eines Spielklubs erlaubt ist. _ Die Repräsentantenkammer nahm in ihrer gestrigen Sizung einstimmig eine Tage2ordnung an, welche unter Billigung der A Regierungserklärungen dem Wunsche Ausdruck giebt, daß die Begleihung internationaler Konflikte einem Schiedsgerichts verfahren anvertraut und zu Van Zweck eine permanente Schiedsgerichtsbarkeit gebildet werde.

Gestern Abend hatten in Brüssel Studenten eine phil- hellenishe Versammlung veranstaltet, welher mehrere Deputirte beiwohnten. Es wurde eine Tagesordnung an- genommen, welche der Sympathie für Griechenland und dem Abscheu gegen die Gemezel Ausdru giebt. Beim Verlassen des Versammlungssaales bildeten die Studenten einen Zug und begaben fih vor das griehishe Konsulat, wo sie eine Kund- gebung veranstalteten. Von dort zogen sie vor das türkische Konsulat, wo sie unter Heulen und Pfeifen Stcine gegen die Nee warfen, von denen mehrere zertrümmert wurden. Die

enge wurde darauf von der Polizei zerstreut. Die Zahl der Theilnehmer an der Kundgebung Betheiligten belief ih auf 300.

Türkei.

Gestern hat, wie das Wiener „Telegraphen-Korrespondenz- Bureau“ meldet, in Konstantinopel ein außerordent- liher Ministerrath stattgefunden. Die Antwort auf die vorgestrige Note der Mächte wird heute erwartet.

Jn der vergangenen Naht wurde von Muratli aus der achtzehnte Militärzug abgeschickt. Bisher sind 25 Ba- taillone Redifs und ein Kavallerie - Regiment nah Saloniki abgegangen.

Die „Times“ meldet aus Kanea von gestern: dic Admirale hätten beschlossen, Schiffe des britischen, französischen und russishen Geschwaders nah Selino zu senden. Das britische Kriegsschiff „Rodney“ fei bereits mit dem britischen Konsul an Bord dahin abg:gangen. Wahrscheinlich werde eine Truppenabtheilung gelandet werden, um dem Konsul zur Eskorte zu dienen, bis derselbe mit den Jnsurgenten zur Berathung zusammentreffe. Nun- mehr befänden sich sieben Kriegsschiffe vor Selino, welche, wenn nöthig, 700 Mann landen könnten. Es. verlaute, daß die Aufständishen auf Akrotiri theilweise ihre Stellungen geräumt und sih zur See nah Apokorona begeben hätten.

_ Nah einer Meldung der „Agence Havas“ aus Kanea würden, falls es das Wetter erlaube, heute früh 500 Marine- soldaten sämmtlicher Großmächte in Paläochora ausgeschifft werden, um, wenn nöthig mittels Gewalt, die dort einge- schlossenen Mohamedaner zu entsegzen.

Durch Aussagen von Offizieren sowie von türkishen und albanesishen Gendarmen ist festgestelt worden, daß die Gendarmerie - Unteroffiziere Jsmay und Ramaday die Führer der Rebellion unter den Gendarmen gewesen seien. Ramaday war seit 9 Monaten Kawaß des britischen Konsulats.

Die „Times“ meldet aus Athen, daß, infolge der un- zureichenden Blockierung der Südküste Kretas, durch die griechische Yacht „Sphakieria“ und andere Schiffe Lebensmittel dort gelandet worden seien, ohne daß ein Dazwischentreten erfolgt jei. Die Vorräthe würden durch gricchishe Soldaten über die Berge den Truppen zugeführt. Die leßteren seien nunmehr für drei Monate verproviantiert.

Griechenland. L

__ Aus Athen meldet die „Agence Havas“ vom heutigen Tage: die griehishe Flotte sei in vier Geshwader getheilt worden. Das erste, Ost-Geschwader genannt, Ee aus den Panzerschiffen „Psara“ und „Spelsai““, dem Kreuzer „Miaulis“, der Panzerfregatte „Georg“ und dem Aviso „Paralos“; Chef des Geshwaders fei Apostolis. Das West-Geshwader unter dem Commodore Ombazis bestche aus vier gepanzerten und vier ungepanzerten Kanonenbooten. Das von Sachturis befehligie Süd-Geschwader umfasse das Panzerschiff „Hydra“ und die Kreuzer „Mykali“, „Alpheios“ und „Eurotas“. Sodann bilde die Torpedo- boots-Flottille ein besonderes Geshwader unter dem Prinzen Georg. Das Ost-Geschwader kreuze zwischen den Sporaden, das West-Geschwader zwischen dem Meerbusen von Arta und der Jaosel Kreta, das Torpedoboots-Geschwader zwishen Milos und Kreta.

Die beiden leßten Jahrgänge der Reserve werden nunmehr ebenfalls einberufen werden.

Amerika.

Aus Washington berihtet „W. T. B.“, daß Deuts- land, Großbritannien und die Vereinigten Staaten William Chambers aus Alabama zum Ober- Richter auf Samoa

ewählt hätten. Chambers war einer der Kommissare der Vereinigten Staaten bei der Regelung der Grundbesiß-Ver- hältnisse auf Samoa.

Nah cinem in London eingetroffenen Telegramm des Lloyd-Agenten in Montevideo von gestern Vormittag ist im Innern von Uruguay eine Revolution Anisgedcoden:

Parlamentarische Nachrichten.

Der Bericht über die gestrige Sigung des Luis der Abgeordneten befindet sich in der Ersten eilage.

In der heutigen (43.) Sigzung, welcher der Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammerstein E wohnte, seßte das Haus der Abgeordneten die zweite Be- rathung des Etats der landwirthschaftlichen Ver- waltung bei den Ausgaben für die Thierörztliche Hoch- schule und das Veterinärwesen fort.

Abg. von Mendel-Steinfels (kons.) wünstht, daß die Regierung größere Mengcn von Impfstoffen zur Bekämpfung der Retblaufseuhe nah der billigeren Lorenz'schen Methode beritelle. lasse und den Besißern zur Verfügung ftelle. Die zu liberale Seuchenpolitik zur Bekämpfung der Schweinepest müsse auf- hören und der Maul- und Klauenseuhe mit den neuen vervollkommneten Methoden 2ntgegengetreten werden, Seuchen- bakteriologishe Institute müßten in den Provinzen errihtet werden - Seuchen könnten nur an Ort und Stelle studiert werden. Die Pro- vinz Sachsen, speziell der Bezirk Magdeburg, werde dur die Lungen- seuhe shwer beimgesuht. Das Impfen der Thiere müsse prinzipiell und generell polizeilih über alle Provinzen verbängt werden, die feit Jahren der Verseuhung ausgeseßt oder von der Seuche bedroht seien. _ Geheimer Regierungs-Rath Küster: Die Veterinär-Deputation ist mit diefen Vorschlägen einverstanden, und es ist ein entsprechender Antrag auf Mg. des Viebseuchengeseßes im Bundeérath ein- gebraht worden. Die Frage der Rothlauffeuchen - Verhütung wird in wenigen Wochen aufgeklärt sein; die Versuche find im Gange. Vorläufig geben wir der Lorenz'’shen Methode den Vorzug vor der Pasteur'schen. Das Reihs-Gesundheitsamt ist mit Untecsuhungen über den Krankheitserreger der Maul- und Klauenseuche betraut gewesen; bis jeyt ift der Krankheitserreger nicht gefunden worden. Die Versuche werden fortgeseßt werden. Zur Er- rihtung eines Instituts für Thierhygiene in Berlin an der Thier- ärztlihen Hochschule sollen im nächsten Etat die entsprehenden Mittel gefordert werden. L

Abg. Freiherr von Erffa (konf.) beshwert sih darüber, daß die Amtsvorsteher angewiesen würden, Theile von Nopkadavern zur Unter- suhung nah Berlin zu shicken.

Geheimer Regierungs-Rath Küster bemerkt, daß dies ledigli Sache der Thierärzte sei.

Abg. Sh midt -Warburg (Zentr.) befürwortet eine Vermehrung und Gehaltsaufbesse1ung der Krets- Thierärzte.

_ Gebeimer Regierungs-Rath Küster: Die Kreis-Thieräczte sind bei der Gebaltsaufbefserung niht berücksihiigt worden, weil fie nit zu den vollbeshäftigten Veterinärbeamten gehören. Aus den Kreisen der Thierärzte jelbst sind bisher keine Klagen- über eine zu geringe Entschädigung an uns gelanot.

Hierauf nimmt der Minister für Landwirthschaft 2c. Greider von Hammerstein das Wort, dessen Rede am Montag im Wortlaut wicdergegeben werden wird.

__— Der Kreishauptmann und Haupt - Ritterschafts- Direktor a. D. von Pfuel, Mitglied des Herrenhauses, ist gestorben.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

__ Den in den §8 24 bis 28 des preußischen Geseges über die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen vom 13. Juli 1883 (Geseß-Samml. S. 131) genannten Forderungen steht nah einem Beshl-ß des Reichsgerihts vcm 28. Dezember 1896 ein Vorrecht gegen- über den in das geringste Gebot niht aufgenommenen Hypothekenforderungen auch dann zu, wenn sie nicht \chon imVersteigerungstermine, sondern erst später angemeldet werden. Jn Sachen des Privatmannes H. H. in C. gegen die Nesidenzstadt C., vertreten durch ihren Stadtrath, haben die vereinigten Zivilsenate des Reih8gerihts in der Sißung vom 28. Dezember 1896 beshlossen: Die zwischen dem 11. und dem V. Zivilfenate (vergl. Entscheidungen des Reichgerichts in Zivilsachen Bd. 23 S. 233 ff.) treitig gewordene Rechtsfrage wird dahin entschieden: Den in §8 24 bis 28 des preußishen Gesetzes über die ZwangsvolUstreckung in das unbeweglihe Vermögen vom 13. Juli 1883 genannten Forderungen f\teht ein Vorreht gegenüber den in das geringste Gebot niht aufgenommenen Hypothekenforderungen au dann zu, wenn sie nit {on im Versteigerungstermine, sondern erst später angemeldet werden. In der Begründung heißt es: Der § 23 des preußischen Gesezes über die Zwangévollstreckung in das unbeweglihe Bermögen vom 13. Juli 1883 lautet: „Die in den SS 24 bis 28 bezeihneten Forderungen find in der Reibenfolge und dem Umfange, welche dafelbst festgeseßt sind, aus dem Kaufgelde zu beridtigen oder in Anrehnung auf dasselbe vom Ersteher zu übernehmen.“ Jn den folgenden §8 24 bis 8 werden die der Eintragurg in das Grundbuchß niht bedürfenden Massekosten und sogenannten absolut privilegierten Forderungen auf- gefübrt, die den dann felgenden Realrehten, namentlich Hypotheken und Grundschulden, vorgehen; zu ihnen gehören fowobl die gemeinen Lasten wie die Kosten der Zwangsverwaltung. Einer Anmeldung im Versteigerungsverfabren bedürfen nah § 106 des Geseßes weder die ee, füx, die das Grundstüuck beshlagnahmti ist, noch die im

rundbuch eingetragenen, daher aus diesem genau ersichtlichen Lasten und Forderungen mit den laufenden Zinsen, Forderungen von unbestimmter Höhe zum eingetragenen höchsten Betrag; alle diese werden von Amtêwegen ia den Vertheilungsplan aufgenomwen. Daran \ch{@ließt sich im Abs. 2 des § 106 die Bestimmung: „Jm übrigen erfolgt die Aufnahme in den Vertheilungsplan auf Grund der vor oder im Termine (sc. Kaufgelderbelegungs- und Vertheilungs- termine) erfolgten Aumeldung.“ Abgesehen von dieser fizden [ih Bestimmungen über die Pflicht zur Anmeldung und die Folgen unter- lafsener Anmeldung nur in Veziehung auf das geringste Gebot. Ab- weichend von dem früheren Rechte, namentlih der Preußishen Sub- hastationscrt nung von 1869 tie au dann zur Vurthführung der Zwangsversteigerung führte, wenn wegen zu geringen Gebots der betreibende Gläubiger Nichts erbielt ift nun um die Interessen des S@uldners und der vorgehenden Gläubiger gegen ¡zwecklose Versteigerungen zu süßen, im § 22 des Gefezes bestimmt, daß ohne Uebernahme oder Befriedigung derjenigen Rechte, die dem betreibenden Gläubiger vorgehen, der Verkauf des Grundstücks nicht stattfinden sol ; wegen der Festsepung des dana zulässigen geringsten Gebots wird auf §§ 53 bis 56 verwiesen. Diese im Abschnitt 111 der allgemeinen Begründung des Entwurfs (S. 53 der Materialien) eingehend begründete Ubweich- ung seyt für ihre Durchführba:keit nothwendig voraus, daß die in das geringste Gebot fallenden Ansprüche, soweit nicht ihr Betrag aus dem Grundbuze si ergiebt, noch vor der Abgabe von Geboten im Ve:steicerungstermine angemeldet werden, um bei Bestimmung des geringsten Gebots berüdcksibtigt werden zu fönnen. Darauf beziehen sich die 40 Z. 8, 96, 103 des Geseyes und bestimmen § 40 3. 8, daß son in der Bekanntmachung des Versteige-rungstermins die Auf- forderung zu erlaffen ift, solche Forderungen im Versteigerungstermine vor der Aufforderung zur Abgabe von Geboten anzumelden .. ..„, widrigenfalls dieselben bei Feftstellung des geringsten Ge- bots niht berüdcksichtigt werden und bei Vertheilung des Kauf- geldes gegen die berüdcksihtigten Ansprühe im Range zurücktreten“, § 56, daß folhe Ansprüde bei Feststellung des geringsten Gebots" niht berücksihtigt werden, wenn sle niht vor der Aufforderung zur Abgabe von Geboten ange- meldet werden, § 108: „Die bei der Feststellung des geringsten Gebots berüdsihtigien Ansprühe gehen, soweit sie mit den beanspruchten Vorrechten fesigestellt ncrden, den ihrem Betrage nah aus dem Grundbuche nicht ersichtlien, nit berücksihtigten Ansprüchen vor“. Statt der Worte „vor der Aufforderung zur Abgabe von Geboten“ bieß es im Entwurfe „vor Schluß des Verfteigerungs- termins“. Vom Landtage wurde diese Fassung in die des Gesetzes verändert, weil das geringste Gebot eine maßgebende Kaufbedingung und die Grundlage des ganzen Verfahrens sei, es aber zu Unzuträg-

:blciten führen müsse, weun während der Abgabe von Geboten das pee g auf dessen Grundlage verhandelt werde, #ich verrüucke. Dem entsprehend Hat das Gesey die jeßige Fafsun6 erhalten. Diese Ausnabmebestimmungén beziehen ih Gemma nur auf die Feststellung des prringsien Gebots, und der angedrohte Rechtsnachtheil beschränkt fih darauf, taß die erft nah der Aufforderung zur Abgabe von Gekoten angemeldeten

orderungen in das geringste Gebot nicht aufgenommen werden, jondern binter die aufgenommenen zurücktreten. Es wird daher der Zuschlag ertheilt, auch wenn nur etwas mehr geboten wird, als

¿ur Deckung der aufgenommenen Forderungen nöthig ist. Dagegen wird thnen durch diefe Bestimmung der ihnen an sih gebührende Vorrang vor den in das geringste Gebot nicht aufgenommenen Forderungen, also namentlih vor dem betreibenden und allen binter ihm stehenden Gläubigern, n‘cht entzogen. Damit diefer Vorrang erbalten werde, die in §8 24 bis 28 genannten Forderungen überbaupt hei der Vertheilung berücksihtigt werden kênnen, ift es zwar nöthig, genügt aber auch, daß sie im Vertheilu ngs termine 106) ange- meldet werden. Wie sehr es an einer Anèkeutung des Geseßzgebers fehlt, daß; abgesehen von den Bestimmungen über das geringste Gebot irgend eine Anmeldung shon im Versteigerungstermin erfolgen müsse, zeigen die Motive zu §§ 105, 106, die offenbar den möglichen Zweifel beseitigen wollen, ob eine schon im Versteigerungstermin erfolgende Anmeldung überhaupt genüge; sie sagen, tie Anmeldung z3nne jederzeit vor dem Verth-ilungstermin erfclgen; es genüge daher au die vor oder im Versteigerungstermin mit Rücksicht auf die Feststellung des geringsten Gebots geshebene Anmeldung. Aber au bier fehlt es an jeder Andeutung, daß für andere Zwecke als für das geringfle Gebct die Anmeldung im Versteigerungs- termin erfolgen müsse. In dem in der neuesten Zeit dem Meichstage vorgelegten Entwurf eines Gesezes über die Zwangéversteigerung und die Zwangsverwaltung hat es daher die einen weitergehenden RNechtsnachtheil für angemessen haltende Reihs- regierung für nöthig gehalten, dem Präjudize ausdrüdlich die erweiterte Fassung zu geben: , vor der Aufforderung zur Abgabe von Geboten anzumelden , widrigenfalls die Rechte bei der Fest- stellung des geringsten Gebots nicht berüdsihtigt und bei der Ver- theilung dem Anspruche des R Lees und den übrigen Nechten nahgeseßt werden würden.“ § 37 Ziff. 4 des Entwurfs. Endlich haben \ih gegen die in der Entscheidung des V. Zivilsenats vertretene Ansicht auch die Kommentatoren des Geseßzes (Jäkel, 2. Aufl. S. 431; Freund, 2. Aufl. S. 86; auch wohl Kre und Fischer, 3. Aufl. S. 217) und andere Schriftsteller (Kurlbaum in Gruchot, Beiträge Bd. 34 S. 1 ff.) ausgesprochen.

Arbeiterbewegung.

Aus Elberfeld wird der „Rhein.-Westf. Ztg.“ zur Lohnbewegung der Tischlergesellen geschrieben: Anfänglih haben sich die Meister deren Forderungen gegenüber völlig ablehnend ver- halten. Am Mittwoch beschlossen sie jedech in einer von etwa 70 Perfoner besuhten Versammlung, mit den Gehilfen in Unterhandlungen zu treten, wenn die Gehilfen den neunftündigen Arbeitstag fallen lassen und die jeyige zehn- stündige Arbeitszeit beibehalten wollen. Erfüllen die Gesellen dieses Verlangen, so foll ihnen der geforderte Lohnzuschlag von 2509/9 bei Ueberstunden und Sonntagsarbeit, die Auszahlung des Lohnes an Freitagen und die Zahlung eines Lohnes von 950 4 (statt der ge- forderten 60 4) füc die Stunde bei Umzügen gewährt werden. Stunden- und Accordarbeit kommt bei den versammelt gewesenen Meistern niht in Betracht, wurde daber au nickt berührt. S

In Neubrandenburg in Mcklbg.-Str. wollen, einer Mitthei- lung des „Vorwärts“ zufolge, die der fozialdemokratischen Organifa- tion uge Yd igen Schuhmacher am 10. März in eine Lohnbewegung eintreten.

Hier in Berlin haben nah demselben Blatt die Schir m- macher der Firma Isidor Busse wegen Lohnkürzung. die Arbeit niedergelegt.

Aus London wird der „Köln. Ztg." berihtet: Am Donnerstag fand eine Besprehung der Arbeitgeber und der Vertreter der Arbeiter der Mashinenbauanstalien der Nordostküste in Newcastle insbesondere über die Lohnfrage statt; die Vertreter der Arbeiter von Tyne, Sunderland und Hartlepool verwarfen den Ausgleichsvorshlag der Arbeitgeber.

Kunst und Wifsenschaft.

__ Seine Majestät der Kaiser hat, wie die „Nordd. Allg. Ztg.* mittheilt, neuerdings zwei weitere Aufträge für die künfst- lerishe Ausschmüdckitng der Sieges-Allee ertheilt. Die biéher vergebenen Gruppen betrafen die acht Markgrafen aus dem Hause Ballenstedt, zwei Kaiier und Kurfürften des Luxemburger Geshlechts und sieben Hohenzollernshe Kurfürsten und Könige. Jett fommen die bayerishen Markgrafen hinzu. Nach dem Tode MWaldemar's, des leßten Askaniers, hatte Kaiser Ludwig der Bayer die Mark als erledigtes RNeichs- lehen in Besiß genommen und das Land seinem Sohne Ludwig „dem AUelteren“ gegeben, der, 1315 geboren, im Alter von acht Jahren Markgraf wurde, als Jüngling von fünfzehn Jahren selbständig das Negiment übernahm und 1351 starb. Professor Ernst Herter ist damit betraut worden, das Standbild dieses Wittelsbacher Markgrafen auszuführen. Beigegeben werden Ludwig I. die Bildwerke des Burggrafen Jobann 11. von Nürnberg (+1357), der glei seinem Vater, Friedri 1V., dem Sieger von Mühbldorf und „Retter des Reichs", treu auf bayerischer Seite Stand hielt, und des jüngeren Johann von Buch. Ein weiterer Auftrag ist dem Bildhauer Adolf Brütt zu theil geworden, der gegenwäitig in Italien weilt. FInsgesammt find jeßt von den 32 geplanten Gruppen 19 vergeben; doch sind die beiden durch den Tod von Bärwald und Eake erledigten Aufträge (Kurfürst Sriedrih I. und Friedrih der Große) bisher noch nicht in andere Dânde gelegt. Es sind also noch 15 Gruppen freî.

An eine Beschreibung grönländisher Schädel knüpft Direktor Dr.

W. Sommer (Alleaberg) in Heft 20, Lieferung 3 der „Bibliotheca Zoologica“ cine lehrreide Betrachtung über die geistigen Fähig- feiten der Grönländer. Der Schädel der Grönländer hat einen sebr beträhtliden Rauminhalr. Nah Welcker's sehr genauen Be- stimmungen beträgt die mittlere „Kapazität“ von 29 männlichen Gröôn- ländershädeln 1452 cem; das ist etwas mehr als der Betrag, den er für 30 Männershädel aus der Bevölkerung der Stadt Halle gefunden bat und der den für 190 ostpreußise Männerschädel mit 1424 cem nicht unerheblich übertrifft. Dr. Sommer, der kürzli drei, in etwa 90 Jahre alten Gräbern gefundene Schädel von Grönländern (zwei weiblihe und einen männlichen) untersuhte, hat einen mittleren Nauminkhalt von 1418 cem (für die beiden weiblihen 1347, für den männlichen 1560 cem) gefunden. Eine derartige Kapazität, fo sügt Sommer hinzu, ist ungewöhnlich. Die Schädel der Einwohner Halles und der Ostpreußen (nah von Kupffer im Mittel 1385 cem), die in geistiger Hinsicht eine Gleichstellung mit Eskimos gewiß mit Entrüftung von sich weisen würden, sind thatsählich weniger geräumig als die der Grönländer. Die Eskimofrauen sind den deutshen Frauen gegenüber bezüglih der Größe ihrer Schädelhöhle sogar noch günstiger geftellt (ostpreußishe Frauen 1282 cem gegen 347 cem bei Grönländerinnen). Eine geräumige Schädelböhle hat

¡veifellos Plaß für ein großes Gehirn. Wenn nun auch die geistige Kapazität der körperlichen nicht ganz entspriht, so ift eine gewisse Uebereinstimmung doch fiherlih vorbanden, und die Grönländer mit rem großen Schädelinnenraum müssen {hon deshalb als ein wohl-

begabtes Volk betrahtet werden. Hiermit stehen arch die Schilde- rungen, welche Rink, Nordenskjöld, Nansen u. A. von ter Klugheit der Grönländer und der Schärfe ihrer Sinne entworfen haben, im Einklang. Man erinnere nur der erstaunliden That- fache, daß fast alle Grönländer troy der s{hwierigen Donerteie, unter denen sie leben und lernen müssen, lesen, und daß die Mehr- zahl au schreiben kann; und dabei besteht eine grönländishe Schrift- sprate überhaupt erft seit kaum 100 Jahren. Außerdem sind die Grönländer auch für europäishe Anfprühe sehr musikalisch und dichterisch veranlagt, und es giebt bereits eine, wenn auch kleine Literatur und feit einigen Jahren sogar eine Zeitschrift, die nur von Grönländern herausgegeben und gedruckt wird. Ja, Rink, dieser beste Kenner der Grönländer, hat hübsche Zeibnungen veröffentlicht, die von Eingeborenen niht rur entworfen, sondern zur Drucklegung au in Holz geshnitten worden sind. Allen Polarreisenden, die mit Esfimos zu thun hatten, ist es aufgefallen, wie anstellig sie waren, wie leiht sie sich auf geographischen Karten zurehtzufinden vermochten und wie arf ihre Beobachtungen über Wetterverhältnisse, über die Slutb- und Eiszustände und über die Eigentbümlihkeiten des Thier- und Pflanzenlebens waren. Geistige Begabung kann man ibnen daher jedenfalls niht absprechen. Aber auch ihre Wohnungen und Boote, ihre Kleiduna, ihre Jagdwaffen und Geräthschaften sind für ihre durch das Klima bedingte Lebensweise und für das ihnen über- haupt nur zu Gebote stehende Material #so zweckentsprehend erfunden, daß die dänishe Einwanderung zunächst nihts Besseres an ihre Stelle zu seßen gewußt hat. Die einheimishen Boote sind zweifellos unter den dortigen Verhältnissen den europäischen über- legen, und die Einführung der Feuerwaffen hat z B. nah Nansen durchaus nicht zum materiellen Vortheil der Eingeborenen ge- führt. Troy der vielfahen Erleichterungen, die ihnen die europäishe Kultur gebracht hat, und wohl gerade durch diese sind viele Grönländer auf einen tieferen Zustand herab- gesunken. Und dabei is der \chädlide Eirfluß des Alkohols, auf den man sonst wohl den Niedergang ven Naturvölkern, die mit den Europäern in engere Beziehung getreten sind, zurüführt, von den Grönländern dur die dänische Regierung ganz ferngehalten worden. Der gesammte Handel in Grönland liegt ja bekanntlich in den Händen von Beamten, und der Verkauf von geistigen Getränken an Eingeborene ift auf das strengste verboten. Die eigentlihe Gefahr für die Zukunft der Grönländer besteht nah Sommer vielmehr darin, daß sie niht so sehr wie früher auf die Selbsthilfe in der Noth angewiesen sind. Sie wissen, daß im s{limmsten Fall Dänemark für fie f\orgen wird. Sie vertaushen ihre Vor- räthe gegen Genußmittel, wie Kaffee und Tabak, ohne recht an die Folgen zu denken. Statt auf den Seehundfang auszugehen und sich Nahrung und Felle für ibren Bedarf zu sammeln, ergeben sie fich vielfah dem süßen Müßiggang und lafien sogar ihre Boote und Wohnungen verfallen, bis endlih ernster Hunger sie wie- der zur Jagd zwingt. Im übrigen ift aber die grönländische Lebens- baltung au heute noch fo zweckmäßig, daß die Europäer, die s in Grönland dauernd niederlassen, fast immer die Lebensweise der Ein- geborenen, aus denen fie allerdings auch meistens Gre Frauen zu wählen pflegen, annehmen. Schon thre Kinder haben die Erinnerung an die europäishe Abstammung häufig verloren; abgesehen von der Unsauberkeit, find sie fast in jeder Beziehung Cskimos geworden : ein M liebenswürdiges und ehrlihes, wenn auch überaus leichtsinniges olf.

Die Schnelligkeit unserer modernen Eisenschiffe wird bekannt- lich durch Rostbildung sowie durch das Anfeten und die überaus \{chne]l fortschreitende Vermebrung von Schalthieren an der Schiffs- haut sehr nachtheilig beeinflußt. Um den hieraus ih ergebenden Uebelständen mögli entgegenzuwirken, bedarf es vergrößerter Maschinenkraft, eines erbeblihen Mehbrverbrauchs an Kohlen und häufiger kostspieliger Dockungen. Farbenanstriche, felbst folhe mit giftigen Bestandtheilen, gewähren nur kurzen Erfolg. Hölzerne Schiffe vflegt man durch Benageln der Unterwassertheile mit Kupferbleh zu schGüten. In unserer Kriegsmarine ift man nach dem Vorbilde Englands neuerdings dazu übergegangen, die eisernen Schiffe ebenfalls mit einer Kupserhaut zu umgeben. Das Verfahren sieht zur Vermeidung der durch Berührung von Kupfer und Eisen entstehenden galvanishen Zerseßung zwischen beiden Metallen eine Ifolierung von Holz in Form einer vollständigen Beplankung des Scwbiffékörpers vor, welche eigener Kalfaterung und befonderer Sorgfalt bei ibrer Ausführung hinßchtlih der zu erzielenden Dichtig-

feit bedarf. Für Schiffe der Handelsmarine ist dieses Verfahren zu

kostspielig. Es sind daher Versuche geei worden, mit Hilfe der Elektrolyse Verkupferungen von Schhiffs8böden zu stande zu bringen. Einem interessanten Artikel der nautischen Zeitschrift „Hansa“ entnehmen wir bierüber Folgendes. i

Auf der internationalen Schiffahrts-Ausftellung zu Kiel hat Ernst Krönke in Hamburg das Modell eines mit Hilfe der Elektrolyse ver- kupferten Dampfers vorgeführt. Nach seiner Idee wird das zu ver- kupfernde Schiff in ein Trockendock_ gebraht und leßteres leer ge- pumpt. Hierauf werden die dem Schiffsrumpf anhastenden Schal- thiere, fowie jeglihe Farbenreste sorgfältig abgekraßt, wonächst mit einem {nell trocknenden fogen. Ifolierungsanstrich vorgegangen wird, der einestheils als Jsoliermittel der Konservierung des Materials der Schiffshaut förderlich, anderentheils den s{ädlihen Einfluß dieses Materials auf das in Anwendung kommende Säure- bad aufzuheben bestimmt ist. Dem ersten Anstrih folgt ein zweiter von Metallkomposition, welher vermöge seiner Leitungsfähigkeit bei der Elektrolyse die Stelle der Kathode vertreten fol. Nunmehr wird das Doe bis zur Höhe der gewünschten Bekupferung mit einer in großen Bassins bereit gebaltenen Kupfervitriollösung gefüllt, und es werden die als Anoden dienenden, vorher im Dok angebrachten Kupfervplatten mit dem positiven, der erwähnte Metallanftrich dagegen mit dem negativen Pol einer ftarken eleftrischen Stromquelle ver- bunden. Die Verkupferung soll alédann fo s{chnell vor sihch geben, daß das Swbiff je nach seiner Größe und der Stärke des elektrishen Stromes in 1 bis 2 Tagen mit einer 1 bis 13 mm starken Kupferschiht überzogen if. Nach Beendigung der Verkupfe- rung wird die verwendete Kupfervitriollösung zum Wiedergebrauch in die Bassins zurückgepumpt. i L

Bei einem anderen, von Thomas S. Crane in Eaft Orange (New- Jersey) erfundenen Verfahren erfolgt die Verkupferung nicht, wie bei dem oben beschriebenen, aus einem Guß, fondern in einzelnen Theilen. Der Vorgang ist folgender: Das zu behandelnde Schiff wird trocken ge- legt, was sowobl unter Zuhilfenahme eines Trockdendocks wie eines Schwimmdodcks, oder auch mittels der vershiedenartigen, in Amerika zablreih vorhandenen Slipvorrichtungen gesehen fann. Hierauf wird es von allen anbaftenden Shmuß- und Farbtheilen befreit und, so- weit wie angängig, bis auf das Cisen bloßgelegt. Sodann werden hölzerne, an die Schiffswand sih anshmiegende Kästen wafsserdiht daran befestigt und mit einer äßenden Säure efüllt, welhe die vollständige Reinigung der Schiffshaut ezweckt. Wegen der krummen Ovterflächen der Schiffs- förper dürfen die Kästen niht zu groß gewählt werden. Das Aetmittel wird nah Einwirkung von etwa 24 Stunden abgelassen und, nahdem die Fläche sorgfältig mit Wasser nachgespült is, durch eine Lösung von Cyankupfer ersetzt, auf welche ein elektrisher Strom von 6 Volt zur Anwendung gebraht wird. Nachdem dann eine wenn auch äußerst dünne Kupfershiht auf dem Eisen ab- gescßt ist, was ebenfalls nach Verlauf von 24 Stunden ein- zutreten pflegt, wird der Inhalt des Kastens mit einer Lösung von Kupfersulphat vertauscht, in welche eine große, als Anode dienende Kupferplatte eingehängt wird. Nunmehr wird der elektris@e Strom abermals zur Wirkung gebracht, worauf die eigentlihe Ver- kupferung ihren Anfang nimmt. Nach Verlauf von 4 Tagen i} sie mit der Erreihung einer Stärke von 12 mm beendet und fo fest, daß sie nur mit Hilfe eines scharfen Meißels entfernt werden fann. f ein Theil des Schiffskörpers auf diese Weise behandelt, so werden die Kästen verseßt und die Arbeiten an anderen Stellen ausgeführt, bis fäâmmtlihe Ünterwafsertheile mit dem Ueberzuge versehen {ind,

Nah Mittheilung der Zeitschrift für angewandte Chemie haben Versuche der Kaiserli Werft in Wilhelmshaven ergeben, daß reines Aluminium beim Bau von Kriegsschiffen wenig oder gar keine Verwendung finden kann, dageaen hat sich Aluminiumbronze, sowie eine Legierung von 94 bis 96 Theilen Aluminium und 6 bis 4 Theilen Kupfer für bestimmte Zwecke als wohlgeeignet erwiesen. Leßteres Material hat sich bewährt für Munitions- und Werkzeugkaften, Negale, Spinden, Kolbenschieber der Maschine und tas Fundament der Dynamoës. Möbel aus Aluminium zeigten eine zu geringe Widerstandsfähigkeit gegen Biegungen und verlangten eine bäufige Erneuerung des Anftrihs. Gänzlih ausgeshlofsen erscheint die Be- nußung von Aluminium zu Schiffswänden wegen seiner leihten Zer- stôörbarkfeit durch das Meerwasser. Die auf Flüssen und Süßwafser- jeen {hon seit Jahren laufenden Aluminiumboote baben in diefer Beziehung Bedenken niht ergeben. Es is niht ausgeschlossen, daß eine zehnprozentige Aluminiumbronze, die dem Gußstahl annähernd glei, aber wetterfester als dieser ist, leßteren verdrängt, wenn der Preis des Aluminiums dem des Stahls sih mehr genähert haben wird.

Theater und Musik.

Konzerte.

Zu dem Klavierabend, welwen Fräulein Clotilde Kleeberg am Donnerstag im Saal der Sing-Akademie veranstaltet hatte, war ein zablreihes Publikum erschienen. Die Kurstleistung dieser Pianistin is genügend bekannt. Ihr weihes Piano ist von hohem Reiz, während dem Forte eine gewifse Schärfe nicht abzusprehen it. Ihre virtuose Fertigkeit ift von durhsihtiger Klarheit, jede einzelne Phrase findet deutliche, korrekte Darstellung: das runde, fließende Spiel umshmeichelt das Ohr des Zuhörers angenehm, ohne indessen seinem Herzen und seiner Seele Befonderes mitzutheiken. Philipp Emanuel Bach's Forderurg, die Musik müsse vornehmlich das Herz rühren, wird jeßt leider wenig beahtet. Fräulein Kleeberg spielte die Beethoven’ schen Sonaten und die Chopin’she Ballade etwas kühl, fand dagegen ungetheilte Bewunderung ibrer Virtuosität in oft recht anmuthig vor- getragenen kleineren Kompositionen von Brahms, Schubert, Jensen und Anderen.

Die Sängerin Fräulein Helen Goodrih und der Pianist Herr Alfred Schmidt-Badekow gaben gestern im Saal Bechstein ein Konzert, zu welhem ih das Publikum leider nur spärlih eingefunden hatte. Beiden Konzertgebern kann das Zeugniß ausgestellt werden, daß fie in ihrem Fah durchaus Anerkennen®werthes leisten. Der Pianist eröffnete den Abend mit der Toccata und Fuge D-moll von Bach-Tausig und den „Etudes symphoniques“ (op. 13) von N. Schumann, welchen er später eine Mazurka von P. Scharwenka, „Waldesrauschen“ von Liszt und eine fesselnde Konzertparaphrase von Pabst über Tschaikowsky's Oper „Eugen Onegin“ folgen ließ. Die Sängerin fteuerte eine Arie aus der „Schöpfung“ von Haydn, Ge- fänge von Dvorák, Cornelius, R. Schumann sowie zwei Lieder von Eleanor Smith, welche sie in ihrer Muttersprawe wroirkungsvoll zu Gehör brachte, zu dem Programm bei. Ihr Sopran klingt voll und wohllautend, ihr Vortrag zeugt von GeshmaËck und musikalishem Verständniß; nur \{cheint der Sängerin die Aus\sprahe des Deutschen noch Schwierigkeiten zu bereiten. Beiden Künstlern wurde wohlverdienter Beifall zu theil. In der Sing-Akademie hatten die Damen Susanne Triepel und Willy Arendts gestern einen Liederabend veranstaltet, der mit einem Duett aus Händel’s „Josua“ viel- versprehend eröffnet wurde; der \sympathische Sopran der ersteren Sângerin verband ih hier mit der reinen und klaren Altftimme des Fräuleins Arendts zu einer s{hönen Einheit und zu stimmungs- vollem Vortrag. Fräulein Triepel sang dann noch Lieder von Beethoven, Schumann, Schubert, Mendelssohn, Brahms, Rei- mann u. A., in welchen sh ihr künstlerishes Vermögen, Seelenstim- mungen heiterer und ernster Art im Vortrag Ausdruck zu verleihen, aufs neue bewährte. Fräulein Arendts ftand ihr auch nah dieser Richtung hin mit ihren Sologaben von Jensen, Nicolai, Brahms und Hermann würdig zur Seite. Der Liederabend, der gewiß allen Hörern reichen Genuß gewährte, endete dann mit zwei Duetten von E. Pirani unter dem lebhaften Beifall der Zuhörerschaft.

Im Königlichen Opernhause geht morgen Meyerbe: r's Oper „Die Afrikanerin“ unter Kapellmeister Sucher's Leitung in Scene. Der K. K. Kammersänger Herr Theodor Reichmann aus Wien seßt sein Gastspiel als Nelusco fort. Am Montag findet auf Allerhöchsten Befehl der erste diesjährige Gesellsckaftsabend statt. Bei dieser Ge- legenheit geht Karl Goldmark's Oper „Das Heimchen am Herd“ unter Kapellmeister Dr. Muk's Leitung zum 40. Mal in Scene.

Im Neuen Königlichen Opern- Theater gelangt morgen zu ermäßigten Preisen „Die Grille“ zur Aufführung.

Im Königlihen Schauspielhause kommt morgen Otto von der Pfordten's Schauspiel „1812* in der bekannten Beseßung zur Aufführung. Am Montag geht Nicolai Gogol’'s Lusftsviel

„Der Revisor“ in Scene. : E

Im Deutschen Theater ist der Spielplan für nähste Woche folgendermaßen festgestellt: morgen Abend: „Der Sohn des Kalifen“, Montag: „Die versunkene Glocke*, Dienstag: „Der Sohn des Kalifen*, Mittrooh (zum 50.Male): „Morituri“, Donnerêtag: „Der Sohn des Kalifen“, Freitag und Sonnabend: „Die verfunkene Gloe*, nächstfolgenden Sonntag Abend: „Der Sohn des Kalifen“, Montag, den 15. März: „Die versunkene Glocke“; Nachmittags-Vorstellungen : morgen: „Die Jüdin von Toledo“, nächstfolgenden Sonntag: „Hamlet“. i

L Das Berliner Theater giebt für die kommende Woche fol- genden Spielvylan aus: Am Montag wird „Uriel Acosta“ gegeben ; Dienêtag, Donnerstag und nächften Sonntag Abend wird „Renaissance“ und Mittwoch „Kaiser Heinrich“ wiederholt. Am Freitag kommt als 26. Abonnementsvorstellung „Faust“ zur Aufführung, am Sonnabend gebt nah längerer Pause „Der Pfarrer von Kirhfeld“ in Scene. Als Nachmittagsvorstellung if für morgen „König Heinrich“, für nächsten Sonntag „Die Jungfrau von Orleans“ angeseßt. |

Hedwig Niemann wird im Lessing-Theater noch an vier Abenden auftreten, und zwar morgen in Oscar Blumenthal’s Schau- spiel „Ein Trovfen Gift“, am Dienstag in Goethe’s Schauspiel „Die Ge- \{wister“ und in „Monsieur Alphonse“, am Mittwoch im Schauspiel „Ein Tropfen Gift“ und am Donnerstag (als Abschiedsvorstellung) in , Madame Sans-SGéne“, Der weitere Spielplan der Woche ift dahin festgestellt, daß am Montag „Das Glück im Winkel“ gegeben wird, während am Freitag, Sonnabend und am nächsten Sonntag die Novität von Henry Meilhac „Der Herr Abbé“ in Verbindung mit Gustav Kadelburg's Schwank „In Civil“ zur Aufführung gelangt. Als Nachmittags-Vorstellung gelangt morgen Hermann Sudecrmann’'s Schauspiel „Die Ehre“ mit Mar Loewenfeld als Gast, am nächsten Sountag „Comtesse Guerl“ zur Aufführung. '

Im Schiller-Theater kommt morgen Nachmittag „Wilhelm Tell“ zur Aufführung, in der Abend-Vorstellung geht Shakespeare's Lustspiel „Der Widerspenstigen Zähmung“ in Scene. Wiederholungen von Rosegger’'s Schauspiel „Am Tage des Gerichts“ finden am Montag, Dienstaa, Mittwoch und Donnerstag statt. Am Freitag wird zum ersten Male Carl Reuling?s neues vieraktiges Schauspiel „Die gerechte Welt“ gegeben. Diese Vorstellung wird am Sonn- abend wiederholt. Im Bürgersaale des Rathhauses findet morgen ein riß Reuter-Abend* statt.

as Theater des Westens bringt morgen Abend die voraus- fichtlih leßte Sonntagsaufführung des Schwanks „Die berühmte rau* mit Gustav Kadelburg als Gast. Nachmittags geht das Moser’she Lustspiel „Unsere Frauen" in der bekannten Beseßung der Hauptrollen in Scene. Am Montag werden ebenfalls mit Herrn Kadelburg als Gast die Einakter „Eine vollkommene Frau“ und „Der Zigeuner“ wiederholt. Diesen Stücken geht die Bluette „Dir wie mir" voraus.

Das Repertoire des Neuen Theaters wird auch in der nächsten

Woche von „Marcelle“ beherrsht. Am Sonntag, den 14. d. M.