1897 / 59 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 10 Mar 1897 18:00:01 GMT) scan diff

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Teugbar hier und da vorhanden gewesen ist, Ausgaben für Dinge zu [eisteù ganz allein aus dem Grunde, weil im Etat Mittel dazu vor- handen waren. Andererseits find den auétführenden Organen in voll- ständig zureihendem Mäße die Mittel zugewiesen, und der Minifter ift in der Lage gewesen, helfend da einzugreifen, wo sich die Notb- wendigkeit zu Ausgaben im Laufe des Etatéjahres in dem betreffenden Etattitel gezeigt hat. Meine Herren, es darf nicht vergessen werden, daß die Herstellung des Etats etwa § Jahr rückwärts liegt und daß die Bedürfnisse innerhalb einer so großen Betriebsverwaltung nicht selten rasch wechseln; es findet si, daß das, was man vor einem Jahre als ein Bedürfniß angesehen hat, niht mehr als ein so dringendes angesehen werden kann. Andere Bedürfnisse wachsen da- gegen unter der Hand hervor und erheischen fofortige Befriedigung. Der Eifenbahn-Minister als Leiter des größten Betriebsunternehmens der Welt bedarf unbedingt einer gewissen Bewegungsfreiheit, er bedarf ebenso eines gewissen diékretionären Vertrauens sowohl seitens des Herrn Finanz- Ministers wie seitens des Landtages der Monarchie. Mit lebhaftem Danke kann ih nur anerkennen, daß mir dieses Vertrauen seitens beider Instanzen bisher in hohem Maße zu theil geworden ift. Meine Herren, ih hoffe mir dasselbe durh rückhalilose Offenheit und Klaxrlegung aller Theile der Verwaltung, sowie durch Festhalten an den Grcundsäßeu weiser Sparsamkeit auŸ für die Zukunft zu erhalten.

Nach einer Richtung ist in dem Etatsjahre 1895/96 für die Ver- waltung ein bedeutsamer Fortschritt zu verzeihnen. Zum ersten Mal ist die Bildung eines außeretatsmäßigen Fonds für Vermehrung der Betriebsmittel, sowie für Erweiterung und Ergänzung der Bahn- anlagen in Höhe von 20 Millionen möglih gewesen. Angesichts der großen Anforderungen, welche in fteigendem Maße der Verkehr an die Verwaltung stellt, habe ih es für meine Pflicht erachtet, sofort diese mir außerordentlih zufließenden Mittel zur Vermehrung der Betriebsmittel zu benußzen, und zwar vorzüglich zur Beschaffung von Lokomotiven, von Personenwagen. Nach beiden Richtungen hin waren wir mehr zurückgeblieben, wie das angesihts der großen Verkehrs- steigerung zweckmäßig war. Die Güterwagen sind aus den verfügbaren Mitteln des Ordinariums und Grtraordinariums zur Bestellung ge- geben, und zwar in dem Maße, wie die deutshen Waggonfabriken sie zu liefern überhaupt im stande waren.

Meine Herren, ih wende mich nun zu dem noch nicht abge- \schlossenen Etatsjahr 1896/97. Soweit wir nah den 10 Monaten, die, wenn auch nicht vollständig abgeschlossen, so doch zu übersehen sind, urtheilen können, wird das Ergebniß des laufenden Etatsjahres noh günstiger sich gestalten wie das von 1895/96. Gegenüber den veranschlagten Betriebseinnahmen von 1020 Millionen Mark hoffen wir auf eine Einnahme von 1092 Millionen Mark, also auf ein Plus von 711 Millionen Mark. Es ftehen allerdings noch 2 Monate aus; es sind auch eine ganze Reihe von Verkehrsrelationen noch nicht definitiv ab- gerehnet, aber nah den vorliegenden Schäßungen glauben wir doch, daß dieses Plus \chließlich fih ergeben wird. Gegenüber der wirk- lichen Einnahme für 1895/96 von 1033 Millionen Mark würde ih ergeben ein Plus von 59 Millionen Mark, in welhem \ih die Er- gebnisse der verstaatlihten thüringishen Bahnen und die Ergebnisse der neu eröffneten Staatsbahnstrecken mitbefinden.

Was nun die Ausgaben anbetrifft, so ist zunächst zu bemerken, daß wir wahrscheinlich an dem Endpunkt der absoluten Verminderung der Betriebsausgaben angekommen find. Schon das Jahr 1896/97 ergiebt gegen den Etat eine Vermehrung der Betriebsauêgaben, wenn auch zunächst noch in einer mäßigen Summe, die wir auf etwa 1ix Millionen Mark berehnen. Die Vermehrung der Betriebsaus- gaben ift im wesentlihen herbeigeführt dur die erhöhten Anfor- derungen des Verkehrs, sie ist herbeigeführt durch Mehrausgaben für Hilfsbedienstete, insbefondere des Fahrpersonals, und herbeigeführt dur den verniehrten Koblenverbrauch. Namentlich der leßtere rcprä- sentiert eine immerhin sehr starke Summe. Eine Vermehrung der Ausgaben gegen das Vorjahr ift auch dadurch berbeigeführt worden, daß wir bekanntli in diesem Jahre mehr mit Schneeverwehungen zu thun gehabt haben als im Vorjahre, und auch das multipliziert sich auf den 29 000 km, die der Staat betreibt, doch zu erheblichen Summen. Troß der erhöhten Anforderungen ift es aber zu meiner Freude mögli gewesen, den Betriebsaufwand bei den chwerwiegendsten Ausgabetiteln innerhalb des Etats zu halten, und zwar hat si das gerade bei denjenigen Titeln gezeigt, bezüglih deren das von mir vor- hin erwähnte System der vorläufigen Zurüdchaltung der etatlichen Mittel in gewifsem Umfange angewandt worden ift. Der Betriebs- koeffizient für 1896/97 wird, wenn unsere Schäßung richtig is, noch binter dem Koeffizienten pro 1895/96 zurückbleiben; also relativ wird der Betriebsaufwand im Jahre 1896/97 noch geringer sein, als im Jahre 1895/96. Der Ueberschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebs8ausgaben wird annähernd eine halbe Milliarde, 500 Millionen Mark betragen, d. i. gegen den Gtat ein Plus von 60 Millionen, während der Ueberschuß wie bereits erwähnt für 1395/96 467 Millionen und für 1894/95 408 Millionen Mark betragen hat. Bei diesen Zahlen ift der Ueberschuß der Hessishen Ludwigsbahn noch nicht mitgerehnet. Derselbe hat bis jeßt noch nicht festgestellt werden können, bekanntlich baben wir erst seit dem 1. Februar den Betrieb ter Hessishen Ludwigsbahn übernommen.

Meine Herren, ih glaube, sowohl den Herrn Finanz-Minister als au den Arbeits-Minifter beseelt bei diesen außerordentlich großen Uebershüssen doch zunächst die bange Sorge, daß das auf die Dauer nicht fo weiter geht, daß den guten Zeiten au wieder magere folgen werden, daß also Vorsicht in der Verwendung der Ueberschüsse sowohl bei der Eisenbahnverwaltung wie bei der allgemeincn Staatsverwaltung dringend geboten ift. Die EGisenbahnüterschüfse sind nun einmal \hwankender Natur, find abhängig von Wind und Wetter in der Natur, in der Politik, in der ganzen wirthschaftlichen Gntwickelung des Landes, und es if mit Sicherheit nicht vorauszusehen, was die nächsten Jahre in der Beziehung bringen werden ; mit Sicherheit nur gesteigerte Anforderungen von allen Seiten, ob dem auch gesteigerte Einnahmen gegenübersteben werden, ift aber sehr zweifelhaft.

Meine Herren, im Hinbiick auf die vorauésihtlich erheblichen Uebershüfse, die die Gisenbahnverwaltung im laufenden Gtatsjahr liefern wird, nehme ich au an, daß der vorhin erwähnte extraordinäre Fonts für Vermehrung der Betriebsmittel und ¿zur Ergänzung der Bahnanlagen wiederum mit 20 Millionen dotiert werden kann, und dadurch auch weitere Mittel gewonnen werden, um den an die Eisen- bahnverwaltung hberantretenden Verkehrsansprüchen zu genügen oder wenigstens doch einen Theil derselbe zu erfüllen.

. Meine Herren, bei den vorjährigen Gtatsberathungen ih möchte das hier nur in Klammern anführen habe ich angegeben,

daß 92,5 aller durchgehenden Geleise bereits mit StahlswWienen belegt seien. Diese Summe if nunmehr auf 93,6 gewachsen, so daß auh der Oberbau im großen Ganzen als ein durhaus normaler angesehen werden fann.

Hinsihtlich der Schienen- und Kohlenbeshaffung if die Eisen- bahnverwaltung durch laufende Verträge noch für eine geraume Zeit in der Hauptsache gefichert, und dadurch dieses wichtige und bedeut- same Moment innerhalb der Etatisierung sowohl wie innerhalb der wirklichen Ausgaben der Konjunktur entzogen. Die Beschaffung der Schienen und eisernen Schwellen ist durch eine Vereinigung mit dem Swienensyndikat bis zum Jahre 1899, und zwar für die Beftellung bis zum 31. März 1899, für die Lieferung bis zum 31. Dezember 1899 gesichert. Die vereinbarten Preise sind der Konjunktur gegenüber, und besonders den Weltpreisen gegenüber, als besonders günstige anzusehen. Wir bezahlen z. Z. für die Schienen 109 A pro Tonne. Auch die Beschaffung der NRuhrkoblen ist zu festen Preisen bis zum 30. Juni 1898 gefihert, gilt also au noch über das Etatsjahr 1897/98 hinaus. Der vereinbarte Grundpreis beträgt für die Lokomotivkohle, die nur in besonders guter Qualität geliefect werden darf, 9 Æ, steht also au zur Zeit weit unter dem Marktpreis. Neben der Ruhrkohle wird haupt\fächlih obershlesishe und Saarkohle benußt, und bezüglich dieser beiden haben wir laufende Verträge, die ebenfalls dem Marktpreise gegenüber als durchaus billig zu bezeihnen find.

Meine Herren, ih möchte an dieser Stelle ein Wort für die so viel angefeindeten Syndikate sprehen. Wir arbeiten mit drei bezw. vier Syndikaten. Da is erstens das Schienensyndikat, welches die sämmtlichen deutschen Schhienenwalzwerke umfaßt, zweitens das Ruhr- koblensyndikat, drittens das Waggonsyndikat und viertens das Lokomotiv- syndikat; das leßtere besteht zwar formell nit, aber es existiert eine Vereinigung. Meine Herren, es ist nicht zu leugnen, daß eine der- artige Syndikatbildung wirthschaftlihe Gefahren mit ih bringt, Ge- fahren, die ernst werden können, wenn die Syndikate niht vorsichtig und mit weiser Mäßigung geleitet werden. Andererseits aber muß ih aus meiner Erfahrung heraus und ich habe seit nunmehr 20 Jaßren selbst und persönlich die Beschaffung der Materialien, die die mir unterstellten Eisenbahnen brauhten, vorgenommen, habe Er- fahrungen aus der Zeit vor den Syndikaten und solche aus der Zeit nah Etablierung derselben; ih habe die wilde Konjunktur in den 72 und 73er Jahren durchgemacht, die folgende Ende der 80er und An- fang der 9er Jahre und bin vollständig davon überzèugt, wenn wir die Syndikate niht gehabt hätten, würden wir einer ganz wilden Konjunktur wieder anheimgefallen sein einer Konjunktur, die absolut nit zu berehnen ift, die unseren Etat in den wichtigsten Etats- ansägen vollständig über den Haufen geworfen hätte. Es würde ferner eine Ueberproduktion in den verschiedensten Produktionszweigen eingetreten sein, deren W irkung gar niht zu übersehen wäre; es wäre drittens unmögli gewesen, ohne die Syndikate die Arbeiten dem eigenen Lande zu erhalten; wir wären genöthigt gewesen, uns an das Ausland zu wenden. Es wäre viertens nicht möglih gewesen ohne die Syndikate, ständige regelmäßig und gut bezahlte Arbeit sämmt- lihen in dem betreffenden Produktion8zweige beshäftigten Arbeitern zu geben.

Meine Herren, das sind die unleugbaren Vortheile, die dieser Zusammenschluß der Wirthschaftszweige mit sih gebracht hat.

Dem stehen, wie gesagt, Gefahren gegenüber, die ich durchaus niht verkenne. Die Eisenbahnverwaltung braucht dieselbe aber viel- [leiht niht so tragish aufzufafsen, wie andere Konsumenten; denn die Eisenbahnverwältung hat immer noch die Macht, gegen ein Zuviel der Zumuthung dur die Syndikate sih erfolgreih zu wehren (sehr rihtig!), was bei den anderen Konsumenten vielfa durchaus nicht der Fall sein würde.

Meine Herren, für die Beschaffung der Betriebsmittel sind in den Jahren 1895/96 und 1896/97 ganz erheblihe Mittel aufgewendet, und zwar 1895/96 aus extraordinären Mitteln 18 166 000 4 und aus Tit. 9 34 600000, in Summa also 52830 000 A; 1896/97 kommt der Zroanzig-Millionenfonds in Betraht, wir haben 1896/97 aus außergewöhnlihen Geldmitteln 40 621 000 G zur Beschaffung aller Betriebsmittel und aus Tit. 9 38500 000 4, in Summa also 1896/97 79 121 000 6 verwendet. Diese Mittel sind auch verausgabt oder wenigstens dur festgelegte Bestellungen ebenfalls bereits in An- \spruch genommen, sodaß der große, chône Zwanzig-Millionenfonds auf diese Weise erschöpft ist. Für 97/98 sind für Beschaffung von Be- triebsmitteln vorgesehen bei Tit. 9 37997 000 A und im Extra- ordinarium 12 Millionen, also in Summa 49997 000 # Von diesem Betrage von 49 Millionen sind bereits durch Bestellungen festgelegt 22 Millionen, es ift die -heimishe Produktion dadur vollständig bis in diesen Herbst hinein beschäftigt. Es sind, wenn ih die Güterwagen hervorhebe, die ja bei diesen Bestellungen eine große Rolle” spielen, in den Jahren 1895/96 bis 97/98 allein an Güter- und Gepäckwagen, und zwar abgesehen von dem Ersatz der abgenußten, rein mehr beshaft 18 658 Wagen.

Meine Herren, die Neuorganisation hat jeßt nun ungefähr 2 Jahre bestanden. Ich känn nur mit Freude erklären, daß sie die an dieselbe ge- knüpften Grwartungen voll befriedigt hat. Die von ihr erwarteten Vor- theile: größere Beweglichkeit und Wirthfchaftlichkeit der Verwaltung, sind erreiht und niht zum geringsten Theil sind die guten Ergebnisse der Verwaltung auf die Neuorganisation zurückzuführen. Es ift \ch{on jeßt zu erkennen und wird ‘von allen Seiten anezkannt, daß der Ver- kehr der Eisenbahnverwaltung mit den Behörden, mit den Vertretern der einzelnen Wirthschaftsßweige in den Direktionsgebieten ein viel näherer und ein viel mehr von gegenseitizem Verständniß getragener ist, daß die Direktionen es gelernt haben, ihrerseits die wirthschaftlichen Interessen des betreffenden Bezirks zu vertreten und \ih in dieser Beziehung ganz allgemein die Zustimmung und die Anerkennung der betreffenden Direktionseingesefsenen erworben haben.

Meine Herren, ziffernmäßig ist die Ausgabeersparziß nach- zuweisen in dec Verminderung des Verwaltungsperfonals. Es sind beute, obwohl das Staatsbahngebiet sh seit 1. April 1895 um 2100 km vermehrt hat, 3148 Beamte im inneren Verwaltungsdienst weniger beshäftigt als vor der Neuordnung. Von 66 Arbeitskräften der inneren Verwaltung ist der Bedarf auf weniger als 49 Arbeits- kräfte für je 100 km zurüdckgegangen. Diese Ersparnisse werden dauernd sein und werden sih mit der weiteren Ausbildung der inneren Neuorganisation voraussihtlich noch vermehren.

Ich komme nun zu dem Jhnen vorliegenden Etat 1897/98, bezüglih dessen ih mi furz fassen kann, ta ja die folgende Debatte alle Ginzelheiten umfassen wird, und möchte hier nur ein- zelne springende Punkte hervorheben. Der Etat für 1897/98 weicht

bon allen feinen Vorgängern infofern ab, als in dem Wirkung der zwishen Preußen und Hessen geschlossenen ; gemeinfchaft, welGe von dem Landtage der Monarchie gutgebeißen i und die mit dem 1. April ins Leben treten foll, zum Ausdreck k f, Nah dem Vertrage übernimmt Preußen die Verwaltung der sämmt, ichen kessischen Bahnen zum 1. April und wird für die Verwaltung dez hessischen Nees und der zur Arrondierung binzugefügten benach preußishenStrecken eineKöniglich preußisch-Großherzoglih befsishe Eisen, bahndirektion Mainz eingerihtet. Ich befinde mich heute in derselben Lage wie vor dem 1. April 1895. Die Organisation der Mainzer Direktion, die Besetzung der Stellen derselben, die gesammte Einrichtung der Direktion läßt sih niht aufhalten, läßt fich auch dann nit aufhalten, wenn, was ich allerdings nit übersehen kann, vielleiWt der Etat am 1. April noch nicht die verfassungsmäßige Zustimmung des Landtages gefunden haben wird. Es is ganz unmögli, ein Vacuum eintreten zu lassen in dieser Beziehung. Eine große Be, triebsverwaltung darf nicht eine Stunde stillsteben und ohne Ver, waltungskörper fein. JIch werde also und erkläre das hiermit ganz offen und ehrlich genöthigt sein, shon jeßt natürlich unter Vorausseßung der späteren Genehmigung des Etats durh den Land tag mit der Stellenbeseßung und der Einrichtung der Direktion in der geplanten Weise vorzugehen.

Meine Herren, eine Folge der Betriebsgemeinschaft ift natürli, daß si die Ziffern des Etats in Einnahme und Ausgabe sowohl auf die preußishe wie auf die hessische erstrecken. Die Aufstellung des Etais ift bekanntlich so erfolgt, als wenn die hessishen Strecken mit zu Preußen gehörten. Der sih für Hessen ergebende Antheil an Betriebsüberschüssen ist fodann den Ausgaben zugerehnet, sodaß der sich danach ergebende Ucbershuß Preußen allein zufließr. Die Be, triebéeinnahme is pro 1897/98 nach dem Etat auf 1110 Millionen Mark veranschlagt. Sie ergiebt gegen den Etat von 1896/97 ein Mehr von 89,6 Millionen und gegen die Wirklichkeit des Etats 1895/96 ein Plus von 77 Millionen Mark. Die Ausgaben sind ver- anshlagt auf 617 Millionen, das ist gegen den Etat von 1896/97 ein Plus von 36 Millionen und gegen die Wirklichkeit des Etats 1895/96 ein Plus von 51 Millionen Mark. Der Antheil Hefseng am Neingewinn beträgt rund 8 Millionen, wovon Hessen aber aller: dings die Zinsen des aufgewendeiten Kaufpreises sh zunächst abziehen muß. Der Reinüberschuß Preußens beträgt demnach im Etat 485 Millionen.

Angesichts der großen Ueberscküsse im Jahre 1895/96 und ins besondere 1896/97 ift ja die Frage wohl berehtigt, ob man die Verkehrseinnahmen in dem Etat 1897/98 nicht bätte böher aus: werfen sollen. Meine Herren, wenn wir vor 14 Tagen und nicht vor § Jahren die Verkehrseinnahmen hätten \{äßen können, wären wir vielleiht auch etwas, wenn auch nit sehr viel höher gekommen. Aber es wäre unzweifelhaft au die Kehrseite in die Erscheinung getreten, daß dementsprehend auch die Ausgaben hätten höher normiert werden müssen. Nun, meine ih, mahnt gerade die gegenwärtige Zeit, bei der Veranschlagung der Verkehrseinnahmen mit äußerster Vorsicht vor- zugehen, mit jener Vorsicht, die es wahrscheinli ersheinen läßt, daß die veranshlagten Ueberschüsse auch wirklich herausgewirthschaftet werden können. Ergiebt \sih ein Plus, \o findet eine Ueberschreitung in den betreffenden Etatstiteln der Ausgabe ftatt, und die Sathe reguliert sich in der bisherigen Weise von selb. Jh möchte daher dringend widerrathen, darauf hinzudrängen, daß eine Erhöhung der Verkehrseinnahmen ins Auge gefaßt wird.

Zwei Ausgabetitel werden ähnlich wie im laufenden Etatsjahr vorausfihtlich auch in dem Etat 1897/98 überschritten werden. Das sind die Ausgaben für die Hilfébediensteten und die Ausgaben für die Kohlen. Der Kohlenpreis bleibt zwar derselbe, da er auf festen Ver- trägen beruht; die Quantität aber, die wir bedürfen, um den Betrieb aufreht zu erhalten, wird wahrsheinlih erheblih böber werden.

Meine Herren, die allgemeine Aufbesserung der Beamtengehälter ist in dem Eifenbahn-Etat nicht berülsichtigt. Die auf die Eisenbahr- beamten entfallende Summe von praeter propter ctwas über 6 Millionen ift an anderer Stelle des Staatshaushalts-Etats mit ver- anshlagt. Der Eisenbahn-Etat selbst bringt noch in zweifacher Hinsicht Verbesserungen für das Dienstpersonal. Zunächst sind außer den 2678 Beamtenstellen, die für die hessishen Bahnen in Zugang ge- kommen find, noch 2962 neue etatsmäßige Stellen, also im Ganzen 5640 neue Stelleu im neuen Etat vorgesehen. Das bedeutet für eine ganze Reihe von Beamterklassen eine wesentlihe Verbesserung ihrer Anftellungsverhältnisse. Desgleichen is auch für Lohnerhöhungen ein erhebliher Betrag im Etat vorgeseßen und soll im wesentlichen dazu verwendet werden, um dem alten Stamm treu bewährter Eisenbahn- arbeiter in Betrieb und Werkstatt einen besseren Lebensftatus zuzu- wenden.

Meine Herren, damit kann ich \{ließen und kann nur der Hoff- nung Ausdruck geben, daß es der Staatseifenbahnverwaltung wie bisher gelingen möchte, für die Bedürfnisse des Landes sowohl wie für die allgemeine Finanzlage das Jhrige zu thun. (Alseitiges Bravo.)

Darauf wendet sih das Haus den einzelnen in der Budget- kommisfion verhandelten Fragen zu und zwar zunächst der Aenderung des Enteignungsgeseßes, déèr Aus- bildung der tehnishen Eisenbahnbeamten, des Eisenbahngarantie-Geseßes, sowie des Verhält- nisses der Eisenbahn zur Postverwaltung.

Berichterstatter Abg. Möller (nl.) führt aus, daß die Regie- rung in allen diesen Punkten ein Vorgehen in Aussicht gestellt habe. Die betreffenden Vorlagen würden vorbereitet und dem Haufe vorgelegt werden; eine anderweitige Ausbildung der Eisenbahnbeamten ent- \sprehend derjenigen der Beamten der Bergverwaltung wünsche die Regierung auch. In Bezug auf die Abgrenzung der Direktionsbezirke sei gefragt worden, weshalb für die Hessishe Ludwigsbahn eine besondere Direktion in Mainz eingerihtet worden sei, ftatt diefe Bahn der Direktion in Saarbrücken zu unterstellen. Die Regierung habe darau hingewiesen, daß diese Babn niht wohl von einer Stelle außerhal ihres Bezirks aus geleitet werden könne. Bezüglich der Sonntag? ruhe stelle sich die Eisenbahnverwaltung auf den Standpunkt, daß in

den Herbstmonaten zur Zeit des drängenden Verkehrs eine Unter- brehung der Sonntagêruhe im Verkehrsinteresse geboten sei.

Zu diesen Punkten meldet sih niemand zum Wort.

Berichterstatter Abg. Möller führt weiter aus, daß die Klagen über die Plaßkarten, über die Bahnsteigsperre wie in früheren Jahren wiederholt worden seien; über die mangelhafte Erleuhtung der Wagen sei ebenfalls Sage, geführt und die eleftrische Erleuchtung verlangt worden, die der Minister aber erst für mögli halte, wenn man zum elektrishen Betriebe der Eisenbahnen kommen werde; er hoffe aber, dure Versuche mit Acetylengas zu einer besseren Erleuhtung kommen zu können. l

Abg. Dr. Lotichius (nl) erkennt an, daß die Verkehrsverhält- nisse gebessert sind durch die Eirstellung einer größeren Zzhl von

selben die

Sénellz und von Durchgangszügen. In den neueren {weren

A deres fahre I at als in den Wagen älterer | Konstruktion. Redner verlangt eine bessere Meg ering der Heizung für die einzelnen Abtheile und die vermehrte Ginstellung von Speise- wagen, da das Speisen in den cinzelnen Abtheilen die Mitreisenden

bela F ifterial-Direktor Swhroeder erklärt, daß die Maschinen der Durchgangszüge nicht im ftande feien, auch noch einen Speisewagen u s{leppen. Es | olle aber ein Versuch auf gewissen Strecken gemacht 2 24 Die Heizung der Durchgangszüge sei fo verbessert, daß in diesem Winter Klagen garniht mehr vorgekommen feien.

Abg. Sey ffardt (nl.) rügt gleidßfalls die mangelhafte Erleuch-

tung der Eisenbahnwagen. Selbst in den Durchgangszügen könne

man sich beim Lesen die Augen verderben. Der . Minister solle das

ort sprechen: es werde Licht! damit man ihm danken G A fige: es ward Licht.

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen:

Fch bin dem Herrn Vorredner sehr dankbar für die freundlie Meinung, die er von mir kundgegeben hat, und kann ihm auch ver- sichern, daß die Beleuchtungsfrage dauernd ein Gegenstand des Studiums der Eisenbahnverwaltung ist. Wie der Herr Bericht- erstatter son hervorgehoben hat, find wir augenblicklich mit Ver- suchen beschäftigt. Die elektrishe Beleuchtung hat uns im Stich gelassen. Das Niedrigerhängen der Lampen in D-Zügen hat infofern seine Schwierigkeiten, als in die D-Züge manthe Leute einsteigen mit einem Zylinder; damit kommen fie nur zu leiht mit den Lampen in Kollision. (Heiterkeit.) Aber ih gebe zu: in der Beleuhtungsfrage müfsen wir noch Fortschritte machen.

. von Czarlinsfki (Pole) wünsht eine bessere Behandlun des Getitveilehes und E is ur Vi e ctetfene Bahnfteigs sperre, die ramentlich auf den kleineren Stationen zu großen Störungen führe. Ferner giebt Redner zur Erwägung anheim, für S{werkranke einen besonderen Wagen einzustellen. Die Höflichkeit, auf welche das reisende Publikum Anspruh hake, sei manchmal noch sehr zu vermissen, namentlich auf polnischen Stationen, deren Be- amten dech der Landessprache mächtig sein follten.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren ! Auf verschiedene Angelegenheiten, die der Herr Abg. von Czarlinsfi vorgebraht hat, kann ich ihm zu meinem Bedauern niht antworten, da sie mir vollständig unbekannt sind. Im all- gemeinen kann ih nur sagen, find unsere Stationen angewiesen, Kranken mögli Hilfe angedeiben zu laffen, und sie sind auh an- gewiesen, da, wo jemand nicht in der Lage ist, deutsh zu sprehen und zu verftehen, ihm au, wenn er polnish spricht, ein Billet zu verabreilen. Ih möchte nur dabei bemerken : der gute Wille ift viel mehr vorhanden bei unseren Beamten, als bei den Herren Polen, deuts zu sprehen. (Widerspru bei den Polen.) Sie können fast alle deuts, wenigstens fo viel, um eine Fahrkarte zu fordern, aber sie wollen häufig nicht deuts sprechen; darin liegt die Sahe. Ih möchte aber bier nicht in eine Polendebatte hineinfteigen.

Was nun die Bahnsteigsperre anbetrifft, so kann ich nur wieder- bolen, was ih früher shon gesagt habe, daß eine Finanzmaßregel die Babhnsteigsperre nah keiner Richtung is. Sie ist ein nothwendiges Uebel, aber ein soldes, das unvermeidlih ift und das andererseits eine Reibe s{werwiegender Vortheile mit sh bringt, sodaß das Uebel er- tragen werden muß. Aber der Herr Abg. v. Czarlinski is in den Sinn der ganzen Maßregel noh nicht völlig eingedrungen ; sonst würde er nicht den Vorschlag haben machen können, einzelne Stationen aus einer Strecke, auf der sonst die Bahnsteizsperre eingeführt ist, auszu- lassen. Dieses Loch würde nöthigen, für alle Stationen der ganzen Stredle die Bahnfteigsperre aufzuheben. Ich möchte das ihm nur in drei Worten klar malen. Wenn auf einer folchen Strecke, wo eine Station aus der Sperre ausgelafsen ift, ein Reisender sih eine Fahr- karte für die nähste Station oder auch eine Bahnsteigkarte kauft, so würde er damit reisen können bis zu der Station, welhe außerhalb der Sperre liegt. Das ift klar, durch dieses Loch würden alle Un- redlihkeiten durchsch{lüpfen. Das geht nicht. Dakingegen find wir noch neuerdings dazu übergegangen, überall die lokalen Einrichtungen zu revidieren. Alle Stationen sind nicht glei auf die Bahnsteigsperre eingerihtet und müssen dafür erst aptiert werden. Das ist manhmal mit Schwierigkeiten verbunden. Wo uns begründete Mißstände in dieser Beziehung mitgetheilt find, haben wir sofort Abhilfe geschaffen.

Was nun die Mitführung besonderer Wagen für Kranke anbetrifft, so befteht {on jeßt eine Vorschrift, wona, wenn es verlangt wird, besondere Krankenwagen, die besonders eingerichtet sind, eingestellt werden müssen. Natürlich muß dafür bezahlt werden. Im übrigen sind die Stationen angewiesen, für die Unterbringung von Kranken und besonders solchen, die nur in Betten befördert werden können, in besonderen Abtheilen Fürsorge zu treffen und, wo es nöthig ist, be- sondere Güterwagen einzustellen.

Wie gesagt, auf die anderen Mittheilungen des Herrn Abg. v. Czarlinski bin ih nicht in der Lage, eine Antwort zu geben, weil mir dazu thatsählih die Unterlagen fehlen.

Abg. Noelle (nl.): Die Klagen über die Bahnsteigsperre von den verkehrérzihen Stationen ter Industriebezirke im Westen und von Stationen des Vergnügungéverkehrs werden immer wieder erhoben. Man follte mehrere Ausgänge einrichten.

Aba. Bres (Zentr.) bemänaelt es, daß vielfach die Wartesäle in die Bahnfteigsperre eingeschlossen seien. Aber der Sperrgroschen babe immer noch eine gewisse Berehtigung. Anders stehe es indefsen mit der Plaßkarte. Redner bedauert, daß die meisten Durhgangs- ¿ûge nur erste und zweite Klasse führen. Das sei eine Benah- Bieigung der Reisenden, welche auf die dritte Klasse angewiesen find. Die holländischen und belgishen Wagen, für welche die Plaßkarten-

gebühr erhoben werde, befriedigten niht die Bedürfnisse der Bequem- lihkeit in der Weise wie die preußischen.

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Auf die Bahusteigsperre werde ich niht zurück- kehren, ich müßte sonst wiederholen, was ich vorhin {on aus- geführt habe.

Was die Platkarten anbetrifft, so ist es meines Erachtens durch- aus berechtigt, für eine gewisse ausnahmsweise Bequemlichkeit au zu ¡ahlen. (Sehr richtig! rechts.) Wenn das niht geschähe, so würden wir außerdem den Lokalverkehr mit dem internationalen Durhgangs- verkehr vollständig vermishen. (Sehr richtig! rechts). Zu meinem r Leidwesen hat man das in Süddeutshland noch nit ein-

ehen.

Der Herr Abgeordnete Pleß hat Recht, wenn er glaubt, daß dieses System noch weiter ausgebildet würde. Jch kann ihm mittheilen, daß bereits seit einiger Zeit sogenannte Nord-Erxpreßzüge fahren. Sie fahren zwischen Paris bezw. Ostende-Calais und Petersburg, und da wird bezahlt von der preußischen Grenze bei Herbesthal bis nah

Berlin 20 4 Zuschlag und bis Eydtkuhnen ungefähr 40 4. Es sind sogenannte Luxuszüge, und dieses System der Luruszüge erlaubt es

der preußischen Verwaltung, ohne große finanzielle Opfer denjenigen Ansprüchen auf Luxus und rashe Beförderung in durchgehenden Wagen Rücksicht zu tragen, welche der internationale Verkehr erfordert nnd bezahlen kann. (Sehr richtig! rechts). Derartige Züge werden in Zukunft noch mehr eingeführt werden.

Der Abgeordnete Pleß bat die Einführung der dritten Klasse in die D-Züge vermißt. Jun einer ganzen Reihe von D-Zügen wird hon jeßt die dritte Klasse geführt, und zwar überall da, wo das nah Lage der Fahrpläne nöthig war, um au der dritten Klasse eine nelle Beförderung zu sihern. Wo auf der Strecke an und für ih eine Reihe von Schnellzügen liegen, die nicht D-Züge find, hat man dafür ein Bedürfniß nicht anerkannt. Es wird aber voraussihtlich allmählih eine größere Betheiligung der dritten Klafse an s{hnellfahren®en Zügen eintreten.

Abg. Broemel (fr. Vgg.): Es können bei diesem Punkte zahlreihe Beschwerden vorgebracht werden. Eine Künstlerin, der ih gern einen Gefallen thue, hat mi gebeten, darauf hinzuweisen, daß es angenehm wäre, wenn ein Pianino in den Durch- gang8zügen sich vorfände. Wenn si dann ein Tänzchen arrangieren ließe, so würde es wirklich ein fideler Zug sein. Redner tritt dann ebenfalls für besondere Speisewagen ein. Das Ausland habe Verbesserungen der Eisenbahnwagen vorgenommen, ohne eine besondere Gebühr dafür zu erheben. Die Einführung der Dur@gangszüge habe zur Einstellung einzelner Schnellzüge gefübrt. Der Vorverkauf der Platkarten müsse erheblih erleihtert werden. Der Minister solle in dieser Beziehung der Eisenbahnbureaukratie einmal mores beibringen.

Abg. L L Ln gee (nl.) bittet um eine Erleichterung der Bahnsteig- \sperre in Vohwinkel durh Schaffung eines zweiten Ausgangs.

Abg. von Czarlinski verwahrt fih dagegen, daß der Minister Mahbnungen an die Polen richte.

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen:

Meine Herrea! Jh habe nur aus dem Wald so herausgerufen, wie hineingeblasen wurde. Wenn der Herr Abg. v. Czarlinski gesagt hat, bei dem Beamten am Stalter fehle es an gutem Willen, den Leuten einmal mit einem polnishen Wort zu helfen, da habe ih gesagt, es fehlt der gute Wille ebenso gut den Polen, ein deutsches Wort zu \sprehen. Weiter habe ih nihts gesagt, und das letztere ist unfehlbar richtig. (Bravo!)

Abg. Szmula (Zentr.) bittet den Minister, die Warteräume der kleineren Bahnhöfe zu erweitern, damit niht alle Passagiere zusammen in einem mit allerlei Gerüchen und Tabackqualm erfüllten Raume warten müßten.

Abg. van Vleuten a führt darüber Beschwerde, daß die Züge, die von Köln über Bonn nah dem Süden fahren, dem Lokal- verkehr niht zugänglich feien. i

Wirklicher Geheimer Ober-Regierungs-Rath Möllhausen: Wenn das gestattet würde, dann würden die Plätze alle von Ver- gnügungsauéflüglern beseßt werden.

Abg. Srelberr von Eynatten (Zentr.) bedauert, daß auf einzelnen Streckten, z. B. von Düsseldorf nah Köln, die Durchgangs- züge ein verlangsamtes Tempo anschlagen, und bemängelt, daß neben den Fahrkartenautomaten auch Chokoladeautomaten ftehen. Redner verlangt ferner, daß die beurlaubten Soldaten ohne Rücksicht auf die Entfernung billig befördert werden möchten, damit die in ent- fernten Garnisonen dienenden Soldaten, z. B. die in Elsaß-Lothringen eingestellten, auch von ihrem Urlaub ohne große Kosten Gebrau machen können.

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Der Herr Abg. Freiherr von Eynatten hat zuerst sh darüber beklagt, daß die Züge Berlin—Aachen bis Düssel- dorf und Köln mit großer Geschwindigkeit verkehrten, von da ab aber den Charakter von Personenzügen hätten. Es ift zuzugeben, daß die Fahrt zwischen Aachen und Düsseldorf erheblih verlangsamt wird. Das hängt aber damit zusammen, daß der Hauptzug über Köln sich mit dem Düsseldorfer Anschlußzug in Aachen wieder vereinigt, der leßtere aber von Düsseldorf aus eine geringere Fahrzeit aufzuwenden hat, als der Hauptzug über Köln. Es sind bereits im Bezirks-Eisen- bahnrath in Köln in dieser Beziehung Klagen vorgebracht worden, und infolgedessen ist in Mone gezogen, wie man am zweck- mäßigsten diesen Uebelständèn wenigstens theilweise abhelfen kann.

Was die Automaten anbetrifft, so wird darauf gehalten, daß die Waaren- Automaten mit den Fahrkarten-Automaten niht zusammen- stehen; die Fahrkarten-Automaten sind anders geftrihen, wie jene. Dann kann es doch noch immer passiren, daß eine Bauersfrau oder auch der Herr Abg. von Eynatten, wie Andere, eine Verwechselung begehen. (Heiterkeit.)

Sodann hat Herr Freiherr von Eynatten die Frage der Er- mächtigung der Sätze für die Militärfahrten angeregt. Der heutige Say dafür ift 15 4 pro Kilometer, der Say für die IV. Klasse ift 2 4, für die III. Klass: 4 S u. \. w.; für 15 4 wird der Soldat zur Zeit in der dritten Klasse befördert, also zur Hälfte des Preises. Ich gebe zu, daß die Summe, die ih daraus für weite Entfernungen ergiebt, für manhen braven Muttersohn reihlich hoh sein mag, er infolgedessen niht nach Hause reisen kann. Aber ih glaube nit, daß die Staats-Eisenbahnverwaltung diejenige Instanz ist, die hier belfend einzutreten haben würde. (Sehr rihtig !)

Meine Herren, der Herr Abg. von Eynatten hat ferner gefragt, welhe Ginnabmen aus den Militärtransporten \ich ergeben. Im Etat für 1897/98 sind im Ganzen eingeseßt 8 446 000 46. Diese Summe seßt si zum weitaus größten Theil natürlich aus den eigentlihen TSruppentransporten zusammen. Was die einzelnen Urlauber, überhaupt die einzelnen reisenden Militärpersonen bezahlt haben, das ift überhaupt garniht zu eruieren.

Abg. Gotbein (fr. Vgg.): Wenn die Einnahme fo gering ift, dann sollte doch eine Herabseßung der Fahrpreise für Soldaten er- folgen. Für den Verkehr der Arbeiter nah der Werkstätte hat die Eisenbahn manches gethan. Aber für die Arbeiter in der Flößerei besteht keine Vergünstigung, weil sie die Eisenbahn immer nur in einer Richtung, stromaufwärts, benußen, während fie \tromabwärts auf ihren Flößen fahren. Der Minifter sollte hier dem Bedürfnisse der Arbeiter entgegenkommen. Redner rügt ferner, daß für einzelne sogen. Schnellzüge, die sehr langsam fahren, die erhöhte Schnellzugsgebühr erhoben worden sei. Der Minister solle einmal feststellen, bei welcher Geschwindigkeit ein Zug als MOue aug gelte.

Abg. Ring (kons.) fragt die Regierung, ob sie die Absicht habe, im Berliner Stadt- und Ringbabnverkehr den Fünf-Stationen-Tarif auch in Zukunft durchzuführen, nahdem durch die Ginschiebung neuer Stationen sich große Ae für die Betheiligten ergeben hätten. Die Bewohner der westlihen Vororte Berlins beshwerten fich über die ungeheuer langsame Fahrt der Wannsee-Bahn. Man könne eine Beschleunigung eintreten lassen, indem man die Züge von Potsdam nah Berlin in Zehlendorf auf die Hauptbahn überführe. Die jeyige Geschwindigkeit der Züge stehe erheblih hinter der der englishen Vorortbahnen zurü.

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen: Meine Herren! Im allgemeinen bin ih der Meinung, daß der Staat für Berlin und seine Umgebung in Bezug auf die Verkehrs3-

verhältnifse außerordentlih viel gethan hat (sehr richtig!), vielleicht bis an die Grenze dessen gegangen ist, was zu verantworten ift (sehr rihtig !), und zwar nicht blos in der Herstellung von Bahnlinien, sondern auch in Bezug auf die Zugfrequenz und besonders die Billig- keit. (Sehr richtig!) Wenn die übrigen großen Städte auch nur einen kleinen Theil davon hätten, dann würden sie sich sehr glücklih fühlen. (Sehr richtig!)

Meine Herren, was den ersten Punkt betrifft, den der Abz geordnete Ring erwähnt hat, fo ist die Vertheuerung, die sih bei dem gegenwärtigen Fünfstationen-System dadurch ergiebt, daß innerhalb der bestehenden Stationen eine neue eingeschoben wird, ja niht zu ver- kennen, ebensowenig, daß dies Nachtheile für die betreffenden Bewohner mit \ih bringt. Indessen beschränken ih diese Nachtheile nur auf diejenigen Leute, die auf einzelne Karten fahren, und meines Erachtens kann es wirklich nit darauf ankommen, ob einer aus der einen in die andere Zone fährt und statt 10 4 20 4 zahlt. Die Monatskarten, überhaupt die ganzen Zeitkarten find konserviert worden, und alle die- jenigen, die ihre Kinder in die Schule shicken, die ins Bureau gehen oder font regelmäßig Fahrten machen, zahlen nah wie vor dasselbe, und das wird auch wohl in Zukunft fo bleiben. Also ih meine, es liegt wirklich fein dringender Grund vor, das bisherige System zu verlassen. Die Einrichtung eines Einheitstarifs hat große finanzielle, aber auch tehnishe Schwierigkeiten, Der vorgeschlagene Einheitstarif von 10 „4 für die IIT. und von 20 4 für die 11. Klasse würde eine außerordentliche Ermäßigung für die IIT1. Klasse herbeiführen. Dazu erkenne ih kein Bedürfniß an und finde dazu niht einmal Verankafsung. Wenn der Abgeordnete Ring meint: wir würden nun in der IL. Klasse das mehr einnehmen, was wir in der 111. Klasse verlieren, so kennt er seine Berliner Mitbürger meines Erachtens nicht ausreichend. (Heiterkeit.) Die würden ganz einfa, wena sie für 10 „Z in der IIT. Klasse fahren können und sie für die II. Klasse 20 geben müßten, in die IIT. Wagenklafse übergehen (Heiterkeit); nur bei Ein- zelnen, das gebe ih zu, würde das Standesbewußtsein vielleiht etwas höher fein, und sie würden ih infolge dessen in die Il. Wagenklasse für 209 „S begeben.

Item will ih aber zugeben, daß die Frage einer rihtigen, nah allen Richtungen hin befriedigenden Lösung des Systems der Be- förderung in dem Stadt-, Ring- und Vorortverkehr wahrscheinlich niht von der Tagesordnung vershwinden, sondern daß man damit \si{ch noch vielfah beschäftigen wird.

Dann kommt der dritte Punkt, und zwar die Klagen über die langsame Beförderung des Wannseeverkehrs. Der Herr Abg. Ring ist mit englishem Material gekommen und war fo freundlih, mir das vor etwa 8 Tagen anzukündigen; ih bin daher auch in der Lage gewesen, mich ebenfalls mit Material aus England zu versehen.

Ich muß nun zunächst erwidern: London-Brighton und London- Windfor kann ih überhaupt niht als Vergleihs\trecken ansehen. Wenn man dabei etwas vergleichen will, so muß man sagen: London- Brighton und Berlin-Potsdam über die Stammbahn, und da sind auch die Geshwindigkeiten ungefähr dieselben. Dagegen habe ih hier eine ganze Reihe von wirklichen englischen Vorortverkehrs\trecken ; das hohe Haus möge mir gestatten, davon einzelne hier herauszugreifen, um den Beweis zu führen, daß es in England genau fo ist, wie bei uns.

Liverpool - Street - Palacegates: 11,27 km, Gesammtfahrzeit 32 Minuten; Liverpool - Street - Sydenham (vor Crystall Palace): 12,3 km, Gesammtfahrzeit 35 Minuten; Fenchurch-Street-JIlford: 12,48 km, Gesammtfahrzeit 30 Minuten. Diesen 3 Strecken gegen- über : Berlin - Zehlendorf, ebenfalls rund 12 km, Gesammtfahrzeit 27 Minuten.

Zweitens : Liverpool-Street-Chinford : 15,3 km, Gesammtfahrzeit 36 Minuten; Liverpool-Street-Enfield : 165 km, Gesammtfahrzeit 41 Minuten. Diesen beiden Strecken gegenüber die genau gleich lange Berlin - Shlachtensee: 15,4 km, Gesammtfahrzeit 34 Minuten. Auch hier sind wir vor.

Liverpool-Street-Romford: 17,7 km. Gesammtfahrzeit 40 Mi- nuten. Demgegenüber : Berlin - Wannsee: 18,6 km also 1 km mehr —, Gesammtfahrzeit auch nur 40 Minuten.

Liverpool - Street - Waltham -Croß: 20,5 km, Gesammtfahrzeit 51 Minuten. Demgegenüber: Berlin—Neubabelsberg: 23,3 km also 3 km mehr —, Gesammtfahrzeit nur 48 Minuten.

Liverpool-Street-Epping: 25,8 km, Gesammtfahrzeit 60 Minuten. Demgegenüber: Berlin -Nowawes- Neuendorf: 25,8 km, Gesammt- fahrzeit nur 53 Minuten.

Also hüben und drüben kann man Beispiele finden; aber der eigentlihe Vorortverkehr, auch dort, wo eine so dihte Zugfolge ift, wie auf der Wannseebahn, vollzieht ch in England genau so wie bei uns. Es is} daher in dieser Beziehung der Wannseebahn kein Vor- wurf zu machen.

Was nun die Vorschläge anbetrifft, die Sache zu bessern dadurch, daß man entweder umschihtig eine Station überschlägt das war ja der Vorschlag —, so ist dem gegenüber zu erwidern, daß das nur möglich ift, wenn man eine Reihe von Zügen ausfallen läßt ; sonst kann man die Abstandszeit für die Züge nicht berausbekommen. Eine \solhe Maßregel würde aber einen Sturm des Unwillens hervor- rufen. Der zweite Vorschlag war der, dadur Abhilfe zu schaffen, daß man die Züge, die weiter gehen als bis Zehlendorf, von Zehlen- dorf ablenkt auf die Hauptbahn. Meine Herren, wenn wir das thäten, hätten wir ganz vergessen, warum eigentlih die Wannseebahn gebaut wurde. (Heiterkeit.) Wir haben die Wannseebahn gebaut, um den Fernverkehr von dem Vorortverkehr reiulich zu heiden. Es. ließ sich niht mehr für einen Betriebstechniker verantworten, die beiden Verkehre durch einander zu mifhen. Aus diesem Grunde haben wir, glaube ich, 30 Millionen ausgegeben, um eine reinlihe Scheidung herbeizuführen und die beiderseitigen Bedürfnisse befriedigen zu können. Run wieder eine Mischung eintreten zu lassen zwishen Vorort- und Fernverkehr durch Ablenkung der Wannseezüge über Zehlendorf, das ift nicht möglich, das würde kein Betriebstehniker thun.

Meine Herren, ih darf, wie ih begonnen habe, s{ließen: für Berlin und seine Umgebung i} außerordentli® viel geschehen, und hoffentlih wird auch in Zukunft noch manches gesehen zur Ver- besserung der Verkehrsverhältnisse für Berlin und au für die anderen Städte.

Abg. von Czarlinski erklärt, daß er niht die Grobheit der Beamten auf den Mangel an gutem Willen zurückgeführt babe.

Abg. Dr. Arendt (fr. kons.): Der Staat kann bei der Bee seßung seiner Beamtenftellen nicht auf die Kenntnifse in der polnischen Sprache NüdLksiht nehmen. Gegenüber den vielfachen Klagen kann ih doch im Namen meiner Freunde der Regierung Anerkennung aus- sprehen für die Durchführung der Bahnsteigsperre und anderer