1897 / 75 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 29 Mar 1897 18:00:01 GMT) scan diff

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Gehaltserböhung oder Pensionserhöhung al3 unannehmbar bisher an- gesehen worden ift.

Der Antrag, so, wie er gefaßt ist ih will absehen von einer Ungzenauigkeit in der Fassung, indem er dadur, daß er die von ißm bezweckten Wohlthaten niht nur den vor dem 1. April 1897, fondern au den am 1. April 1897 beförderten Richtern zuwenden will, etwas Unnöthiges bestimmt, da für die am 1. April 1897 in ein böberes Amt eintretenden Richter die Wohlthaten des gegenwärtigen Gefeßes ohne weiteres eintreten der Antrag würde aber bezüglih der vor dem 1. April in ihr gegenwärtiges Amt eingetretenen Beamten zur Folge haben, daß nicht nur diejenigen, die einmal mit einem Gehaltsverlust befördert worden sind, sondern auch diejenigen, die mit einer Gehaltsverbesserung in ein höheres Amt eingetreten sind, unter Umständen jeßt noch auf der Grundlage des neuen Geseßes eine weitere Gehaltsverbesserung er- fabren könnten. Daß das von dem Herrn Abg. Beleites beabsichtigt worden ift, glaube ih niht annehmen zu dürfen; aber der Wortlaut seines Antrages führt mit Notbwendigkeit dahin, und das würde ganz abgeschen von der finanziellen Tragweite des Antrages, die ih nit zu übersehen vermag grundsäßlih abzulehnen sein. Wie gesagt, wenn es gelänge, in dem beshränkten Umfange, in welchem dem Antrage eine innere Berechtigung meinerseits ohne weiteres zuerkannt wird, die Abhilfe zu finden, so würde dem von seiten des Iustizrefsorts jeden- falls niht widtersprohen werden.

Aber auch in dieser Beziehung, glaube i, darf es nicht als eine absolute Ungerechtigkeit betrachtet werden, weun der Versuch des Herrn Abg. Beleites \cheitert. Es würde die beabsichtigte Wohlthat, wenn Ke auf diejenigen Herren beschränkt würde, die mit Gehaltsverlust ehemals befördert worden sind, zunächst denjenigen zu gute kommen, bei denen der Gehaltsverlust eine Folge des Umstandes war, daß sie in besonders günstigen Bezirken angestellt und dethalb nah dem bisherigen Gehaltssystem son früber als viele Andere in cine höhere Gehaltéstufe aufgerückt waren. Also, diese Differenzierung, die man als unbillig erkannt hat und desbalb jeut beseitigen will, würde damit gewissermaßen zu einer dauernden gemacht werden. Es würde die Wohlthat ferner vielfach folchen Herren zugewendet werden, die es ledigli sich selbst zuzu- {chreiben haben, daß sie erst sväter zur Beförderung gelangt find, weil sie aus persönlihen Nüksichten den Ort niht haben verlaffen wollen, an dem sie ein niederes Amt bekleidet bahen; sie würde endlich denjenigen zugute kommen, die cine Qualifikation zu einem böberen Amte erst später nachzuweisen wvermoGt haben und deshalb in einer unteren Stellung länger haben verweilen müssen als andere, die {on früher ihre Tüchtigkeit in unzweifelbafter Weise dargelegt haben. Kurzum, es würde ich aus einer Regelung in diesem Sinne eine ganze Reihe von neuen Unbilligkeiten und Beschwerden ergeben, und ich glaube, wir würden, wenn wir auf der einen Seite zweifellos eine gewisse Zufriedenheit damit erreilen würden, doch eine Reibe von neuen Klagen auf der andern Seite hervorrufen, die als ebenso berechtigt angesehen werden müssen wie diejznigen, die wir bisher geßört baben. Deshalb au glaube i, daß der Weg nit gangbar ist, den der Herr Abg. Beleites bier vorgesGlagen hat, und ich fann daber deshalb, so sehr ich mich freurn würde, werin früber vorgckommene Unbilligkeiten jeßt aus- geglihen werden könnten, aus den von mir vorgetragenen Er- wägungen nur anheimstellen , dem Antrag Ibre Zufiimmung zu versagen.

Aba. Shmieding (nl.) mat darauf aufmerksam, daß nur formale Bedenfen gegen den Antrag geltend gemacht worden seien, und fübit als Beispiel an, daß ein Mitglied dieses Hauses als Landrichter 5700 A Gebaït gehabt bcbe, bei seiner Beförderung zum Landgerits8- Dirckior aber auf 4800 # zurückzefeßt worden sei. Ein solcher Zustand sei auf die Dauer nit aufreht ¿u erhalten. Der Antrag Meleitcs sei bescheiden genug, er wolle den beförderten Bichtern nur dasse!be Gehalt geben, das die mit ibnen im Dienstalter glei- stehenden Richter erbalten. In der Instanz des Herrenhauses lasse sh immer noch eine bessere redaktionelle Faffung finden.

Justiz-Minister Schönstedt:

Meine Herren! Der von dem Herrn Abg. Schmieding ange» führte Fall fällt genau unter den Besichtspunkt, den der Herr Abg. Simon von Zafirow vorgebracht hat. Nach den mir gemachten Mittheilungen ift der Herr, um den es sich bier handelt, lediglih deshalb so spät befêrdert worten, weil er früber ißm angeboiene Beförderungen wicterbolt abgclehnt hat. Thatsäwlih werden fh aber auch für dicfen Herrn, von dem ic annehme, daß er h gar niht cinmal dur tie von ibm felbst gescaffene Sachlage beschwert fühlt, keines« weas die Foige eintreten, die der Herr Abo. S&mieding in Aussicht gestellt kat. Dieser Herr ift bereits über 3 Jahre Landgerichts- Direktor, (Widersvruh.) ich fann es nahweisen; er ist vom 27. März 1893 wird also sofort in die zweite Gehaltss\tufe springen und alsbald 6000 H baben, und würde au ein höheres Geßbalt nit b:kommen , wenn er in seiner früheren Stellung als Amtsgerichts- Rath geblicben wäre.

Nun werde ih darauf aufmerksam gemacht, daß ih mich bezüg- li der Person irre, daß ein anderer Fall vorliegt aus der Rhein-

rovinz. Meine Herren, ih glauke, daß es da ebenso gelegen hat, daß ar dieser Herr frühere Beförderungen nit gewünscht hat. Der Herr ist auch schon seit über 2 Jahren Direktor, wird also au in kurzer Frist in die zweite Gehaltéstufe aufrücken; auch bei ihm fann daher von einer erheblichen finanziellen Versh!echterung nicht die Rede

fein. Wenn also dieser Fall als ciner der frassesten bezeihnet wird, ie Lei Annabme des Gesetzes in der Kommissiensfassung vorkommen ännen, tann wird, glaube ih, die Bedeutung der SaWe ganz erheb:

übers%ägt: tenn als besonders fraß kann id den Fall niht be-

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i zciMnen.

Finanz-Minister Dr. von Miquel:

Fn Bezug auf den vorliegenden Fall fann ih mich auf die Aeußerungen des Herrn Æustiz-Ministers beziehen; ih möhte aber daran eine allgemeine Bemerkung knüpfen, weil die Konscquenz dieses

h feineëwcgs auf die Justiz beschränken würde, sondern größere Bedeutung in alle Ressorts binein habcn würde. erren, im großen Ganzen fann man doch tavon ausgehen,

: jemand fih nit darüber besEwert fühlen kann, daß er einen Gewinm nit gemadt hat, den ein andercr, weil er in anderen Ver- Ebzltnifsen war, maden fonnte. Es handelt sich bier höchstens un ein lucrum cessans, aber nit um cinen offenbaren Schaden, den Mann erleidet. Die Thatsache, daß infolge ciner allgemeinen

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gesyitem vollständig du it, es vorkemmen kann,

daß ein jüngerer Beamter bei einer Verseßung in eine andere Kategorie böber zu ftehen kommt als ein älterer Beamter, diese Thatsache kommt in allen Refsorts vor. Wollen Sie nun hier die Sache dur eine Fiktion ausgleichen, so dekretieren Sie das nicht bloß für den Fall der Ober-Landesgerichts-Räthe, sondern dann muß diese Frage in allen Ressorts in demselben Sinne der Fiktion geregelt werden, und es ift garniht abzusehen, welche finanzielle Bedeutung das haben wird.

Meine Herren, wenn ih den Antrag ret verstehe, so foll doch hier gewissermaßen nahträglih fingiert werden, als wenn der bes treffende Ober - Landesgerichts - Rath erst au das Ober - Landesgericht versezt wäre, nachdem die Richterklasse, in der er vorher sich befand, die Gehaltsaufbesserung, die wir hier den Richtern zuwenden wollen, bereits bezogen hätte. Eine solche Sache ist doch garniht durchzuführen. Derartige Ungleichheiten sind ja früher vor der Durchführung des Dienstalterszulage-Systems in der Beförderung der Beamten in noch ganz anderer Weise vorhanden gewesen. Da konnte es passieren, daß bei gleichartigen Behörden in derselben Stadt die allergrößten Ungleichheiten in Bezug auf die Stellung in den einzelnen Gehältern vorhanden waren. Zum aller- größten Theil find durch die Einführung des Dienstalterszulage-Systems diese Ungleichheiten ausgeglichen. Ganz wird man sie überhaupt nit ausaleiden können, namentlih bei einer fo bedeutenden Veränderung in den Gehbaltsverbältnisfsen, wie sie die Vorlage der Staatsregierung mit \ich bringen würde. Das sind Uebergänge, die man eben nicht ändern kann.

leine Herren, nun hat gege: über dem Amtsrichter, mit dem ja dieser Ober-Landesgerihts-Rath durch eine Fiktion verglihen werden soll, der zum Landgerihts-Rath ernannte Richter do au das für si voraus, daß er in 9 Jahren bis auf 7200 M aufrückt, während der Amtsrichter nit höher kommen kann als auf 6600 4 Da kann er einen fleinen Verlust in einer kurzen Ueber- gançSzeit wobl ertragen, und jedenfalls liegt die Sawhe doch nit fo, daß man ein allgemeines Prinzip der ganzen Staatsverwaltung um eines foldhen Falles willen durchbrehen sollie. Jch bitte daher dringend, den Antrag abzulehnen,

Justiz-Minister Sch önstedt:

Meine Herren! Ich bitte um die Erlaubniy, nech mit zwei MWorten auf den vom Herrn Abg. Schmiediag erwähnten Fall zurück- zukommen, um ihn zu überzeugen, daß derselbe absolut unerhebli ist. Dieser Herr fein Name ist eben hier angedeutet gehörte der Nheinprovinz an, der bekanntlich in den Gehaltéssäßen am besten stehenden Provinz. Nur diesem Umstande hatte er es zuzuschreiben, daß er bei seiner etwas verspäteten Beförderung einen fo erhebliden Gehbaltsverlust erfahren hat, wie ihn der Herr Abg. Schmieding uns mitgetheilt hat. Würde nun diefer Herr jeßt in den neuen allgemeinen Besoldungs-Etat einrangiert, so würden die Vortheile, die er in seinem früheren Etat genossen hat, für ihn wegfallen; er würde na seinen Anciennetäteverhältnissen am 1. April als Mitglied eines Amtsgerichts in die zweite Gehaltëstufe, also 6000 einrücken. In diese Gehaltsstufe tritt er in feiner Stellung als Direktor am 1. Juli d. I. Also der ganze Unterschied ist der, ob er drei Monate früher oder später dieses Gehalt von 6000 bekommt, und für so geringfügige Angelegenheiten lohnt es fich do wobl nicht, einen nenen Geseßesparagraphen von so wenig übersehbarer Tragweite in das Gesetz hineinzubringen.

Der Antrag wird abgelehnt und der Geseßzentwurf un- verändert definitiv angenommen.

In dritter Berathung werden dann auch die Ge setz- entwürfe, betreffend die Vereinigung vonBurtscheid mit Aachen und betreffend die Erweiterung des Stadt- kreises Breslau, ohne Debatte angenommen.

Darauf wird die R Berattung des Staatshaus- halts-Etats für 1897/98 fortgesetzt.

Beim Etat des Kriegs-Ministeriums, welcher die Ausgaben für das Zeughaus in Berlin enthält, wünscht

Nba. Baen\ch-Schmidtlein (fr. kons.), indem er mit Stolz die würdige Erhaltung der Rukbmeshalle hervorbebt, daß man von Regierungèwegen auh für die würdige Pflege der Grabhügel der gefallencn Krieger auf den S{lachtfeldern Sorge tragen möge, cin Wunsch, den der ganze Bund der Kriegervereine einmüthig theile. Dieser nationalen Pflicht müsse man stets eingedenk bleiben und da- für Summen in den Etat einstellen. Ein Grabhügel auf den blut- getränkten Schlachtfeldern sei ibm mehr werth, als alle S&äße von Pergamon. Auf dem Kir@bofe seiner Heimatbsstadt Hirschberg be- finde sich ein Denkmal gefallcner Offiziere aus den Freiheitskciegen, das au der Erhaltung bedürfe. Auf demselben Kirhbofe befinde fich ein Denkmal öfterreiWisher Krieger, das gut gepflegt werde. Da bei den Gräbern der im legten Kriege Gefallenen die 30 jährige Frist bald ablaufe, müsse das Kaufret erneuert werden. Einen Tbeil der Ehrungen, unter deren Eivwirkung wir anläßlich der Hundertjahrfeier ne stehen, folle man auch auf die gefallenen Krieger ausdehnen.

Hauptmann Bansi: Ein Theil der Gräber wird von der Militärverwaltung erbalten, die Pflege des anderen Theils liegt den Bundesstaaten ob. Die Gräber auf den Schlactfeldern von König- gräß und andexen in Böhmen werden alljährlichß in Stand gefeßt und mit Kränzen geschmüdckt ; namentlich die Kriegervereine nehmen fi der Gräber in pietätrollster Weise an. Auch in Elsaß-Lothringen sind besondere Wärter für die Pflege der Gräber angestellt. Die deutshen Gräber in Franfreih müssen nah dem Friedenêvertcag von der französischen Regierung get flegt werden. Wenn noch Lüden in der Pflege der Gräber vorhanden sein sollten, so bin ich bereit, die Sache an maßgebender Stelle in Anregung zu bringen.

Abg. Baenich-Schmidtlein spricht für diese Erklärung feinen Dark aus. N

Der Etat des Kriegs-Ministeriums wird bewilligt.

Beim Etat des Ministeriums der auswärtigen

Angelegenheiten bemerkt O De See (O) Be Hundertjabrfeier ist einem deutschen Staatsangehörizea in Neuß ä. L. von amtlicher Seite die preußische Fabne eingezogen worden. Das ift eine Verletzung des preußischen Staates. Ich trage die Regierung, welhe Maßnahmen sie dagegen zu ergreifen gedentt. Wenn ih beute darauf keine Antwort erbalten sollte, so werde ih auf diese wichlige Frage bei der dritten Lesung zurückkommen.

Finanz-Minister Dr. von Miquel:

Ich sehe augenklicklich keinen Vertreter des Auswärtigen Amts. I halte mi aker in meiner Eigenschaft als Finanz-Minister nit für kompetent, cine Mcinung über diese hohwichtige Frage zu äußern. (Heiterkeit.)

Abz. Kir (Zentr.) bemerkt, daß die Souveränitätsrete auch der fkleinen Bundesstaaten geachtet und gewahrt werden müssen. Er könne dem erwähnten Falle niht so großes Gewicht beilegen wie der Abg. Friedberg.

_ Abg. Dr. Friedberg: Unerbeblih ift der Vorfall nicht, wenn die preußishe Fahne von der reußishen Regierung berabgeholt wird. Mit dieser Ansicht steht Herr Kirsch allein da,

Abg. Kirsh: Ih habe nur gefagt, d s soviel Bedeutung beilege wie Herr Fried «s ih dem Fall nicht

Beim Etat der Lotterieverwaltung weist

Abg. Dr. Arendt (fr. kons.) auf die Konku i imuerialt vermehrten Le al anderen r edle die preußischen Lotterie machten. Diese Verhältnifse störten die deutsche Einheit. Preußen habe sich genöthigt gesehen, seinen Staatsangeb zei L das Spielen in anderen Lotterien zu verbieten. Gs sei bedauerlich aber unumgänglich, daß das Spielen in auswärtigen Lotterien bestraft werde. Die Kollekteure der außerpreußischen Lotterien maten i Preußen Reklame und verleiteten die preußischen Staatsangehöri én zum verbotenen Spiel. _Wenn die Regierung dies zulasse, mache fe PY R e N Ie e cotiiatliüen Lotieles CEN E Reichslotterie. a S A

Finanz-Minister Dr. von Miquel:

Meine Herren! Die vom Herrn Vorredner geshild erten Miß, stände so fann man sie wohl bezeichnen find im allgemeinen leider vorhanden. Sie liegen einestheils zum geringen Theil aber in einer vielleicht noch zu weit gehenden Konzessionierung von Privatlotterien, vor allem aber liegen fie in dem verbotenen Vertriebe von auswärtigen Lotterieloosen. Es kann gar keinem Zweifel unterliegen, daß eine Reihe von staatlichen Lotterien Hamburg, Mecklenburg, Braunschweig eine größere Zahl Loose ausgeben, als sie in ihren eigenen Staaten unterbringen können, und in dieser Beziehurg Preußen gewissermaßen als das corpus vile angesehen wird, daß diese Lotterien und die Pälhter denn zum theil sind diese Lotterien verpahtet geradezu gezwungen sind dur ihre Pachtzahlung, diesen verbotenen Loosehandel in dem übrigen Deutschland, nit allein in Preußen, aber vorzugsweise in Preußen zu betreiben. Es ift au richtig, daß alle von der Lotterieverwaltung in dieser Beziehung getroffenen Maßnahmen keineswegs bisher in vollem Maße ihr Ziel erreiht haben. Das find - ganz bekannte Thatsachen. Auf Grund der früheren Verhandlungen über diesen Gegenstand hat die preußischWe Staatsregierung oder wenigstens der preußisch- Finanz-Minister die Frage zur Sprache gebraht bei den Reichsorganen, ob es möglich wäre, zu einer Unifikation des Lotteriewesens in Deutschland zu kommen, und dabei zu erkennen gegeben, daß; man wahrsheinlich feitens der preußischen Staatsregierung nit abgeneigt sein würde, die preußische Lotterie in eine allgemneine Neichslotterie aufgehen zu lassen. Das würde ja mit einem S@lage allen diesen bezeihneten bedenklihen Verhältnissen cin Ende machen. Aber wir haben damals bei den Reihhtorganen keine Gegenliebe gefunden, und der damalige Herr Reichskanzler trug Be- denken, den Gegenstand seinerseits für die Reichsgeseßgebung weiter zu verfolgen, und da ift denn die Sache natürli liegen geblieven. Wir haben dann Verhandlungen angeknüpft mit denjenigen Staaten, in denen Lotterien neben der preußischen bestehen, namentliß zu dem Zwecke, um eine geordnéetere Art ter Vertreibung der Loose, eine rihchtige Durch- führung des Verbots der Reklame bei diesem Vertriebe, eine größere Garantie in Betreff der mit dem Vertrieb dieser Loofe be- trauten Persönlichkeiten zu gewinnen. Aber wir sind auch da zwar auf eine gewisse Geneigtheit gestoßen; namentlich im Königreih Sasfen, wo die Lotterie nicht verpaŸtet ist, sondern ftaatlich betrieben wird, wo auch ähnli§e Vertriebsbestimmungen gelten wie in Preußen, haben wir ja gewisse Erfolge wobl erzielt, bei den übrigen Staaten war die Sache aber deswegen so schwierig, selbs wenn die betreffenden Re- gierungen geneigt waren, weil dort die Lotterien verpahtet sind und während der Dauer ter Pas&tverträge seitens dieser Staaten den Pächtern besondere beshränkende Bestimmungen niht auferlegt werden fkonnten. TInfolgedessen haben diese Verhandlungen auch kein weiteres erhebli&es Ergebniß gehabt. Wir haben fehr viel: fah mit den polizeili&en Organen verhandelt, eine shärfere Kontrole dieses Loosevertriebes von auëwärtigen Lotterien eintreten zu laffen, und da allerdings is manches erreiht worden, wenn auch in keiner Weise in vollem Maße das Zicl erreicht ist.

Dann ist bekanntli auf den Antrag des Herrn Dr. Lieber im

Reichstage in der Novelle zur Gewerbeordnung die Bestimmung ge- troffen, daß Personen, welhen nah vorliegenden Thatsachen die notb- wendige Zuverlässigkeit fehlt, das Gewerbe als Looseverkäufer untersagt werden kann. Aber ih fürchte, daß au damit, so lange wenigstens nit geradezu das Gewerbe als ein fkonzessionspflichtiges Gewerbe erklärt wird, nit viel erreißt werden wird: deun wenn einem solden Geschäftsmann aus Gründen seiner Persönlichkeit der Vertrieb der Loose untersagt wird, bat er bald einen Strohmann, weil es ein freies Gewerbe ist, oder seine Frau oder einen Verwandten oder einen Bekannten oder einen Geschäfts- genossen, der für ihn seinen Namen hergiebt, und das Geschäft wird ruhig weiter betrieben. Also ih muß zugeben, daß alle Maßnahmen bisher keineswegs diesem Unwesen des Vertriebes verbotener Loofe in Preußen mit Eifolg gcstzuert haben. Ich kann ja nur wünschen, daf die volizeilihen Organe diesen Gegenstand immer mit Energie ver- folg-n. Man könnte allerdings auf ten Gedanken kommen, daß eine Art Kontingentierung durch ein Reichsgeseß vorgeschrieben würde na Maßgabe etwa der Kopfzahl der Bevölkerung der betreffenden Staaten, die die Lotterie halten. Würde das durchgeführt, so würde unsere preußishe Lotterie nit herabgeseßt werden, es winde nur die Lotterie der kleinen Staaten in ihrem Umfange erhebli beshränkt werden müssen. Aber es wäre das doch allerdings ein sehr zweifelhafter Eingriff in die biëherige freie Disposition und Sourvt- ränectät der cinzelnen Staaten bei cicer Erweiterung der Reiché- kompetenz, wie fie auf diesem Gebiet bisker noch nicht stattgefunden hat, und ih bin sehr zweifelhaft darüber, 0% das namentli mit Zu- stimmung der betrcffenden Staaten würde erreiht werden können. : So sehe ih auh mit dem Herrn Vorredner eigentli keinen be- stimmten klaren Weg, wie wir den jeßigen, allerdings bedenfliden Verhältniffen von Grund auf wirksam entgegentreten und ihrer mit Erfolg Herr werden können. Man muß die Frage im Auge behalten, jede günstige Gelegenheit benugen, um in dieser Beziehung weiter i! kommen, wie wir auf fo vielen anteren s{wierigen Gebieten tes deutshen gemeinsamen Lebens weiter gekommen find; aber augtn- bliFlih wird in dieser Sache wenig zu. erreichen sein.

(Sch@luß in der Zweiten Beilage.)

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

M 75.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Meine Herren, was nun die Privatlotterien betrifft, von denen der Herr Vorredner auch gesprochen hat, so ist der Gedanke, den er angeregt hat, man solle die Projpekte dieser Privatlotterien dahin ergänzen, daß sie nicht bloß die Zahl der Gewinne, sondern au die Zahl der Nieten, wenn ih recht verstanden habe, angeben, das ist ja durchaus erwägenêwerth. Von der preußischen Lotterie is das durch die Gesetzgebung bekannt, von den Privatlotterien nicht, und es mag vielleicht etwas kalmierend auf alle zu leiht getäushten oder zu spielsüchtigen Personen einwirken, wenn auch das Mens - Tekel der Nieten mit angezeigt würde und niht bloß die {höône Seite der Satte. Die Frage ließe si erwägen. Wir wären ja in der Lage, für diejenigen Privatlotterien, die wir in Preußen selbst konzessionieren, diese Bedingung zu stellen.

Es ist auch hon, was die Privatlotterien betrifft, ein anderer Gedanke aufgetauht, der, wenn au niht ganz konsequent, doch fo ziemli in Frankreih durhgeführt ist, daß man nämlich \taatlicher- seits die zu konzessionierenden Privatlotterien selbst kontingentiert, so daß nit einmal plôglich eine große Anzahl von Privat- lotterien losgelassen werden, die ihre Loose auf dem Markt werfen, was dann natürlich zu allerhand Mißständen infolge der Konkurrenz führt, sondern eine Durchschnitts-Marximalzahl von Loosen der Privatlotterien die in einem Jahre begeben werden dürfen. Das ließe sich am Ende erwägen, und man könnte noch weiter gehen die Frage haben wir auh oft {hon in Erörterung genommen ob man dann nicht durch eine besondere Kommission, welhe dazu besonders berufen is, den Vertrieb diefer Loose stattfinden läßt und

ihn so dem reinen Privatgeschäft ganz entzieht. In Frankreich besteht meines Wissens eine solche Zentralkommission. Wir haben immer Bedenken getragen, den Vertrieb der Privatlotterien auf unsere staatlich konzessionierten Lotterie-Einnehmer zu übertragen, weil ihnen ja ein ganz solider von jeder Reklame ih fernhaltender Geshäfts- betrieb auferlegt ist. Es liegt doch immer die Gefahr vor, daß, wenn in zu weitgehendem Maße diese unsere staatlichen Lotterie- follekteure mit dem Vertrieb der Privatlotterien befaßt werden, daß sie dadurch in eine (Beschäftsgebahrung leiht kommen können, die fh in keiner Weise für die staatlichen Lotterien empfiehlt. Wir haben nur in ganz besonderen Fällen, wo es ih um große staatlihe Inter- essen handelt, z. B. bei der Lotterie des Rothen Kreuzes, davon eine Ausnahme gemacht. Es läßt si aber auch allerdings die Thatsache nicht ganz abweisen, daß es sehr erheblihe Vortheile auf der anderen Seite haben würde, weil offenbar dann in einer billigeren, bequemeren Weise als jest verfahren werden könnte, wo ein Geschäftsmann, der, ih möhte sagen, die Privatlotterien monopolisiert, gegen eine hohe Provision, die also sehr erhebliche Opfer seitens der Unternehmer der Privatlotterien erfordert , aus\{ließlich den Vertrieb besorgt. Der Herr Abg. Arendt kann \sich nach alledem wohl beruhigt halten, wir halten die Sache im Auge, wir werden in dieser Beziehung die Verhältnisse, wie sie gegenwärtig liegen, allmäh- lih zu verbessern suchen; aber ein Radikalmittel, wie er angedeutet hat, wird, wenigstens zur Zeit, nicht zu erreihen sein. Man wird seitens der Staatsregierung darauf bedaht sein müssen, dem ganzen kolossalen Andrange auf Genehmigung von Privat- lotterien den möglihsten Widerstand entgegenzuseßen. (Sehr richtig!) Das ist sehr \{chwierig ; es kommen eine große Anzahl von Fällen vor, wo man wirklih gern dem Unternehmen unter die Arme griffe, aber man muß doch an festen Grundsätzen festhalten, damit das Privat- lotteriewesen nit zu schr überhand nimmt; das würde einmal au unserer Staatslotterie shaden und zweitens würde es überhaupt zu weit gehen, einer solch allgemeinen übermäßigen Entwickelung des Spiels geradezu dur eine übermäßig große Anzahl von Konzessionen Vorschub zu leisten. Vorläufig werden wir nur in der Verwaltung und in der Praxis soweit als mögli einwirken müssen, aber für eine durchgreifende geseßlihe Neuordnung halte ih den gegenwärtigen Zeit- punkt nicht für besonders geeignet.

Abg. Dr. Arendt is über diese Erklärungen erfreut und wünscht ferner, daß bei Wokhlthätigkeits-Lotterien, wie z. B. für Kirchen- bauten, ein bestimmter Prozentsay des konzessionierten Lotterie-

kapitals mindestens für den wohlthätigen Zweck von vornherein reser- viert werde.

Jn den Etat des Herrenhauses hat die Budget- kommission eine Mehrausgabe von 3000 # eingestellt behufs Schaffung einer zweiten etatsmäßigen Stelle für einen Steno- graphen. Nach dem Referat des Berichterstatters Abg. Beleites hat die Kommission dies auf Wunsch des Präsidiums des Herrenhauses gethan.

Finanz-Minister Dr. von Miquel:

Meine Herren! Der Herr Berichterstatter hat den Vorgang ganz rihtig geschildert. Wie das Abgeordnetenhaus hier aus Courtoisie gegen das Herrenhaus gehandelt hat, so hat die Staats- regierung hier zu handeln aus Courtoisie gegen beide Häuser. (Sehr gut ! Heiterkeit.) Man hat ja ftets in der Staatsregierung die größte Neigung gehabt, den besonderen Wünschen in Be- zug auf die Etataufstelung der beiden Häuser thun- lichst entgegenzukommen. Die besonderen Umstände, die hier die nah- träglihe Einsegung der betreffenden Stellen rechtfertigten und noth- wendig machten und die die Verzögerung veranlaßt hatten, hat der Herr Berichterstatter hon erwähnt; um so mehr hatte die Staats- regierung Veranlassung, in dieser Beziehung keinen Widerspruch zu erheben. Ich hebe dies alles besonders hervor, weil ich niht hoffe und niht wünsche, daß aus diesem besonderen Fall irgend ein Präzedenzfall für andere Fälle entstehen könnte. (Sehr richtig! rechts.)

Der Etat des Herrenhauses wird nach dem Vorschlag der Koinmission eni s 9 ilag

Der Etat des Abgeordnetenhauses enthält eine Mehrausgabe von acht neuen etatsmäßigen Stellen für Steno-

graphen mit einem Gehalt von 2400 bis 3600 4 Der Etat wird bewilligt.

Zweite Beilage

Berlin, Montag, den 29. März

Beim Etat der Ober- Rehnungskammer be-

\{chwert sich

Abg. Hansen-Oldenburg (fr. konf.) darüber, daß der Fiskus,

wenn er, wie die anderen Grundbesißer in einer Gemeinde, zu den Kommunalabgaben herangezogen werde, viel Schreiberei verursahe, daß er alle möglichen Auskünfte über die sonstige Steuervertheilung in der Gemeinde verlange, was seinen geseßlihen Rechten nicht entsprehe. Schuld daran solle die Ober- Rechnungskammer sein, welhe alle diese Auskünste als Belege ver- lange. Redner bittet um Remedur.

der Gemeinde dadurch sehr

Beim Etat des „Deutschen Rei hs- und Königlich Preußischen Staats-Anzeigers“ bittet Abg. Spahn (Zentr.) um Verbilligung des Tarifs für solche Anzeigen, welche vom Gericht auf Kosten der arteien erlassen werden, und um Herstellung einer Sonderausgabe für die Bekanntmachungen der Handelsgesellshaften. : i Geheimer Ober - Regierungs - Rath von Rheinbaben: Das Central-Handelsregister wird bereits als Sonderbeilage zu billigerem Preise verkauft. Ob eine Verbilligung des Tarifs möglich ist, kann ih nit sagen. : : : Abg. Dr. Arendt: Eine Verbilligung ist wohl nicht möglich, so lange die Ausgaben für den , eis - Anzeiger“ #sich nicht vermindern. Der „Reichs-Anzeiger“ wird in der Druckerei der „Nord- deutschen Allgemeinen Zeitung“ gedruckt, und ih möchte die Regierung fragen, ob dieses Vertragsverhältniß mit der Norddeutschen Druckerei noch lange dauert, und ob es nicht angängig ift, den Druck des „Reichs- Anzeigers“ der Reichsdruckerei zu übertragen und ‘diese dazu an- emessen zu erweitern. Dabei kommt auch die politishe Seite der rage in Betracht, da Indiskretionen vorkommen und Bekannt- machungen des „Reichs-Anzeigers“ schon vorher in den Abendblättern veröffentlicht werden. In diesem Druckauftrag für eine Zeitungsdruckerei liegt eine gewisse Subvention dieser Zeitung. Die „Norddeutsche Allge- meine Zeitung“ könnte ohne diesen Druckauftrag garnicht bestehen. Daß sie besteht, halten wir Alle niht für erforderlih, denn feine Zeitung hat sih so unbeliebt gemacht. Durch das einmalige Er- seinen der „Norddeutschen Allg. Zeitung“ vermindern sich deren Kosten erbeblid, während die indirekte Einnahme aus dem Druck des „Reichs- Anzeigers" unverändert bleibt. Ih stelle anheim, ob nicht ernste Erwägungen darüber stattfinden fönnen, den Druck des „Reichs-Anzeigers“ der Reichsdrukerei zu überlassen. Vielleicht ift der Druck dort billiger herzustellen als jeßt. :

Geheimer Ober-Regierungs-Rath von Rheinbaben: Der Vertrag mit der Norddeutschen Druckerei läuft noch bis zum 1. April 1902. Es ist wiederholt erörtert worden, ob es nicht rihtiger und zweckmäßiger sei, den „Staats-Anzeiger“ durh die Reichsdruckerei drucken zu lassen, die Erwägungen haben aber immer dahin geführt, davon abzusehen. Vor allen Dingen ift es eine Fslufion, wenn man glaubt, daß die Reichsdruckerei den Drutck billiger besorgen könnte als die Norddeutshe Buchdruckerei. Ferner würde die Reichsdruckerei bei aller Anerkennung ihrer ausgezeichneten Leistungen doch, wie ich glaube, die Promptheit bei der Herstellung des Druckes und die Anpassungs- fähigkeit an die wechselnden Bedürfnisse des Augenblicks béeiniften lassen, wie sie bei einer Tageszeitung vorhanden sein muß. Es liegt dies an einer gewissen bureaukratishen Schwerfälligkeit, wie N mehr oder weniger mit jedem fiskalishen Betriebe verbunden ist. Auch die Vebergangszeit würde \{chwierig sein, denn die Norddeutshe Druckerei arbeitet mit einem sehr geshulten und hoh bezahlten Personal, und es würde immerhin geraume Zeit vergehen, ehe die Reichsdruckerei ein gleih geshultes Personal heranziehen fönnte. Indiskretionen sind nit vorgekommen, aber sie wären auch in der Reichsdruckerei möglich, da sie, wenn überhaupt, dur die Arbeiter begangen werden, und das Segerpersonal in beiden Druckereien von dem hier in Betracht kom- menden Gesichtspunkte aus ein gleihartiges ist. Zu irgend erheblichen Klagen hat die Norddeutsche Druerei bisher nicht Anlaß gegeben ; es liegt also zur Zeit kein Bedürfniß vor, auf eine andere Drucklegung des „Staats-Anzeigers“ Bedacht zu nehmen.

Auf erneute Anregung des Abg. Spahn sagt Geheimer Ober- Regierungs-Rath von Rheinbaben zu, daß die Verbilligung des Anzeigentarifs in Erwägung gezogen werden solle.

Abg. Dr. Arendt: Ich gestehe zu, daß ndiskretionen auch bei der Reichsdruckerei vorkommen können. Wenn erst die Aufgabe, eine Tageszeitung zu drucken, an die Reichsdruckerei herantreten wird, wird sie auch dieser Aufgabe sich vollkommen gewachsen zeigen. Sobald die nöthigen Einrichtungen getroffen werden, werden fie auch in der Reichsdruckerei ausgezeichnet wirken. N der Druck der Reichs- druckerei theuer ist, weiß ih. Wenn aber dasselbe bezahlt wird, was jeßt der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ zufällt, so würde der Vortheil in die Reichskasse fließen. Das if für den Staat nüyt- licher, als wenn einem Unternehmer diese Einnahme geboten wird. Das it eine indirekte Subventionierung, die ih nicht für richtig halten kann.

Geheimer Ober-Regicrungs-Rath von Rheinbaben: Dieser Gesichtspunkt, daß der Vortheil dem Reich zufallen könnte, hat ja etwas für sih; aber lediglih um fiskalischer Rücksichten willen eine Aenderung des gegenwärtigen Zustandes herbeizuführen, würde ich nit für gerechtfertigt halten. Ich zweifele nicht, daß mit der Zeit die Reichsdruckerei allen Anforderungen entsprechen würde, aber zur Zeit ist der Betrieb nicht darauf eingerichtet.

Berichterstatter Abg. Dr. Sattler bemerkt, daß die Organisation der Reichsdruckerei jeßt allerdings nicht auf solche Anforderungen, wie den Druck des „Reichs-Anzeigers“, eingerichtet fei.

Der Etat wird bewilligt.

Zu dem Etat der Ansiedelungs-Kommission für Westpreußen und Posen haben die polnischen Abgeord- neten wieder den Antrag gestellt, die Regierung um Auf- hebung des Ansiedelungsgeseßes von 1886 zu ersuchen.

Aba. Sieg (nl.) hebt die se ensreihen Wirkungen dieses Geseßes hervor und bedauert die Wiederholung des polnischen Antrages. Die anfänglichen Uebelstände in der Auswahl der Ansiedler seien in der neueren Zeit vermieden worden. Es sei auch nicht rihtig, daß nur evangelishe Deutsche ange edelt seien. Der Anstellung eines fatholishen Pfarrers hätten ih allerdings Schwierigkeiten ent- gegengestelt. Die Evangelishen hätten vielmehr Anlaß, s\ih darüber zu beshweren, n in Westpreußen evangelishe Schulen nit fatholishen Lehrern beseßt seien. Der Ansiedelungsfonds von 100 Millionen müsse baldigst erhöht werden ; das liege im kulturellen Ne des Landes. Den Antrag der Polen möge das Haus ab- ebnen. Abg. Dr. Mizerski (Pole) bezeichnet die Ausführung des A als eine große Ungerechtigkeit und führt einige älle an, in tenen man die polnishen Bauern un erecht behandelt abe. Man müsse es dem Abg. Sieg als Harmlofigkeit anrehnen, wenn er von wohlthätigen Wirkungen des Geseßes \sprehe, das der Verfassung und der Gleichberehtigung widersprehe. Der Segen Gottes ruhe nicht auf der Arbeit der Ansiedelungskommission. Hebe man also das Geseß auf!

Abg. Im Walle (Zentr.) spricht die Hoffnung aus, daß das Geseh mit der Zeit fallen werde. Professor Delbrüdk S ein Anhänger des Gesetzes, habe in den „Preuß. Sahrb.“ die Auf

hebung des Geseßes empfohlen, weil es seinen Zweck nicht erfülle, fondern im Gegentheil die Gegensäye zwischen Deutshen und Polen

1897.

noch vershärft habe, und weil au aus politischen Gründen eine Un1- kehr angebracht sei. Das Zentrum habe das Gesetz stets als ver- fassungswidrig angesehen und freie Entfaltung aller Kräfte verlangt und stimme daher dem Antrag der Polen zu.

Abg. von Gle bocki (Pole): Das Gesey kann niht dazu bei- tragen, tie Polen wirthsha\tlich zu heben, und deshalb auch nicht den Zweck erfüllen, die Polen politisch zu heben. Der wirkliche Zweck ist nur die Germanisierung der polnischen Landestheile. Der Finanz» Minister von Miquel hat einmal gesagt, E die Polen Preußen als einen feindlihen Staat ansehen. Will er ih etwa mit folhen Ge- seßen die Liebe der Polen erwerben? Es ist die Pflicht und Schuldig- keit des Staats, dafür zu sorgen, daß Nationalitäten, die dur Gottes Fügung unter sein Scepter gekommen sind, nicht gehindert werden, ihre Nationalität zu wahren. Wir werden fest und ruhig den Kampf weiterführen.

Abg. Seer (nl.) legt in Ziffern die günstigen Folgen des An- siedelungsgesetzes dar und berichtigt die Ausführungen der polnischen Redner dahin, daß nicht polnishe Bauern-, sondern nur große Güter angekauft worden seien.

Finanz-Minister Dr. von Miquel:

Meine Herren! Ueber die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes ist hier im Hause seit Jahren so viel geredet, die Meinungen haben si so festgesezt, die Lage der Dinge ist nach meiner Meinung rechtlich auch fo klar, daß ih darüber kein Wort verlieren will. Jeder Preuße muß sich einem in verfassungsmäßiger Weise zu stande gekommenen Gesetz fügen, und es kann nichts nüßen, wenn er hinterher ohne ents- \cheidende Gründe die Verfassungsmäßigkeit eines solhen rechts- gültig erlassenen Geseßes anzweifelt. Meine Herren, der Herr Vorredner und das veranlaßt mih, zwei Worte zu sagen hat sich darüber gewissermaßen beklagt, daß ih von den Polen Liebe zum preußischen Staat verlangt habe. So habe ich mi nicht ausgedrückt; ih habe nur gesagt, ih beklage es und bedauere im Interesse der Polen selbst, daß die Sprache ihrer Presse von Tage zu Tage feindseliger gegen den preußishen Staat wird. Das i} doch ein Anderes, als von den Polen Liebe ver- langen. Was man aber vielleicht mit Recht verlangen könnte, das wäre eine gewisse Anerkennung und Dankbarkeit der Polen für die Kultur, die der preußische Staat in diese Länder gebracht hat. (Sehr richtig !)

Der Herr Vorredner hat sih auf alte historishe Dokumente be- zogen und auf die Geschichte. Ich möchte ihm gern rathen, das in vollständiger Weise zu thun und mal“ zu studieren, in welhem Zustande Westpreußen und Posen sih befanden, als fie preußisch wurden (sehr rihtig!), und mit diesem damaligen geradezu wüstenähnlihen Zustande den heutigen Zustand dieser beiden Provinzen zu vergleichen. Dann würde doch vielleiht ein ge- wisses Gefühl der Dankbarkeit wenigstens vorhanden sein. Auf diese Provinzen hat Preußen für das, was sie einbrachten, weit mehr verwendet als auf alle anderen Provinzen der Monarchie (sehr richtig !), und thut das heute noch. Wenn die Polen mal geneigt sein wollten, die Lage derjenigen Provinzen, die aus dem alten Polenreih nicht an Preußen gekommen sind, mit der kulturellen Lage der Provinzen, die an uns gekommen sind, zu vergleichen, so würde wohl doh eine gewisse Stimmung der Aner- kennung und niht eine so feindselige Haltung Play greifen, und man würde dann die Sprache doch etwas mäßigen.

Meine Herren, es läßt sich ja garnicht verkennen für den, der historisch denken kann, daß die Gemüthsstimmung der Polen über die Schiksale ihres Vaterlandes in gewisser Weise nicht bloß natürlih, sondern au berechtigt ist. Das bestreite ich am allerwenigsten, und ich würde nichts thun und nihts vertreten, was diesen Gefühlen mit Unrecht entgegenträte. Aber die Geschichte hat nun einmal entschieden, und da wäre es richtig auch im Interesse der Polen selbst, sich aufrihtig und definitiv an den preußischen Staat anzuschließen (sehr richtig !), niht mit Hintergedanken. Wenn wir alle fest überzeugt wären, und die Polen brähten uns diese Ueberzeugung bei, daß diese Hintergedanken für eine andere Zukunft und staatliche Ordnung nicht existierten und nicht die Triebfeder einer großen Agitation wären, so würde wahrscheinlich die Möglichkeit gegeben sein, eine andere Politik, wie ih sie von Herzen wünschte, den Polen gegenüber zu treiben. Heute aber kann man geradezu sagen und es gereiht das ja der Energie der polnischen Nationalität in gewisser Weise zur vollen An- erkennung —, daß Sie die Offensive haben. (Widerspruch bei den Polen.) Sie sind nit in der Defensive, sondern in der Offensive. (Sehr rihtig!) Ich brauche nur auf Oberschlesien hinzuweisen. Wer hat die großpolnische Agitation in diese Länder hineingetragen, die nie zu Polen gehört haben ?

Ih will weiter heute auf diese große Frage nicht eingehen. Ich bin überzeugt, die preußische Regierung wird immer und hat immer unseren polnischen Ländern Gerechtigkeit widerfahren lassen nit bloß, sondern sie ist stets bemüht, na allen Richtungen, felbst mit den größten finanziellen Opfern, dort Kultur und Wohlstand zu heben. (Sehr richtig !) Ja, meine Herren, ih gehe weiter. Selbst dieses Geseß der Ver- wendung von 100 Millionen zur Ansiedelung von kleinen Besißern möchten gewiß viele andere deutsche Provinzen sehr gern au haben. (Sehr richtig!) Es hebt die Preise und hat die Preise gehalten. Es hat nah Polen folide, gut beleumundete, arbeitsame und fleißige Bewohner gebraht und dieselben vermehrt. Es hat dasselbe gethan, nuc in anderer Form, was Ihre Könige in alten Zeiten konsequent Jahrhunderte hindur gethan haben, nämlich die Zahl der deutschen Ansiedler in ihren Ländern möglihst zu vermehren. (Bravo!)

Abg. Motty (Pole) widerspricht diesen Ausführungen. Der große Staatsmann habe Deutschland geeinigt, das sei anzuerkennen ; aber seine Natur sei kriegerisch gewesen. Als der Krieg tenseits der Grenzen beeudigt gewesen, habe er im Innern Krieg durch das Sozialistengeseß, den Kulturkampf, die Polenge]eße geführt. Nachdem er von der Bühne abgetreten sei, solle die Regierung nunmehr mit

den Polen Frieden sieben, 2 E i

Abg. von Ploey (konf.): Die Ansiedelungsgüter stellen sih nicht billig, und wenn sie rentieren, so ist es der intelligenten Arbeit der Ansiedler zu danken. Im Gegensay zur ersten Zeit kommt die M ltelumeskommission jeßt den neuen Anfsiedlern mehr zu Hilfe, und ih bitte die Regierung, wenn sie kräftige Erxistenzen erstehen lassen will, eine ofene Hand für die Ansiedler zu haben und namentlich

die Renten zu ermäßigen.

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