1820 / 4 p. 2 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung, Tue, 11 Jan 1820 18:00:01 GMT) scan diff

E E S Pee A c Crt Aen

Einrichtung der Bauer des Landrathes oder der Bauer des Majors leichter Befreiung erhielt, als der Sohn eines freien Bauers, der das Unglück hatte, Niemand anzugehören. Denn die Nakur der Menschen und der Dinge bleibt sih immer gleich, und in Einem Jahr- hunderte gehen die Begebenheiten, bei übrigens glci- chen Umständen, gerade wie im anderen. Deswegen ist die Geschichte so léhrreih, und man kanù es als einen großen Fortschritt im Vetfaßungsroesen auschen, daß man überall zum Géeschichtlichen zurückgekehrt ist, und das leere Raisonniren aus Principien, wie Mö- ser es nennt, daran gegeben.

Wurde ein Hof erledigt, so sorgte der Graf dafür, daß dieser nicht mit einem freien Bauer ‘bésest wurde, sondern mit einem Knechte, der vielleicht bis jeßt als Häusler in einer kleinen Wohnung des Hofes geseßen ; und diese Familie des Knechtes liéß sich nun jede Be- dingung gefällen, auf die ihr der Hof übergeben wurde.

Andere Bauern, die sahen, daß diejenigen Bauern, die decn Grafen für ihren Herrn erkannten, es beßer Hatten als Tie, bielten es der Klugheit für angemeßen, den Grafén ebénfalls für ihren Herrn zu erfenuen, und ihm als folchen jährlich einen gewißen Zins von ibrem Gute zu geben. Sie verloren hiedurch das echte Eigenthum am Gute, und hörten auf {öf fenbare Männer zu scyn, eben weil sie ihr Echtwort verloren. H

In dieser Periode entwickelte sich auch das Lehn: wesen, was den Untergarg der fréien Landbauern un- gemein beförderte. Die Güter, auf denen die Fami- lien erloschen, oder denen fie im Kriege genommen ioorden, wurden nicht wieder einer andern Familie zu Erb und Eigenthum übergeben, sondern nur zu Lehn mit dem Veding, dem Lehnherrn im Kriege zu- zuziehen. Der Bauer, so auf ihnen saß, war also Lein eter Eigenthümer.

Sonst übte der Staat die Oberlehn über jeden ÄAcckerhof aus, und jeder Besißer wurde, wenn der Staat in Gefahr war, durch den Heerbann aufgebo- ten. Jet mußte jeder Lehnträger schon gerüstet aus: Ziehen, wenn er nicht vom Staate, sondern von sei: nem Lehnherrn aufgeboten wurde.

Bischöfe und Klöster hatten die Verbindungen und den Einfluß, den sie hatten, dahin benuyt, daß fie un: abhängig vom Grafen (vom Landrathe) geworden, in- dem sie eien Voigt (Advocatus) angenommen, der ihre Leute befehligte. j i ‘Die Bauern, welche nun unter der BVischofmüßte oder unter dem Prälatenhute standen, hatten es eben: falls beßer als die anderen, da fie doch ihre Hilfe in der Nähe hatten, und beide, der Bischof wie das Kio- ser, schon ihres eignen Vortheiles wegen, nicht wollten, daß ihre Bauern gar zu sehr geschunden und geplagt rwoürden. Andere Bauern, die dieses sahen, begaben sich ebenfalls in den Schus des Vischofs oder des Klosters, üÜbertrugen ihnen ißre Höfe, erkannten se als ihre Herrn und bezahltèa einen gewißen Zins. Hiedurch verloren sfe ebenfalls das echte Grundeigen: thum, obgleich sie vor wie nach auf den Höfen blie: ben. Allein sie hielten es für beßer, die gegenwärtige Ruhe mit dem Verluste der Freiheit zu erfaufen, und so den Plakereïen des Grafen zu entgehn, indem sie un- ter ihm weg und unter den Voigt des Klosters kamen.

Daß die Aufmahnung zum Heerbanne sich in ein Aufgebot verwandelt, die mannitio in eine ban- nitio, und daß der Graf aufbieten konnte, und gar nicht zu mahnen brauchte, das führte den Un- tergang der freien Landeigenthümer herbei.

Hierzu fam, daß die Grafen-Aemter nah und nach erblih wurden, wo also das, was eine Familie einmal in ihrem Gau an Gütern erworben, auch bei ihr blieb, bis sie nah und nach einen großen Theil des Gaues an sich gebracht.

Hiedurch fam es denn, daß der freien Hofbe: siger, so noch echtes Eigenthum besaßen, immer

N Es R E E E E L E E E i Mente r Tf E Et L A

weniger wurden, und daß der teutsche Ackerboden si überall in Lehn-, Pacht-, Zins- und Bauer- Gut verwandeltè.

Hiejenigen Familien , die in dieser Periode noch ehtes Eigenthum bewahrt hatten, zogen sich von den Pacht -, Zins - und Lehnleuten zurück, und hießen freie und shöffenbare Leute. Jn Urkunden: liberi und liberi scabini, Jhre Güter Freigüter oder freie Bankgüter.

Aus diesen Familien stammt unser alter landsäßi- ger Adel. Es sind die wenigen freien Bauer - Fami- lien, so noch Übrig geblieben, echtes Eigenthum bewahrt und keinen Herrn über sich er- fannt hatten.

Diese Familien sind also dadurch aus den andern Bauerfamilien hervorgehoben, nicht daß sie gestie: gen, sondern daß jene gesunken, nicht daß sie beßer, sondern daß jene s{lechter geworden.

Dieses waren die Ingenui der Teutschen, accht- bare und {offenbare Leute, die nun eine beson- dere Zunft oder Fnnung bildeten, da in der ganzen Welt das Gleiche sich zum Gleichen „gesellt.

Die Reichzbedienten, als die Grafen (Comites ), Dinggrafen (Vice - comites), ferner die Vögte (Advo- cati) der Klöster und ihre Stellvertreter die Dingvögte (Vice- advocati), alle diese wurden aus den freien und schöffenbaren Leuten genommen, und so kam denn vielfach Amt- und Dienst: Adel noch zum angebornen Land- und Bauer -: Adel.

Sie nannten sich nun, indem sie sich von den an- dern Landbauern und Dienstleuten (Min1sterialibus) schieden, Edle und Freie (nobiles et liben). Wenn sie in Urkunden als Zeugen erschienen, seßten sie ihre Unterschriften immer vor die der Dienstleure.

Ebenfalls heuratheten sie nichr in die Familien der Dienstleute, sondern heuratheten unter sich, so oie die: ses in jeder Jnunnung Sitte, wo der Meister wieder eines Meistecs Tochter nimmt.

Eine sonderbare Wendung nahm dieser Adel in der folgenden Periode,' wo ihn der Dienstadel üÜberwuhs, und wo er genöthigt war, sih mit diesem zu vermi- schen, um nur adektig zu bleiben.

Eine zweite Art Adel entwickelte fh nämlich aus dem Kriegsdienste, aus den Gefolgen (comitatibus). Diese bestanden blos aus Reiterei, welche nicht von ihrem Eigenthumè, sondern blos für Löhnung (bene- ficia) diente. Da diese Gefolge, so die Herzoge und Fürsten unterhielten, si beständig in den Waffen übten und unter sich die Ritterspiele einführten, so gelangten sie gar baid zu demjenigèn Ansehen, welches jeßt im Heere die Linie hat. Sie hatten in ihrer Verfaßung drei Stufén, indem nämlich einer zuerst gewiße Jahre als Simplex oder Waffenjunge, und wiederum gewiße Jahre als Famulus oter Knappe die- nen mußte, ehe er von der ritterlid(;en Zunft als Vliles (später Ritter) aufgenommen wurde *).

Diese Abtheilungen in Stufen war urält. Schon zu den Zeiten des Tacitus fand sie s\{ch in den Ge: folgen, wix man aus den Worten sieht: quin etiai comitatus ‘gradus habet,

_Von Anfang mochte der hohe und niedere Dien|- Adel aus dem vorhandenen hohen und niederen Land» Adel genommen werden. Fn der Folge aber nahm die Dienstmannschaft (näch dem gewöhnlichen Gange aller Gilden, die nur Meistersöhne aufüehmen) nur Dien fk- mannskinder zu Waffenjungen an, und konnte #0 leicht aus den andern Ständen keiner hineinkommen.

*) Siehe Möser über die Adelsprobe in Teutschland im 4. Bande der Phantasien. Gewdöhnlich diente einer vom I4ten bis 27sten Jahre als Famulus oder Knappe.

(Fortse6ung folgt.)

RNèdaktion in Aufsiht: von Stägemann. Reimershe Buhdruckcrei.

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Allgemeine

E

Preußishe Staats - Zeitung.

4 Stück. Berlin, den 11ten {Fanuar 1820.

L Amtliche Nachrichten.

Kronik des Tages.

Berlin, vom 11. Januar. Se. Königliche Majestät haben geruhet, den bisherigen Ober-Län- desgerichts-Vice-Präsidenten Morgenbeßer zu Kö- nigsberg in Preußen, zum Präsidenten des Dber - Lan- desgerihtes daselbst zu ernennen,

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Se. Königliche Majestät haben geruhet, den bisherigen geheimen Justiz- und Kammergerichts: Rath von Tettau zum Vice: Präsidenten des Ober: Lan- desgerichtes zu Marienwerder zu ernennen.

Der Justiz - Kommißarius Keus zu Dülmen isk auch zum Notarius publicus in dem Departement des Ober-Landesgerichtes zu Münster besteut wordon.

IL Zeitungs-Nachrichten.

Ausland.

Paris, vom 1. Januar. Jn der Sibung der Kammer der Abgeordneten vom 50. v. M tadelte Herr B. Constant die Faßung des Protokolls der leyten Sitzung, weil es bei aller Weitläuftigkeit dennoch die Verhandlungen nicht treu und erschöpfend wiedergebe. Während man die Aeuserungen der. Minister mit be- sondrer Sorgfalt auseinanderseze, gehe man über die EinroUrfe ihrer Gegner fiüchtig hintoeg»

Verschiedene Bitischriften wurden vorgetragen. Eine derselben, das Gesuch cines Officiers der Ehrenlegion, sei: nen Gehaltabzug betreffend, vekanlaßte den Generallieu: tenant Gr. Foy (von der Linken) in einer ausführli- chen Rede über die Behandlung zu klagen, welche das Institut der Legion seit dem Jahre 1814 erlitten, und das Schicksal ihrer wohlverdienten Mitglieder, die zum Theil von Almosen zu leben si genöthiget sähen, der Theilnahme der Kammer zu empfehlen. Man beschloß die Uebersendung der Bittschrift an den Präsidenten des Ministeriums und an den künftigen Ausschuß für das Budjet.

Die Rede des Grafen Foy, die ihm stellenweise bereits in der Kammer das laute Mißfallen der rech: ten Seite zuzog, indem ex z. B. die älteren Orden des heil. Geistes, des heil. Michael, des heil. Ludwig, Stiftungen unpopulairer Fürsten nannte, haben die royalistishen Tagesblätter hefcig gègen ihn angeregt. Man fragt ihn, ob der Stifter des Ordens der Ch: renlegion populairer gèwesen sey als der- Bekämpfer der Feudalität, Ludwig X.; man maeht ihm be- merklich, daß eben je6t die Popularität des Ordens vom heil. Michael einen Pair von Frankreich ( den Gr. Bertholet, einen bekannten Chemiker) veran- laßt habe, ihn abzulehnen.

Dagègen sînd die sogenannt - liberalen Tagblätter über die Beschlüße, welche die Kammer der Pairs bei Gelegenheit einer ungeziemenden Bittschrift zu Gun- sen der verbannten Königsmörder auf die Anträge des Marquis von Lally-Tolendal unddes Marschals Prinzen von Eckmühl gefaßt hat, in Bewegung ge: seßt worden. Die beschloßene Zerreißung der Bitt: schrift wird ein willkürlihes Parlemekuts - Urtheil gé- nannt. (Jn Anspielung auf das Urtheil des Parle- ments von Paris, welches den Vater des M. von Lall y ungerecht zum Tode verurtheilte, Als ob der

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Beschluß der Tagesordnung niht auch ein Urtheil, und „v 0b die Kammer der Pairs eine durch Uebéer- sendung solcher Bittschrift ihr zugefügte Schmach, ih Attributen gemäß, nicht zu rügen befugt wäre!) T “trag des Marschals Pr. von Eckmühl, daß ‘tionsausschuß solche Bittschriften in der Kam- d gt mehr zum Vortrage bringen solle, wird als ein Cingrisf ln das verfapungamäßige Petitionsrecht noch härter getadelt. Er könnte ader, insofern er die Angelegenheit des Bittsiellers blos von den Ansichten eines Auzschußes abhängig macht, nur dann wesent: liche Besorgnis erregen, wenn die Kammer der Ub: geordneten denselben Beschluß faßen sollte. Der aus dem entschieden : erklärten Royalismus des Prinzen vonEcckmühl gezogene Schluß, daß die Bourbons ihre treusten Anhänger uncer den vormals treusten Anhängern Bonapartes zu suchen haben, ist wol voreilig und zu gewagt. i Dieser Beschluß übrigens, und die von mehren Seiten eingehenden Addreßen wegen Erhaltung des MWahlgesezes, haben die Frage von dem Rechte der Petitionen im Allgemeinen, und insbesondere mit RÜck- sicht auf die Kollectivpetitionen in unseren Tagblät- tern angeregt und vielseitige Erörterungen veranlaßt. Das Journal de Paris unterscheidét das Recht der Vorstellungen (pétition) von dem Rechte der Be- s%werdeführung (plainte) und vetsteht, in Bezug auf einen an die konstituirende Versammluñg Üübêr diesen Gegenstand erstatieten Bericht; unter dem er- sten das Recht jedes Staatsbürgers, der Regierung über Gegen. stände der Gesebgebung oder Verwaltung, seine Ansichten und Meinungen mitzutheilen; unter den andern das Recht jeder Person, wider Beeinträch- tigung in ihren Rechten Sc{uß zu sucen. Das Recht der Petitionen éntspringe aus der Volks - Sou- verainität, und könne deshalb jeßt niht wéèiter - ein- geräumt werden 2. (Der Jrrthum ist Ra. Jede verständige Regierung wird über ihre Geseßge- bung und Verwaltung sehr gern alle Einfichken, die sich ihr dardieten, zu Rathe ziehen, und deshalb gern jedem Unterthanen das Recht gestatten, seine Bedenk- lihfeiten und Bemerkungen ihr mitzutheilèn, wie es bei uns im §. 156. Tit. 20. Th. 11. des Landrechtes ausdrücklih geschehen ist und wie dieses Recht bei uns von jeher ausgeübt wird, ohne daß irgend Js-