1820 / 46 p. 1 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung, Tue, 06 Jun 1820 18:00:01 GMT) scan diff

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E a R M E L A r Be: 2 R C - L

Landständishe Verfaßung des Großherzo0o4g- thumes Heßen-Darmstadt. (Schluß.)

Art. 17. Da über das neue Steuergeses, welches der ersten Ständeversammlung vorgelegt werden wird, nicht vor Ablauf des jevt ¿aufenden Rechnungsjahres entschieden werden kann, fo versteht es sih von selbst, daß die zur Aufrechthaltung dec bestehenden Ordnung und zur Erfüllung der Übernommen:n Verbindlichfkei- ten erfoderlichen Steuern für das zweite Semester die- ses Jahres von Uns, ohne ständische Bewilligung, aus: geschrieben werden müßen. In der Folge wird dann das Rechnungsjahr wieder mit dem Kalenderjahre zu- sammenfallen, was ohnehin in mehrfacher Hinsicht vortheilhaft ist. Art. 18. Die gesammte Staats: Schuld soll durch ein besonderes Geseß, welches Wir Unseren Ständen werden vorlegen laßen, und durch die Schaffung einer besonderen Staatsschulden : Til- gungs-Anstalt garantirt werden. Art. 19. Eine Ver- mehrung der Staatsschuld soll, ohne Einwilligung Un- serer getreuen Stände, nicht stattfinven, Wir wer- den darum auch keine Verhypothecirung Unserer Do- mainen, ohne Einwilligung Unserer Stände, vorneh- men laßen. Dagegen erkennen Wir in Hinsicht Un- serer Domainen feine Beschräukung durch ständische Konkurrenz an, in so ferne von Staats- und Regie- rungshandlungen, welche desfalls mit auswärtigen Staaten vorgenommen werden könnten, von Wieder- verleihung heimgefallener Lehen, von dem Verkaufe entbehrlicher Gebäude, der in anderen Staaten gele- genen Güter und Einkünfte, von Vergleichen zu Been digung von Rechtstreiten, oder endlich von bloßen Austauschungen , von Abibsung des Lehn - und Erv- lehnverbandes, der Grundzinsen und Dienste die Rede ist. Auch behalten Wir Uns vot, wenn Wir es für gut finden, von Unseren Domainen, zum Behufe der Staatsshuldentilgung, in geseßliczer Form veräußern zu laßen. Art. 20. Die polizeiligzen Gesche und alle über die gesammte Administration und cen Staats- Dienst zu eriaßenden Normative und Reaulative wers den Wir auch ferner, ohne ständische Konkurrenz, be- fannt machen und in Wirksamkeit seten. Bei allen anderen neu zu erlaßenden aligemeinen Geseven dage- gen, werden Wir eine definitive Wirksamkeit nicht ein- treten laßen, bevor Wir das Gutachten Unserer ge- treuen Stände vernommen haben. Wenn auch nur eine Kammer gegen das Geseß stimmt, so werden Wir der Vollziehung Anstand geben. Wenn Wir aber fort: dauernd von seiner Nothwendigkeit oder Nüslichkeit überzeugt bleiben: so behalten Wir Uns vor, es voll- ziehen zu laßen, wenn bei einer weiteren Ständever- fammlung, welcher Wir es vorlegen laßen, auch nur eine der beiden Kammern sich beifällig für dasselbe erklärt. Gesehe dieser Art werden Wir, vor dem verc nommenen Gutachten Unserer. Stände, auch nicht pro: visorisch vollziehen laßen, ausgenommen wenn sie sich mít direkt auf das Eigenthum und die Freiheit der Personen beziehen (wie die Gesetze über den Civilprozeß), und wenn dringende Verhältniße die provisorische Voll: iehung als nothwendig oder räthlich erscheinen laßen.

ir behalten Uns außerdem vor, das Gutachten Un- serer getreuen Stände au über solhe Gegenstände der Gesebgebung zu vernehmen, welche nur das In- tereße einzelner Provinzen betreffen. Art. 21. Die Kammern haben das Recht, Uns alles Datsjenige vorzu- tragen , was sie, vermöge eines übereinstimmenden Be- schlußes, für geeignet dazu halten, um an Uns, als eine gemeinschaftliche Beschwerde, oder als ein gemein- schaftlicher Wunsch gebracht zu werden. Wir werden verge Anträge jederzeit willig annehméèn, und, ín sofern Wir sie für gegründet halten fonnen, mit Ver- gnügen den Beschwerden abhelfen und die zu der Er: füllung solcher Wünsche erfoderlichen Verfügungen er- laßen. Art. 22. Jnsbesondère ertheilen Wir Un- sern ständischen Kammern die Befugnis, auf die in dem vorhergehenden Artikel bestimmte Art diejenigen Beschwerden an Uns zu bringen, welche sie sich gegen

S E E Le

das Benehmen Unserer Staatsdiener aufzustellen be- wogen finden könnten, indem es Unser ernstlicher Wille is, daß jeder Staatsdiener mit Sorgfalt und Püúnkt: lichkeit seine Pflichten erfülle, und nicht, ganz gegen Unsere wohlmeinenden und väterlichen Absichten, Mis=- trauen und Unzufriedenheit veranlaße. Art. 25- Einzelne und Korporationen tönnen sich nur dann an die Kammern Unserer Stände wenden, wenn sie in Hinsicht ihrer individuellen Jntereßen sich auf eine unrechtliche oder unbillige Art für verlegt oder ges drückt halten, und wenn -sie zuglei nachzuweisen ver= mögen, daß sie die geseßlichen und verfaßungsmäßigen Wege, um bei Unseren Behörden eine Abhilfe ihrer Beschwerden zu erlangen , vergeblich eingesc lagen ha- ben. Eine solche Petition kann dann den Ständen, wenn sie dieselde nicht alsbald oder nah der ihnen von Unsern obersten Behörden ertheilten Auskunft als ungegründet verwerfen, Veranlaßung geben, von dex in dem vorhergehenden Artikel ausgesprochenen Befugs nis der Besckwerdeführung bei Uns Gebrauch zu ma- chen. Ein Petitionsrect der Cin¡elnen und der Korz porationen in Hinsicht aligemeiner politischer Intereßen erkennen Wir dagegen nicht an. Diese Jntereßen zu prüfen und zu wahren gebührt blos der Versammlung Unserer getreuen Stände, und die Vereinigung Eins zeiner oder ganzer Korporationen zu diesem Zwecke ‘soll daher von Unseren Regierungsbehörden als eine polizeis widrige und strafbare Handiung betrachtet und behans delt werden. Art. 24. Unsere Stände sind Uns für den Juhalt ihrer freien Abstimmung nicht verantwort=- li. Dagegen shütt das Recht der freien M inungeso Aeußerung nicht gegen den Vorwurf der Verläuma dung, welche Einzelue in dieser Ueußerung etwa finder souten, und Wir sind nicht gemeint, in solchen Fâllen den Einzelnen das Klagerecht zu entziehen, welches ihnen gegen Verläumdungen nach den Gesehen zusteht» Klagen dieser Art sollen jedo nur dei Unserem Hofs Gerichte in Darmstadt angestellt werden fönnen. Für das Encferntbleiben unanständiger Aeußerungen hat der Präsident jeder Kammer nah dem Gesc(äftreglement Sorge zu tragen. Während der Dauer des Landtages sind die Personen, welche zu der Ständeversammlung gehören, keiner Art von Arrest, als mit Bew:lligung der Kammer, zu welcher sie gehören, unterworfen, den Fall einer Ergreifung auf friser That bei strafoaren Handlungen ausgenommen, wo aber alsbäld der Kams mer, zu welcher der Verhaftete gehört, die Anzeige des Vorfalies, mit Ent:xickelung der Gründe, gemacht wer- den soll. Art. 25. Ueber die Arc und Weise wie

Unsere Stände, wenn Wir einen Landtag ausgeschries |

ben haben, einberufen, wie ihre Legitimation geprüft und wie von ihnen die ihnen obliegenden Geschäfte be-

forgt werden sollen, werden besondere Reglements erc |

laßen werden. Art. 26, Wenn, nahdem Wir die Stände einberufen haben, die Legitimationen derselben geprüft worden sind, so werden wir den Landtag ent- weder in eigner Person, oder durch einen besonders dazu von Uns beauftragten Kommißair eröffnen. Die Stände werden bei dieser Eröfaung folgenden Eid

leisten: „Ich schwöre Treue dem Großherzoge, Gehors |

sam dem Geseve, genaue Beobachtung der Verfaßung und in der Ständeversammlung nur das allgemeine Wohl nach bester, eigener, durch keinen Auftrag be- stimmter Ueberzeugung berathen zu wollen.‘‘— Art. 27» Wir werden den eröffneten Landtag gleichfalls entwe- der in eigener Person oder durch einen besonders dazu beauftragten Kommißair schließen, und alsdann den der

- ständischen Versammlung schon vor dem Schluße mit:

getheilten Landtagsabschied Unsern getreuen Untertha- nen verkünden laßen. Urkundlich Unserer eigenhändi- gen Unterschrift und des beigedruckten Staatssiegels. Gegeben Darmstadt, den 18. März 1820. Ludewig.

Redaktion in Aufsicht: von Stägemann: Reimersche Buchdru@Æerei.

Allgemeine

Yreußishe Staats - Zeitung.

46 Stück. Berlin, den 6ten Junius 1820.

Vat

I. Amtliche Nachrichten.

Kronik des Tages.

Berlin, vom 6. Junius. Se. Majestät der König haben dem Königlich Hanöverschen Major v. Münchhausen den Königlich Preußischen St. Jo- hanniter-Orden zu verleihen geruhet.

Se. Königliche Majestät haben den bisherigen Ober - Landesgerichts : Referendarius Melzer zum Sradt -ZFustizrathe bei dem Land- und Stadtgerichte zu Franffurt an der Oder allergnädigst zu ernennen geruhet.

Se. Königliche Majestät haben allergnädigst geruhet, den Gutsbesigern, Ober-Amtmann Bl ock auf Schierau bei Liegnis, und Mügge auf Kummernidck bei Polkwiz in Schlesien, den Karakter als Amtsrath zu bewilligen und die darüber sprechenden Patente allerhöchst zu vollziehen.

“An das Kriegs-Ministerium. Die verhängnisvollen Jahre von 1806 bis 1813 haben viele auf halben Sold geseste Officiere in die

h Nothwendigkeit verseßt, ihre Gerechtsame als Mitglie- der der Officier - Witwen- Kaße aufzugeben und auf

die dereinstige Sicherstellung der Existenz ihrer Fami- lien zu verzichten. Jn der Rücksicht, daß der größte Theil dieser Jntereßenten des Jnstitutes ohne eigenes Verschulden dahin gebracht, und ihre Wiedereinseßung in die verlornen Rechte ohne Kosten-Aufwand zu be- wirken ist, will Jch dieserhalb Folgendes festseßen.

1) Es soll allen von 1808 bis 1814, wo die Pen- sionszahlungen wieder voll geleistet wurden, von der Officier:Witwen- Kaße exfludirten Mitgliedern , deren Ehen noch zur Zeit der Exklusion bestehen, jedoch mit Ausnahme derjenigen, die ihren Wohnsis im Auslande, oder die seit 1813 fremde Diensie genommen haven, die im Civildienste versorgt und der AlUgemeinen Wit: wen: Kaße beigetreten sind, und derer die faßirt ober ohne Abschied entlaßen wurden, die Wieder-Uufnahme in die Officier-Wittwen-Kaße unter nachstehenden Be: dingungen gestattet seyn.

2)’ Alle die, welche innerhalb zweier Jahre die rück- ständigen Beiträge und Zinsen nachzuzahlen vermögend sind, werden gegen Sicherstellung diefer Leistung, auf ihr Verlangen, als Mitglieder der Officier - Witwen- Kaße wieder anerkannt und gegen prompte Zahlung der laufenden Beiträge in das frühere Verhältnis wie: der eingese6t.

3) Denjenigen, welche dazu unvermögend sind und sich durch Atteste ihrer Ortsbehörde gegen die Officier- Mitwen-Kaße darüber ausweisen, sol die Zahlung der Rücéstände 2c. bis nach ihrem Ableben gestundet, und die Abtragung der lehteren alsdann durch Abzüge von der Pension der überlebenden Wittwe dergestalt be- wirkt werden, daß bei einer Pension von 100 bis incl, 150 Rrhl. ein Abzug von 20 Procent, von 200 bis 500 Rthl. inc], von 40 Procent, und von 350 Rihl. bis 500 Rthl. von 50 Procent jährlich stattfindet. Die prompte Zadlung der laufenden Beiträge durch Gehalts - und Pensions - Abzuge ist aber auch für diese Intereßenten unerlaßlich, und sie sind gehalten, bei dem früheren Absterben der Frau, damit fo lange fort: zusahren, bis die Rückstandsumme abgetragen ist.

4) Den Witwen son verstorbener excludirter Jn- tereßenten sol die Pension, mit der sie eingekauft waren, vom 1. Jul. c. a. ab gezahlt, zum Behufe der Tilgung der Rückstände aber, bei einer Pension von 100 bis. 150 Rthl. incl. -ein Abzug -von 40 Procent, bei einer Pension von 200 bis 5300 Rthl. von 50 Proc. und bei einer Pension von 550 bis 500 Rthl. von 60 Procent gemacht werden. Dieser Abzug vermin- dert sih bei vorhandenen unerzogenen Kindern der hier genannten Wüiwen aus der Che mit dem exfklu- dirten Manne um 10 Procent, ohne Rücksicht auf die Zahl der Kinder, jedochy nur so lange, bis das jüngite das 17te Jahr zurückgelegt hat.

5) Von Witwenpensionen unter 100 Rthl. findet wegen der Rüekstände weder bei s{chon vorhandenen noch bei éünftigen Witwen ein Abzug statt.

6) Eine Erhöhung des Einkauf - Kapitales findet bei der Wieder-Aufnahme nicht statt; die Verminde- rung nur unter der Bedingung, daß die RÜckstände nach der ursprünglichen Einkaussumme berichtigt roerden.

7) Der Antrag zur Wieder: Aufnahme der bei 2. und 5. aufgeführten Jntereßenten muß innerhalb dreier Monare vom Tage der Bekanntmachung dieser Bestim- mungen durch die öffentlichen Blätter bei der Officier- Witoen - Kaße eingehen, widrigenfalls darauf keine Nüfsicht genommen wird. Jch beauftrage das Kriegs- Ministerium diese Verfügung der Direktion des Jnsti- tutes mic der Anweisung bekannt zu machen, zwei: felhafte Fälle ungesäumt zu Meiner Entscheidung zu bringen. Potsdam, den 20. Mai 1820. ,

(gez) Friedrich Wilhelm.

Il. Zeitungs8-N ahrihten.

Ausland.

Frankreich. Die ausgezeihnetsten Mitglieder der Deputirtenkammer, sowol der linken als der rechten Seite und des Centrums, haben in den Dis- kußionen über die Abänderung des bisherigen Wahl: Geseges ihre Stimmen erhoben, nur zwei der vorzüg:

lichsten Gegner des neuen Entwurfes, Camille Fourdan und Chauvelin sind bisher durch Unpäß- lichfeir abgehaiten in den Sißungen zu erscheinen. Doch möchre Ulies, was sie noch hätten vorbringen éónnen, abgerechnet etwa die Gewalt der persönlichen Beredsamkeit auf die Gemüther, nit viel mehr Erz hebliches enthalten, als was François, Royer