1820 / 46 p. 2 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung, Tue, 06 Jun 1820 18:00:01 GMT) scan diff

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Collard, Courvoisier, Benjamin Constant Bignon u. m. a. con ausgesprochen haben. Al- les haben diese aufgeboten, um die alte Wahlordnung zu retten, und man kann wol sagen, sie haden mchts auf dem Herzen behalten, vielleicht haben sogar einige derselben Manches als Mittel zu ihrem Zwecke ge: braucht, wás nicht eigéntlih aus ihrem Herzen fam: nämlich die Behauptung, daß durch den neuen Entwurf gerade der Thron und die legitime Dynaskie würde gefährdet werden. Es is darum auch in den royalistisch Französishen Blättern als eine auffal- lende Erscheinung bemerkt worden, daß z. B. Big- non sich so theilnehmend und besorgt für den Thron und die regierende Dynastie erflärtr. Die Minister ader und die Redner der Regierung, welche in der Depu- tirtenfammer jenen Gegnern antworteten, heben es als ein erfreuliches Zeichen heraus, daß sich hier eine Ge: legenheit gezeigt habe, wo sih alle Glieder der Kam- mer in diesem für Frankreichs Heil so wichtigen Punkte begegnet hätten. Sondert man indeß Ulües von den vielen langen Reden ab, was bioße Deflamation, Uebertreibung und Eingebung leidenschaftliczen Par- theigeistes ist, so möchre Nachstehendes das Wesent: liche seyn. i

Der néue Entwurf, behaupten deßen Gegner, ist mit der Charte im Widerspruche, weil er ihren Will- len, daß alie Personen, die 300 Franken Steuer ent- richten ein Wahlreht haden solüen, vereitelt, und dies Recht einer höher besteuerten Minorität Uder- giebt; er bildet demnach eine neue Aristokratie, die der Buchstabe und der Geist der Verfaßung ver- wirfr und mit der ausgesprochen.n Gleichheit der Rechte nicht verträglich ist; und diefe fonstitutionelle und verfassungswidrige Aristotratie wird um sto ge: fährlicher für die Aufrethaltung der Charte, der konstitutionellen Rechte und ihrer ganzen Grundlage, als der begütertste Theil der Nation noch immer der alte Adel ist, dieser mithin in den Departements-Kol: legien die Mehrheit ausmachen und die Wahlen auf Mitglieder scines Standes lenken wird. Fener Adel habe aber s{on seinen Sis in der konstitutionellen Pairkammer, und die Ausdehnung seiner Rechte auf solche Weise müße ihm nothwendig nicht blos eine den Freiheiten des Volkes nachtheilig werdende Ge- walt, sondern auch eine Stellung geben, die dem Throne selbst Gefahr drohe; denn der Thron Franfreichs beruhe jeßt nicht auf cem Srüßpunfte einer privelegir- ten Kaste, sondern auf dem Jntereße und der Liede allèr Franzosen, und, um es mit den Worten Courvoisiers auszudrücken, auf treuer Erhaltung der gegebenen Institutionen, die der König nicht deshalb gegeden, daß man sie gleich jeder eingebildeten Gefahr wieder opfre. Gefahr sey nur vorhanden, wenn man seinen Mitbürgern mistraue; Vertrauen gewinne sie, und dies Vertrauen verlege der neue Entwurf, indem er jene Aristokratie wieder schasse und belebe, welcher die Nation in eben dem Maape widerstrebe, als sie aus Bedürfnis unt Neigung den Thron und die kd: nigliche Macht wolle.

Alle diese Einwendungen werden von den Freunden des neuen Entwurfes in ihren faftischen Umständen für ungegründet und în ihrez Besorgnißen für chime: risch erflart; und besonders ist es merkwürdig, daß sie gerade nothwendig fanden, die Jdee der toiedererste: henden Aristokratie, und durch sie das Wiederaufleben

des alten Adels als ein Ding der Unm5glichkeit zu be- trachten: unmöglich, weil dieser Adel unwiderbringlich vertilgt und sein Wiedererwachen mit dem Geiste und Gange der Zeit unvereinbarlich sey. Wohl aber müße das große und wichtige Am?! der Deputirten: Wahl Personen anvertraut werden, die durch Ei- genthum und Besiß vor andern ein JIntereße hätten, daß Franfkreihs Thron, Ruhe und Sicherheit nicht dèm Partheigeiste preisgegeben werde; und wenn, sagte der Minister Pasquier, dies eine Aristokca- tie schaffen heißt, so wollen wir uns diesen Vorwurf gern gefallen laßen; eine solche Aristokratie steht nicht

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| ausschließlih irgend einer begünstigten Klaße zu, eite

solche ist gerade die natürliche und nothwendige Re:

präsentation aller großen und wahren Jntereßen der | Gesellschaft: des Handels, der die Nationen verbin: det und bereichert, des Acerbaues, der sie nährt, der Waffen, die sie beshüßen, der- Künste und Wißen: schaften, die sie auftlären, und der Religion, die ste | heiligt und erhebt und den Himmel mit der Erde in Bund bringr. Eine solche Aristotratie ist das Be: | dürfnis aller großen Nationen, also auch das Bedürf:

nis Frankreichs. Daß man an einem Gegenstande von solcher Bedeutung, | der so umständlih berathen, so von der verschiedensten

Seite beleuchtet und mit dem lebendigsten Eifer, mit allem Reichthume der Sprache und aven Künsten der

Beredsamkeit verfochten wird, den lebhaftesien Antheil

nimmt und auf den Ausgang der Dedbaitten gespannt ist, bedarf feiner Erwähnung.

Der neue Bischof von Strasburg, Prinz Croy, welcher am 20. Mai vonder Haaptkirche seiner Did- cese, dem beühmien Münter, Besiß nahm, stammt aus dem alten Belgischen Hause Croy Havré ab, Der königliche Pallast zu Strasbura, von dem er einen Theil bewohnt, war fiüher die bishöflihe Residenz; die Stadr erwarb späterhin das Eigenthum dieses Pal: lastes, mußte dasselbe aber nahinals an Bonaparte abtreten, welcher die Absicht hatte, in mehren großen Städren des Reiches kaiserlihe Palläste zu errichten; indeßen blieb diese, wie manche andere, unerfüilt, und gegenwärtig ist der erwähnte Pallast Eigenthum det | Königes. |

Auf die vom Herzoge von Levis in der Pair: Kammec unlängst gemachten Anträge zu Errichrung erblicher Elektorate oder Majorate, erwidert der Kon: stitutionel, daß diese Anträge lediglich die Tendenz hätten, des Repräsentationsrecht in die Hände weniger großen Gruudeigenthümer zu bringen ; daß, sobald man Majorate für die Erstgebornen errichte, man auch Pfründen, Sinecuren und Klöster für die Nachgebor: nen stiften müße, und daß die traurigen Resultate niht außer Acht gelaßen werden sollten, welche das System des großen Grundeigenthumes in England hervorgebracht habe.

Spanien. Jeder Tag vermehrt die Anzahl der | öffentlichen Blätter; die meisten Städte haben schon | ihre eigene Zeitung. Jn gleichem Verhältniße wächst die Zahl der patriotishen Vereine. Jn Badajoz ha: sich so eben ein solcher Verein gebildet, der mit jenem | von Tudela von Barcelona, Arragon, Logranno und Madrid in Verbindung steht. Der zu Malaga be: stehende Verein gibt ein eigenes Blatt heraus, in} deßen dritter Nuramer er den Bischof der Stadt in f einer Addreße auffodert, dem unbedachktsarnen Eintwir: | ken der Priester auf die Wahlen der Abgedrdneten Schranken zu seßen. „„ Spanien, heißt es in dieser Addreße , bedarf Eintrachr, nicht Zwiefpalt; Geseh: geber, niht Partheihäupter; Vertreter des Volkes, nicht Bevollmächtigte eines einzelnen Standes; Pu: | blicisten des 19ten Jahrhunderts, nicht bloße Routi: | niers aus dem 15tenz Cortes und nicht Concilien; Patrioten, und nicht Egoistenz Verbeßecungen, un? nicht veraltete und verderbliche Staatseinrichtungen."

Die Junta und der Staatsrath haben die Aufhe bung der Jesuiten vorgeschlagen ; allein aus dem Bl: | reau bes Ministers Porcel soll wegen Beibehaltunj derselben ein Dekret erlaßen seyn. |

Mehre öffentliche Blätter verhandeln die Fragt ob Spanien zwei Kammern habkn solle. Der Conset: vador seßt die Schädlichkeit eines Oberhauses aus einander.

Auf den öffentlichen Plägen aller Städte von Bt! | deutung is ein großer Granirstein (auf dem die Ver- | faßung eingegraben) das dem Zahne der Zeit Fahreau? sende lang trogende Denkmal des festen Kastiliscpen Wilh

lens für die künftigen Zeitalter. Das Sinnbild des Französischen Revolutionsshwindels war ein Baum, deßen Blätter welken, deßen Früchte in Fäulnis un- tergehen, und der selbst alt und morsh ein Opfer des Sturmes wird.

Der berühmt gewordene Mina hat fast immer auf dem Lande gelebt; seine Sprache ist beinahe ganz die des Navarresishen Bauers. Er spricht wenig ; und muß er reden von dem was er that, so geschieht es mit der größten Bescheidenheit und so, als sey er da- bei niht Führer, sondern nur mithandelnde Person gewesen. Von wißenschaftlicher Bildung, von Schul: Kenntnißen darf man nicht viel in ihm succken, und selbst das Schreiben möchte ihm shwer werden. Jm Hause ist er ein schlihter gewöhnlicher Mensch : aber ein Mann, und ein ganzer, auf dem Kriegsfelde. Hier set sein Schnellblik, seine Ge1istesgegenwart, seine rasche Kühnheit so Feind wie Freund in Erstau- nen. Er muß den Feind und das Feld jehen, wenn ihm der Geist erwachen soll. Würde er demnach seinen jetzigen Gouverneur-Posten nicht behaupten, so wird dennoch das Vaterland den Mann nicht verlieren, son: dern beim ersten Kriecs8rufe in ihm den ersten der Guerilla-Führer wiederfinden.

Die bei der Französischen Regierung von Sr. Ma- jestät dem Könige angebrachte Beschwerdeführung über die unziemlichen Ausfälle der Französischen Blätter ge- gen die Spanische Konstitution und gegen das wür- dige Benehmen der Spanischen Nation ist von er: wünschtem Erfolge gewesen.

Bis zur Versammlung der Cortes ist den Klöstern die Annahme von Kloster-Gelübden und die Veräuße- rung von Grundsiücken untersagt; der Werth sämmst- licher geistlichen Besißungen im ganzen Reiche beläuft sch nach dem Konstitutional auf 1500 Mill. Thaler.

Das merkwürdigste Neue aus diesem Lande ist, erstlich das Dekret des Königes, wodurch diejenigen 69 Depu- tirten, welche i:n Jahre 1814 gegen die Konstitution der Cortes protesticten, bis zur Zusammenkunft der Cortes außer Wirksamkeit gesest und in Klöster verwiesen werden ; zweitens die Bekanntmachung der Antworten des Französischen, Englischen, Niederländischen und mehrer anderer Hofe auf die Notifikationen des Köni- ges wegen Annchme der Konstitution, und drittens die geshehene Ernennung der elf Wahlherrn für die Stadt Madrid, unter welchen sich auch der ehemals so ver- folgte Quintera neben anderen in der Revolution bekannt gewordenen Männern befindet.

Groß: Britannien. Nach neueren Blättern, wird die Herzogin v. Cambridge nichr nah Kaßel gehen, sondern ihren Gemahl zur Krönungsfeierlichkeit nach London begleiten.

Nachrichten aus Bristol zufolge gehen die Woll: Preise sehr bedeutend herunter.

Einem alten Gebrauche gemäß feierten dies Fahr die Schülor auf dem Gymnasium zu Eton, das alle drei Fahre wiederkehrende Fest Eton-Montem, das den Zweck hat, dem ältesten der zur Universität abgehen: den Gymnasiasten, eine gefüllte Börse mitzugeben; am Eingange des Schulgebäudes faßen nämlich sämmt- lie Schüler, höchst elegant gekleidet, Posto, und preßen von jedem Vorübergehenden eine Beisteuer, die sie Salz nennen, und darüber durch einen fleinen Zettel quittiren. Auch der König ward von ihnen an- gegangen. Er reichte ihnen lächelnd eine Note von 100 Pfd. und sleckte seine Quittung auf den Hut.

Lord Guildford ist zum Kanzler der Jonischen Universität ernannt worden, die auf Jthaka errich: tet wird.

_ Philadelphia. Zur Verhütung des Menschen- Stehlens hat die Legislatur von Pensylvanien sehr

strenge Verbote erlaßen müßen, deren Uektertretern be-

deutende Geldskrafen, und außerdem 7 bis 21jährige Swangsarbeit angedroht werden, Jm vorigen Jahre

wurden zwei und zwanzig Millionen Centner Baum- Wolle aus Jndien nach China geschafft.

Baiern. Der Banquier Westheimer zu Mün- hen hat 300,000 fl. zur beßeren Versorgung der Re- sidenz mit gutem Trinkwaßer besiimmt ; der dafür von den Hauseigenthümern zu entrichtende Waßerzins soll an die Stadtarmen jährlich veriheilt werden.

In Franken verspricht man sich dieß Jahr wieder eine vorzüglih gute Weinerndte.

Mainz. Der Kaiserl. Oestereichische Hofrath v. Schwarz ist des Prásidii der Bundes:-Centralunter- suhungs-Kommißion entbunden, und an deßen Stelle der Königl. Preuß. Präsident des Oberlandesgerich1es zu Halberstadt, v. Kaisenberg, zum Präsidenten ge- dachter Kommißion erwáhlt worden.

Der Mechanikus Reitmayer hieselbst hat eine Maschine erfunden, welche die Last eines beladenen Schiffes auf’s genaueste angeben soll.

Herzogthum Naßau. Nach dec Stimmen- Mehrheit in beiden Stände- Kammern ist zur Bestrei- tung sämmtlicher Staatsverwaltungsausgaben mit 4us- schlus des Äufroandes für die reg. Farailie und den Hof- staat, der Apanagen, Pensionen und des Kultus, welcher im Naußauschen aus den Domanial-Einkommen bestrit- tei wird, die Summe von 1,461,556 Fl. für das Fahr 1820 bewiiligt worden, Die Anfobverungen der Regie- rung wichen nicht bedeutend von den Verrwroilligungen ab, und erstreckten fich auf einige nüßliche Unterneh- mungen, roelhe die Landstände jedoch der Zukunft vorzubehalten für zweckmäßiger hielten. Die ODepu- tirten schränften die Ausgaben möglichst ein, um den Steuerpflichtigen bei den niedrigen Fruchtpreisen dieses Jahres die Steuer-Entrichtung nach Kräften zu erleichtern. Ueberall bewährten beide Kammern, daß ste die Wichtigkeit des ihnen zustehenden Rechtes und des ihnen anvertrauten Wirkungskreises fennen. Den durch die neue Militair-:Organisation Überzählig wer- denden Officieren eines aus den Niederlanden jebt zu- rückfehrenden braven Regimentes bewilligten sie fort- während die volle Gage. Das Deficit der früheren Jahre von 50,209 Fl. bewilligten sie nur dann, als fe, durch genauere Einsicht in die Rechnungen dieser Jahre sich Überzeugt hatten, daß es durch die, in Folge der gesunkenen Fruchtpreise und des stockenden Verkehres im Ullgemeinen verminderte Einnahme entstanden war.

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Aachen, vom 22. Mai. Des Königs Majestät haben durch eine alerhöchste Kabinetso-dre vom 4. l. M. die künftige Einrichtung des Justizwesens in den Rheinprovinzen festzuseßen, und bei dem Landge- richte zu Aachen zu ecnennen geruhet :

Zum Präsidenten, den Präsidenten bei dem Kreis: Gerichte zu Mühlheim, H offmann; zu Landgerichts: Räthen: den provisforisch mit dem Vorsiße beauftrag: ten Richter bei dem Kreisgerichte zu Aachen, Dou ven, den Richter bei dem Kreisgerihte zu Krefeld, Erleweinz die Richter bei dem Kreisgerichte zu Ag- chen, Blumhofer und Brewer; den kommißa-: rischen Richter bei demselben Gerichte, Schippers; den Michter bei dem vormaligen Kreisgerichte zu Mühlzeim, Kreyz den ehemaligen Richter dei dem Kreisgerichte zu Köln, Mitglied des dortigen Gemein- derathes, v. Heinsbergz den Rathsauditor bei dem vormaligen Appellationshofe zu Köln, von Fürth; desgleichen die fommißarischen Richter bei dem Kreis: Gerichte zu Aachen, Geuljans und Kommer; den Substituten des Staatsprokurators bei dem Kreisge- richte zu Köln, Daniels, und den Assessor bei dem Land - und Stadtgerichte zu Nordhausen, Brugg e- mann. Zum Ober:Prokurator, den Kriminal-Proku- rator Biergans zu Aa%§enz; zum ersten Prokurator den Assessor dei dem Land» und Stadtgerichte zu Lu-