1820 / 55 p. 2 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung, Sat, 08 Jul 1820 18:00:01 GMT) scan diff

doch noch immer große Mängel habe, namentli den, daß noch immer ein demofratishes Element darin herrsche. | :

„Dex demokratische Theil unseres Regierungssyste- mes, in die Deputirtenkammer gelegt, is ein noth: wendiges Element unserer politishen Organisation. Aber dieses seiner Natur nah so thätige Element kann, wenn es niht durch Vorsicht- Maasregeln im Zaume gehalten wird, leicht alle andere und sich selbsk verzehren. Die Demokratie, der Autorität gegenüber, nimmt gern feindselige Formen an; heftig ist ihre Sprache, ihre Kraft verschmäht die Mäßigung, nicht selten besteht ihre ganze Kunst in Uebertreibungen und mit einem Worte, sie ist in der Regel weit mehr geneigt Leiden: schaften aufzuregen, als zu besänftigen, und in die Region der Stürme schleudert sie die Blige ihrer volésgefälligen Beredsamfkeii. Aber diese Thätigkeit hat auch ihre Vorzüge. Wenn sie auch der Regierung nicht immer bequem, oft sehr lästig ist, so machr sie doch manche Mängel, manche Näthläßigkeiten der Ver- waltung bekannt und kommt ihren Anmaßungen zuvor. M muß das démokratische Element in unserem gesel- schaftlichen Mechanismus zwar seine Stelle und seinen Einfluß behalten, aber beide müßen weiser geregelt wer: den, als es in dem bisherigen Wählueseße geschehen, welches diesen zu weit aysdehnte und alles Gleichgewicht der größeren Eigenthümer gegen die geringeren, ih: rer Natur nah beweglicheren und zu Veränderun- gen geneigteren' aufhob. Dies Gleichgewicht wird durch die den Begütertsken ertheilte doppelte Wahl: Stimme hergestellt; eiù Unbedeutender Borzug im Interéße der“ Jndividuen, sehr bedeutend im Jn- tereße des Eigenthumes und folglich auh des Staa- tes; je mehr man náächdenkt, ‘je weniger findet man Ursache einen ‘nachtheiligen Einfluß dieses Bor- zuges auf das gemeine Wesen und auf die Rechte der Einzelnen zu befürhten. Denn das Eigenthum selbst ist frei, wie Alle die, welche es bebauen ; es giebt un- tér ihnen feinen Adel - und keinen gemeinen Stand mehr, und der bloße Glüszufall hält heute den einen noch in dem zweiten Range der Wähler zurück, aber die Hoffnung in den ersten hinaufzusteigen, bleibt ihm unbenommen, durch bein Geses beschränkt, das für Alle gleich ist, wie für Alle die gleiche Wohlthat des Himmels und des Bodens; kein Privilegium klebt an diesem und fein persönlicher Vorrang hemmt die Gunsf des Glückes und die Fortschritte des Fleißes. Eine sonnenklare Jukonsequenz ist es, wenn in der Deputirtenkammer behauptet worden, daß die Pair- Kammer schon ein hinreichendes aristokratisches Element und schon genug Garantie dem größeren Eigenthume gebe, und doch von den nämlichen Personen die Be: hauptung aufgestellt sey, daß unsere Konstitution und Unsere Sitten gar keine Aristokratie vertrage. Ge- nug der Einfluß dieser Art Aristokratie ist bisher zu gering gewesen und bedarf der Verstärkung, und zu diesem Zwecke müßen beide Kammern gemeinschaft: lih wirken. Einige kaum merkliche Stufen nähern heide Kamgiern einander; und wenn auch ihr Geist nach der Verschiedenheit ihrer Zusammenseßung nicht ganz gleih seyn kannz so darf er doch nit feindselig ge: geneinander seyn.“

Der Präfekt des Seine - Departements hat an die fämmtlihen Maires der ländlichen Kommunen ein Schreiben erlaßen, worin er ste vor den Umtrieben der Unruhstifter und Aufrwoiegler warnt und mit aus- drücklichen Worten die von ihnen ausgesprengten Ge- rüchte , daß die Zehnten und das Lehnwesen wieder hergestellr und die Verkäufe der Nationalgüter wider- rufen werden würden ‘’ abgeschmaäckt und alle Besorg: uiße deshalb eben so cchimärisch als unsinnig nennt; noch niemals und unter keiner der früheren Regierun: gen sey der Besiß der Na1ionalgüter so gesichert ge: wesen, als unter der gegenwärtigen; noch niemals sey die Wiederherstellung der Zehnten und des Lehn- Wesens. so unmöglich als jegt gewörden. Denn gerade um alles Bestehéènde zu erhalten und die vorhande-

J nen Jntereßen zu hüten, sey das neue Wahlgeses

egeben, und das bisherige darum verändert, weil die

afcionen sich deßen zu bedienen gesucht, um das Be:

stehende umzustürzen, Bürger gegen Bürger zu be: waffnen und so den Verlust allec Freiheiten und aller Garentien herbeizuführen, die der gute König gegeben

habe und aufrecht erhalten wißen wolle.

Bis zum 1. Julius reichen die nêusten Pa: riser Zeitungen. Jun der Sitzung der Pairkammer vom 27. Jun. war die Diskußion über den Wahl- Eniwurf im allgemeinen geschloßen, und am 28. Jun.

Languinais brachte eine Verbeßerung des ganzen Entwœutfes in Vorschlag, mehre andere Pairs, als

Valens ju. a. m. Vecbeßecungen einzelner Artikel, aber alle wurden verworfen und der ÉEntcourf untei deutender Mehrheit, angenommen. Der König hat Moniteur vom 30. macht nun das neue Geses in

aller Form seinem ganzen Jnhalte nah Nächstens werden wir es volijtäudig mittheilen.

Jn der Deputirtenkammer sind die Diekußionen über dcs Budget fortgesest. Der Bedarf für das See-Ministerium ist angenommen; aber über den des Finanz-Ministeriums sind die Debatten noch im lebhaf testen Fortgange.

Der Moniteur vom 1. enthält unter andern fol gende Nachricht: Der General Donadieu der erklärte Feino des Herzoges Decazes, ijt am 30. früh auf B:fehl des die erste Militair - Division kommandirenden Generallieutenants nah dem Mili: tair- Gefängniße der Abtei geführt worden. WMan versichert, daß diese Maasregel durch die eben so fals schen als ungeziemenden Behauptungen, welche sich der Vicomte Donadieu in einer Unterhaltung init dem Präsidenten des Miaister:- Rathes, Herzog von Richelieu, erlaubt hat veranläßr worden; gevachter Präsident war vom Könige selbjt beauftragt ihm seine Willensmeinung zu eröffnen, und es muß daher ein solches Betragen gegen den ersten Verroahrer der kó- niglichen Autorität, als eine schwere Verlepung der Pflichten, die besonders den in der Armee Sr. Maj. angestellten Militairs obliegen, angeschen werden,

Der Herzog Decazes ist auch Monsteur, Madam und dem Herzoge von Ungouleme vorge\tellt worden; das neuste Journal de Paris (wie vekanntlich ein ganz ministerielles Blatt und gemeinhin Vorläufer des officiellen Monireurs) meldet: daß der gedachte Herzog am 7. oder 8. Paris verlaßen und fich nah London begeben werde, um die von vem Könige ihm anvertraute ehrenvolle Mißion anzutreten.

__ Der Moniteur giebt einen ausführlichen Bericht Uber die unruhigen Bewegungen in einigen Departe: ments-Städten als namentli zu Nantes, Brest 2c., und zieht aus dem Zusammentreffen und der Simäl: tanität der Auftritte das Resultat, daß die Absichten der Aufwiegler unverkennbar seyen.

Die angefangenen Arbeiten in Domremy zur Wie- derherstellung des Hauses wo die Jungfrau von O r: leans geboren, und des zu ihrer Ehre zu errichtenden Denkmals, sind in voller Thätigkeit, Jn dem Haupt: Zimmer hat man gewißenhaft das Holz, die Steine, die Mauern und andere Gegenstände aus der Zeir des berühmten Heldenmädchens aufbewahrt.

Nächstens wird die wichtige Frage, ob ein Fran: zose, wenn er sih in England niedergelaßen und vom Könige daselbst patentmäßlg naturalisirt worden, dadurch in Frankrei die Eigenschaft eines Franzosen verliert, von dem königlichen Gerichtshofe zu Paris eni1schieden werden.

Spanien. Den 69 Deputirten, welche im Jahre

1814 beim Könige darauf angetragen, die Konstitution

begannen die Debatten der einzelnen Urtifkel, Graf | Graf Montalivet, Herzog von Broglie, Graf |

200 Stimmenden mit 141 Stimmen, folglich mit be- | auch schon am 29. die Bestätigung ertheilt uad det

bekannt. |

abzuschaffen, soll, nah dem Beschluße der bereits ver- fammelten Cortes, der Prozeß gemacht werden; in- deßen dürfte diesem Beschluße die vom Könige ausge: gangene allgemeine Amnestie: Erklärung entgegen ste: hen, nah welcher jedes frühere politische Vergehen ver:

geben und vergeßen seyn soll.

Die bisher verfkeßerten Freimaurerlogen verbreiten

sich nun durch das ganze Land.

Was an der Staatsanleihe von 40 Mill. Realen, zur Zeit noch fehlt, werden einige wenige Kaufleute zu Kadix zusammenschießen, und zwar ohne Zinfen.

Groß-Britannien. Die Nesolution des Un- terhauses, in welcher dasselbe den Wunsch äußert, ei: ner Untersuchung überhoben zu werden, die, wie sie auch ausfallen möge, doch nur im Gemüthe der Kö- nigin unangenehme Gefühle heroorbringen,, die Hoff: nung des Parlamentes unerreicht laßen, die Würde der Krone benachtheiligen, und dem Jntereße des Lan: des schaden werde, Überreichte Herr Wilberforce an der Spive einer Deputa:îon, der Königin am 24. Jun. Jhre Antwort darauf ist folgende : :

„Mit Gefühlen des Dankes vernéhme Jch jeden vom Unterhause gemachten Veruch, durch seine hohe Vermittelung diejenigen unglücklichen Verhältniße in der Königl. Familie zu besci.igen, deren Existenz kein Mensch niehr als Jch scibst zu beklagen hat, und Jh erfläre es mit der aufrihtigsten Wahrheit, daß die Auegleihung dieser Streiiigkeiten durch die Autori- tát des Parlamentes, bervhend auf Grundsäßen, welche mit der Ehre und Würde beider Theile verträglich find, noch in diesem Augenblicke der innigste Wunsch Meines Herzens ist. J kann Mich nieht enihalten, Meine Dankbarkeit über die herzlihe Sprache, in wel: cher diese Resolutionen obgefaßt sind, zu erkennen zu geben. ' Sie zeigt Mir, daß das Haus der treue Repräsentant des großmüihigen Volkes if, dem Jch Üüberschwenglihe Daukbarkeit sag;,uldig bin und dem Ich nie dafür vergelten kann. Jch sehe es ein, daß Jch Mich der Gefahr ausseze, Denje- nigen zu wmisfallen, die vielleiht in kurzem die Nich- ¿er Meines Verfahrens sern werdenz aber Jh er- roarte vertrauenvoll von threr Biederfeirt und von ihrem Ehrgejühle, daß se in Meine Gefühle, welche allein Meine Beweggründe leiten, eindringen wer: den. Es würde Mir schlecht anstehen, die Macht des Parlamentes, oder die Art, in welcher dasselbe zu jeder Zeit diese ausführt, zu bezweifeln; aber sd sehr Ich auch die Nothwendigkeit, Mich der Autorität des: selben zu unterwerfen, einsehe, fo kann ein solcher Vor- \hlag dennech nur von Meinen eigenen Vefühlen und von Meinem Gewißen, und zwar nur von diesen allein entschieden werden. Als eine Unterthanin des Staa- tes werde Jch Mich mit Ehrfurcht, und, wenn es mög: lih ift, ohne zu murren, vor jeder Afte der souverai- nen Autorität beugen ; aber als eine angeflagte, eine beleidig!e Königin, bin Jch es dem Könige, Mir selbst und alien Meinen Neben: Unter: hanecn schuldig, nicht in das Opfer eines wesentlichen Privilegiums zu willi: gen, oder Meine Ansprüche auf diejenigen Grundsäze der öffentlichen Gerechtigkeit zurück zu nehmen, die sowol dem Höchsten als dem Niedrigsten zum Schub dienen. ‘‘

Fn der, an die im Parlamente versammelten geist: lihen und weltlichen Lords gerichteten, am 26. Jun. dem Hause überreichten Bittschrift der Königin, ver- langt diese die genauste Untersuchung ihres Be- tragens, aber sie protestirt gegen eine heimliche. Sie wünscht keinen Aufschub; da ihre Vertheidigung in: deßen auf ausroärtigen Zeugen beruht, die unter meh: ren Wochen in England nicht eintreffen können : st0 hofft sie von der Billigkeit des Hauses, daß es auf diesen Um Fand Rücksicht nehmen werde.

Herr Brougham nahm, nach Vorlesung dieser Vittschrift, sofort als Anwalt Königin, das Wort, dat, zu Herbeischaffung der erfoderlichen Zeugen, um eine Frist von zwei Monaten und ließ fich vorläufig

über die Zeugen der Gegenparthei aus, unter denen sich ein Kammermädchen befinden solle, das, weil es aus der Chatoulle der Königin 400 Napoleonsd’or ges siohlen, des Dienstes entlaßen worden sey. Lord Castlereagh betheuerte hiérauf, daß die Minif?er des Königes sich .alle mögliche Mühe “gege- den hätten, die unglücklihe Stieitsache in Güte bei: zulegen; da aber alle ihre Versuche vergeblich gewesen wären u. Jhre Majestät sich selo# eine beleidigte und angeklagte Königin nennten: so bleibe ihm, um das Ende der Gerechtigkeit zu erreichen, tein anderes Mit- tel Übrig, als eine Untersuchung des Betragens der Königin sobald als möglih anzufangen, besonders da es Ihre Mazestät selojt zu wünschen scheine, daß eine ¿fentliche Untersuchung stattfinden solle. „„Jch bin ge- wiß überzeugt, sagte der Lord, daß in den Anna: len des Landes kein Beispiel aufzufinden ist, nah welchem eine Addreße an irgend ein tönigl. Mitglied des Braunschweigschen Hauses vom Parlamente mit größerer Delikateße : abgefaßt worden ist, um einen Vergleich zu Stande zu bringen, als diejenige, welche am Sonnabend der Königin überreicht wurde. Das Parlament hat sich freiwillig erboien, alle Verantwort- lizfeit irgend einec Beschuldigung auf sich zu nehmen, welche dadurch entslehen könnte, wenn sich Jhre Maje- stát nah den Wünschen des Parlamentes und dem Jn- terefie des Landes gemäß fügte. Jch haite mich versichert, das Haus wird es fühlen, daß, wenn es die Vorsicht er- foderte, daß das Haus von Seiten der Krone eine Ein- räumung zum Besien des Landes verlangen sollte, und wenn ein folches Verlangen, auf eine gleihè Art ge- macht, verweigert werden solite, das Parlement sich nicht scheuen würde, seine eigne Würde zu behaupten, und zu wißen verlangen würde, wer der Minister sey, der es gewagt habe, der Krone auf diese Art gegen die Wünsche des Parlamentes zu rathen, mit welchen die Würde der Krone und das Veste des Landes so genau verknüpft wären. (Hört! Hört!) Hierin liegt die Vor- trefflihkeit der Engischea Verfaßung. Sie sehen, daß, obglei ein Minister es nicht wagen daf, eine solche Verantwortlichkeit auf sich selbst zu nehmen, es dennoch einem Individuum, einem unverancwortlichen FJndivi- duum, frei steht, Jhrer Majestat zu rathen; oder die Königin selbst hat das Neat, ein soics Verlangen zu verweigern. Jch bin indeß der Tteinung, Jhre Mas: jestät ist sehr s{lezt berathen. Dem sey nun wie ihm wolle, alle Mittel sind erschöpft, um eine Untersuchung zu verhüten, und uns bleibt nichts anderes übrig, als zu überlegen, auf welche Art wir eine geschwoinde und un- partheische gerichtliche Untersuchung der Anklage geaen Ihre Majestät einleiten können, und die Minister sind \%uldig, dem Parlamente alle Beschuldigungen sffent- lich vorzulegen, nacch welchen das Haus beurtheilen wird, ob es nicht beim ersten Anblick Gründe .sinde, welche die Proceduren gegen Jhre Majestär rechtfertigen, Mein Vorschlag ist also, daß ich künftigen Donnerstag über 3 Tage auf solche Proceduren antragen werde, wenn in der Zwischenzeit im Oberhause nicht eine gerichtliche Un: tersuchung statt. finden folite,- und folgenden Freitag werde ich die Debatten über die K. Botschast erneuern.“

Nachrichten vom 25. Jun. zufolge litt die Hers - zogin von York Königl. Hoheit zu ODatslands am *Steber, und zwar so bedeutend, daß man dieserhalb sehr in Sorgen war. Das Bülletin vom 25. abends lautete indeßen etwas beruhigender. Der Herzog ist jedoch von London schleunig abgereisk, Um Jhro Hos heit seine Theilnahme persönlich zu versichern.

Unter den Kandidaten zu der durch Banks Tod ers ledigten Präfidentenstelle bei der königl. Akademie der Wißenschaften befinden sh der Prinz Leopold von Sachsen-Koburg und der Herzog von Sussex.

Die vorzüglichsten gottseligen Gesellschasten in England haben, behufs der Bidelveriheilung, Mißio: nen, Bekehrung der Juden, Ausbreitung des Eoange- liums, der Erziehung u, s. w. im vorigen Jahre 537,482

Pfund eingenommen.