1820 / 66 p. 2 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung, Tue, 15 Aug 1820 18:00:01 GMT) scan diff

Ueber die Theilung des Ackerbodens am

Rheine, und über denEinfluß, den das Thei-

len des Bodens auf den Ackerbau und auf die Staatseinrichtung hat.

Es wurde neulich in der Staats-Zeitung die Be-

merkung gemacht, daß der große Wohlstand der Rhein:

Provinzen größtentheils seinen Grund in den Geseben -

über den Ackerbau habe, die hier seit undenklichen Zeis ten in Kraft gewesen, und nicht erst seit der Franz0- sischen Revolution. Denn diese hat nichts gethan, als blos die große Masée Grund-Eigenthums, so in den todten Händen einer zehlreichen Geistlichkeit war, wte: der in den bürgerlichen Verkehr zu bringen, und durch die Aufhebung der Steuerfreiheit eine andere große Masse Grundeigenthums, so in den Händen der ehe: maligen Dienftmannschaften (Ministerialen) war, eben: falls in die der echten Landbauern zu bringen, nam- lich solcher, die den Pflug selber anfaßen ").

Viele sind hingegen der Meinung, daß eine bis ins Unendliche gehende Theilung des Bodens nachtheilig sey, und verweisen auf die Reden, so in der Kammer der Gemeinen von Frankreih bei Gelegenheit des neuen Wahlgeseßes sind gehalten worden.

Jn einer Sache, in der man eine so große Menge Erfahrungen hat, wie in dieser, eben weil sie alt ist und weil sie shon seit Jahrhunderten besteht, können sich die entgegengesezten Meinungen leicht ausgleihen, wenn man si gleih von Anfang darüber einigt, blos über genaue Thatsachen zu reden und auf alles Rai- sonniren ausPrincipien, wieMöser es nannte, Verzicht zu thun. L i F

Zu den Untersuchungen Über die Nüsblichkeit oder Schädlichkeit des Theilens ist keine Gegend geeigneter, wie die Preußischen Rheinprovinzen. Diese alten Sige der ripuarishen Franken, in denen nie eine Eroberung und nie ein doppelter Social- Kontrakt stattgefunden. Hier war nie ein Dominium; es gab keine großen Ackerhöfe, welche kleinere Ackerhöfe zu ihren Hintersaßen hatten, und über die sie väterlihe Gewalt und väterliche Gerichtsbarkeit übten. Alle Ackerhöfe, der kleine wie der große, lagen mit gleichen Rechten neben ein- ander; alle waren auf dieselbe Weise reihsunmittelbar, alle folgten derselben Gesehgebung, und alle lagen in demselben Gemeinde - Verbande. ;

Anders war es da, wo, wie in Gallien, durch Er- oberung ein doppelter Social: Kontrakt entstanden war, wo-auf demselben Boden der Eroberer und der Eroberte wohnte, und wo beide unter einem verschiedenen Rechte Lebten. Vieles, was jeßt in der Kammer der Gemeis nen von Frankreich über diesen Gegenstand ist geredet worden, mag fich zum Theil wol noch auf jenen Zu-

stand beziehen. / G

Wenn man in den Rheinprovinzen Untersuchungen Fiber die Theilung des Bodens anstellt, so fällt einem zuerst auf, daß der Boden sich in der ganzen Fläche des Landes nicht auf gleiche Weise getheilt hat, ob- gleich er seit den Zeiten Karls des Großen und lân- ger immér unter derselben Geseßgebung gelegen, und also hinlänglich Zeit gehabt, sich völlig gleichförmig zu theilen, wenn feine anderen Ursachen diesem entgegen-

irkt.

B Setractet man die Sache näher, #0 sicht man, daß das Theilen sehr von ‘der Oertlichkeit abhangt, welche es begünstigt oder erschwert, besonders aber von der Bodenmischung. Der schwere Boden macht in vielen Gegenden die Brache nothwendig, und in- dem die Brache die Arbeiten auf dem Felde gleichför-

*) Der Pflug nährt nur den, der ihn selber L ate der alte Kaspar Harkorten auf dem Alt -Sähsishen Bauerhofe Harkorten in der Grafshaft Mark, auf dem diese Bauerfamilie durch mehre Jahrhunderte in ungestörter Folge gewohnt, und in der sich im Laufe der Zeit ein eiserner - Bestand von Klugheits - Regeln gesammelt und von Geschlecht zu Geschleht vererbt hat,

- Haben und auch noch

miger durchs ganze Jahr vertheilt, so wird ‘es hiedurg* möglich, daß man einen größeren Hof mit einer ver! háltnismäßig geringeren Bespannung und einer gerin: geren Anzahl :von Mensc{en bebauen kann. scheint die Ursache zu seyn, daß sich die shweren und fruchtbaren Boden des Jülicher Lande; bei Jülich, Lianich 2c. in bedeutender Größe erhalten erhalten, S sie S das Eigenthum der Klöster und Adteien zu seyn, di immer E adare Vorliebe für große Ackerhöfe hat: ten. Jn den Gegenden des Júlicher Landes un des Erzstiftes Köln, wo leichter Boden ist, w0 ma Sandland hat und keine Brache, wie 3. B. in du fruchtbaren Gegend von Kempen und Süchteln, ) sind die Hófe alle klein, und ein Hof von 50 und 4} Magdeb. Morgen wird schon zu den bedeutendery erechnet. M G “att trägt die Lage des Bodens, dasjenige wi man auf den Specialkarten das Terrain nenne, se dazu bei, daß die Höfe sich nitt theilen. So (F gen z. B. im Herzogthume Berg, an der Stra von Düßeldorf nach Elberfeld, alle Héfe reis un linës in den s{hönen Thälern , die ui von der Anger und von andern Bächen durch|tron" werden, indes die Ländereien an den Geländen df“ niedrigen Hügelzüge liegen, so diese Thäler bilde} Diese Höfe, obgleich seit undenklichen Zeiten im VP sige der Bauerfamilien, die sie bewohnen, vermehret fich nicht und werden nicht getheilt. Man nennt si ein: zwei - und dreispännige Höfe, je nachdem 1, 1 oder 5 Pferde auf ihnen zu Acker gehen. Ein vier: spänniger ist in der ganzen Gegend nicht. Der Preis eines einspánnigen Hofes pflegt 6 bis 8000 Berline Thaler zu seyn, und so die andern 1m Verhältniße, Gewöhnlich werden 50 bis 60 Magdebuiger Morgen“ mit einem Pferde bebaut. i A Die Ursache, daß diese Höfe sich nicht theilen, lieg! theils in der Bespannung, da fie nicht weniger ali ein Pferd haben können, theils in den Gebäuden, V nur auf eine Haushalrung und eine Acterwirth/Haß eingerihtet sind, theils ia der Lage - da die Dose in der Nähe des Baches, der Wiesen und der Teicht ebaut if. N g Miet Höfe sich in den vergangenen Jahrhun derten nicht getheilt und nit vermehrt haben, werden sie sich wahrscheinlich au in den náqsag Jahrhunderten nicht theilen und nicht vermehren, wet die Ursachen, die solches hindern, fortdauern. Y Das meiste Theilen des Ackerbodens geschie t i wo Dörfer und Städte entstehen, oder wv Land raße und Ströme einen großen bürgerlichen Verkehr erze! gen. Hier fommt der Boden mit in den Verkeh und der Ackerbau wird ein Gewerbe, das die Gesei der andern bürgerlichen Gewerbe befolgt. : N Um dieses klar zu übersehen, braucht man N H Fläche des Bodens blos einen solchen Punkt pu [l wählen, deßen Geschichte durch den Fleiß der O schichtforsher in urfundlicher Weise aufgehellt worde 7 Wir wollen Eßen nehmen, deßen Geschichte wir dur die Bemühungen Kindlingers fast seit einem Fah | tausend kennen. “B 7 Es war im Jahre 877, als der Oberhof Eßen, ¡f einem Stifte für Damen und Herrn ‘eingerichtet, u deßen Einkünfte dem Stifte zugelegt wurden. H alte Hofherr Altfrid ging ab, und seine Stelle nah die Vorsteherin des Stiftes ein, welche das Hofherrfi Amt durch einen Schulten verwalten ließ. . ser hob nun nah hergebrachter Sitte den Oberb} Eßen aus der Obergerichtsbarkeit des Grafen, nad das Stift unter seinen unmittelbaren Schus und 1 stellte einen besondern Kaiserl. Oberrichter in der D i son des Vogtes (advocatus ), den das Stift se! N wählen sollte und den der Kaiser dann bestätige" wollte. Dieses war der erste Anfang zu dem klein Ÿ geistlichen Staate, der beinahe ein Jadreanlens s i dauert, und bei dem sich im Laufe der Zeit ein : ken anfîedelte, der später zur Stadr erhoben wurde- *

die von der Düs

Denn als man bei bem Stifte die Münskerkirche erbaute, als der christlihe Gottesdienst eingerichtet, und zu besonderen Jahreszeiten vorzüglich feierlich ge- halten wurde, als die Kaiser zu Zeiten da ihr Hofla- ger, die Bischöfe ihren Send hielten, die Seelsorger der umliegenden christlichen Gemeinden bei der Mün- sterkirhe ihren Wohnfis hatten, als Mühlen und Heerstraßen da zusammentrafen: so entstanden nicht allein um den Múünsterplaz Wohnungen für die Stifts ‘Diener, sondern auch außer dem Stiftbezirke, oder der Jmmunität, bauten sich andere Familien an, und legten so den Grund zu der nachherigen Stadt Eßen. Diese Wohnungen lagen auf dem Grunde des ODber- Hofes Eßen, und indem die Aebtißin diese aus dem Gerichtsbanne ihres Schulten aushob, bildeten diese Familien eine eigne Gemeinde und die Bewohner derr selben wurden Bürger und schöppenbare Leute.

Bei der großen Unsicherheit, die damals herrschte, wurde die Jmmunität oder der Münsterplas befeftigt, und wie alle ältere Stifter und Wohnungen der Bi- \chöfe zu einer Burg gemacht, die von den Ministe: rialen der Aebtißin bewoohnt und vertheidigt wurde.

Der Flecken Eßen wurde zur Stadt erhoben, und in dieser ein Markt und eine Münze angelegt. End- lih wurde auch um diese der größeren Sicherheit wes gen eine Mauer gegogen, und ztoar, wie in der Ur: kunde steht, zur Ehre der heiligen Jungfrau. Dieses war 1245.

Die Bauern von den umliegenden Höfen zogen nun ebenfalls der größern Sicherheit wegen in die Stadt und baueten iÿr Land aus der Siadt. Aber ein Bauer, der in die Stadt zieht, wird bald ein Bür- ger und leót nit lange mehr unier Bauernrecht. Die Gleichtheilungen unter Kinder wurden eingeführt, und die Ländereien, die zu einem Altsächsischen Bauer: hofe gehört, wurden unter Söhne und Schwieger: Söhne getheilt, und durchdrangen so auf dem einfachen Wege der Erbfolge während eines Jahrhunderts alle Familien der Stadt. Auf diese Weise ent: stand die Stadt und die jeßige Feldflur von Eßen, die klein getheilt ist, tie durch Kaufz und Erbschaft unter hundert verschiedene Besißer auf die mannigfaltigste Weije zerstückelt worden, und der rena Ackerboden- es jeßt Niemand -mehr ansieht, daß “Le zu geshloßenen Alt: Sächsishen Bauerhöfen evorte.

Dieses is die allgemeine Geschichte der Vertheilung des Ackerbodens auf den Punkten, wo durch irgend eine äußere Veranlaßung eine dichtere Bevölkerung entsteht, in der fich mit Hilfe des Geldes ein großes Tausch-System entwickelt, das sich deswegen entwickelt, weil die Menschen nahe beisammen woh: nen, und das immer zu Stadtrecht und zu städtischen Einrichtungen führt.

Auf diesen Punkten macht. sich die Theilung des Bodens mit einer Art von Naturnothwendigkeit, und es würde so thörigt als vergeblih seyn, dieser wider: fiehen zu wollen. Doch- hat dieses auch noch Nie- mand im Ernste vorgeschlagen.

Allein es giebt andere Theilungen, die man für

‘nachtheilig gehalten, und denen man auch durch die

Gesebgebung schon entgegen gearbeitet hat.

Es giebt nämlich Gegenden und in Teutschland scheinen die vorzüglich dazu zu gehören, wo in frühe: ren Zeiten die Sueven mit ihrem Pferchsysteme ge- seßen in denen der Ackerbau von Bauern getrie- ben wird, die ihr Gehöft niht als Einzelwohner, mitten auf ihren Acker gebaut, sondern die in Dörfern zusammensizen, von denen aus sie ihren Ackerbau trei: ben, indem die Flur, die Allen gehört, rund um das Dorf liegt.

Dieser Ackerbau hat gleich von Anfang das Nach- theilige mit dem Ackerbau auf großen Gütern gemein, daß die Ländereien zu weit von der Düngstelle liegen, und daß zu viel Zeit mit durchaus nuhlosen Bewe: gungen, mit Hin- und Hergehen, und mit Hin: und Herfahren verloren geht.

Außerdem hat er aber noch den zweiten Nachtheil, daß bei Erbtheilungen fast immer Durchtheilungen ent- stehen, indem ein Vater, der 5 Stücke Land und 5 Kinder hiaterläßt, diese also ducchtheilt, daß jedes Kind von jedem Stücke etwas bekommt, damit jeder gleichviel nahe und gleichviel entfernte Ländereien erhalte. Das, was nun unter einer Generation 5 Stücke waren, das werden unter der nächsten son 25, Hie- durch werden nun die Stüäcte so flein, daß sich die Bauern faum mehr mit dem Pfluge darauf wenden können ; und da Jeder do mit seinem Gespanne auf sein Scúck muß kommen tönnen und wieder davon, fo bleidt noch außerdem eine große Menge Boden nuß- los für Wege liegen. Endlich is die Zeitversäumnis, die aus unnôthigem Herumziehen in der Feldflur enr- steht, noch größer als bei den eben angeführten gro» ßen Acerhöfen, da der Bauer, wenn er hier seinen Achtel-Morgen gepflügt hat, nun mit seinem Gespanne in einen andern Theil der Feldflur ziehen muß, wo er ebenfalis einen Achtel-Morgen zu pflügen hat.

Dieses unverständige Theilen findet bejonders auf dem Westerwalde statt, uud die Diüendurger Regie- rung hat fh in den Neunziger Jahcen sehr erujtdaft damit beschäftigt, die Feldflur solcher Dörfer wieder zufammenzulegen, so daß ein Bauer, der seia Land auf 50 verschiedenea Stellen liegen hatte, es wieder auf 3, 4 oder 5 zusammen bekam. Viele Gemeinden sahen selber das Nawz:heilige dieser Bodenzerjtückelung ein, und wandteaz sicy mit Burschriften an die Ke- gierung, daß diese ihre Flur wieder möge zusammen- legen laßen. Man hatte in Dillendürg den Grundsaz aufgestelit, daß wenn der größte Theii der Bewohner für das Zausammenlegen war, die Minderzahl ¡ihre ETin- willigung dazu geben mußte; denn ohne dieses würde man ein Geschäft, was son an sich so riele Schwie- rigkeiten darbietet, nie zu Stande bringen können.

So nachtheilig es auch für den Ackerbau i, wenn die Bauern in Oorfern beisammenwöhnen, und also größtentheils sehc en fernt von ihren Ländereien find, so ist dieses doch oft mir zu ändern, wegen der Dert: lihteit des Bodens, Vielfach ist Waßermangel die Ursache, daß die Banern siH da zusammengebaut, wo sie Waßer fanden. Dieses ist z. B. in dea grêgeren Ebenen des Hellweges zwischen Soest und Paderdorn der Fail, wo die Höfe niche mitten auf die Flar êêns nen gebaut werden, weil sih dort kein Brunnen und kein Fluswaßer finde. Mange haben bis auf ibr Feld fast eine Stunde Weges zu ziehen, und sie neh- men, wenn sie es bestellen, einen kleinen Wagen voll Pferdefutter und Waßer mit, und bleiden, wenn sie einmal da sind, auch den ganzen Tag dort, indem fe erst den Abend wieder nach Hause ziedea. Dieses ädnelt shon dem Ackerbaue in Spanien, der von Städten aus betrieben wird, wo die Bevölkerung im Früßdjahr auszieht, um das Feld zu bestellen, und im Herbste zum zweitenmale, zum zu ernten.

Wenn man vom Theilen des Vodensz redet. so muß man die verschiedenen Fälle, die hiebei vockon: men, unterscheiden, und man wird sich dann leider verstehen; wohingegen man si nie einigen wird, wenu man alle unter denselben Begrisf zusammenafaßt.

Was das unverständige Theilen detrift (fo wie das auf dem Westerwalde), so ist solhem allerdings durch die Gesehe vorzubeugen. Jndes mögte es doch zweck mäßiger seyn, dieses auf einem indirekzen Wege zua hindern, als es durch positive Gesede zu verdieren,.

Offendar sind die meisten Theilangen dadurch entz standen, daß die Menschen nicht daden auseinander kommen können, weil es ihnen an einem Maasütade fehlte, sich zu vergleichen und zu verstehen. Hätten diese Gemeinden ein Kataster gedadt, das auf emer ges nauen Fluarkarte beruhte, auf der jedes Stcück nach seiner Lage und Größe angegedenz dätrten fie ein Erdz und Erbebduch gehadt, in welchem die Größe und die Abschätung von jedem Stü@cke in Zahlen gestanden : so wären die meisten Theilungen wol unterdlieden, da