1881 / 32 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 07 Feb 1881 18:00:01 GMT) scan diff

Ag 32.

Nichkamiliches.

reußen. Berlin, 7. Februar. Jm weiteren Serte vorgestrigen (54.) Sißung seyte das Haus der Abgeordneten die erste Berathung des Entwurfs eines Geseßes, betreffend die Verwendung der in Folge weiterer Reihssteuerreformen an Preußen zu überweisenden Geldsummen fort. Der Abg. Rickert erklärte, er wolle dem Reichskanzler nur widersprechen, nicht denselben widerlegen, denn der politische Gegner sei, wie der Reichskanzler gesagt habe, nit zu widerlegen. Aber es müsse konstatirt werden, daß es im Hause und im Lande Männer gebe, welche die wirthscastlichen Ansichten des Reichskanzlers nicht theilten. Die Verfolgung persönlicher Jnteressen bei der Führung der Staatsgeschäste traue dem Reichskanzler Niemand zu: wer unter den Mitgliedern dieses Hauses hätte es je ge- wagt, den berühmten Staatsmann, den Preußen mit Stolz den seinigen nenne, so niedrig zu siellen? Ex freue si, daß der Reithsfanzler nicht zurücktrete, aber die Gerüchte dieser Art, die jeßt verstummen müßten, seien niemals ret glaubhast gewesen. Aber ebenso, wie der Reichskar zier, würden auch er und seine politischen Freunde vom Kampfplaß nicht zurüctreten, so lange ihre Auftraggeber sie hersendeten. Wenn er aber erkläre, daß die Wirthschafts- politik des Reichskanzlers nicht zum Heile des Landes gereiche, dann beginne die Hege der den Reichskanzler freiwillig unterstüßenden Presse und erkläre ihn und den Abg. Richter für Republikaner, die die Monarchie mstürzten wollten. So sehr fehle in Preußen die erste Bedingung des poli: tislen Lebens, die Achtung vor dem Gegner und sei- ner Loyalität. Der Reichskanzklér meine, seine Partei wäre vom Fraktions- und Corpsgeist so beherrs{t, daß sie der Regierung den Erfolg ihrer Maßregeln nigt gönnte, die seine Partei selbsi machen müßte, wenn der Abg. Richter und er Minister wären. Er lehne diese für ihn shmeichelhaste Aeußerung ent- schieden ab. Er möchte lieber mit dem Reichskanzler pafktiren, lieber mit demselben in Frieden leben, als ihn sahlih be- kämpfen, und er sei frei von dem kleinlihen Geist, der unter Politik nichts anderes als die Bekämpfung der Kegierung verstehe, und an einem Minister aus den Reihen der Libera- len das loben würde, was er und seine politishen Freunde

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Erste Beilage

Berlin, Montag, den 7. Februar

dem eine ganz allgemeine und in allen übrigen Ländern eine viel größere als in Deutschland gewesen. Wie übrigens die Tabaksindustrie unter der Besteuerung leide, das sei be- reits neulih ausgeführt worden. Dazu habe man leider noch vom Reichskanzler gehört, daß derselbe nicht eher ruhen werde, als bis der Tabak noch mehr blute. Nach seiner (des Redners) Ansicht werde es bald einen Zeitpunkt geben, wo das Bluten aufhören würde, wenn nämli der Tod ein- trete. Und er fürchte, daß die Tabaksindustrie allerdings zu Tode geheßt werde. Dann habe man nichts mehr bluten zu lassen, und er sei begierig, dann zu sehen, was der Finanz- Minister von Preußen mit dieser todten Tabaksindustrie an- fangen werde. Jedenfalls werde man aus dem Monopol nit diejenigen finanziellen Erträge herausbringen, die nothwendig seien, um die Armenlast, die Scullast, die Polizeilast auf den Staat zu übertragen. Das sei ja do die eigentlihe Bedeu- tung des Tabaksmonopols. Er sei ebenso wie die Abgg. Bamberger und Delbrück prinzipieller Gegner des Tabaks- monopols nit als Freihändler, sondern weil bei der Durch: führung des Monopols auf dem seiner Meinung nah einzig möglichen Wege der ausgiebigen Entschädigung kein finanzieller Ertrag zu gewinnen sei. Die Müllerei sei lediglih in Folge der E ohne Hülfe ruinirt; der Aufschwung in der Eisenindustrie hab: seinen Anfang von Amerika genommen; als die Bestellungen daher aufgehört hätten, sei es in der Eisenindustrie wieder schr |ill geworden, das gestehe selbst“ der E Rath Dr. Wedding in den Be- richten über die Eisenindustrie im Jahre 1880 zu. Ueberhaupt seien es immer auswärtige Bestellungen gewesen, in Folge deren ein Aufschwung eingetreten sei. Jm Gegensaße zu dem Reichskanzler erkläre er, daß die Bewohner der Ostprovinzen, die unter der neuen russischen Zollerhöhung am meisten litten, für die, wie der Reichskanzler meine, allgemein verlangte Retorsion best:ns dankten; er könne die Entwickelung der Völker in wirthschaftliGer Beziehung nicht darin finden, daß sie sih einander in Zollerhöhungen überböten; Rußland werde sih über kurz oder lang zu einer anderen iti a5 bekehren müssen, denn es werde einsehen, daß es selbst am meisten durch seine jeßige Politik benachtheiligt werde. Sei in der Textilindusirie, einer der - wichtigsten

jerung eingetreten? Er bestreite dies. Gerade in der

jest bei dem Reichskanzler tadelten, Jm Zusammenhang mit dem Verwendungsgeseß stehe die Frage der Landwirthschaft der Wirthschastspolitik. Die linke

und des Erfolges : i Seite dieses Hauses, auf der ebenso gut Grundbesiger säßen, wie auf. der rechten, sähen - die Landwirth:

hast nicht als ein Stieffind des Erwerbslebens an, dem man immer größere Lasten aufbürden dürfe. Die Allianz der Schubzöllner und Landwirthe halte niht mehr lange, hoffentlih sehe man nach wenigen Jahren die Landwirthe in Schaaren in das freihändlerishe Lager zurüäkehren. Die“ Be- nis daß der Getreidezol, vom russishen Jmporteur

ezahlt werde, sei nah den Ergebnissen der wissenschaftlichen und praktischen Untersuhungen auf das Entschiedenste als un: haltbar zurüdckzuweisen. Speziell hätten die tewnishen Ermit- telungen in Ostpreußen auf das Evidenteste gezeigt, daß der Zoll vom Jnlande gezahlt werde. Wenn nun der Reichs- kanzler als Beispiel für die Steuerbelastung der Landwirth- schaft ansühre, daß ihm jeder Scheffel Korn, den er verkaufe, 1 bis 11/2 # Grundsteuer koste, fo glaube er (Redner), daß hiermit nit viel bewiesen sei. Er z. B. sei glücklicher in seiner Éleinen Wirthschaft. Nach seinen Rechnungen koste ihm der Scheffel Roggen noch niht 50 Z Grundsteuer. Aehnliche Resultate hätten viele andere ihm be- kannte Grundbesißer aufzuweisen. Wenn ferner der Reichskanzler der M.inung sei, man müsse die Land- wirths{hast aufmuntern, um den Bedarf an Korn selbst zu deckden: jo glaube er, daß die Majorität in der Landwirth: schaft heute anderer Ansicht sei. Wenn die Landwirthschast glauben sollte, daß ihre beste Lage wäre, das Korn selbst zu produziren, was Deutschland gebrauche, fo strebe sie unrich- tigen Zielen nach. Deutschland brauche etwa jährlih im Durch- schnitt für 620 Mill. Mark ausländisches Getreide. Für Branntweinbrennereien, Bierbrauereien und Zuckerfabrikation seien aber in Norddeutschland allein landwirthschaftliche Roh- produkte im Werth von ca. 335 Mill. Mark verbraucht worden, also über die Hälfte der Summe, die von auswärts importirt werde. Nehme man hierzu noch die Verwendungen für Nohpro- dukte aus Süddeutschland, so finde man die Bilanz beinahe hêr- gestellt und das Jdeal des Reichékanzlers erreicht. Sollten denn nun aber die landwirthschafilichen Rohprodufte diesen Industrien entzogen werden? Er halte es für unmöglich, daß Yemand; der ein C E Interesse an der Landwirth- haft habe, dieselbe einen solhen Rüdschritt machen lassen wolle, Daß in dem erhöhten Körnerbau die Zukunft liege, das sei bei vielen Landwirthen heute ein über- wundener Standpunkt. Selbst in dem s{hutzöllnerischen Blatt des Herrn Bueck werde ausgeführt, daß nur von dem Zurück- treten des Körnerbaues Heil zu erwarten sei, und der Weg, den der Reichskanzler in der Landwirthschaft betreten, dem Lande zum allergrößten Schaden gereichen müße, (Redner verlas einen - betr. Artikel eines Landwirths). Der Reichskanzler habe nun bezüglih der wirthschaftlihen Verhältnisse hervorgehoben, daß es in den lehten Jahren, nachdem die Zollreform eingeführt, besser geworden sei, und daß der Abg. Richter, wenn derselbe das nit zugestehen wolle, auf 20 Millionen ungläubige Gesichter stoßen würde. Hier- nach würden nah feiner des Redners) Ansicht wenigstens noch 7 Millionen gläubige Gesichter bleiben, womit er einst: weilen zufrieden sein wolle, zumal, wie er hoffe, die Zahl sih beträhtlih vermehren würde. Wenn nun der Reichskanzler zum Unterschied gegen sonst, wo die Herren auf der reten Seite dieses Hauses betreffs der Erfolge der Wirthschaftspolitik aufs Warten seine Partei vertröstet hätten, gestern erklärt habe, daß der Segen bereits da sei: so möhte er wissen, wo denn die Besserung zu finden sei? Seit dem Jahre 1878 sei ja allerdings eine Hebung in einzelnen Branchen des indu- striellen Lebens zu spüren gewesen, besonders 1879/80.

Textilindustrie zeige sich als Erfolg der neuen Wirth- shaftspolitik, daß die Kaufkraft Preußens eine geringere ge- worden sei. Er verweise in dieser Beziehung auf das leßte „Deutsche Handelsarchiv“, das doch wahrlich nicht einen falschen Bericht über die wirthschaftliche Lage des Landes geben. wolle. Was nun die Vorlage selbst betreffe, so habe es ge- schienen, als ob diesc nah einer stillshweigenden Ueber- einkunft nicht mehr zur Vorlage kommen würde. toeie Gerüchte“ haben so langë gedauert, wie die vom fonservativen Finanzprogramm und wie die vom Rücktritt des Finanz-Ministers; jet sei das konservative Programm in der Versenkung und der Finanz-Minister siehe fester als je. Er finde, daß durch das Erscheinen des Kanzlers eine ewisse Verschwommenheit in den einzelnen Parteien aufgehört ive. Seine Partei werde der Durchberathung des Geseyes nicht entgegentreten, im Gegentheil er wünsche der Regierung Auskunft zu geben über die Stellung seiner Partei , und sollte das Abgeordnetenhaus darüber auch einer Nach- session sich unterziehen müssen; freilih, wie diese Auskunft ausfallen würde, könne si die Regierung wohl ungefähr denken. Er habe sich noch über das dürstige statistishe Material zu beklagen, welhes nach so langer Vorbereitung als Unter- lage für das Geseß gegeben sei, er habe so kein reÂtes Urtheil über die Tragweite des leßteren. Er würde also zunächst für eine Kommissionsberathung eine Ergänzung des veralteten Herrfurth'schen Materials vom Jahre 1878 wünschen; so z. B. sei die Gebäudesteuer gar nicht berüsichtigt. Was sage nun der Minister des Jnnern zu der gestrigen Rede des Reichskanzlers ? Sämmtliche Minister seien anwesend gewesen, nur der Mi- nister des Fnnern nicht. Was sage derselbe zu dem neuen Kommunalsteuerprogramm -des Reichskanzlers? Wo sei das wirklihe Regierungsprogramm? Jn der Vorlage oder in der Rede des Kanzlers? Nachdem man sich in das Geseß nah den Motiven vertiest habe, erfahre man- auf einmal etwas ganz Anderes von höchster Stelle. Es werde ja sehr inter- essant sein, diese Vorlage im Plenum weiter zu berathen, um so interessanter, als es an allem Material fehle. Bevor man niht wisse, was Preußen an Matrikularbeiträgen zu zahlen Mae könne dies Geseg gar nihts nüßen. Der Reichskanzler abe einmal gesagt, ihn kümmere die ganze Reform nichts, er nehme seine Matrikularbeiträge, wie er sie brauhe. Seine Meinung vor der Erhebung von 130 Millionen Zöllen sei eine ganz verschiedene in Bezug auf Steuerreform, als nachher. Das, was Preußen aus diesen 130 Millionen bekomme, fónne man auch auf Grund des vorjährigen Geseßes ver- wenden. Die Rede des Reichskanzlers habe das fkon- servative Steuerprogramm über den Haufen Etn, aber auch vom Finanz-Minister wisse er nit, wie derselbe denke, und wenn die Vorlage an eine Kommission kommen sollte, müßte man doch die Grundzüge der Steuerreform der Re- gierung kennen. Von der Ueberweisung der Klassensteuer an die Gemeinden verspreche er sich gar nihts, weshalb hebe man fie nihht lieber ganz auf? Oder überlasse man doch auch die Erhebung derselben den Kommunen, welche si die Sache billiger allein mahen würden als es durch die Regierung ge- shähe. Ueber diesen Reformplan werde man au 20 Mil- lionen ungläubiger Gesichter im Lande sehen. Bezüglich des gestrigen absprehenden Urtheils des Reichskanzlers über die Klassensteuer spreche er seine Verwunderung aus. Gerade die Klassensteuer sei in einer Zeit der größten Noth entstanden, 1806—10, wo man an die edelsten Eigenschaften, an den Patriotièmus der Nation habe appelliren müssen. Was solle dann aber geschehen, wenn der Staat die Klassensteuer in Zeit der Noth wieder zurücziehe? Er wolle si nur noch erst betreffs der Ueberweisung der Grund- und Gebäudesteuer an die Kreise äußern. Er gebe zu, daß unter den gegenwärtigen Verhältnissen Kreise

Dies sei aber lediglih die Folge der größeren Be- stellungen des Auslandes Ave diese Hebung sei zu-

und Provinzen die einzigen Organe seien, an welche man die Sachen überweisen könne, aber er frage; wo bleibe die Ge-

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

werbesteuer? Gehe dieselbe niht pari passu mit der Grund- und Gebäudesteuer? Er werde ein eventuelles Amendement einbringen, um die Ansicht der Mehrheit darüber festzustellen. Von dem Finanz-Minister wisse man bis jeßt nit, woher die neuen Steuern im Reiche kominen sollten; man wisse nur, daß der Tabak mehr bluten solle, wie viel dabei herauskomme, wisse man aber niht. Wenn nun aber der Reichskanzler meine, daß das Schulgeld aufgehoben werden und die einzelnen Ge- meinden die Entschädigung dafür bekommen sollten, weshalb stehe das nit in der Vorlage ? Glaube man, daß im Rahmen dieser Vor- lage der Wunsch des Reichskanzlers zu erreichen sei? Jm Ab- geordnetenhause säßen ja eine Menge Herren vom Lande er möge die Sache nicht verstehen, aber er stelle die Be- hauptung auf, daß dieses Verwendungsgeseß die Entlastung vom Schulgelde niht ermöglihe, man müßte denn eine Protektionswirthschaft treiben, der einen Gemeinde etwas geben, der anderen nit. Das wäre sehr gtfährlih und er glaube, der Abg. von Meyer, mit dem seine Partei Tag für Tag mehr zusammengehe, werde auch seiner (des Redners) Ansicht sein. Es thue ihm leid, aber der Abg. von Meyer könne seiner Partei nicht entrinnen; der Abg. von Meyer sei nun einmal an den Abg. Richter fest gekettet, und es sei nicht unmögli, daß man die Abgg. von Meyer, Richter und ihn (Redner) einmal als seltene Exemplare der altpreußischen

Finanz- und sonstigen Ueberlieferungen im Lande herumzeigen und sagen würde: „das seien die,

welche an den alt hergebrahten Zuständen festhielten“. Er hoffe, der Abg. von Meyer werde mit dem demselben eigenen Muth die Grundlagen des alten Systems zu vertheidigen wissen. Auch würde sih sehr wohl statijäisch nachweisen lassen, daß namenilih die größeren Städte, welche eigene Kreise bil- deten, von der Enttasiung selbst wenig \püren würden. Diese Städte erhielten in der That nur ein Minimum und könnten nur durch Verringerung der Kreiésteuern entlastet werden. Hiernach halte er das Geseß, wie es liege, für un- annehmbar und sei bereit, das Nein, welches der Reichskanzler gestern vom Hause verlangt habe, ohne Weiteres auszusprechen und später noch wesentlih dur statistishe Zahlen zu begründen. Seit gestern sei er auf das konserrative Programm gar nit

Industrien, durh die neue Wirthschaftspolitik eine Bes- |

mehr neugierig, es habe seinen Dienst gethan, das Weitere werde sih finden, Jnteressant sei ihm aber die Rede des Abg. von Wedell gewesen, da derselbe im Gegensagz zu seinen fon- servativen Ae und deren Erklärungen bei der ersten Berathung des Etats jezt auf einmal darauf ausgehe, die Grundsteuer zu ermäßigen. Nun habe sich der Reichs- kanzler auch über die s{lehte Gebäudesteuer beklagt, die ihrer Zeit von den Konservativen gegen die Stimmen der Liberalen geschaffen sei. Wolle man heute die Gebäudesteuer herabseßen, so würde er dabei sein. Der Abg. Richter werde dann nicht säumen, einen darauf be- züglichen Antrag einzubringen. Der Finanz-Minister habe ja Jeßt das Geld dazu. Der Reichskanzler habe dem Hause estern eine völlig neue Steuerpolitifk entwidelt und u. A. ge- sagt: „Sr (der Reichskanzler) sei zu den Herren, die die Steuern zu bewilligen das Recht hätten, als Bittender, als Bettler im Namen der Armen gekommen.“ Seine (des Red- ners) Partei hätte im Namen dieser Armen die ablehnende Antwort gegeben, sie hätte das „Nein“ gesagt, dessen Bedeu- tung auch der reten Seite dieses Hauses sehr bald flar werden würde. Was die Konservativen den Armen an direkten Steuern abnehmen könnten, reiche lange ni an das, was sie denselben durch den neuen : tarif auferlegt hätten. Dies könne man aus dem Studium der Jahresübersichten der Konsumvereine erkennen. Die Last der neuen Zölle habe, wie sih aus einem Bericht eines west- fälishen Konsumvereins ergebe, für eine sparsame Arbeiter- familie von 6 Köpfen nah genauer Buchführung eine Mehr- ausgabe von 45 2 per Woche ergeben, ohne Hinzurechnung der Lasten auf Tabak und Luxusgegenstände. Der Reichs- kanzler wolle jeßt das Reich als das Sammelbaffin für die Steuern betrahten. Jhm (dem Redner) werde jeßt schon angst und bange, wenn er das Verwendungsgeseß ansehe und das, was nach demselben als Grundlage der direkten Steuer in Preußen übrig bleibe, Der Kanzler habe gestern auf die Finanzen Frankreichs hingewiesen. Die Franzosen erhöben dagegen viel mehr an direkten Steuern als Preußen. Die R müßten natürlih auch viel mehr an indirekten Steuern zahlen, weil sie die kolossalen Kriegsschulden hätten. Werde das Finanzprojekt des Finanz - Ministers Bitter durchgeführt, l werde kein Staat einen kleineren Stamm von direïten Steuern gegenüber den so großen in- direkten besißen, wie Deutschland. Darauf könne man niht eingehen. Sei das eine Jdee im Interesse der Unifikation des Reiches? Wie sollten fich die Dinge gestalten, wenn der Norden und Süden si die Rechnung gegenseitig auf- machten, sobald der Reichsschaß nicht blos der Sammelplayÿ sei für Reichszwecke, sondern auch für die staatlichen, und dann gar noch für die kommunalen Bedürfnisse der einzelnen Gegenden? Er verstehe es, wenn der Arbeiter bei dem Schmalz- und Getrzidezoll sih damit beruhige, daß derselbe sage, er gebe diese Zölle im Interesse des deutshen Vaterlandes, seiner Einrichtung und seiner Vertheidigung. Das aber werde der- selbe niemals für gerecht und billig halten, daß davon in einer entfernten Gegend Deutschlands Kommunaleinrichtungen eshaffen werden sollten. Der Maßstab nah welchem die

evölkerung in den einzelnen Gegenden zu den Reichslasten beitrage bei indirefkter Besteuerung sei vollständig ver- schieden und regele sich nah dem Konsum. Es sei ja be- fannt, daß der Norden vorzugsweise Kaffee, Thee u. st. w. verzehre, daß dagegen ‘der Süden mehr Bier trinke, daß der Süden aber die Biersteuer nicht in der Gemeinschaft habe, sondern sür si selbst zurückhalte. Wie könne man denn daran denken, eine derartige Steuerpolitik durchzuführen, die den aller- dings großartigen genialen Plan, wie man es beim Reichs- kanzler gewohnt sei, ins Auge faße, den Reichsschaß zum Sammelbassin zu machen für staatlihe und noch kommunale Bedürfnisse in jedem Winkel von Deutschland. Die kommunalen

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Bedürfnisse aus den Steuern zu decken, die im ganzen Reich erhoben würden, das sei ein Unding, eine finanzielle Unmög- ihkeit, ebenso seien die Lasten, die die vom Reichskanzler be-