1871 / 153 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 26 Oct 1871 18:00:01 GMT) scan diff

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Paris, 26. Oktober. Die »Agence Havas« bringt folgende Mittheilung aus Madrid: Es bestätigt si, daß der Finanz- minister die Budgetkommission von seiner Absicht verständigt habe, die Besieuerung der inneren und äußeren Staatss{uld sowie der andern Werthpapiere auf 18pCt. zu bringen. Auch soll der Finanzminister beabsichtigen, die Voranschläge gewisser im Budget aufgeführten Einnahmen, welche er als zu hoch an- genommen betrachtet, herabzuseßen.

Lissabon, Mittwoch, 25. Oktober. Nachrichten aus Rio de Janeiro vom 3. d. melden , daß die Regierung, nachdem das Geseß, betreffend die Emanzipation der Sklaven durch Annahme seitens des Senates perfekt geworden war, die Be- hörden durch Cirkularschreiben mit der sofortigen D urhfüh- rung des Gese bes beauftragte.

Landtags - Augelegenheiten.

Im 5. Trierer Wahlbezirk (Saarbrücken, Ottweiler— St. Wendel) ist für den Regierungs- und Schul-Rath Dr. Kellner, welcher sein Mandat niedergelegt hat, der Justiz-Rath Heyl zu Saar- brücen mit 362 gegen 117 Stimmen, die der Pastor Meyer in Neun- kirwen erhalten hat, zum Mitgliede des Hauses der Abgeordneten ges wählt worden.

Die »Annalen der Landw irth\chafti in den Königlich preuß. Staaten« Nr. 42 haben folgenden Junhalt: Die dreizehnte allgemeine Versammlung \{chwedischer Landioirthe und die landwirth- scaftlihe Ausstelung zu Gothenburg im Anfang August 1871. (Aus cinem Berichte des Geheimen Regierungs - Rathes von Salviati.) Fortschung. Erfolge des Dampfpfluges zu Höningen (Rheinpreufßen). Das Z25jährige Jubiläum der Ackerbaushule zu Badersleben. Bra- siers, Hodgkins und Bremmes Flacsbereitungsmaschine. (Mit Ab- bildung.) Ueber die organische Leistung des Kaliums in der Pflanze. Aus dem fünfien Jahreöberickte des Vereins zur Unterstüßung von Landwirihshaftsbeamten für die Provinz Brandenburg. Die 28. Wanderversamwmlung deutscher Land- und Forsiwirthe in Stuttgart nunmehr gänzlich agen _ erie E Korrespondenzen: Aus

T Tiere Iaffel Literatur: i () ifation. ; Lehrbuch des Mühlenbetriebes. Von Mtb: E N die die Untersuchungen und Fortschritte auf dem Gefammtgebiete der Zuckerfabrikation von Dr. K. Stammer. Annalen der Oenologie. Herausgegeben .von Dr. Blankenhorn und Dr. L. Rösfer. Besondere Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger. Notizen : Giszuht-An- stalt zu Hüningen im Elfaß. Rinderpest in der Provinz Schlesien. Ermäßigung der Fracht für Kartoffeltrantporte. Statistik der Brauc- reien im Gebiete des Norddeutsck&en Bundes für das Jahr 1870. Guano - Expedition. Preièverzeihnisse. Marktbericht. Butter preise. Viehbpreise. Stärkepreise.

Bereinsthätig?keit.

Nürnberg, 24. Oktober, Die zwcite Sißung des Deutschen Vereins8tages der Hülfsvereine zur Pflege im Felde verwun- deter und erkrankter Krieger wurde heute Vormittag 10 Uhr im großen Saale des Muscums durch den Vorsißenden , Wirklichen Ge- heimen Rath von Sydow, eröffnet. Zur Theilnahme an der Sißung hatte sih eine gleih greße Anzahl von Delegirten, wie am gestrigen Tage enzefanden, während sich die Anzahl der Damen wesentlich gegen gesiern verstärkt hatte. Nah Eröffnung der Sißung wurde untex die Anwesenden das gestern erwähnte Schreiben Ihrer Majeslät der Kaiserin aus Baden - Baden im Abdrucke vertheilt, Sodann wurden den Betheiligten mehrfache Denkschriften, die si zum Theil auf die Gegenstände der heutigen Tagesordnung beziehen, mitgetheilt, darunter die Denkschrift des Generalarztes Dr. Steinberg aus Berlin »die Betheiligung der fceiwilligen Krankenpflege an der Reform des Deutschen Hospitalwesen8a, die Denkschrift de Generalarztes Dr. Niese aus Altona »Vorschlag und Plan zu einer Vildung?anstalt für Krankep- pflegerinnene, die Densschrift des Dr. v. C. aus Karlsruhe »die Genfer Konvention im Kriege von 1870—71.« Es wurde dem- nächst das Wort dem Referenten über den zweiten Theil der Tages- ordnung, die Friedensthätigkeit der deu!shen Hülfsvereine betreffend, eriheilt. {An dies Referat des Dr, Brinkmann {lossen sih die An- träge des Professor De. von Held, der im Auftrage des durch Krank- heit verhinderten Generalarztes Dr. Steinberg eine Resorm des (e- sammten deutschen Lazarcthwes;ns auf Grund der wissenschafiliczen Porschungen in Voischlag brachte, und das Deutsche Centralkomite aufforderte, eine solhe Reform an maßgebender Stelle zu bean- tragen. Bei Fortsebung der Debatte sprachen \sich sodann die General-Aerzte Dr. Niese und Rof, sowie Gehbeimrath Vierordt drin- gend für die Ausbildung weiblicher Kraufkenpflegerinnen aus, da man die Ausbildung nicht lediglich gcistlißen Orden zu Überlassen habe, während allerdings eine feste Organisation in der Ausbildung ver- langt werden müsse, Dr. Kuby verlangte cin Gleiches von den Kranfenpflegern, die er den einzelnen Armee-Corps bei eintretendem Kriege beigegeben sehen will, und bezüglich deren Organisation er cin- gebende Organisationspläne verfolgt. Ein Antrag des Landraths von Schroeter aus Hanau, der die wegen Untauglichkeit vom Militär zurückgestellten Reserven der freiwilligen Krankenpflege behufs Ver- wendung als Krankenpfleger zwangsweise Überwiesen wissen wollte, lonnte sich der Zustimmung des Vereinstags nicht erfreuen und fand allseitigen Widerspru. Die Sißung wurde um 3 Uhr ges{chlo}sen.

Statistische Nachrichten.

Nach dem im »St. A. f, W.« veröffentlichten Ber K. württembergischen Justiz-Ministers an den König vön Württ berg über die Justizverwaltung im J. 1570 hatte-das Jusii Departement im genannten Jahre 1,366,441 Fl. Ausgaben s 430,911 Fl. Einnahmen, mithin 935,530 Fl. wirflide Ausgaben, 72,291 &l. mehr als in 1869. Bei, dem Justiz-Ministerium liefen 7289 Nummern ein. Jn der Strafrechtspflege hatten die Ober-Amtsgerihte 20,179 Untersuhungen (17,683 neue, 1869 17,126 neue) zu erledigen von den 18/500 erledigt „wurden, darunter 9974 dur) Ein- stellung, 5627 wegen Verzichis, 4347 wegen mangelnder Beweise 2746 dur Verweisung an andere Gerichte, 5342 durch Erkenntnit (1015 freisprechende, 4327 verurtheilende), 438 durch Tod u. a. Die Zahl der Beschuldigten betrug in den erledigten Untersuchungen 22,308 die der Verurtheilten 4923, und zwar 3991 männl., 932 weibl Ge: \chlechts, 160 unter 16 Jahren. Von 99 Nichtigkeitsbeschwerden wur- den 41 zurü@gezogen, 40 verworfen; 11 waren von Erfolg, 7 now unerledigt. Bei den Straffammern der Kreisgerichte waren 2932 Unter- fuchungen (1869: 2308) anhängig, von denen 2688 erledigt wurden, und zwar 183 dur freisprechende, 2448 dur veruriheilende Erkeäntnisse, 57 auf andere Weise. Von den 2981 Verurtheilten waren 2470 männl, 511 weiblihen Geschlets, 105 unter 16 Jahren. Die Shwurgerichi hatten über 113 Straffälle zu urtbeilen, Jn 11 Fällen exfolgte Frei \sprehung , in 94 Verurtheilung. Von 111 Verurtheilten waren 91 männl., 20 weiblichen Geschlechts, 2 unter 16 Jahren. Die Todes». firafe wurde zweimal erkannt, beide Mal wegen Mordes, aber nit vollsireckt. Die Gesammtzahl der Strafgerichtsezrkenntnisse betrug 8684, davon 7386 veruriheilende , 1298 freisprechende. Die Verurtheilung erfolgte wegen Ehrenkränkung und Verläumdung 2999 mal, Diekl« stahis 2543, Körperverleßung 1059, Bettelns und Land®reichens 199, Nothzu@t u. dergl. 20, Todtschlags 18, Brandstiftung 17, Mord 19 Kindermords 9, Blutichande 4 mal.

Civilprozesse waren .bei den Ortsgerichten 14,944, bei den Ober- Amisgerichten 19,451 anhängig, von denen 14,065 und 17,459 erledigt wurden. Die Zahl der Gantprozesse betrug 2111; 1315 wurden erledigt. Von 18,286 Brozessen, die bei den Ober-Amtsgericßten na der neuen Civilprozeß-Ordnung verhandelt wurden ; hatien 5103 (27,9 pEt.) einen Werth bis 50 Fl,, 3110 (17 pCt.) bis 50 Fl, 4105 (22/5 pCt.) bis 100 Fl., 2182 (11,9 pCt.) bis 150 Fl. Bei den Civil- kammern der Kreisgerihtshöfe waren 3672 Prozesse erster Instanz anhängig, von denen 2852 erledigt wurden. Bei deri Ort3zerichten dauerten 13,865 neuere Civilprozesse (von 16,784) unter 3 Monat, bei drn Kreisgericht8höfen (von 2852) 1883

Eden wurden 97 geschieden), Eheverlöbnisse 78 aufgehoben.

Die Serichts- „und Amtsnotare hatten 45,455 Jnventurcn und Theilungen, 22,436 Bormundschafts - Rechnungen und 4152 Gant-

geschäfte zu besorgen. 387,455 Grundbuchs - Aenderungen waren zu Y besorgen. Der Aufwand auf die Notariate betrug vom 1. Juli 1869 F bis 1870 230,255 Fl. Die Einnahmen beliefen sih auf 254,898 Fl, À

fo daß 24,643 Fl. Uebers{huß verblieb.

_Im Ganzen hat die Zahl dec neu ang:fallenen Kriminal - und Civiiprozesse gegen 1869 je um ungefähr 1000 abgenommen, die der unerledigten Prozesse um 1699

Kunst und Wissenschaft.

Der Monatsber icht der Königlich preußischen Afka- demie der Wissenschaften zu Berlin ükcr Juli 1871 enthôlt außer einem Vortrage des vorsißenden Sekcetärs, Hin. Kummer, Über Leibnibß und insbesondere über die Bemühungen desselben, die Wieder- Vereinigung der getrennten Konfessionen in Oecutschland zu bervircfen und eine Erweiterung der MachtKellung des Hauses Oesterreich welches damals bekanntli die Kaiserwürde inne hatte, berbeizufüh- ren Auszüge aus den Vorträgen der Herren: Peters über eine neue Art von Jndri#, Lichanotus mitratus, aus Madaga#far, Rose Über die Bildung des mit dem Steinsalz vorkommenden Anhydrité, Helmdolß über eleltrise Oscillationen in geradlinizen Leitern nach der Oeffnung eines Kettensiromes , Hoffmann über die Darstellung der Aethylenbasen im Großen, Kirhhofff über ein angeblich anafreontishes Epigramm. Außerdem berichtet dasselbe Heft über die von der Akademie gestellten PYreiS8aufgaben und deren Lösung. Der Monaisbericht Über August 1871 bringt Auszüge aus den-Voriräg?n der Herren: Peters über eine von Dr. Rob. Abendroth in dem Hochlande von Veru- gemachte Sammlung von Amphibien, Rammelsberg über die natürlihen Tantal- und NRiobverbindungen, Hofmann und Martius über die Methylirung der Phenilgruppe in Anilin. Außer den Genannten bielten, wie die beiden Monatsberichte melden, Vorträge: im Juli die Herren : Ricdel Über die angeblich dem brandenburgischen Markgrafen Albrecht Achil- les verliehene Herzog8würde in Osifranken, Braun Über Syimmetric und Abweichungen von derselben im Bau der Blüthe, Kiepert üher Topographie der syrischen Dekepoles; im August die Herren: Beyrich

Über Ctenocrinus, Dove über die Vertheilung des Negens in Deutsch- V

land, Ewald Über die Seitenkerne der Hippuriten.

In der polytechnischen Gefells®aft zu Vosen wurden , am 21. d. M. Proben ciner bituminösen Masse vorgezeigt, welche F beim Kanalbau in der dortigen Wi!helmsKraße {n einer Tiefe von F

eiwa 14 Fus gefunden worden ist, und dort in einer Mächtigkeit bis zu cinem Fuß unter dem natürlih gewachsenen Boden vorhanden war, so daß dieselbe ihren Ursprung jedenfalls nicht der historischen Zeit verdankt. Jn sehr alten Städten, wie z. B. Côln , hat man

unter dem Schule von Jahrtausenden, in der Tiefe von 2—3 Keller- geschossen, ähnlihe Mafsen gefunden, welche dur Vermoderung aus

Holz während der historishen Epoche entstanden sind. Ucbrigens findet man z. B. in der Gegend von Owinsk in einer Ticfe von etwa 15 Fuß eben solche bituminôsen Massen, welche der tertiären. Epoche

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angehören, und als die Anfänge der Braunkohlenbildung zu. be- zeichnen sind. : i

Der Verein für Geographie und Statistik zu Frankfurt a. M. veröffentliht folgendes ihm zugegangene, den erjten ausfübrliceren Bericht über die Ergebnisse der Nordpol-Expedition der Herren Payer und Weyprecht enthaltende Schreiben des Ober-Lieutenant

er: i:

Pay Norwegische Küste. Am Bord des »Harald Haarfagr«, den 9. Oktober 1871.

Tntem wir uns" erlauben, dem geographisch - stztistishen Verein zu Fronffurt a. M. , welhe Stadt in fo gr-ßmü!thiger Weise an dem Qusiandekommen der Vorexpedition des Jahres 1871 beigetragen hat, ergebenst Bericht Über den Ausgang derselben zu erstatten, glauven wir dies am Besten zu erfüllen, indem wir die Ausführung dersel- ben kurz erwähnen, alles nicht unmitteibar zur Sache gehörige über- gehen und nur bei den gewonnenen Resultaten und Erfahrungen veriveilen. Während aber ein solher Bericht lediglih die Haupt- momente zu berühren im Stande ist, wird Schiffs-Lieutenant Wey- precht auf sciner Durchreise dur Granffurt (nach seinem Heimath®- orte König im Odenwalde) sih beeilen, den hocfinnigen- Förderern geographischer Wissenschaft in Frankfurt nicht allein unsern tief- sten Dank abzustatten, sondern er wird es z'gleih als eine Ehre hbe- trachten, über ten gegenwärtig wesentlichßh veränderten Stand der Polarfrage jede möglihe Auskunft zu geben, oder wenn dies ge- wünscht werden sollte, einen Vortraz über die eben beendete Reife

alten. :

b Dise Vorexpedition zur Untersuhung des Meeres zwischen Spiß- bergen und Nowaja Semlä, welcher im nächßen Jahre eine größere Unternehmung folgen soll, hat einen alle Berechnungen vexrlassenden, unerwarteten Ausgang genommen. Weshalb eine der vorgeseßten Aufgaben: die Erreichung von König-Karl-Land nicht konsequent an- gestrebt werden konnte und durfte, wird Stiffs-Lieutenant Weyprecht persönlich auseinanderscßen. Dagegen tritt die Entdeckung eines aus- gedehntea offenen Polarmeeres an die Stelle cines für völlig unschiff- bar gehaltenen Gebietes, in weichem die Russen, tie Schweden und auch die deutsche Expedition von 1868 fich vergeblich bestrebten, auch nur in den südlihsten Theil desseiben einzudringen, als ein Resultat auf, welches g-°eignet ist, der gesammten Polarfrage eine antcre Wen- dung zu geben und eine neue, vielversprechende Basis zur Erreichung des Poles zu schaffen. ;

Es ist im höcdsten Maße zu bedauern, daß die große deutsche Nordpolar-Expedition vom Jahre 1869—70 nit diesen Weg durch das »Nowaja Semlä-Meer« welcher au ursprünglich von Dr. Petermann als der geeignete anerkannt wurde, um in das Herz des Polarbassins vonzudringen eingeschlagen hat.

Während bedeutende Autoritäten sich bis auf unsere Tage ent- schieden gegen jede Route im Osten Spipbergen® erllärten, die vielen Expeditionen der Russen in unserem Jahrhunderte au nit cinmal im Stande waren, den Norden Nowaja Sem!äs zu umscif|fen, und die Fahrt des Norwegers Jobannesen im vergangenen Jahre, dit an der Küste dieser Doppelinsel aus dem Karishen Meere in die Barents-See, als ein außerordentliches, Und von vielen Seiten selbst bezrocifeltes Ercigniß betrachtet wurde, haben unsere Erfahrungen die Existenz e'nes ausgedehnten offenen Meeres im Norden Nowoja Semläs nachgewiesen. Da aber auch das Karis®e Meer von den Schiffern Simonsen , Mattiesen 2c. dieses Jahr wie auch früher als fast vôllig eisfrei beobachtet wurde, und nachdem es dem Ersteren selbs in der Nähe der Weißen. Insel nicht gelang, das den Fang der Walrosse bedingende Eis zu entdecken, so ist der Zusammenhang des offenen Nowaja Seinlä-Meeres mit der Polynia im Norden Sibiriens im Herbst so gut wie nachgewiesen. Damit verschwindet aber ein ungeheures E!s- territorium von unsern Karten. Man wird nicht verfehlen, das Jahr 1871 als ein für die Eisschiffahrt ungewöhnlih günstiges darzustellen, gleichwie man ebenso oft ohne Recht und Beweis von zungewöhnlich, unzünsligen« Jahren gesprohen hat. Allein in ganz Norwegen herc{cht unter den Walroßjägern und Fiscßern nur eine Stimme welche den verflossenen Sommer zu den allerschlechtesten zählt- die man seit langer Zeit erlebt habe. Jst es ja doch selbst dem deut- {en Expeditionsschif} »Germania« nicht gelungen, auch nur in das Karische Meer einzudringen. Hier in Norwegen legt man diesem Zurücbleiben des Dampfers Hinter gewöhnlichen Segelschiffen der so mangelhaften Eignung der »Germania« sowehl als Dampf- wie ais Segelschiff die Schuld bei, und cs wird im Interesse der Sache von großer Wichtigkeit- sein, dieses Fahrzeug, welches noch 1869 70 ent- sprach, einer unparteiishen Prüfung zu_unterwerfen. | i

Wie lassen sich nun diese so ganz und gar von dem bisherigen abweichenden Ergebnisse der eben vollführten Polarfahrt erklären ê Wir find von der Anmaßung, zu glauben, èaß wir energischer und entshlessener verfaÿren seien, denn Andere vor uns, ebenso entfernt, ais wir selbs nicht daran denken, unsere kleine Unternehmung als eine eigeniliche Expedition auf gleiche Stufe mit vorangegangenen flellen zu wollen. Der S@lüssel zu diesem Räihsel liegt einfa darin, daß fast alle Expeditionen dieses Meeres8gebiet zu früh betreten und zu früh verlassen haben, denn die Periode der günstigsten Schiffahrt in demselben fällt exst in den Herbst. Vuch haben sich alle diese Expeditionen entweder den Küsten Nowaja Semläs oder Spißhergens gu aße gehalten, während, wie es ten Anschein hat, der 40. bis 42. Längengrad die geeignetste Stelle des Nowaja Semlä-Meeres ift, Um nah Norden vorzudringen. Wir haben hier ohne Mühe fast den 79.° N. Br. erreicht, und kein anderes- Hinderniß als Proviantmangel hat unserem weiteren Vordringen nach Norden Einhalt gethan. :

Als wahrscheinlihfie Ursache dieser im Herbste im Nowaja Seml!ä-Meere so außerordentli günstigen Eisverhältnisse , welche sich mit jenen an der Grönländischen Küste durchaus nicht vergleichen

Tassen, tritt der Golfstromi auf. Vor der Zusammenstellung und Ver- :

gleichung all¿r der gemachten Beobachtungen unter einander läßt sich{ch dies allerdings niht mit Bestimmtheit aussprehen, sondern nur als wahrsheinlich annehmen Für unsere Ansicht jedech \prechen nament- lih die um 3 bis C. jene der Luft übertreffende Temperatur des Wossers in diesen hohen Breiten (im September), die Häufigkeit von Nebel, von Gewitterböen, das Auftreten eines den Passaten eigen- thümlichen Himmels, die konßatirte Strömuug nach NO. an der Küste von Nowaja Semlä, die ultramarinblaue den Golffirom charafterisirende Wasserfarbe, der außerordentliche Reichthum des Wassers an niederen Thieren 2c. Anfangs Herbst {eint es demnackch; daß der Golfsirom die Küste Nowaja Semläs yerläßt und westlicher auftritt, oder aber, daß er sich dann über ein größeres Gebiet aus- breitet. Diese Sicht warmen Wassers ist ungleih tief und nimmt nach Nord an Mächtigkeit ab. Ó

In materieller Hinsicht tritt der enorme Reichthum des bisher gänzlich unbetretenen Nowaja Semlä-Meeres an Walfischen hervor.

Die während der Fahrt ausgeführten wissenschaftlichen Nrbeiten bestehen in ciner kontinuirlihen Reihe von Beobachtungen über die Temperatur und Dichtigkeit des Wassers an der Oberfläche und in verschiedenen Tiefen , regelmäßigen meteorologishen Beobachtungen, Wahrnehmungen über das Vorkommen von Bänken, Treibholz, Strömungen, in einer doppelten, theilweise dreifachen Reihe von Tiefscelothungen, in der Sammlung von Grundproben, Deklinations- bestimmungen, Aufnahmen , geologischen Untersuchungen, G-steins- und Psflanzensammlungen.

Julius Payer, Ober-Lieutenant. Landwirthschaft.

Im Regierungsbezirk Arnsberg hat sich die Ernte in Folge der günstigen Sommerrwoitterung besser gestaltet, als zu hoffen war ; jedoch hat das regnichte und kalte Wetter in der zweiten Hälste des September auf den Ernteertrag wieder nachtheilig geroirkt. Die Winterfrüchte geben einen Müittelertrag; Klee, zFutter- gewächse aller Art, Bohnen und Erbsen eine reihe Ernte. Auch das Sommergetreide i sehr ergiebig ausgefallen , nur der Hafer, der zur Zeil des Einfals der \{chlechten Wikt- terung in den höheren Gebirzsgegenden noch nit eingebracht war, hat vielfach gelitten. Die Heuernte war gering, der zweite Gras- schnitt reichlih; die Grummeternte is zum Theil durch Regen be- \{ädigt worden. Die Kartoffeln haben bei Beginn der Vegetations- periode wiederholt durch Nachtfiöste, später durch die Krankheit ge- litten. Sie geben nur in den wärmeren Lagen und trockenen Bodenarten der Kreise Bochum, Hamm, Dortmund und Soest eine Mittelernte, in allen feuhten und {weren Bodenarten und in sämmilichen Ge- virg8treisen dagegen einen sehr geringen Erirag. Das Baumob| liefert gar keine Jrüchte.

Gewerbe und &auvel :

Berlin. Die Chemische Fabrik von E. Schering hier- selbst ift in eine Aktien-Gesellschaft umgewandelt worden, die sich nah wie vor hauptsählih mit Herstellung von pharmazeutishen und chemischen Präparaten befassen wird. Die Direktion hat auf eine Neihe von Jahren der Kommerzien - Rath E. Schering übernommen. Die Firma wird künftig lauten: Chemische Fabrik auf Aktien (vorm. E, Schering). Im Uebrigen verweisen wix auf die Ciriulare im Jnseratentheil. S 5 f

Hannover, 26. Oktober. Die hiesigen Häuser Ndolph Meyer, Cohen, Blumenthal Nachfolger, Michel Behrent und Hecrmann Bar- tels haben im Verein mit der österceichisch-detitshen Bank, Eclanger in Frantfurt a. M. , der Vereinsbank und Haller Söhne in Ham- burg, sowie mit einer Anzahl berliner, wiener und frankfurter Firmen eine Bodenkreditansialt gegründet.

Verkehrs - Anftalten. :

Bremen, 26. Okiober. Die Bürgerschaft hat gestern Abend die Vorlage des Senats, betreffend den Verirag mit der Cöln-Min- dener Eisenbahngesellschaft wegen Anlage des Bahnhofes, nach z1wvei- tägiger Debatte mit 91 gegen 28 Stimmen angenommen.

Der Betrieb der Rigibahn is am 16. Oftodber eingestellt worden.

Königliche Schauspiele.

Freitag, 27. Oktober. Jm Opernhause. (199. Vorstell.) Don Juan. Oper in 2 Abtheilungen, mit Tanz, von Mozart. Donna Elvira: Frl. Brandt. Donna Anna: Fr. von Voggen- huber. Zerline: Fr. Lucca. Don Juan: Hr. Bet. Leporello: Hr. Salomon. Anfang halb 7 Uhr. M.-Pr. S Im Schauspielhause. (204. Abonn.-Vorst.) Zwei Tassen. Lustspiel in 1 Akt von G. zu Putlig. Hierauf: Die böse Stiefmutter, Familienbild in 1 Aufzug von G. zu Putliß. Qum Schluß: Die Dienstboten. Lebensbild in 1 Akt von R. Benedix. Anf. 7 Uhr. M.-Pr. L L

Sonnabend, 28. Oktober. Jm Opernhause. (200, Borst.) Der Feensee. Große Oper in 5 Abtheilungen von Scribe. Musik von Auber. Ballet von Hoguet. Zeila: Frl. Berger. Margarethe: Frl. Horina, Albert: Hr. Formes. Graf Nu- dolph: Hr. Salomon. Anfang halb 7 Uhr. M.-Pr.

Im Schauspielhause. (205. Abonnem.-Borst.) Don Carlos, Infant von Spanien. Trauerspiel in 5 Akten von Schiller.

Anfang halb 7 Uhr. M.-Pr.