1871 / 180 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 27 Nov 1871 18:00:01 GMT) scan diff

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Vorzugsweise hat Meine Regierung der That- sache ihre Aufmerksamkeit zuwenden müssen, daß die Besoldungen der Staatsbeamten in ein von Fahr zu Jahr steigende® Mißverhältniß zu den Anforderungen getreten sind, welche bei dem Stande aller Preis- verhältnisse die Befriedigung der Bedürfnisse des Lebens und der Stellung an sie richtet. Es wird Jhnen der Plan zu einer umfassenden Erhöhung der Beamten- besoldungen | vorgelegt werden. Jh vertraue, daß Sie bereit sein werden, durch Bewilligung der dazu nöthi- gen Mittel einem Zustande Abhülfe zu schaffen, aus dessen Fortdauer ernste Gefahren und Schäden für die Staatsverwaltung entstehen müßten.

Sie werden Vorlagen erhalten, welche bei ein- zelnen Steuern Erleichterungen / herbeizuführen be- stimmt find, und es wird Fhnen ein Geseßentwurf zugehen, durch welchen die Einrichtungen und die Befugnisse der Ober-Rehnungs-Kammer geseßlich ge- regelt werden sollen.

Der nach dem Abschlusse des Friedens eingetre- tene überaus lebhafte Aufschwung des Handels und der Gewerbe erheischt die Herstellung neuer Verkehrs- wege, insbesondere eine weitere Ausbildung der Eisen- bahnen. Der Bau einiger als nothwendig erkannten Bahnen für Rechnung des Staates, und eine Ver- mehrung des BetriebSmaterials auf den Staatsbahnen ist in Ausficht genommen; ebenso die Gewährung reichlicherer Mittel für Land- und Wasserwege und für Landes-Meliorationen aller Art.

Wiederholt werden Jhnen Vorlagen Über den Erwerb des Grundeigenthums und über das Hypo- thekenreht gemacht werden. Nachdem die Finanzlage es gestattet hat, die Kostensäße für die Geschäfte bei dem Grundbuche zu ermäßigen, is zu hoffen, daß es jeßt gelingen werde, diese wichtige, seit langer ; Zeit

angestrebte Reform nunmehr zum Abschlufse zu bringen.

Die Aufgaben der inneren Verwaltungs-Reform werden erneut den Gegenstand Jhrer Berathungen bilden, Es wird Jhnen der Entwurf der Kreis- Ordnung für die östlichen Provinzen, nachdem der- selbe mit Rücksicht auf die früheren Erörterungen in mehreren - Theilen Abänderungen und Ergänzungen erhalten hat, wieder vorgelegt werden. Meine Re- gierung giebt sich der Hoffnung hin, daß es dem ge- meinsamen ernsten Willen gelingen werde, Über das wichtige Organisationsgeseß, welches zugleich die Grund- lagen weiterer Reformen enthält, zur Verständigung zu gelangen. :

«Inzwischen is die kommunale Selbstverwaltung der Provinzen in einer erfreulih fortschreitenden Entwickelung begriffen, die zur Führung einer ein- heitlichen Verwaltung der provinziellen Angelegen- heiten geeigneten Organe sind auf Grund der beste- henden Geseße bereits in der Mehrzahl der Provinzen geschaffen. : :

“Gegenüber den Bewegungen, welche auf dem Gebiete der Kirche stattgefunden haben, hält Meine Regierung daran fest, der Staatsgewalt ihre volle Selbständigkeit in Bezug auf die Handhabung des Rechts und der bürgerlichen Ordnung zu wahren, und zugleich neben der berechtigten Selbständigkeit der Kirchen und Religionsgesellschaften die Glaubens- und Gewissensfreiheit der Einzelnen zu s{hÜßen. Behufs verfassungsmäßiger Durchführung dieser

gehen, welche die Eheschließung, die Regelung der Civilstands-Verhältnisse und die rechtlichen Wirkungen des Austritts aus der Kirche zum Gegenstande haben. Einen Gesetzentwurf, betreffend die Aufbringung der Synodalkosten, empfehle Jh Jhrer Aufmerk- samkeit um so mehr, als der Staat der evangelischen Kirche noch immer die Ausführung des Art. 15 der Verfassungs - Urkunde, verbunden mit den dazu nöthigen Einrichtungen, schuldet und dieses Geseß nux eine nothwendige Vorbedingung dazu ist.

Auf dem Gebiete des öffentlichen Unterrichts wird -die Verwendung hr beträchtlicher Mittel “in Anspruch genommen, um viele bisher zurükgestellte Bedürfnisse nunmehr zu befriedigen.

Die von der Verfassungs - Urkunde geforderte Vorlage eines allgemeinen Unterrichtsgesezes wird auch in dieser Session erneuert werden, nachdem die bei den früheren Berathungen stattgehabten Er- ivägungen und die Erfahrungen der leßten Jahre bei der Revision des Entwurfs eingehende Berücksichti- gung gefunden haben. Ein Spezialgeseß über- die Beaufsichtigung der Schulen bezweckt die beschleunigte Abhülfe eines als vorzugsweise dringend erkannten Bedürfnisses.

Meine Herren! Die Aufgaben, welhe Jhrer harren, sind umfassend und von hoher Bedeutung für die Entwickelung unserer inneren Zustände. Jhre Arbeiten werden segensreich sein, wenn fie von -/dem Geiste des Vertrauens und willigen Zusammenwirkens geleitet werden, welcher Mein Volk in der jüngsten großen. Zeit erfüllt hat.

Sobald die Verlesung der Nede beendet war, trat der Staats-Minister General Graf von Roon wiederum vor und erklärte auf Allerhöchsten Spezialbefehl Sr. Majestät des Königs den Landtag der preußishen Monarchie für eröffnet.

Se. Majestät der König verließen nunmehr unter drei- maligem Hoch der Versammlung, welches der zeitige Präsident dcs Hauses der Abgeordneten von Forckenbeck ausbrachte, in Begleitung Sr. Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Kron- prinzen und Jhrer Königlichen Hoheiten der Prinzen, huldvoll nach allen Seiten grüßend, den Weißen Saal.

Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Friedrich Carl und Ihre Kaiserliche Hoheit die Großfürstin Helene von Rußland wohnten der Eröffnung®*feierlichkeit in der nach der Kapelle zu belegenen Loge bei.

Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht:

Dem Ober-Hofprediger a. D. Dr. von Grüneisen zu Stuttgart den Rothen Adler-Orden zweiter Klasse und dem Ober-Hofprediger und Geheimen Ober-Kirchenrath Dr. Nielsen zu A den Königlichen Kronen-Orden zweiter Klasse zu verleihen.

Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht: Dem Kaufmann Abraham Löwenstein zu Frankfurt a. M. die Erlaubniß zur Anlegung des ihm verliehenen Ritterkreuzes

| des Ordens der Jtalienischen Krone zu ertheilen.

Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht : Der Frau von Bonin, gebornen von Oppen, zu Ber- lin zur Anlegung des von der Königin-Mutter von Bayern Majestät ihr verlichenen Theresien-Ordens Allerhöchstihre Ge- nehmigung zu ertheilen.

Deutsches Neis.

Berlin, 25, November,

Se. Majestät der Kaiser und König haben vor- gestern Nachmittag um 2 Uhr dem hiesigen Königlich spanischen Gesandten, Don Juan Antonio Rascon, cine Privat- audienz zu ertheilen und aus dessen Händen ein Schreiben Sr. Majestät des Königs von Spanien, sammt den Jnfignien

Grundsäße werden Jhnen besondere Vorlagen zu-

des Allerhöchstdenenselben verliehenen Großkreuzes des miultäri- schen Sct. Ferdinand-Ordens, entgegenzunehmen geruhet.

3991 Dem Kaufmann Gustav Levin ist Namens des Deuk-

schen Reiches das Exequatur als Konsul der Republik Bolivia zu Berlin ertheilt worden.

Königreich Preußen. Se, Majestät der König haben Allergnädigst geruht: Den Regierungs - Assessor von Droste-Hüls8hoff zum Landrathe des Kreises Büren zu ernennen; und Den zeitigen besoldeten Beigeordneten Doetsch zu Bonn, der von der Stadtverordneten-Versammlung zu M. Gladbach getroffenen Wahl gemäß, als Bürgermeister der Stadt M. Glad- bach für die geseßliche zwölfiährige Amtsdauer zu bestätigen.

Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche A rbeiten.

Der bisherige Königliche Wasser - Bau - Jnspektor Well- mann, früher in Stettin, jeßt in Cöslin, ist zum Königlichen Ober - Bau - Inspektor ernannt und als sole(zer bei dem König- lichen Polizei-Präsidium hierselbsi angestellt worden,

Justiz-Ministerium.

Der Rechtsanwalt und Notar von Schlebrügge in Frankenstein i. Schl. ist in gleicher Eigenschaft an das Kreis- gericht zu Schweidniß mit Anweisung seines Wohnsißes daselbst verseht worden.

ilichtamtliches.

Deutscvwes Neid.

Vreußsen. Bexlin, 27. November. Se. Majestät der Kaiser und- König nahmen heute die Vorträge des Aus- wärtigen Amts und des Civilkabinets entgegen, nahmen mili- tärishe Meldungen an, und empfingen die beiden Prinzen Leuchtenberg und eine Deputation aus Düsseldorf. Um 11% Uhr begaben Se. Majestät Nlerhöchstsih nach dem Schloß, wohnten dem Gottesdienste bei, und eröffneten den Landtag der Monarchie.

Jhre Majestät dié Kaiserin-Königin ist heute um #10 Uhr Vormittags von Coblenz nach Cassel abgereist und trifft heute Nachmittag 3 Uhr in Cassel ein. Um 4 Uhr findet im neuen Palais daselbst Empfang der Behörden ftatt, Abends i} Cour. Morgen wird Jhre Majestät die Wohl- thätigkeit8anstalten in Cassel besichtigen und am Abend einen von dem kommandirenden General v. Bose gegebenen Ball besuchen. Mittwoch seßt Allerhöchstdieselbe die Reise nach Berlin fort. :

Se. Kaiserlihx und Königliche Hoheit der Kronprinz ist gestern früh von Wiesbaden komunend wicder hier cingetroffen. Jn der Begleitung befanden fsich der Hof- marschall Graf zu Eulenburg und der persönliche Adjutant Oberst-Lieutenant Mischke.

Ihre Majestät die verwittwete Königin trifst heut in Sanssouci wieder ein.

Nachdem mittel Allerhöchster Kabinets - Ordre vom 18. November befohlen war, daß die Armee an der kir c- lichen Feier zum Gedächtniß der Verstorbenen in größtmöglicher Ausdehnung sich betheiligen solle, wohnten Se. Majestät der Kaiser und König gestern mit dem Kron- prinzen des Deutschen Reiches und von Preußen und den an- deren hier anwesenden Prinzen des Königlichen Hauses, dar- unter Prinz Albrecht (Vater), Prinz Carl, ferner dem König- lichen Hof, den Repräsentanten der Generalität und des Offizier-Corps, sämmitlich in Trauer - Gala dem Gottes- dienste in dex hiesigen Garnisonkirhe bei, zu welchem fommandirte Mannschaften der hiesigen Garnison und des Kadettencorps erschienen waren. Ein Jug des zweiten Garde- Regiments zu Fuß war zur Ehren: Eskorte der Fahnen kom- mandirt. Sämmtktliche Mitglieder des Offiziercorps trugen am linken Oberarm einen Trauerflor. Die mit Trauerflor um- büllten, und von Unteroffizieren der resp. Regimenter getra- genen Fahnen und Standarten wurden während des Gotte®- dienstes am Altare aufgestellt. Der Garnisonpfarrer From- mel hielt eine ergreifende, mit gedankenreihen Rücblicken auf die im vergangenen Kriegsjahre auf dem Feide der Chre gebliebenen Helden durchflohtene Rede Über den Text: »Siche es war Alles Greuel und Verwüstung. « Die Fahnen wurden beim Verlafsen der Kirche von dem Zuge des zweiten Garde-Regiments zum Palais Seiner Majestät des Kaisers und Königs zurückgeleitek. Nach der Predigt ward Beichte und Abendmahl! für- die Divisions8gemeinden adge-

balten,

Der Bundesrath, sowie die vereinigten Auss{hüfse desselben für Joll- und Steuerwesen und für Handel und

Verkehr , ferner der Ausschuß für Handel und Berkehr hielten gestecn , die vereinigten Auss{hüsse für Zoll- und Steuerrvesen und für Handel und Verkehr, für Zoll- und Steuerwesen und für Elsaß-Lothringen , sowie der Ausschuß für Zoll - ünd Steuerwesen heute Sizungen ab.

Im weiteren Verlauf der vorgestrigen Reichstag8- sißung sprachen nach dem Abg. Dr. Windthorst noc die Abgg. von Kardorff, Graf Kleist und der Bundesbevollmächtigte Staats- Minister v. Lug für, Abg. Dr. v. Niegolewêki gegen die Vor- lage, betreffend die Einschaltung eines neuen Paragraphen in das Deutsche Strafgesezbuch. * Der Bundeskommissar Geh. Ober- Justiz - Rath Falk erklärte darauf im Namen der verbündeten Regierungen das Kastner'se Amendement für annehmbar, von den Windthorstschen Anträgen dagegen nur den einen, welcher statt »in einer Weise, welche den öffentlichen Frieden zu stören geeignet erscheinte vorschlägt, zu sagen »in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise«. Jn der Abstimmung wurde nur dies Amendement von den Windthorstschen ge- nehmigt; dadurch war der erste Theil des Kastnerschen er- ledigt; der zweite Theil, welcher beantragt, hinter »Gefängniß- haft« zu schen »oder Festungöhast« rourde angenommen. Mit diesen Modifikationen nahm der Reichstag schließlich die Vor- lage in namentlicher Abstimmung mit 179 gegen 108 Stim- men an.

Die beutige 32, Plenarsitzung des Reichstages welcher am Tische des Bundesrathes die Staats-Minister von Roon, Delbrück, von Pfreßschner, von Luß und andere Bevoll- mächtigte beiwohnten, wurde durch den Präsidenten Dr. Sim- son mit der Erklärung eröffnet, daß der zweite Vize-Präsident Abg. Weber durch die Einberufung des württembergischen Landtages gezwungen sei, für den Rest der Session um Urlaub zu bitten und gleichzeitig sein Amt als Vize-Präsident nieder- zulegen. Der Präsident Simson empfahl, mit Rücksicht auf die Unsicherheit seines Gesundheitszustandes, troß der voraus- fichtlihen Kürze des Restes der Session, noch eine Neu- wahl vorzunehmen. Er wurde in diesem Wunsche durch den Vize - Präsidenten Fürsten von Hohenlohe unterstüßt, zog seinen Vorschlag auf den Widerspruch der Abgg. Dr. Rei- chensperger (Crefeld) und Grafen Rittberg jedoch wieder zurück. Die hierauf folgende dritte Berathung des Rayongeseßes wurde durch den Staatsminister Delbrück mit der Erklärung eröff- net, daß der Bundesrath die von der Kommission vorgeschlagenen Abänderungen im Interesse des baldigen Justandekbommens des Geseßes annehme, jener weiteren Amendirung jedoch ent- gegentreten müsse.

In der Generaldiskussion nahm das Wort der Abg. Lu- cius (Erfurt) und fragte, ob die Rayon-Kommission bei Aufstellung der Ortskataster gleichzeitig ex offlicio Regulative aufstellen werde Über das Maß der aus örtlichen Rücksichten zulässigen Ermäßigungen der geseßlichen Beschränkungen. Jn der Spezialdebatte über §. 1 hob der Abg. Dr. v. Niegolewsfi die Beschwerden der Stadt Posen hervor und beantragte, prinzipiell den Entschädigungs: Vorschristen der Vorlage rückwirkende Kraft zu geben , event, für die Eigenthumsbeschränkungen in Posen 200,000 Tblr. Entschädigung zu gewähren. Keiner von beiden Anträgen fand die erforderliche Unterstüßung. Die Abgg. Meyer (Thorn) und v. Unruh-Bon1st verwiesen die geschädigten Bürger auf den Rebt8weg. Qu §. 23 beantwortete der Bundes8kommissar General-Lieutenant, v. Kamecke die vom Abg. Lucius gestellte Frage dahin, daß es nicht die Absicht sei, durch die Reichs- Rayon-Kommission Orts - Regulative in dem angedeuteten Sinne aufstellen zu lassen. Ob man in dieser Bezichung allgemeine Normativ - Bestimmungen festsezen werde, bleibe dahingestellt. Besondere Anträge dec Städte auf Ermäßigung der Rayonbestimmungen scien nicht erforderlich; dieselben könnten ebenso von einzelnen Interesscnten wie von der Kom- mandantur selbst ausgehen.

Bezüglich der Zusammenseßung der Reichs-Rayonkommission wünschten die Abgg. Lesse und Meyer (Thorn) statt einer rei- nen Militär-Kommission auch die Zuziehung von Berwaltung§- Beamten. Der Bundeskommissar Oberst v. Wangenbeim suchte nachzuweisen, daß die Thätigkeit der genannten Kommission eine rein militäriscke sei. Troßdemssei dadur die Zuziehung von Civilbeamten für. besondere technishe Fragen nicht ausge- lossen. Nachdem sch{ließlich das Gesey unverändert ini Ganzen angenommen worden, ging das Haus bei Schluß des Blattes zur Berafhung von Petitionen über.

Im Herrenhause eröffnete der Präsident Graf Eber- hard zu Stolberg - Wernigerode um 2 Uhr 40 Minuten die Sizung. Als die vier jüngsten Mitglieder werden die Herren Fürst Pleß, Prinz Anion Radziroill, Graf Rothkirh-Tracb, Graf Bochholg ermittelt, welche die Funktionen der Schrift- sührer übernehmen. Der Präsident verlaß die in der Zwischen-

zeit erfolgte Ernennung neuer Mitglieder, worauf die Verle“

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