1919 / 171 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 31 Jul 1919 18:00:01 GMT) scan diff

tand, das vor dem Kriege dem ANuslandsmarkte besliunmtke Rohstoffe Meferte, hat währcud des leßten Agahres bedeutende Vorräte dieser Mose angesammelt. So stehen zur Verfüguna der wirischaftiichen rgane der Sowjet-Macht über 200000 Tonnen Flachs und 100 090 Tonnen Hanf alter Ernte. Die neue Ernte verspricht über- vei zu werden und wird für den. Austausch mit dem Auslande noch größere Uebe1|\hüsse ergeben. Es sind große Mengen Leder, Pelzwaren, Roßhaar und Metalle vorhanden, obne des Holzes Erwägung zu tun, das Europa zur Wiederherstellung der durch den Krieg vernidteten Bauten so not- wendig brauht. Sowjet-Nußland glaubt fest daran, daß die Arbeiter der Ententeländer die nötigen Mittel finden werden, um ihre Re- Plerüngen zu zwingen, die Blokade Rußlands aufzuheben und linftighin die anarcishe Z-rsiörung der Neichtümer Rußlands und dôr anderen wirtschaftlichß mit ihm verbündeten Länder einzustellen. Der nóch in Kurland Le deutschen Soldaten hat fi nah einer Vitteilung des Pressebeirats der deutschen Gesandtschaft in Mitau eine ziemliche Erregung bemächtigt, weil der Ministerpräsident Ulmanis nicht geneigt scheint, seine in bezug auf die Ansiedlungsfrage den deutshen Ver- teidigern Lettlands gegebenen Versprehungen zu halten. Obwohl es bisher noch nicht zu Tätlichkeiten gekommen ist, liegt do die Befürchtung nahe, daß die Soldaten auf ihr kontraftlich erworbenes Recht nicht gutwillig verzichten werden. Am 27. Juli hat in Mitau eine Versammlung stattgefunden, in der folgende Entschließung einstimmig angenommen wurde: __ Die am 27. Jult im MitauisGen Klub ver)ammelten Vertreter vou eiwa 109000 zur Einwanderung nach Lettland aufgeforderten Soldaten richten an die Gesandtschaft die dringende Bitte, ihre hlérworbenen Rechte auf die lettländische Staatsangehörigkeit und däit auf Lebens- und Erwerb8möglichkeiten in diesem Lande sowiz «uf bas ihnen von den Großgrundbesißzern für die Befreiung Weitlants vom Bolschewismus versprochene Siedlungsland auf das «flerenergishste bei der lettländishen Regierung! unterstüßen und betreiben zu wollen. Wir haben Kurland mit unserem Blute tür eine lettländishe Regierung wiedererobert, ohne uns wäre die Erhaltung der lettländishen Republik, der Kultur und des Wohlstandes dieses Landes und die Nettung feiner friedliebenden Bewohner niemals mögli gewesen. Wir haben gekämpft und geblutet im Vertrauen auf das feierlihe Versprechen dec lettländischen egierung und enwarten bestimmt von der Ehren - Pes des Ministeriums8 und des lettländishen Volkes, daß diese r gegebenes Wort restlos einlösen. Wir fordern Treue um KVreue and rechnen bestimmt auf eine baldige befricdigende Erklärung der letiländisczen Regierung, die der beginnenden gefährlichen Erregung in unseren Neihen ein Ende seßt. ° Die deutsh2 Gesandtschaft hat die Entschließung dem Ministerpräsidenten Ulmanis zur Kenntnisnahme überreicht mit der Bitte um Stellungnahme und mit dstem Vorschlag, eine Abordnung der deuiscyen Soldaten zu einer Besprechung ¿u empfangen. Ftalien. 4 Rach einer Meldung der „Agerc? Havas“ wurde dem vatikanischen Korrespondenten der: Agentur zu der Veröffent- lichung von Dokumenten durch Deutschland erklärt, daß: der Sahverhalt ungenau dargestellt und fals ch interpretiert worden sei. Es havydelte sich keineëweas3 um von Frankreich und England ausgehende Friedensvorschläge. Bei der kurz gehaltenen Abfossung der Mitteilung des eng- Men Gesandten an den Kardinal Gasparzui handelte es sich viæ\méhr um das Gegenteil. Sie zähle die Gründe auf, die einen Frieden unmöglih machtey, insbesondere jene, die Belgien betreffen. Die vom heiligen Stuhl übermittelten Dokumente werden veröffentlicht werden. E53 wäre dies wahrscheinlich schon geschehen, wenn nicht der „Ofservatore Romano“ infolge des Meeits der Typographen am Erscheinen verhindert worden e. P

Niederlande.

„Auf dem in Anisterdam tagenden Jnternationalen Eewerlschaftskongreß sind, wie „Wolffs Telegraphenbüro“ meldet, folgende Länder vertreten :

6 Amerika mit 3 Delegi-rten in V-rtretung von 3 600 000 Mit- qliedern, Belgien 4 Delegierte (450 000 Mitglieder), Böhmen 2 ODelegierte (230 000 Mitglieder), Dänemark 6 Delegierte (§5000 Mitglieder), Deutschland, deutsher Gewerk- sœattêbund, 10 Delegierte (5400 000 Mitglieder, die \yndika- listishen deuts n Organisationen 1 Delegierter (Mitglieder- ¿ahl ist nit anvgegeben), England 8 Delegierte (4750 000 Meithli-eder), Frankreih 14 Delegierte (1500000 Mit- glieder), Holland, nie-erländiser Gewerk »ftébund, 10 Delegierte (220 000 Mitglieder), Holländishes nationales Arbeiter! kretariat 10’ Delegierte A 000 Mitglteder), Oesterreich 8 Deslegierte (600 000 Mitglieder), Luremburg 3 Delegierte (2100) Mit- alieder), Norwegen 8 Delegierte (122 000 Mitglieder), Spanien 2 Deiegierte (150000 Mitglieder), Schweden 5 Delezierte (285 000 Mitglieder), Sh we i ¿ s Delegiert- (200 000 Mitglieder).

Auf dem Kongreß haben Amerika 4, Deutschland 6, England 5, Frankreich 2 und die übrigen Delegationen, des- leihen die deutschen Syndi?alisten und das holländische Arbeitersefretariat, je 1 Stimme.

Tichecho-Slowakei.

In der Antwort auf die Friedensversiherungen in der Rote Bela Khuns verlangt der Ministerpräsident Tusar, wie das „Tschecho-\lowakische Pressebüro“ meldet, die Herab- segung der ungarisWen Truppen auf die dur die Frieden8- konferenz festgesetzte Zahl, dann werde die Tscheho-Slowaket folgen. Er verlangt weiter eine Erklärung, daß die ungarische Negierung mit der in der Slowakei eingesetzten Gegenregierung feine Vorbindung unterholte und jede Feindseligkeit gegen die Tschecho-Slowakei uaterlassen.

An:erika.

Das amerikonishe NRepräsentantenhaus hat ah einer Reutermeldung eine Bill angenommen, in der die Deportation der unerwünschten Ausländer vor- gesehen und die Regierung ermöchtigt wird, die jeyt inter- nierten weibliwhen Ausländer nach Hause zu schicken. Dem Pressebüro „Radio“ zufolge hat das Haus die formelle Moßnahme getroffen, sih vom nächsten Sonnabend bis zum 9. September zu vertagen.

Parlamentarische Nachrichten. *

"Jn den legten Tagen fanden in Weimar. Verhand- lingen statt zwischen den beiden Parteien, die das bishérige Schulkompromiß irugen, und den Demokraten in der A0- Acht # die drei Parteien in dex strittigen Schul- und- Bildvng8- frage zu einigen. Nach längeren Ve:hardlungen kam: es zu einer Verständiaung über den Absah 2 des Artikels 143, der, wie „Wolffs Telegraphenbüro“ meldet, nah einem ge- meinsamen Antrag der drei Parteien folgendermaßen lauten so}:

Snnerbalb der Gemeinden, fiad indes auf Antrag der Erziehungs- berechzügteu Vo!k#s{ulen ihres. Bekenntnisses - oder ihrer Weltan- \hauunz einzurichten, jont“hierdurh ein geordneter Schulbezrieb auch im Sinne des Absapes 1 nicht beeinträchtigt wird. Der Wille der Erziehungsberehtigien ist: möglichst zu berüdsihtigen. Das Nähere bestimmt die Landesgeséhgebung nah den Grundsägen eines zu erlassenden ReichsgésePes.

Jn die Uebergangsbestimmungen ‘soll weiter folgende Be- stimmung aufaenommen werden:

Bis zum Erlaß des in Artikel 113 Absaß 2 vorgesehenen Reichs- geseßes bleibt es bei der bestéhenden Rechtslage. Das Reichsge|ebp hat Gebtete des Reichs, in dènen eine nah Bekenntnissen nicht ge- trennte Schule geseglih bestcht, besonders zu berüdcksidhtigen.

Statistik. ud Volkswirtschaft.

Arbeitsstreitigkeiten.

Die ausständigen Arbeiter der Siemenswerke haben gestern in geheimen Abstimmungen zu dem Schiedsspruch des S0! ichtungsau?\husses Stellüng genommen, wobei sih eine Meh r- heit für die Wiederaufnahme der Arbeit ergab. Die Belegschaft der Zeche Diergardt trat morgens in den Ausstand. Der „Grund hierfür ist nad Meldung des „W. T. B.“ aus Duis8bürxg ein Ultimatum der Kommunistischen Partei und der Unabhävßigen an General Walker und Neichs- kfommissar Severing, worin sie die sofortige Freilassung der bekanntlih in den Hungerstreifë get'eteren polilishen Gefangenen in Werl fordern. em Ultimatum wurde nit s\tattg geben, worauf ter Ausstand ertlärt wude. - In den Flugblättern werden die Arbeiter aufgefordert, in den Generalstreik zu treten, bis die Forderungen: sofortige Entlassung der Gefangenen in Werl, Aufhebung des Belagerungszustandes und Abseßung tes Generals Water, erfüllt sind. Der Ausstand bei den Mannes- mannröhrenwerken ist, wie ,W.T. B.“ aus Düsseldorf meldet, beendet. Die Arbeit in den Nather Werken ist wieder aufge- nommen worden, ebénso in Huckingen. In Remscheid sollte sie ebenfalls wieder aufgenommen werden. Die übrigen Werke hatten die Arbeit nicht eingestellt. :

Wie die Schwe1zerisle Depeshen-Agentur meldet, er*lärte die gesamte sozialdemokratishe Arbeiterschaft sich solidarishmit denin Basel streikendenFärbereiarbeitern. Die Streikleitung fordert die Arbeiterschaft auf, einem elwaigen Streikaufgebot r1estlos Folge zu leisten. In erster Linie werden :ver- langt : Herabseßung der Brotpreise um mindestens 20 Centimes, Beschla nahme der Schuh- und Stofflager und Abgabe ter Ware zu Leiabas bten Preisen, ferner Verhinderung der Ausjubr und Er- lei(terung der Einfuhr sowie Maßnahmen gegen den Mi chpreis- wucher usw. De Staatsarbeiter und Staateangstellten erklärten

ch ebenfalls mit den Forderungen solidarisch, sodaß bei einem Miß- ingen der Einigungsverhandlungen mit einem Generalstreik zu rechnen {t. Auch die Straßenbahner und die Gas- und Wasserwerke würden am Streik teilnehmen. S e

, Einer Havas-Reuter-Meldunli aus Mons zufolge sind in den Kohblendergwerken des Borinage die Maschinisten und Steiger infolge vcn Lohnstreitigkeiten in ten A u8stand getreten. Dadurch Tonnten die Bergarbeiter nit in die Gruben steigen. 10000 bis 12 000 Arbeitec feiern.

Im Hafen von Le Havre ist laut ,W.T. B.“ ein Do dLer- tr et k ausgebrochen. N des fleinen Streils wurden sämtliche Dodcarbe.ter ausgesperrt, sodaß von heute, Mittwoch, Vormittag ab die Arbeit im Hafen jedenfalls vollständig ruhen wird.

Wohlfahrtspflege.

. Die Zucht von Arazneipflanzen. In den leßien Sabren hat man si damtt befaßt, Arzneipflanzénkultur zu betreiben, das beißt, Arzneipflanzen im Anbau zu erzcugen. In eivem kürzlich in Wien gehaltenen Vortrag hat Wasicky klargelegt, weicher Unters \chied zwischen PYflanzenkultur im allgemeinen und Arzneipflanzen'ultur im besonderen besteht. Bei der allgemeinen Pflanzenkultur, bei land- wirtschaftlichen Erzeugnissen, handelt es sich weist darum, entweder tie ganze Pflanze ¡u züchten oder auf die Entwicklung einzelner Organe zu sehen, in d nen dann die Bildung der Reservestoffe, die ja wiederum die Nahrungsmittel für Menschen- und Tiere bilden, also Fette, Kohl hydrate und Eiweiß, so zu züchten, daß ein besonders günstiges Verhältnis zwischen diesen Vrganen und der ganzen Pflanze besteht. Der gleiche Gesichtepunkt gilt, auch für die Pflanzen, die nicht als Nahrungamittel, iondern als#Faserstoffe in Kultur genommen werden. Bei ihnen kommt es auf besondere günstige Ausbildung ter Haare oder Fasern an. Anders bei den Arzneipflanzen. Hier sind cs häufig die Abfalistoffe des pflanzlichen Stosswechsels oder die Erzeugnisse irgend- welcher kiankhaster Vorgänge im.,Pflanzenleben, die dazu führen, die arzneilich wichtigen Stoffe zu bilden, und es würde daher bei der Arznei- pflanzenkultur daranf ankemmen, eine Vermehrung dieser Stoffe herbeizujühren. Wajsickty vertritt nun den tandpunkt, daß die An- \{hauung, in den Nikaloiden wie Morphium und Kokain usw. Abfall- stoffe ¿u erblidcn, nicht als unbedingt richtig anzusehen sei. Jeden- falls aber bedeutet diese Alkalvidbildung leßten Endes cine Unzwek- mäßtgkeit füc die Pflanze. Da1aus ergibt sich für tie richtige A1zneipflanzenkultur, daß nan vorher den Stoffwechsel jeder einzelnen Pflanze genau studieren muß; uîn so die Eingriffe kennen zu lernen, die mit Aussicht auf Erfolg: dazu führen, daß der Stoffwechsel der Pflanze sein Uta Jane verläßt, also anormal witd und dadur Were die sür Heilmittel - wichtigsten Stoffe in erböhlem Maße erzeugt, f

Quust und Wissenschaft.

Ueber den Aufbau und. das Wesen der Sonne hat die Wissenschaft bisher nür wenig sichere Feststelungen machen können ; sie ist für die Eigenschaften des Sonnenkörvers auf Theorien ange- wiesen, deren es eine gane: Anzahl gibt. Zu dieser ist jept, wie Prot. Dr. Niem in der Wochenschrift „Um|chau“ mitteilt, eine neue von Brester gekommen, die wegen“ ihrer Eigenart Beachtung verdient. Dieser Gelehrte nimmt än, daß der Kern der Sonne eine ungeheure PERe Gacmasse ist, die abêér nicht leute, weil ihre Bestand- teile unter zu starkem Druck stehen, als das fie sich durch gegenseitiges Anprallen ins Leuchten verseßen könnten. Brester ommt daher zu ‘der Annahme des alten Herschel zurü, daß die Soanenflecken Löcher in der Soanenhülle seien, dur die {ih ein Durhblick auf den dunklen Sonnenkern eröffne. Der starke Wärincye: lust der äußeren Sonnenshichten werde durh Strahlung des Kern3 ausgeglichen. Die bekannte aljährige Periode der Sonnenflek. n wäre dadur zu erklären, daß die Misstrahlung des Sonnenkerns in diesem Abstande ihr Höchstmaß erreihe und in der Hülle dann gleichsam Blasen treibe, die zerplaßen und so die Er- scheinung cines Sonnenfleckens bilden. Kleinere Löcher machten fi als Poren sicchibar und die Blasen selbst als Fackeln. Die Gr- icheinungen der E und Protuberanzen werden aus elektrischen Entladungen erklärt, die durch die Oeffnung der Sonnenhülle aus- treten. iese eleltrishen Strablungen sollen auch die Nordlichter hervorrufen, ferner die Ersh-inung erklären, daß die Kcmeten zur Zeit eines großen Flecktenreichtums der Sonne heller leuchien

als sonst.

j ; Verkehrêtwesen. ; Aus der französishen Besaßzungszone (ausschließlih

Giscß:Lothringen und Brückenkopfgebiet von: Kehl) nach dem

unbéseyten Deutschland find gewöhnliche, eingeshriebene

[ zym allgemein zulässigen Höchsthetrag erlaubt.

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i Die Paket dürfen keine \{riftilihen Wiitteilungen enthalten. Für he: \{chlagnahmte Pakete wird tein Erjay geleisfiet. Zur Ver; sendung von Wertpaketen sind nur bestimmte Banken e. mächtigt. Jm übrigen ist ein fast uneingeshränkter Waren: verkehr zugelassen. Um für / die Uebergangszeit Stockungen und Verkehrssperren zu vermeiden, werden zweckmäßig Pakete vorerst nur in dringlichen Fällen zu versenden sein.

Ferner sind aus dem Brüclenkopfgebiet von Keh| nach dem unbesezten Deutshland Postanweisungen bis zum Höchstbetrage von 100 6 zugelassen.

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Nah Großbritannien und Jrland sowie nag Belgien werden gewöhnlihe offene Briefe und Post, karten auf Gefahr des Absenders zur Beförderung angenommen,

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Der Privattelegrammverkehr mit Großbri, tannien ist wieder aufaeommen. Die Gebühr ür das Wort beträgt bet gewöhnlichen Telegrammen 65 Die Erhöhun gegenüber den Vorkriegstarifen ist hauptsächlich darin begründet, da die Telegraphenabrechnung mit den fremden Verwaltungen nah Gold, franfen aufzustellen ist, während de Gebühren nah dem j-ßigen niedrigen Markkurs erhoben werden. Mit der Besserung des Kur seg werden auh die Gebühren entspredend heruntergehen. Zugelassen sind Telegramme in offener, in verabredeter und t hiffrierter Sprahe. Wegen Zulassung des Telegrammbverkehtz mit weiteren Ländern über Großbritauien hinaus {ind noch Verhand. lungen im Gange.

Für den privaten Telegramm- und Fernspreg, verkehr mit der britishen Besazungs3zone îhn beseßten deutshen Rheingebiete gelten anstatt der bisherigen fortan folgende neue Bestimmungen : v : Telegramme sind zugelassen in offener deutscher, englischer, französischer, italienischer oder holländisher Sprache. Fernsprehverkehr: zugelassén. Der Gebrau anderer Sprachen als Hochdeutsh, Englisch, “Französisch, Jtalienisch und Holländish ist verboten. Der Telegrämm- und Fernsprechverkehr unterliegt im beseßten Gebi-te der Ueberwadung durch die britische

Î Behörden.

Mannigfaltiges,

Der Gewerkschaftsbund-.käanfmännisher An:

estellten-Verbände teilt durch „W. T. B,“ mit, daß die Zeitungsnachrichten über die am 22. Juli ertolgte"Gründung eine Einheitéeverbandes infofern irreführen, als es si{chnicht um de Gründung einer kaufmännischen Organisä@tkon und nit um einen Einheitsverband handelt. Die. neue Gründung t lediglih eine Gemeinschaft mehrerer WVérbände, die neben fau männischen auch technishe Bureauangestellte zu ihren Mitgliedern zählen. Die rein gewerkschaftliGe Vertretung der kaufmännischen Angestellten ist nah wie vor der Gewerkschaftsbund kaufmännischer Angestellten Verbände, Siy Berlin, Gertraudterstraße 20/21. Die a der Gründnng vom 22. Juli beteiligten Verbände: Kaufmännischt Verein von 1258, Verband deutscher Handlungsgehilfen, Verein der deutschen Kaufleute, die bereits 1egthin Wür die e threr Mitgliederversammlungen ihre frühere rein kaufmännische Zusammen seßung aufgegeben haben, gehören de?halb dem Gewerk|chaftsbund kaufmännischer Angestelttenverbände nihtmehr an.

_" In der Treptower Sternwärte finden in den nähsten Tagen folgende Lichtbilder- und kinematographische. Vorträge statt) Sonnabend, NaFmittags 5 Uhr: „Christoph Columbus“ ; Sonntaz, Nachmittags 3 Uhr : „An den Ufern des Rheins“, 5 Uhr : „Im Landi der Schwarzen“, Abends 7 Uhr: „Ferientage an der Ostsee, in da fächsishen Schweiz und im Sprcewald“ ; Dienstag, Abends 7 Uhr: Die Bewohnbarkeit der Welten“ (Lichtbilder). Mit dem großen Fernrohr werden jegt am Tage die Venus, am Abend Fixsterne und ein Sternhaufen im Herkules gezeigt. Kleinere Fernrohre stehen zur Beobachtung anderer Himmelskörper kostenlos zur Verfügung.

h'er cine gewaltige Einjvruhkundgebung gegen die polnishen Pogrome statt. Jn den Svnagogen und Kirchen würden Trauer. otteödienste abgehalten, etwa 30 000 Personen zogén mit Trauerbaynern dur die ganze Stadt. An die Gesandtschaften im Haag, an Wil)on, Clemenceau, Nittiund Lloyd George wurden Ein 1pruchentscließungen ‘abgesandt. Die. Sämmlvngen für die Opfe ergaben 75 000 Gulden.

New Yo rk, 31. Juli. (W. T. V.) Laut „Telegraas wird gemeldet, . daß die amezrikanischen Negierur( bel örden eweise in Händen kaben, aus dencn hervorgeht, taß bolschewistisch: Propaganda unter den Negern die Ursache der Zusammet #16ße zwiscen Negern und Weißen ist. Die Nassenkämpfe in Chicago hoben gestern bestig fortgetauert ; viele Personen wurde getötet. 4000 Maun Militär wurden aufgeboten, um die Ordnutl wiederherzustelen. Noch iner Reutermeldung aus Chicago ist die Zahl der Toten bis 30. Jul' auf 27 gestiegen, darunter 16 Nett und 12 Weiße. Fast 10C0 Personen wurden verwundet, darunkei

viele tödlich.

(Fortsezung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage] )

Familienuáachri{chten.

Fcl. Ursula von Bonin mit Hrn. Heinrich-Gecl Frhrn. von Sch illing (Wefelow be! Treptow a. Rega t l Karnitz, Kr. Gre! fenberg i. P.). Frl. Ruth Weber mit Hm Diplom-Bergingenteur O Neichsfreiherrn von Friesen (Wesel Wanzleben, Bez. Halle a. S.). :

Geboren: Eine Tochter: Hrn. Hauptmann Eduard bo Westernhagen' (Berlin-Wilmerêédorf). - Ey

Gestorben: Hr. Se: atsvräsident beim: Kammergericht Geh. Obe

jusltizrat Josef Riehl (Berlin). „Frau Gkneral Märgart

Ritter, geb. von Meibom (Naumburg, a. S.). i

Verlobt:

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Verantwottlicher Schriftleiter: Direktor Dr. T y r o l, Chrlottenbuï

Verantwortlib für den Anzeigenteil: Der Vorsteber der Geschäftöstels

af NRéechnunasrai M en a exäggan Berlin. 4

‘Verlag der Geschäftsstelle (Mêngex.i n a) in Berlin,

Drend der Norddeutsden Buchdruderei und Verlagsanstall q

S 0 W ive Merlin, ‘Wllhelrurstcake 32, T ar Vier Beilagen A

M T] feins{bießlid] Börsenbeéilage) fra

und Wertpakete, auch dringende und Eilbotenstücke, bis zum

Höchsigewicht von 5 kg ohne und mit Nachnahme bis

._0Ÿ rfte, Rweite uns Dritte Zentral Haubelaregister-Belleau 1

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Amsterdam, 30. Juli. (W. T. B.) Am 27. d. M. fan

A 171.

Deutsche Nationalversammlung

| in Weimar.

/ 70. Sipung vom 30. Juli 1919, Vo-m. 10 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphenbüro.)

) Am Regierungtishe: Dr. Preuß, Dr. David, Müller,

A Fehrenbach eröffnet die Sißzung um 10 Uhr

Die dritte Beratung des Verfassungsentwurfes

ird fortgeseßt.

O Dr. ie V M De Nat.) : Stelung gegenuber der Verfassung hat \ich seit der ¿zweiten Lesun its geändert, Wenn die Demokraten nicht die Aeasina ab gelehnt haben, weil sie ihnen nicht demokratisch genug war, lehnen ir diese Verfassung ab, weil sie uns nicht fon)ervativ genug ist. Wir bleiben Anhänger der Monarchie, die republikanische Staats- form wird uns allerdings an der Erfüllung unserer staatsbürger- lihen Pflichten niht hindern. Wir achten den Willen der Volks- mehrbeit, der fich für diese Staatsform entshieden hat. Wir wünschen eine Stärkung der Stellung des Präsidenten, der jeßt aur noch ein Dekorations\tück ist. Das Sbwergewicht liegt nit hei ihm, sondern bi den Parteien und Fraktionen. Man braudt feine Prophetengabe, um vorausezusagen, daß das deutscbe Volk sich noch einmal nah dem „alten Obrigkeitsstaat" zurücksehnen wird. Vir halten auch an dem föderalistischen Charakter des Reiches fest. Es ist falsch, daß mit den Dynastien am 9. November auch de Hindernisse des Einheitsstaates gefallen sind. Das ist eine Groß Berliner Auffassung, ¿die sich als falsch erwiesen hat. Der Ruf „Los von Berlin“ ist nach ‘der Revolution noch stärker gewesen als vorher. Seit Jahrzehnten hat -die Sozialdemokratie die deutschen Arbeiter im Sinne der am grünen ‘Tisch entstandenen Ideen von Marx und ‘Engels zu- begeistern versuht. Das ist Fllusiongpolitifk, ebenso wie die Politik, die auf eine Welt- revolution los\teuert. Diese würde bei uns wieder die Zustände wie zu der schrecklihen Zeit des Oreißigjährigen Krieges shaffen. Gott bewahre uns vor der Weltrevolution! Wie kommt ck, daß wir in der ganzen Welt eine so maßlos talsche Veurteilung unseres Wesens erfahren? Ih schreibe sie den An- griffen des Philosophen Nieß\che auf das Christentum zu, dem Wiverhall, den er damit in Deutschland fand, und der Wirkung diesee Erscheinung auf das Ausland, das sich die Deutschen auf Grund dieser Lehren als blutgierige, grausame Nasse vorstellte. Deshalb begrüßen wir “die Betonung der Neligiosität und des Wertes der Familie in der Verfassung, weil damit wertvollz Züge- unseres Volkswesens in den Vordergrund gerückt werden. Jn den leßten Tagen haben wir wiederholt betont, daß die deutich-nanonale Volkspartei nicht identi-ch sein will mit der früheren Frafk1ion der Konservativen, mit der Vaterlandspartei und den Aldeutschen, wenn ijr auch einige frühere Konservative angehören; die gegen uns ge- rldteten Vorwürfe als Kriegeverlängerer empfinden wir als pharisäish. (Lebhafte Zustimmung rechts.) Konservativ sind wir in gesundem, allgemein menschlihem Sinne. Kor servatimus und wahrer Fott- dritt gehören zusammen: “In diejem Sinne wollen wir an dem “rol unseres Vaterlandes mitarbeiten. (Lebhafter Beifall Abg. Dr. Heine (D. V.): Nah dret Gesichtépunkten wird man etne Verfassung, wie wir sie zum Aufbau unseres Vaterlant es On beurteilen müssen: sie muß die Möglichkeit geben, alle ebendigen Kräfte des Staates heranzuziehen, fie muß die Vor- ausseßungen für eine stetige und weitsichtige Politik bieten, sie muß furz und Tnapp und juristish einwandfrei gefaßt sein. Von diesen Gesichts- ias aus können wir uns nit auf den Boden der neuen Ver- assung stellen. Der Geist, der in ihr vorher: \chckt, ist der Geist einer extremen Demokratie, und daraus folgt das Bestreben, alles gleichzu- nahen, daraus folgt ein weitgehendes Mißtrauen gegen die von der Demokratie selbst eingeseßten Gewalten, daraus folgt ein übertriebenes Bestreben nah Popularität und ein Mangel an Sinn für die unbe- dingten Staatsnotwendigkeiten. (Beifall rechts.) Man wirft uns vor, wir* hingen zu sehr an der Vergangenheit. Gewiß, wir Ungen an. der stolzen Vergangenheit von 1871. (Lebh. Beifall rets.) Sie (nah links) hängen an einer Vergangenheit, die weit wehr zurückliegt, an der von 1848, und welcher Geist war es, der die Verfassungen dieser beiden Epochen beherrs{chte? 1870 war es der Geist der Tat, 1848 war es der Geist der Ideologie und des Lheoretisierens. (Sebr E und lebh. Zustimmung rechts.) e neue Verfassung lehnt fih auch, im großen wie im kleinen, ewußt an die von 1848 an: unsere \chwarz-weiß-rote Fahne hat man heruntergeholt zugunsten der \ch{chwarz-rot- benen, die Beseitigung von Titeln und Orden, die Abschaffung M Adels hat man ausgesprochen. Als ob man organisches Leben urd) papierene Paragraphen beseitigen könnte. (Sehr gut ! rets.) n {chmäht die Bismarksche Herrschaft als eine -Gewaltherrschaft. its ist falscher als das. Es hat niemals eine Verfassung gegeben, die die lebendigen Organismen des Staatslebens in der Weise zur Entfaltung zu bringen verstanden hat. (Beifall rechts. urufe bei den Soz.: „Und uns in den Krieg hinein- veführt hat!) Die alte Verfassung hat den Weltkrieg nicht ver- duldet, und wenn wir ihn vier Jahre ausgehalten haben, so a0 das an der Festigkeit, die sie auszeihnete. (Beifall rets.) n alte Neich zeichnete fih dur einen Wunderbau des organischen Wachstums aus; wie man die Bundesstaaten jet konstruiert hat, D man ihnen die Finanzhoheit genommen und indem man ihr taatsbürgerrecht gestrihea hat, werden fie, fürhte i, sehr ald ihr eigenes Leben verlieren. (Sehr richtig! rechts.) Das markanteste Zeichen dieser neuen Verfassung aber ist *ein extremer srlamentarismus. Der Neichspräsident hat gegenüber dem Par- ent so gut wie gar kein Net. Das muß zu einer Parlaments- jershaft führen; . aus ihr geht dann die Parteiherrschaft Mer) die ih vtelfah - zu einer reinen Geldirtschaft aus- Elen wird, und das bedeutet, daß. wichtige Kräfte unseres Otaatslebens einfach auégeshaltet werden. Wir erleben das ia E hon alle Tage, die wichtigsten Angelegenheiten, die Friedens- lage“ und “die Verfassuna, sind einfa ‘zwischen den herrschenden y arteten verhandelt worden, und in diesem Augenblick wissen wir s nicht, wie die wichtigsten Angelegenheiten, das E chulkompromtß p die Abgrenzungsfrage, sich gestalten werden. Besonders geföhr- ch aber würde sih ein Uebergreifen dieser Parteiherrsha't auf unser peamtentum erweisen, dem dadur zwei Eigenschaften genommen Nen, durch das sich unser altes Beamtentum ia der aanzen Welt pecdeicnet hat, seine Sachkunde und seine Unparteilichkeit. (Sehr is iq ! rehts.) Die Gegengewichte, die man geaen das ÜUeberwuche n crearlamentariémus eingeseßt hat: Meichspräsident, Reichsrat und L erendum, gerügen in den Fo1men, wie man sie konstruiert hat, nesfalls. (Abg. Haußmann ruft: Elauben Sie!) Herr e, ih kann hier nur die vorliegende Verfassung fkriti- würts wenn ich sie mit meinen politishen Freunden gemacht hätte, Boie ih fie ganz anders gemaht baben. (Sehr gut! und R rechts.) Ich fürchte sehr, der Staatêwagen, der sowie!o n fehr schleudert, wind dur das NReserendum ganz und gar

An unserer ablehnenden

o Œpeile Beilage zum Deutschen Neich8auzeiger und Prenßischen Staatsanzeiger.

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Berlin, Donnerstag, den 31. Juli

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aus dem Gleis gewörfen werden. e, die B enannten g re@l es wünschenswert ist, die Bestimmungen über Schule un Beamte in die Verfassung zu bringen; alles A it überflüssiger Ballast, an dem niemand seine Freude und von dem niemand Nußen hat. (Beifall rechts.) Nach alledem werden wir“ für den Entwurf in der vorliegenden Fassung nit stimmen können. Man wird in den nächsten Tagen eiern ver- aystalten aus Anlaß der Verabschiedung der neuen Verfassung. Einer ibrer leßten Artikel bestimmt: Die Verfassung vom 16. April 1871 wird aufgehoben. Damit sceidet sich das neue Deutst land auch formell von der stolzesten. Epoche setner zweitausendjährigen Ge- \{ch chte. In diesem Moment und in dem Augenblick, wo man die sckwarz-weiß-rote Fahne herunterholt, müssen wir bei einer derartigen Feier stills{weiaend abseits stehen. (Lebb. Beifall rechts8.)

Abg. Dr. Cohn (U. Soz.): Verfassungen sind ledigli der Aus- dru eines stetig fortsbreitenden wirtsckaf!liden Cniwiklungéprozesses und haben keinen Ewigkeitêwert. Für diese Verfassung ist der Zeit- punkt unrichtig, weil verfrüht gewählt, und sie wird die Entwicklung, was ihr Zweck war, auf lange Zeit hinaus nit unterbrechen. Die große Finanznot Deutschlands und die allzu große Nähe des Krieges haben Bestimmungen ermöglicht, die der Zeit wiedersprehen. Die Zentripetaltendenz ist nicht auêgeprägt, die Handelsfreiheit des Militärs und die sheinmona! cische Stellnng des Neichepräsidenten sind über- holt. Ach sind die Grenzen tes Paulamentarismus in ihr erreickt, wenn nit überschritten. Eegen die Entwicklung zu einem zertralen Parlamentarismus eriheint die Nücktkchr zu einem System, ‘das Verwaltung und Geseßgebung vereinigt, geboten. Der Ein.elne muß mitwirkendes Glied der Verwaltung sein, nit deren Objekt.” Der Parlamentarismus hatte den Mut nid, sich auszuwirken und die Gesellichaft, wie alles natürlide Leben, aus der Zelle auf- zubauen. _Die MNâäte wüssen überall die Aufsicht gewinnen, zuerst die Belrtebsräte, auf denen sih Gruppenräte bis zum NReichêwii tschafts- rale aufbauer. Der politi\he Zennalrat kontrolliert dann das Parla- ment und die gesamte Verwaltung. Die Versassung bringt aber in den Nätebestimmungen nur eine \chamhafte Konzession an die neuen treibenden Kräfte des Wirtschaftslebens. Hier hat die Versamm! ung versagt, weil wir feine einheitlichen Klassen haben. So wurde die Verfassung zu einer Verlustliste der Demokratie und des Sozialis- mus. Daraus erklärt sih unsere Stellung zu der Verfassung. Im Sozialismus ist die einzige Möglichkeit sür decn S aci enthalten. Wir glauben, daß ede die stolzeste EpoFe der Deutschen und der Menschheitêge'chickchte erst beginnt, wo der Wahn die alten JIllusionen von der deuticken Vtacht und der Macht über- haupt endgültig erledigt ist. Wir brauen Abkchr von dem engen Nationalitmus, von, dem die deutsche Politik biéber behcrrs{cht war, und Ausfstieg ¿um Internationalitmus. Die Deutschen müssen sich vereinigen, nah der Vernichtung it1es Heims, mit den Gleichdenken- den und Gleichstrebenden bisher au2gebeuteter Klassen: abgchen von der Scheindemottatie und Wendung. zur wahren Demokratie! Aus dicsem Grunde let nen wir die Verfassung hier ab.

MNeichékommissar Dr. Preuß: Die Opposition der NeTten und der äußersten Linken ist sj darüber e nig, daß der Zeitpunkt für die Rana fal'ch gewählt sein soll. Die Rechte klebt an der alten Verfassung und Dr. Cohn erklärte sie für v.rfrüht, vermutlich in dem

(Schr richtig! rechts.) Was anlangt, fo erkenne ich an,

Gedanken, daß wir warten sollten, bis seine Parte! an die Herrschaft

gekommen wäre, (Zuruf der Unabhängigen : Das wäre vernünftig ge- wesen!) In diesem Falle hätten wir allerdings sehr bald die von Herrn Dr. Cohn \o- lebhaft -befüuwortete Vereinigung von Gesey und Verwaltung erhalten: die Militärdiktatur. (Lebhafte Zuslimmung links, Widerspruch ter U. Soz.) Es ist nun mal der Lauf der Geschihte, daß das cine Extrem von dem anderen abgelést wird. Wenn die Verfassung jeyt ver- abschiedet wird, bewahren wix unser Volk sowohl vor der Diktatur von *rechts, als auch vor ter von links.| (Widerspruch bei der Nechten und den U. Soz. Beifall der Mehrheit.) Dr. Heinze hat be- máängelt, daß die Verfassung die Parteiherrschaft bringt. Er über- sieht, daß es auch unter dem alten Systim eine Parteiberrschaft gab, damals gab es aber nit dea Parlamentariêmus, ter mit dem Wechsel der Parteten verbunden is}, sondern immer nur die Herr- chaft einer Partei, und die Negterung hatte weiter richts zu tun, als ihre Maßnahmen mit den Wünschen dieser Partei - in Einklang zu bringen. Diese Parteiherrs(aft ist daher \{limmer und un- frudtbarer als wechselnde Parteihen:s{aft. (Lebbafter Beifall.) Der Abg. Heinze hat die mit dem Parlamentarismus verbundene Ministerauswahl beanstantet. Früher kamen die Minister, man wußte nicht woher, und gingen, man wußte nicht wohin. (Zuruf : Aus der Wolke ohne Wahl! Heiterkeit.) . Ven nun an werden sie aus der Volksvertretuyg l ervorgehen. Der Kampf um die Macht in den geordneten Formen der parlamentarishen Auseinanderseßzung ist dem früheren Verfahren vorzuzichen. Der Abg. Or. Heinze ist soweit gegangeu, die Biémarcksck&e Verfassung dem Entwurf selbst binsihtlich des organishen Aufbaucs für überlegen zu ertlâren. Gerade bei der Biémarckschen Verfassung kann man von einem organifchen Aufbau nicht sprechen. (Lebh. Zustimmung.) Ich erkläre mir diese Wendung des ‘Abg. Dr. Heinze nur aus der Stimmung des wehmütigen Abschiedes. (Heiterkeit und Zustimmung.) Wenn Sie (zur Rechten) heute zur Negierung kämen, würden Sie au de Bismarcksce Verfassung nicht aufrecht ertalten können. Es i} gerade ein Segen der Partciherrschaft, daß auch die Opposition nichts fordern kann, als was sie selbst zu er- reichen fähig wäre. Auch diese Tatsache bewahrt uns vor der Unfrucht- barkeit des allen Systems. (Zustimmung.) Die Frage, wie die Ver- fassung wirken wird, bängt in der Zat lediglich von ihrer Ausführung ab, also von ten leitenden Persönlichkeiten. Diese müssen hervor- gehen aus dem politishen Kawpfe. Unter dem parlamentarischen System wird der gtstürzte Minister, im Gegensaß zu Bismark, der selbst ein Opfer des alten Systems war, der von der Krone und niht vom Volke entlassen wurde, nicht mehr aus dem politischen Leben avsgeschaltet sein. Mit allzu starken Kontrollmaßnahuren, die die demokratische Negierurig behindern können, bin auch ich nickt völlig einverstanden. Sie sind aber nichts anteres als Nahwirkungen des alten Systems, dessen Erbschaft wir angetreten haben. Das Vertrauen des Volkes zu der Regierung ist eben desbalb noch niht*ohne weiteres gegeben. Im politischen Kampfe wird sich die Auslese für die staatsmännische Aibeit geeigneter Führer, die das Vertraven des Volkes haben, vollziehen. Man befördert aber di se Auslese nicht, wenn man, wie es hier seitens der Opposition der Nechten ge\chehen ist, immer das alte in den Vordergiund siebt, das an sciner inneren Unhaltbarkeit zusammenbrochen ist. (Lebhafter Beifall.)

Damit {ließt die allgemeine Besprechung.

Präs. Fehrenbach: Es liegt eine große Neiße von Wort- meldungen und Anträgen vor. Die Anträge sind z. T. redaktioneller Art, z. T. Kompromißanträge, z. T. wolleri sie nur grundsäßlich den Parteistandpunkt wahren. Ich kin der unfrafßgeblihen Meinung, N die Herren Nedrer sich in der dritten Lesung auf die umfäng- lien Ausführungen in der zweiten Lejung berufen können (schr richtig! und Zustimmung), da neue Gedanken faum mehr vorgebraht werden fkönnca. Jch möchte dethalb den be- \{ idenen Wuns ausfprechen, foweit nit ganz auf das

Wort verzihtex werden kaun, sich wenigstens der möglihsten Kürze

zu befleißigen; i glaube nit, daß ih damit der Sade oder den einzelnen Rednern zu nahe trete, Nur nebenbei will ich noch auf- merfsam machen: entscheidend darf das natürlich nit sein. Wir haben in Aussidt genommen, von Freitag ab eine kleine Pause eintreten zu lassen. J würde meine Hände in Uns{uld waschen, wenn diese Auésicht nit eintreten würde. Dann noch eins. Es kommen jeßt zahlreiche Abstimmungen nac einander. Es wird daher nôtig sein, daß die Mitglieder der Nationalversammlung am Plate bleiben, da- mit das Abstimmungsverhältnis ras festgeste0t werden kann.

Jn der Einzelberatung wird hierauf Ueberschrift uvd Einleitungsformel debaltelos angenommen. Art. 1 des ersten Hauptabschnitis (Aufgaben und Aufbau des Reichs) lautet: „Das Deuische Reich ist eine Nepublik. Die Staats- gewalt geht vom Volke aus.“ AnträgeArnstadt (D. Nat.) und Dr. Heintze (D. V.) wollen den ersten Sah streichen

Abg. Dr. Delbrü ck (D. Nat.): Nahdem Dr. Du-rinzer unseren Fm didgliden Standpunkt dargelegt hat, könuen wir auf unseren {nrag verzichten, duch den wir nur unsere grundfäßlihe Stellurg ¿um Ausdruck bringen wollen.

Art. 1 wird unverändert angenommen, ebenso Art. 2. Art. 3 handelt von dea Reichsfarben.

Ein Antrag Dr. Heinze (D. V) für die Farbe s{chwaxz- weiß-rot wird gegen die Stimmen der Rechten und eines Teiles der Demokraten und des Zentcums abgelehnt. (Das Ergebnis wird von ‘der Rechtea mit Psfuirufen aufaecomwen.) (Gr. Un- ruhé u. lärmende Zurufe b. d. Mehrheitsparteien.)

Prâf. Fehrenbach: Ih muß mit aller Entschiedenheit rügen, daß irgend welche Abstimmungen, die hier vorgenommen werden, mit folden Nufen begleitet werden; das ift eine grobe Ungehörigkeit.

Art. 3 wird hierauf in der Fassung eines Antrag Hauß- manns (Dem.) angenommen: Die Reichsfarben sird \{warz- rot-gold, die Handelsflagge ist hwarz-weiß-rot mit den Neichs- farben in der oberen inneren Ee. :

_Zu Art. 8 (Abgrenzung der Geseßzgebungszzuständigkeit awischeu Neich und Ländern) bemerkt ae L

D Dr. Bey erle: Die Vertreter der bayerisGhen Volkg4 partei aben von Anfang an am Verfassungswerk 1ätig Anteil ges nommen. Wir sind uns der großen Opfer, die vom Stantpunkt der Einzelstaaten zugunsten des Neiches gebraht werden mußten, fehr wobl bewußt. Wir haben erhebliche Bedenken gegen die Er- weiterung der Zusländigkeit des eichs; unsere Bedenken sind allerdings abgeschwä@t worden, nahdem es gelungen ist, die Bestimmungen über die Enteignung in unserm Sinne abzumildern, und da man in dec Frage der Reservatrechte niht den Weg der ein1eitigen Vergewaltigung der Einzelstaaten, sondern den Weg der Vereinbarungen beschritten hat. Wir würden dem Verfassungs8werk mit noch arößerer Freude zustimmen können, wenn gewisse Punkte, über die die Ent\cheidung noch) ausfteht, in einem auh uns gerecht werdenden Sinne entihicden werden würden. |

Art. 8 wird angenommen.

Art, 12 gibt der Reichsregierung gegen Landesges-te, die sih auf Gegenj1ände der Sozialisierung beziehen, ein Ems \spruch3recht mit oauf\chiebender Wirkung, sofern dadurch das Wohl der Gesamtheit im Reiche berührt wird. Die Worte „mit aufshiebender Wirkung“ werden gestrichen.

Art. 17, der die Verfassung des Landes betrifft, sett avch für die Gemeindewahlen die Grundsäße der allgemeinen Wahlen an. Dazu wird ein Antrag Arnstadt angenommen, daß das Wahlreht sür Geweindewahlen durch Landesgesez von einem einjährigen Aufenthalt in der Gemeinde abhängig gemacht werden kann. (Unruhe und Murren lials )

Präs. Fehrenbach: Das Büro ist noch niemals so einig gewesen, daß jeßt die Mehrheit gestanden hat. (Große Heiterkeit).

Die Abstimmung über Art. 18, dir die Aenderung bes Gebietes von Ländern usw. fesiseßt, wird vertogt, da ein dozu gestellter Antrag noch nicht in den Händen der Versammlung ijt.

Art. 22 h zunächst die Wahlperiode des Reichstags auf ui Jahre fest. Ein Antrag Auer (Soz ) will dreijährige Wa h!periode, ein Antrag Erkelenz (Dem.) vierjämige.

__ Abg. Erkelenz (Dem.): Die Dauer der Wahlperiode ist reine Zweckmäßigkeitsfrage. Jn den teu!shen Bundesstaaten gibt es wei- bis siebenjährige Wahlperioden. Wir find einig, daß drei Jahre für die Tätigkcit eines Parlamentes viel zu kurz sind.

Abg. Dr. Cobn (U. Soz.): Kurze Wablperiode ist Forderung

der Demckratie. Wir n ürden wieder zweijährige Wahlperiode be- antragen, wenn wir die nöt'ge Unterstüßung hätten. Die Mehrheits- \ozialifien haben wieder verjagt. (Unruhe und Lachen.) __ Abg. Katzen stein (Soz.): Der alte Neichstag hatte die dret- jährige Wahlperiode. Erst der reaktionärste Meichstag, den wir hatten und der durch Lug und Trug zustande kam, verlängerte sie auf ‘9 Jahre.

Die vierjährige Wahlperiode wird in Auszählung mit 166 gegen 189 Stimmen angenommen. Die weitere Bes stimmung des Artikels, daß vor dem Ablauf der Wahlperiode Neuwahl fiatizufiaden hat, wird gestrichen, dafür nah einem Antrag Haußmann beschlossen, daß der Reichstag zum ersten Male spätestens am 30. Tage nah der Wahl zusammen- zutreten habe.

Die Artikel 283 bis 34 werden in der Fassung der - zweiten Lesung angenommen. Ein Antrag des Abg. Dr. Cohn (U. Soz.) auf Einfügung eines Art. 34a, wonach die Neichs- regierung dem Reichstag auf Verlangen die \cristlihen Ver- handlungen über die Beziehungen des Reiches zu auswärtigen Staaten vorzulegen hat, wird abgelehnt.

Zum - Art. 35 beantragt der Abg. ‘Koch- Cassel (Dem.), den ständigen Ausschuß des Reichstages zur Wahrung der Rechte ‘der Volksveriretung gegenüber der Regierung für die Zeit außerhalb dec Tagung, fowie die Bestimmung, daß dieser Ausschuß und der ständige Aus- \huß für auswärtige Angelegenheiten die Rechte von Unter- suchungsausschüssen habe, zu streihen. Art. 35 wird jedoch unverändert angenommen.

Urt. 36 (Jmmunität der Abgeordneten) wird unverändert angevommen. i

Zum Art. 37, wonach die Abgeordneten während der Tagungszeit nicht verhaftet oder zur Untersuhung gezogen werden können, beantragt Abg. Haußmann, ftatt „Tagungszeii“ gil leyen agung -. as :

ba. avid\ohn (Soz.) bedauert, daß der eirgebür Ausdruck „Sizungéperiode“ durch den untlaren aae can beseilîgt nmceide. Dodurcd enislehe arch die Gesahbr, daß die Gerichte

ven Willen: des Gesetgebe1s nic respekticren, sontern während