1897 / 79 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 02 Apr 1897 18:00:01 GMT) scan diff

erhalten bis zur Einrangierung in etatsmäßige Stellen oder bis zu

ihrem Ausscheiden ihre Gebührnisse über die Friedens-Verpflegungê-

tats der Waffe;

b. bei der Kavallerte um ;

5 Rittmeister 1. Klafse, 2 davon vom 1. Oktober 1897 ab, 5 Premier-Lieutenants, 2 davon vom 1. Oktober 1897 ab, 15 Second-Lieutenants, 6 davon vom 1. Oktober 1897 ab siehe Ziffern 3 und 4a; . bei der Luftschiffer-Abtheilung um 2 Hauptleute je einer 1. und 2. Klasse als Lehrer ür die dauernd einzurihtende, bisher versuchsweise estebende Lehranstalt; : . Bei den Adjutanten bei den höheren Kommando-Bebörden um 1 Hauptmann 2. Klasse als 3. Adjutant bei dem General- Kommando 111. Armee-Korps; . bei den Train-Bataillonen um j 2 Premier-Lieutenants für Bespannungs-Abtheilungen der B - Artillerie, vom 1. Oktober 1897 ab siehe iffer 4 b; i: é

f. bei den Bezirks - Kommandos um 30 inaktive Offiziere in der Regel Hauptleute oder Lieutenants als Bezirks - Offiziere, auf welhe die Festsezungen der Ordre vom 26. März 1888, Ziffer 3, Anwendung finden;

g. bei den Divisions-Aerzten um 17 Stellen; dagegen fallen die Ober-Stabs- und Garnison-Arztstellen in Béagdeburg, Caffel, Han- nover, Stettin und Münster fort ;

h. bei dem Zeugpersonal um _

2 Zeug-Hauptleute 2. Klasse und 2 Zeug-Lieutenants ; : i. bei der Unteroffizier-Vorshule in Greifenberz i. Pomm. um 1 Hauptmann 2. Klasse, 3 Premier-Lieutenants, 3 Second-Lieutenants, 1 Assistenz-Arzt.

3) Die Benennung „Meldereiter-Detahement des X. Nrmee-Korps" wird in „Detachement Garde-Jäger zu Pferde“ bezw. „Detachement Jäger zu Pferde des X, Armee-Korps“ umgeändert.

Die Stärke des Detachements Jäger zu Pferde eines Armeec- Korps wird unter Abänderung Meincr Ordr- vom 30. März 1895 Ziffer 2c auf die Stärke einer Eskadron desjenigen Kavallerie- Regiments festgeseßt, welhem das Detachement angegliedert ist. Die Offiziere, Unteroffiziere, Mannschaften und Pferde des Detachements treten dem Etat dieses Regiments binzu.

Unter den für jedes Detachement etatsmäßigen Unteroffizierstellen befindet sih eine Stelle für einen Fahnenshmied. Portepee-Fähnriche und Trompeter erhalten die Jäger zu Pferde niht; dagegen erhöht ih der Etat des betreffenden Kavallerie-Regiments um 2 Dekonomie- Handwerker.

__ Die von Mir am 11. Mai 18395 genehmigte Dienstordnung für die Meldereiter-Detachements wird abgeändert den betheiligten Dienst- stellen zugehen; die dieser Dienstordnung beiliegenden „Besonderen Bestimmungen für den Zusammentritt der Meldereiter-Detahhements u. f. w.* vom Jahre 1895 treten außer Kraft.

4) Es werden neu errichtet: j

a. je ein Detachement Jäger zu Pferde bei dem XIV. und XVI1I1. Armee - Korps am 1. Oktober 1897; dieselben werden dem 1. Badischen Leib - Oragoner - Regiment Nr. 20 bezw. dem 1. Leib- Husaren-Regiment Nr. 1 angegliedert und erhalten die gleiche Uniform wie die Detachements des X. bezw. 1. Armee - Korps. Die Unter- tir erfolat dur) die Nummer des Armee-Korps auf den Achsel- \chnüren und Schulterklappen ;

þ. in Glogau und Thorn je eine Bespannungs - Abtheilung für Fuß- Artillerie vom 1. Oktober 1897 ab in der Stärke der bei den Train-Bataillonen Nr. 15 und 16 bestehenden Bespannungs-Abthei- lungen. Die neuen Bespannungs - Abtheilungen treten den Etats des Swlesishen Train - Bataillons Nr. 6 bezw. des Train - Bataillons Nr. 17 hinzu. '

Die bei dem Großherzogli Hessishen Train - Bataillon Nr. 25 bestehende Besyannungs-Abtheilung für Fuß-Artillerie wird zum 1. Oktober 1897 nah Köln verlegt und tritt mit diesem Zeitpunkte zum Rheinischen Train-Bataillon Nr. 8 über.

5) Bon den bei dem Generalstabe der Armee vorhandenen vier Ober-Quartiermeistern kann einer die Dienstbezeihnung „General- Quartiermeister* erhalten.

6) Es werden umgewandelt :

a. die Stellen von 3 Hauptleuten 1. Klasse Neferenien beim Kriegs-Ministerium in solhe füc Stabsoffiziere; i

b. die mit pensfionierten Regiments - Kommandeuren befegten Stellen der Kommandeure der Bezirks-Kommandos 111 und IV Berlin in Stellen für aktive RNegiments-Kommandeure.

7) Die beiden Adjutanten bei dem Militär-Reit-Institut und der Adjutant bei der Inspektion der militärischen Strafanstalten ge- hören für die Folge zu den Adjutanten bei den höheren Kommando- behörden. :

Die leßtere Stelle wird vom Kapitel 36 Titel 1 auf das Kapitel 24 Titel 1 übertragen und aus einer Premier-Lieutenantsftelle in eine Second-Lieutenants\telle umgewandelt. 4

8) Die Stellen der Vorstände der Artillerie-Depots offener Orte werden für die Folge mit inaktiven Offizieren, welche in der Regel der Feld-Artillerie, unter Umständen der Fuß-Artillerie oder der Infanterie angehört haben, beseßt. Die Ernennung dieser Offiziere erfolgt erst nach Maßgabe des Freiwerdens der bezüglichen Stellen infolge anderweitiger Verwendung u. |. w. ihrer jeßigen Inbaber. Gleichzeitig kommt für jede der bei der Fuß- Artillerie auf diese Weise wegfallenden 14 Hauptmannéstellen ein Premier-Lieutenant bei einem Fuß-Artillerie- Bataillon in Zugang.

9) Nach den in den letzten Jahren stattgehabten Veränderungen der Standorte der Kavallerie- Regimenter kommen für diese 7 Assistenz- Arztstellen in Fortfall.

10) Zur weiteren Durchführung der in Meiner Ordre vom 30. März 1895, Ziffer 12, befohlenen Erweiterung der Kriegs-Akademie ist bei dieser Anstalt vom 1. Oktober 1897 ab der dritte Parallel- Côtus (111 c) unter Vermehrung der bisher Kommandierten um 33 einzurichten.

11) Zur Entlastung der 1. Artillerie-Offiziere vom Play in Meß und Thorn von den ihnen zur Zeit obliegenden Verwaltungsgeshäften werden als Vorstände der Artillerie-Depots in diesen Festungen pensionierte Stabéoffiziere, welche der Fuß- Artillerie angehört haben, = vai Die nähe ren Anordnungen hat das Kriegs-Ministerium zu

treffen.

12) Bei der Ober- Feuerwoerkerschule werden vom 1. September 1897 ab obere Lehrgänge eingeführt.

13) Die Stärke des Lehr-Infanterie-Bataillons wird während der Monate April bis September jedes Jahres um 12 Unteroffiziere und 155 Gemeine (Kommandierte) erhöht. E

14) Die Versuchs\telle für Sprengstoffe in Spandau hat künftig die Bezeihnung „Militär-Versuhsamt“ zu führen; Ziffer 9 Meiner Ordre vom 20. Februar 1890 ändert sih entsprehend. An der Spiße dieses Instituts steht die „Direktion des Militär-Bersuchsamts in Spandau“. Mit den Geschäften des Direktors wird einer der für das Institut etatsmäßigen Beamten (Chemiker und Physiker) beauftragt. / :

15) Zur Weiterbildung von Offizieren dér Feld-Artillerie in den Facwissenschaften dieser Waffe werden zunächst versuhsweise bei der Vereinigten Artillerie- und Ingenieurshule am 1. Oktober 1897 eingerichtet : i

ein oberer Lehrgang von 9# monatlicher Dauer für höchstens 20 Lieutenants

ein unterer Lehrgang von derselben Zeittauer für höchstens 30 Lieutenants. :

16) Vom 1. Oktober 1897 ab sind bis auf weiteres zu jedem Kürsus der Feld-Artillerie-Schießshule 190 ftatt 80 Second-Lieute- ‘nants der Feld-Artillerie zu kommandieren. i

17) Behufs Ausbildung im tehnishen Revisionsdienft find für

und

‘die Folge alliährlich 33 anstatt, wie bisher, 20 Lieutenanis der Feld- Rtilere N je 2 Monate zu den technishen Instituten ‘der Artillerie

zu l'ommandieren. : i 18) An Stelle der durch Meine Ordre vom 30. März 1895 fest-

gesetzten Fahl von 12 sind künftig 20 Lieutenants der Feld- und der Que erie behufs Ausbildung im technischen Dienst nach dem

rmessen des Kriegs-Ministeriums zu den tehnischen Instituten oder zur Technishen Hochschule zu kommandieren. Die Kommandierung dieser Offiziere hat auf Ersuchen des Kriegs-Ministeriums seitens der betreffenden General-Kommandos bezw. der General-Inspektion der Fuß- Artillerie zu erfolgen. /

19) Die Zabl der in die Kaiser Wilhelms-Akademie für das E Bildungswesen aufzunehmenden Studierenden wird um

2 erhöht.

90) Diese Bestimmungen treten, sofern nicht ausdrücklih vor- stehend für einzelne Maßuegeln abweichend verfügt ist, mit dem 1. April 1897 in Kraft. t

Das Kriegs-Ministerium hat hiernah das Weitere zu veranlassen.

Berlin, den 31. März 1897.

Wilhelm.

von Goßsler.

Der hiesige Gesandte der Vereinigten Staaten von Mexico Manuel-Jturbe hat Berlin auf einige Zeit verlassen. Als interimistisher Geschäftsträger fungiert während seiner Ab- wesenheit der Erste Sekretär der Gesandtschatft F. Larrainzar.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Senator der freien Hansestadt Bremen Dr. Marcus ist von Berlin abgereist.

Der N Winckler zu Glaß ist der Königlichen Regierung zu Potsdam zur weiteren dienstlichen Verwendung überwiesen worden.

Der Regierungs - Assessor Freiherr von Houwald aus Danzig, zur Zeit in Berlin, ist dem Landrath des Kreises Waldenburg, Regierungsbezirk Breslau, zur Hilfeleistung in den landräthlihen Geschäften zugetheilt worden.

Friedrihsruh, 1. April. Die Feier des Geburts- tages des Fürsten Bismarck hat, wie „W. T. B.“ meldet, im engsten Familienkreise stattgefunden. Die Zahl der ein- gelaufenen Glückwunsch-Depeschen, sowie der Blumen-Arrange- ments war sehr aroß. Die von den Musikkorps des 9. Jäger- Bataillons, des 76. und 31. Jnfanterie-Regiments beabsichtigte Morgenmusik konnte niht zur Ausführung gelangen, da der Fürst noch der unbedingten Schonung bedarf und sich nicht den Beschwerden ausseßen kann, die bei einer Feier nah her- gebrahter Weise für ihn erwachsen würden.

Sigmaringen, 1. April. Jhre Königlichen Hoheiten die Fürstin-Mutter von Hohenzollern und die Gräfin C e haben si heute von hier nach Baden-Baden begeben.

Sachsen.

Seine Majestät der König gedenkt, wie das „Dresdener Journal“ meldet, am nächsten Sonntag, den 4. April, Abends, nah Badcn-Baden zu reisen, um daselbst mit Jhrer Majzestät der Königin zusammenzutreffen, Allerhöchsiwelhe gestern Abend Mentone verlassen hat und über Marseille-Lyon-Dijon- Belfort-Straßburg am 5. April in Baden-Baden einzutreffen beabsichtigt. Die Rückkehr Jhrer Majestäten nah Dresden exfolgt in der Charwoche.

Mecklenburg-Schwerin.

Jn dem Befinden Seiner Königlichen Hoheit des Groß- herzogs ist, wie den „Mel. Nachr.“ aus Cannes von gestern gemeldet wird, eine Veränderung nicht eingetreten. Die Nachtruhe ist vielfah gestört, der Puls ist zeitweise kräftiger geworden.

: Schaumburg-Lippe.

Auf Befehl Seiner Durchlaucht des Fürsten zu Schaumburg-Lippe veröffentlicht das Ministerium die Verlobung Jhrer Durchlaucht der Prinzessin Adelheid zu Schaumburg-Lippe mit Seiner Durchlaucht dem Prinzen Ernst zu Sachsen-Altenburg.

Die Prinzessin Adelheid, geboren zu Ratiboriy a:n 22, September 1875, ift die dritte Tohter Seiner Durhlaucht des Prinzen Wilheltn zu Schaumburg-Lippe und dessen Gemahlin, Ihrer Durchlaucht der Prinzesfin Bathildis, geborenen Prinzessin von Anhalt. Der Prinz Ernst zu Sachsen-Altenburg, geboren am 31. August 1871, ift der einzige Sohn Seiner Durchlaucht des Prinzen Moriy zu Sachsen- Altenburg, des Bruders Seiner Hoheit des regierenden Herzogs, und íFhrer Dur(lauht der Prinzessin Auguste, geborenen Prinzessin von Sachsen-Meiningen.

Elsaß-Lothringen.

Das „Gesepblatt für Elsaß-Lothringen“ vom 31. v. M. veröffentliht das Gesetz, betreffend die Fest- stellung des " Landeshaushalts von Elsaß- Lothringen für das Etatsjahr 1897/98.

In der gestrigen Sizung des Landesausschu sses wurde ein Juitiativantrag des Hauses auf Einführung der Einkommensteuer behufs Entlastung der Landwirth- schast berathen. Jm Laufe der Debatte gab der Unter-Staats- sekretär von Schraut die Nothlage der Landwirthschaft zu, wies jedoch darauf hin, daß durch die auf dem Wege der Steuer- reform gethanen Schritte bereits eine große Erleichterung für dieselben eingetreten sei. Die Einführung einer Einkommen- steuer gleih der in Preußen würde die Beseitigung sämmt- liher anderen direkten Steuern zur Folge haben. Das lasse sich nicht von heute auf morgen bewerkstelligen. Der Unter- Staatssekretär erkannte dabei an, daß die Vertheilung einzelner bestehender Steuern A Nat a sei, namentli der Personal- und Mobiliarsteuern, dur welche die Minder- bemittelten unverhältnißmäßig belastet würden. Der Antrag wurde shließlich einer Kommission überwiesen.

Deutsche Kolonien.

Der . Verlauf der deutsch - portugiesishen Grenz- linie zwishen Kap Delgado und dem unteren Ruvuma in Ostafrika war im Februar 1895 durch eine beiderscitige Kom- mission an Ort und Stelle festgelegt worden. Eine nachträgliche Prüfung der der Grenzfestlegung zu Grunde gelegten astrono- mischen Positionen hatte die Versezung eines Grenzsteines auf dem Wege von Mbwisi nah Tungi nöthig gemaht. Nachdem diese Verseßung, wie das „D. Kolonialbl.“ berichtet, durch eine gemischte Kommission unter Aufnahme eines entsprechenden Protokolls am 9. Dezember 1896 stattgefunden hat, ist die De PRE e Grenze in Ostafrika endgültig fest- gelegt.

Das Kaiserliche Gouvernement in Deutsh-Ostafrika hatte den Oberarzt Dr. Gärtner nah dem Usambaragebiet

mit dem Auftrage entsandt, sich an Ort und Stelle über die Arbeiterverhältnisse auf den Plantagen zu infor- mieren, und zwar sollte sich seine Revision insbesondere auf folgende Fragen erstrecken : j

1) Sind die Arbeitsanforderungen, die an die Arbeiter gestellt werden, übertrieben oder nicht? 2) In welher Weise wird die Auf- icht über die Arbeiter auëgeüdbt? 3) Deutet der Gesundheitszustand der Arbeiter auf chlechte Behandlung (Mißhandlung) oder shlehte Ernährung hin? 4) In welcher Weise is dafür gesorgt, daß die Arbeiter gute und billige Lebensmittel einkaufen können? 5) Wie find die Arbeiter untergebraht? Genügen ihre Wohnräume und die ihnen etwa über- wiesenen Bettgestelle und Decken, um sie gegen die Unbilden des den meisten von ihnen (Javanen, Chinesen, Eingeborencn der Ebene) un- gewohnten Klimas zu {hüten ? 6) t im Fall der Erkrankung für sofortige Behandlung und Arzneihilfe geforgt ? In wel§zer Weise geschieht dieselbe ? i

Dr. Gärtner hat seine darauf bezüglichen Beobachtungen nah dem „D. Kolonialbl.“, wie folgt, zusammengefaßt:

Die Arbeitsanforderungen scheinen nirgends übertrieben zu fein. Gearbeitet wird überall durh[chnittlid 10 Stunden, Sonuxags ift frei. Es liegt ja wohl auch im Interesse der Plantagenleitungen, die Anforderungen nicht zu hoh zn spaunen, da ihnen sonst die Arbeiter einfa fortlaufen würden. Die Aufsicht wird überall durch Aufseher desselben Stammes ausgeübt, was s{chon der Sprachverschiedenheit wegen nothwendig ist, zudem würden Suahelis si faum z. B. von Chinesen beaufsihtigen lassen und vor diesen den nöthigen Respekt haben, und umgekehrt. Die von Herrn von Nh ode engagierten Wasukumas haben thre Führer (Muntamparas), die fie hervnter- gebraht haben, als Aufseher beibehalten, doch hat man zur Arbeit thnen nod) Sugheli-Auf]eher beigeben müssen, da die Munianmparas allein zu wenig intelligent find, um eine felbst recht einfahe Arbeit beaussihtigen zu können. Der Gesundheitszustand war auf allen Plantagen ein guter, tropdem zu der Zeit, in welcher die Inspektions- reise ausgeführt wurde, das Wetter das denkbar s{chlechteste war ;" es regnete* sehr viel, zudem war es in den Bergen oft empfindlich kalt. Auch der allgemeine Ernährungszustand der Leute war durhweg als gut zu bezeichnen; wirklih abgemagerte Gestalten sah man nirgends; im Gegentheil sahen auf cinzelnen Plantagen in der Ebene die Arbeiter sehr wohlgenährt aus. Die Ernährung der Arbeiter bietet in den in der Ebene gelegeren Plantagen keine Schwierigkeiten. In der Nähe finden sich meist Schamben genug, von denen die Lebensmittel direkt, das heißt ohne Zwischenhändler, bezogen werden können. Die Ein- rihtung, daß auf den Plantagen alle Tage zu bestimmter Stunde Marft stattfindet, zu welhem die Verkäufer ihre Waaren selbst bin- bringen, ift jedenfalls ganz praktish. Es wird dadurch vermieden, daß die Ärbeiter ihre Plantage verlassen und selbst ins Land ziehen, um fich Lebensmittel zu suchen, was leicht zu Diebstäblen und Räubereien führen fönnte. .. Im Großen und Ganzen fann als festgestellt gelten, daß man sich überall Mühe zu geben scheint, für das leibliche Wohl der Arbeiter gut zu forgen, was ja \chlich{li} auch nur im eigenen Interesse der Plantagen liegen kann.

Oesterreich-Ungarn.

Im ungarischen Unterhause meldete gestern der flcrikale Abgeordnete Kalman gegen den Abgeordneten Julius Rosenberg die Jnkompatibilität an.

Großbritannien und Frland.

Jn der gestrigen Sipung des Unterhauses sprah der Ersie Lord des Schaßamts Balfour die Meinung aus, daß die Osterferien des Hauses vom 13. bis 26. April dauern und die Budgetvorlage nah den Osterferien zur Berathung kommen werde. Sir Charles Dilke fragic an, ob Deutschland Truppen nah Kreta sende. Balfour erklärte, diese Anfrage ohne vorherige Anzeige derselben niht beantworten zu können. Mac Neill verlangte Aufshluß über die Stellung Lord Salisbury's während seiner Abwesenheit sowie üver die Stellung des Parlaments-Sekretärs Curzon Balfour erklärte hierauf, daß die Pflichten und die Ver- antwortlichkeit Lord Salisbury's als Premier-Ministers und Ministers des Auswärtigen unverändert seicn und daß die Stellung Curzon's genau die seiner Vorgänger in demselben Amt sei. Mac Neill beantragte hierauf die Vertagung des Hauses, um gegen Lord Salisbury's Abwesenheit zu protesticren. Der Antrag wurde, nachdem sih kein Minister zum Wort: ge- meldet hatte, ohne namentliche Abstimmung abgelehnt. Schließlich wurde die dritte Lesung der Bill über die Militär- bauten ohne namentlihe Abstimmung genehmigt.

Die Regierung hat, wie das „Reuter'she Bureau“ er- fährt, eine Gebirgsbatterie, bestehend aus sechs Geschüßen, die von Maulthieren getragen werden, mit fünf® Offizieren und 180 Mann für den Dienst auf Kreta beordert.

Frankreich.

In dem gestern abgehaltenen Ministerrath wurde der Marine-Minister, Admiral Besnard ermächtigt, in der Deputirtenkammer einen Geseßentwurf einzubringen, durch welchen der Regicrung die Genehmigung zum Bau neuer Schiffe im Gesammtwerth von 80 Millionen Francs ertheilt wird. Diese Summe soll auf mehrere Jahre vertheilt werden ; der Kredit für das Jahr 1897 soll 8 500 000 Fr. betragen.

Der Senat ertheilte gestern nach unerheblicher Debatte mit ziemlich großer Stimmenmehrheit, dem Antrage der Kommission gemäß, die Ermächtigung zur gerihtlihen Verfolgung des Senators Levrey und nahm darauf die Artikel 1, 2 und 3 der Vorlage, betreffend die Zuckersteuer, an. Die Deputirtenkammer nahm die Berathung des Geseß- entwurfs über die Ernennung eines Höochstkomman- dierenden der Armee wieder auf. Der Berichterstatter Vicomte de Montfort wies die gegnerishen Kritiken des Entwurfes zurück und suchte die Nothwendigkeit darzuthun, daß die Heerführer schon in Friedenszeiten ihre wirklichen und \harf bemessenen Funktionen ausübten, indem er auf die Gefahr hinwies, welche die improvisierte Bestellung eines Höchstkommandierenden im modernen Kriege in sich berge, wo die Schläge rasch und entschezdend seien. Er erinnerte dabei an die Ereignisse des Krieges von 1870. Die weitere Be- rathung wurde sodann auf morgen vertagt.

Ftalien.

Der Deputirte Gianforte Suardi ist, wie „W. T. B.“ berichtet, zum Unter:Staatssekcetär im Ackerbau-Ministerium ernannt worden. Der Senator Farini wurde als Senats- Präsident bestätigt. | i

Der Papst hat beschlossen, in dem nah Ostern abzu- haltenden Konsistorium die Erzbischöfe von Lyon, Rennes, Rouen und Compostella zu Kardinälen zu ernennen.

: Spanien.

Die Königin- Regentin erhielt gestern, wie „W. T. B.“ meldet, während Allerhöchstdieselbe einem Konzert im Theater beiwohnte, eine Depesche, mit der Meldung, daß Noveleta auf

Lucon in die Gewalt der Spanier gefallen sei, und Ueß dieselbe |

verlesen. Die Na\richt rief große Begeisterung hervor; das Publikum verlangte den Königsmarsh und die Volkshymne und brachte Hochrufe auf den König, die Königin- Regentin, die Armee und die Marine aus.

Türkei.

Der griechische Gesandte Fürst Maurokordato hat, wie das Wiener „Telegraphen-Korrespondenz-Burcau“ aus Kon- stantinopel meldet, mit dem Minister des Acußern Tewfik Pascha wegen einiger Vorfälle an der Grenze cine Unter- redung gehabt, bei welcher beiderseits die Versicherung gegeben wurde, daß die Truppen an der Grenze die strengste Instruktion erhalten hätten, Reibungen zu vermeiden. Der Ge- sandte soll bei diesem Anlaß nohmals eine direkte Verständigung zwischen der Türkei und Griechenland angeboten haben, indessen scheine die Absicht der Entsendung eines besonderen türkischen Abgesandten nah Athen wieder aufgegeben zu fein. Das Kanonenboot des 1. Geshwaders „H isgr“ hat in- folge einer großen Havarie nah Konstantinopel gebracht werden müssen. Der britische Konsul in Siwas, Major Bollmann hat bisher in Tokat 89 todte und 36 verwundete Armenier gezählt, sowie die Plünderung von drei Dörfern der Umgebung konstatiert. Nach einer Meldung aus dem französischen Kloster in Tokat wurden au zwei armenishe Priester getödtet. Aus Malakia sind beunruhigende Stimmungsberichte eingelaufen. Die Lage in Skutari (Albanien) ist noch immer gespannt. Die Mohamedaner erwarten, daß der Vali ihnen die versprochene Genugthuung verschaffen werde

Der Oberst Vassos hat, wie „W. T. B.“ aus Kanea meldet, gestern ein Schreiben an den orthodoxen Bischof in Kanea gerichtet, worin er anbietet, 42 türkische Soldaten und 2 Offiziere, welhe in dem leßten Gefechte bei Malaxa gefangen genommen worden feien und in Mikianu zurück gehalten würden, unter der Bedingung ihrer Entfernung von Kreta auszuliefern. Die Admirale seien von der Angelegenheit sofort unterrichtet worden.

Das „Reuter he Bureau“ berichtet aus London: die Admirale der internationalen Flotte hätten ihre Regierungen um Sendung von je 50 Mann Kavallerie und einer halben Batterie Artillerie ersucht; diese Truppen seien als Besaßung der Forts bestimmt und follten lediglich zur Ver- theidigung dienen.

N

Griechenland. Der „Agence Havas“ wird aus Athen berichtet, daß die

britischen Kriegsschiffe außerhalb der Blockadelinie drei kleine, mit Lebensmitteln beladene griehishe Segelschiffe

genommen hätten. Amerika.

Der Präsident Mac Kinley hat, dem „W. T. B.“ zu- folge, Andrew D. White zum Botschafter in Berlin ernannt.

Die Fesisezung des 1. April als Beginn der Wirksam- keit der Tarifbill ist als Sperrbestimmung anzusehen und ‘giebt der Vorlage rückwirkende Kraft, durch welche die Masseneinfuhr in der Zwischenzeit verhindert werden soll. Der Senat hat die Bill noch niht angenommen, doch gilt die Annahme als zweifellos.

__Jn Mexiko ist gestern der Kongreß eröffnet worden. Die oabei verlesene Botschaft des Präsidenten besagt, nach einer Meldung des „W. T. B.“, u. a. Folgendes:

Die laufenden Einnahmen des Staatsshaßzes vermehren i andauernd mit dem Wohlstande und der Entwickelung des Landes troß ter ungünstigen Lage der Landwirthschaft während der leßten Jahre. Die Gesammteinnahmen während der ersten Hälfte des Etatéjahres betrugen mehr als 254 Millionen mexikanische Dollars, überschreiten also beträctliÞ die VBoranshläge des Budgets. Der Unterschied fällt noch mehr ins Gewicht, wenn man das leyte Jahr zum Vergleich heranzieht. Die Import- zôlle ergaben im ersten Semester dieses Jahres ein Plus von 500 000 Doll., die Sterpeleinnahmen ein solches von einer Million. Diese in hohem Grade günstige Lage gestattet, verschiedene Zweige der Verwaltung mehr zu entwœickeln und die Steuer auf Gehaltsbezüge u. s. w. sowie andere Kontributionen von geringerer Bedeutung abzuschaffen. Das neue Gesetz läßt die Errichtung von Emissions-Hypotheken- und anderen Banken zu. Die Gesetze, welhe die Steuern auf Gold und Silber fowie den Zolltarif modifizieren, vereinfahen die Erhebung dieser Abgaben und gestalten dieselben ergiebiger. Verschiedene Verwaltungsvorschriften verbessezn den öffentlihen Dienst.

Asien.

Nach einer in Madrid cingetrofsenen Depesche aus Manila hat der General Jaramillo die Aufständischen bei Bundokan geschlagen, wobei 149 Auffständishe und 1 spanischer Soldat fielen.

Parlamentarische Nachrichten.

Die Berichte über die gestrigen Sißungen des Neichs- tages und des Hauses der Abgeordneten befinden sih in der Ersten Beilage.

In der heutigen (204.) Sißung des Reichstages, welcher der Staatssekretär des Jnnern, Staats-Minister Dr. von Boetticher und der Staatssekretär des Reichs-Justizamts Dr. Nieberding beiwohnten, ehrte das Haus zunächst das Andenken des verstorbenen Abg. Schulye-Königsberg (So0z.) in der üblichen Weise und ging dann zur Berathung des folgenden Antrages der Abgg. Liebermann von Sonnenberg (Nefp.) und Gen. über:

Die verbündeten Regierungen zu ersuchen, einen Gesehentwurf vorzulegen, wonach bei allen gerihtlihen Vereidigungen von in Zeugen und Sachverständigen' die konfessionelle Eidesformel wieder eingeführt wird.

Abg. Liebermann von Sonnenberg: Im Jahre 1861 {lug der preußishe Justiz-Minister Bernuth eine Neuregelung des Eides vor; es wurde damals beantragt, jede Beziehung auf das Christenthum aus dem Eide herauszustreihen, was aber keinen Anklang fand. 1868 rourde eine Petition wegen Bes seitigung der für den Judeneid bestehenden besonderen Förms- lichkeiten dem Bundeskanzler zur Berücksichtigung überwiesen. Zu einer Beschlußfassung über eine in Aussicht gestellte Vorlage zur Gleihmahung des Eides für alle Konfessionen kam es aber vor dem Kriege von 1870 niht mehr. Durch die Zivilprozeßordnung wurde die für die Juden festgestelte Cidesformel einfach ver- allgemeinert. Es verschwanden die Schlußformeln: „So wahr mir Gott helfe durch Jesum Christum zur ewigen Seligkeit* und „So wahr mir Gott helfe durch sein heiliges Evangelium“; es verschwand ferner die Aufhebung der drei Schwurfinger. Die Vereidigung eines evangelischen Geistlihen gab Anlaß dazu, daß eine Ver- fugung des Justiz - Ministers erging, wonach es jedem

überlassen bleiben sollte, nah seinem Wuns den Eid zu leisten. Aber eine geseßliche Aenderung wurde troß mehrfacher Anregungen nit beshlossen. Seit 1894 iff der vorliegende Antrag von mic und weinen politischen Freunden wiederholt gestellt worden. Eine Nothlage, eine Gewissensbedrängung liegt für die christlide Bevölkerung vor. In einer Zeit, wo wir dur das Bürgerliche Geseßbuch eine CEinheitlihkeit des Rechts anstreben, muß auch für die Eidesformel Einheitlichkeit geschaffen werden. die jet durch die Erlaubniß durch- brochen ist, daß in Preußen die konfessionelle Eidesformel angewendet werden kann. Das christliche Volk ift im Deutshen Reich dech noch die Mehrheit gegenüber den Andersgläubigen. Es pflegt nur ein Kennzeichen eines unterworfenen Volkes zu fein, sih die Sitten des berrshenden Volkes aufdrängen zu lassen. Bei den traurigen Erfah- rungen, die man bezügli der gewissenlosen, fahrlässigen Ab- leistung des Eides gema%ht hat, follte man denselben mit einer gewissen Feierlichkeit umgeben. Fle vie Dis denten könnte - cine besondere Gidesformel eingeführt werden. Die Regierung hat keine Veranlassung, unseren Wunsch nicht zu er- füllen; denn es wird niemand dadur geschädigt; aber das deutsche ÑBolk würde dankbar sein für eine solche geseßgeberische That.

Aba. Vogtherr (Soz.) hält dafür, daß keine Partei Anlaß habe, den Antrag anzunehmen.

Abg. Dr. Lieber (Zentr.): Ich scheide bei dem Antrage und seiner Begründung alles aus, was nach Antisemitismus ausfiehr. Wir nehmen einen anderen Standpunkt ein als der Vorredner und seine politishen Freunde. Der Eid is eine religiöse Handlung auch im Gerichtssaale. Die Religion i niht reine Privatfache, sondern auch . cine öôffentlih2e Angelegenheit, denn unsere ganze Staats- und Nechtösordnung f\teht auf dem Boden des Christenthums. Aber vom Standpunkte der Gewissens- freiheit aus, auf dem wir in allen Parlamenten stehen, haben wir garnihts dagegen, daß für diejenigen, welhe nidt an einen persöôn- lihen Gott glauben, die einfahe Ausïage zugelassen wird bei Ver- meidung von 15 Jahren Zuchthaus. Die einheitliche nichtkonfessionelle Formel des Eides und die häufige Anwendung desselben haben dazu geführt, daß der Eid als eine Geschäftssache betrachtet wird, nament- lih wenn wegen einer Polizeistundenüberschreitung ein Dußend Eide g‘leistet werden können. Wir können mit dem Antrag einverstanden jein, müssen aber bezügli der Geseßesvorlage, die gefordert wird, Verwahrung einlegen hinsihtlih der Ausgesialtung der einzelnen Be- stimmungen.

Bis zum Schluß des Blattes sprachen noh die Abgg. Lenzmann (fr. Volksp.), Graf von Bernstorff (Rp.), Dr. Osann (nl.), Schall (d. kons.) und Rickert (fr. Vgg.)

Das Haus der Abgeordneten seßte in der heutigen (63.) Sigung, welcher der Minister des Janern Freiherr von der Recke beiwohnte, die zweite Berathung der Entwürfe einer Städteordnung und einer Landgemeindeordnung für die Provinz Hessen-Nassau fort.

8 15 der Städteordnung enthält die Bestimmungen über die Einführung des Dreiklassenwahlrehts für die Wahlen der Stadtverordneten. Die stimmberechtigten Wähler sollen nah Maßgabe der von ihnen in der Gemeinde zu ent- rihtenden direkten Staats-, Gemeinde-, Kreis-, Bezirks- und Provinzialsteuern in drei Abtheilungen getheilt werden und zwar in der Art, daß auf jede Abtheilung ein Drittel der Ge- sammtsumme der Steuerbeträge aller Wähler fällt.

Die Abgg. Cahensly und Kircher (Zentr.) beantragen den Zusaß, daß in der ersten Klasse mindestens 10 Proz., in der zweiten Klasse mindestens 20 Proz. aller Stimm- berehtigten Aufnahme finden müssen, und falls dies abgelehnt werden sollte, anstatt 10 Proz. bezw. 20 Proz. zu seyen: 5 Proz. bezw. 10 Proz.

Der Abg. Kircher beantragt ferner, das Dreiklassenwahl- reht nur für den Regierungsbezirk Wiesbaden gelten zu lassen und für den Regierungsbezirk Cassel zu be- stimmen, daß die Stadtverordneten von den stimmfähigen Bürgern aus ihrer Mitte mit gleihem Wahlrecht gewählt werden und daß mindestens drei Fünftel der Stadt- verordneten zu den hochbesteuerten Bürgern gehören müssen, d. h. zu den 25 Ortsbürgern, welche mit den höchsten Steuer- beträgen herangezogen sind; in Städten mit mehr als 100 Bürgern treten für je 50 mehr die fünf nächsten höchst- besteuerten Bürger hinzu.

Abga. Kircher (Zentr.) weist in der Begründung feines Antrages darauf bin, daß die Éiaführung des Dreiklassenwahlrehts gerade die große Erregung unter den Bewohnern des Regierunaétbezirks Cassel über die Vorlage hervorgerufen habe und daß man lieber die ganze Borlage ablehnen, als dieses Wahlrecht auf sich nehmen wolle. Man ziehe die licbgewozrdenen alten Eigenthümlihkeiten des hessischen Wahlrechts dem preußischen vor, welches in Gestalt des Dreiklassen- wahlrechts dorthin verpflanzt werden folle. Medner schildert an einigen Beispielen den überwiegenden Einfluß der wenigen Stimmen der ersten Klasse beim Dreiklassenwahlreht. Gegen das gleiche Wahlrecht wende man ein, daß es das Eindringen sozialdemokratischer Elemente in die Stadtverordneten-Versammlungen begünftige. Um diesem Bedenken Rechnung zu tragen, beantrage er, daß mindestens drei Fünftel der Stadtverordneten zu den hochbesteuerten Bürgern gehören sollen. Wolle man aber die Provinz durchaus mit dem Dreiklassenwahlre{cht beglücken, so möge man wenigstens den Antrag Cabens[y-Kircher annehmen, um die plutokratishe Wirkung der Drei- fsafsenwahl etwas einzushränken.

Abg. Dr. Schilling (konf.): Bei der Umgestaltung des hessischen Gemeinderehts durch diese Vorlage würde das alte hessishe Wahl- recht ein ganz anderes Bild ergeben als früher und müßte schon deshalb geändert werden. Wenn wir au die berechtigten Eigen- thümlichkeiten Kurhefsfens nah Möglichkeit s{onen wollen, so bleibt uns doch nichts Anderes übrig, als das ODreiklassen- woahlrecht einzuführen, das allerdings gewisse Bedenken hat; aber gewisse Bedenken hat \{ließlih jedes Wahlreht. Zahlreiche Petitionen gegen die Vorlage sind allerdings aus der Bevölkerung eingegangen; aber es ist nichts leichter, als Petitionen gegen eine Vorlage zu stande zu bringen. Keine der Petitionen hat uns einen anderen gangbaren Weg vorgeschlagen. Die Anträge des Vorredners sind unannehmbar. Bon dem überwiegenden Einfluß eines einzelnen reihen Mannes in der ersten Klasse ist in der Praxis keine Rede.

Abg. Dr. Enneccerus (nl.): Der- Vorredner erklärt, er wolle die berechtigten G@igenthümlichkeiten Hessens shonen, erweist sich aber dann in seiner Rede völlig ungeneigt dazu. Mir ist diese Stellung- nahme verwunderlich, da der Herr aus dem Osten ist und unsere Ver- hältnisse in Hessen garnicht kennt. Für Frankfurt a. M. hält man eine Ausnahme für mögli, für den Regierungsbezirk Sens für un- möglih. Die Bedeutung des Oreiklassenwahlrehts hat sih durch die Steuerreform sehr wesentlich in plutokratisher Richtung verschoben ; die Degression der Wähler geht bis zu einem Steuersaß von 9000 4 hinauf. Dazu kommt, daß Aberkiauzt die Differenz zwishen den großen und den mittleren Vermögen viel größer geworden ift als früher. Die Eintheilung der drei Klassen war ursprünglih so gedacht, daß in die erste Klasse die Bessersituierten, in die zweite. der ganze große Mittel- stand gehöre; - das hat sih völlig vershoben, nur noch die böchsten Spitzen des Mittelstandes befinden sch in der zweiten Klasse, der ee Nest ist in die dritte Klasse zurückgeworfen worden. Den größeren Steuerleistungen größere Rechte gegenüberzustellen, ist ein längst durhbrochenes Prinzip; sonst dürften die, welche über- haupt keine Kommunalsteuer zahlen, gar kein Wabhlreht haben. Ih würde beantragen, die drei Klassen wenigstens so einzutheilen, daß in der ersten Klasse 5/10, in der zweiten ?/10 und in der dritten 2/10 der Steuern vertreten sind, um die plutokratishe Wirkung diefes

Systems zu beshränken; ein solher Antrag ist aber aus\fihtslos. Der 8 15 wird mehr s{aden, als die ganze Vorlage nüßen kann. Wir wollen an dem alten Rechte H:fsens festhalten. e Hierauf nimmt der Minister des Junern Freiherr von der Recke das Wort. L L 9 Nach weiterer längerer Debatte wird Z 15 unter Ab- lehnung aller Anträge unverändert in der Kommissionsfassung angenommen. (Schluß des Blattes.)

Von den Abgg. Graf zu Limburg-Stirum und Genossen, sowie von den Abgg. Rickert und Genossen ist im Reichstage gleihlautend folgender Antrag ein- gebracht worden :

Der Reichstag wolle beschließen: dem folgenden G two die verfassungsmäßige Zustimmung zu ertheilen : E A

f Geseg, betreffend die Aufhebung des § 2

es Gesezes über den Orden der Gesellschaft Jesu vom 4. Fuli 1872 (Reichs-Gesegbl. von 1872 S. 253).

S 1.

Der § 2*®) des Gesetzes, betreffend den Orden der Gesellschaft Jesu

vom 4. Juli 1872 (Reichs-Geseßbl. S. 253) wird aufgehoben. : e S 2.

__ Dos gegenwärtige Gefeß tritt mit dem Tage seiner Verkündigung

in Kraft.

*) Der § 2 des Gesey-s vom 4. Juli 1872 lautet:

Die Angehörigen des Ordens der Gesellshaft Jesu oder der ihm verwandten Orden oder ordentähnlihen Kongregationen Eönnen, wenn fie Ausländer sind, aus dem Bundesgebiet ausgewiesen werden ; wenn sie Inländer sind, kann ihnen ter Aufenthalt in bestimmten Bezirken oder Orden versagt oder angewiesen werden.

Nr. 9 des „Eisenbahn-Verordnungsblatts*, heraus- gegeben im Ministerium der öffentlihen Arbeiten, vom 30. März, hat folgenden Inhalt : Allerhöchster Erlaß vom 17. Mäiz 1897, betr. &Festsezung des Eisenbahn-Direktionsbezirks Mainz, sowie anderweite Abgrerzung der Eiserbahn-Direktionsbezirke Frankfurt a. M., Köln, St. Johann-Saarbrücken, Elberfeld, Bromberg und Danzig. Er- lasse des Ministers der öffentlichen Arbeiten: vom 12. März 1897, betr. Uebernahme der Dienftanfänger in das Kündigungsverhältniß ; vom 12. März 1897, betr. Ausübung des staatlichen Aufsichtsrechts über die auf preußishem Staatsgebiet gelegene Theilstrecke der Eisen- babn Zittau—Nikrish und die Brölthaler Eisenbahn; vom 13. März 1897, betr. Aenderung der Fundordnung vom 6. März 1895; vom 17. März 1897, betr. Einstellung von Wagen ohne durchgehende Bremse bei Zügen mit dieser Bremseinrichtung und Anbringung der Zugleine; vom 20. März 1897, betr. Aufnahme der Königlich preußishen und Großherzoglich bessishen Eisenbahn - Direktion in Mainz in den Staatsbahnwagenverband. Nachrichten.

Arbeiterbewegung.

_ In Brandenburg a. H. sollen einer Mittheilung des „Bors wärts“ zufolge die Maurer auf sämmtlihen Bauten die Arbeit niedergelegt haben.

In Lübeck haben, wie die „Voss. Ztg." meldet, die in den dortigen Msöbelfabriken beschäftigten T ischler gestern die Arbeit niedergelegt, weil ibre Forderungen um Bewilligung einer erheblichen Lohnerhöhung und Verkürzung der Arbeitszeit niht bewilligt wurden.

In München stehen, wie im „Vorwärts" mitgetheilt wird, die Studckateure der Firma Rapp u. Globe im Ausftande zur Dur(- führung des von den Münchener Stuckateuren aufgestellten Lohntarifs.

Hier îin Berlin haben nah demselben Blatt die Steinmeßzen in der Marmorwaarenfabrik von C. Fink die Arbeit, angebli) wegen Verlängerung der Arbeitszeit auf zehn Stunden, eingestellt.

Kunst und Wissenschaft.

Seine Majestät der Kaiser hat, wie die „Weim. Ztg." meldet, nachstehendes Handschreiben an den Vorstand der Goethe-Gesellschaft gerichtet:

„In Meinem Schmerze über den Heimgang Jhrer Königlichen Hobeit der Frau Großherzogin von Sachsen gedenke Ih auch des \{weren Verlustes, welcher die Goethe-Gesellshaft durch das Hin- {heiden ibrer Erlauhten Gönnerin betroffen hat. War es der Ver- ewigten, der Begründerin des Goethe- und S&iller-Archivs, doch innige Herzens\ache, das Andenken der beiden Geisteshelden an der Stätte ihres Wirkens durh Sammlung und Pflege ihrer handschriftlihen Denk- mäler zu ehren und allen Deutschen ein ticferes Eindringen in den Geist ihrer Werke zu ermöglihen. Noch im vorigen Jahre war es der Entschlafenen vergönnt, ihre unermüdlite und kein Opfer sheuende Fürsorge auf diesem Gebiete dur die Vollendung des von ihr in bochherziger Weise geschaffenen neuen Heims für das Goethe- und Schiller-Archiv gekrönt zu sehen und die Einweihung desselben im Verein mit der Goethe-Gesellschaft festlich zu begehen. Mir felbst ist leider nun die Freude versagt, die neuen Archivräume und ihre jedem Deutschen theuren Schäße unter Führung der Hohen Frau in Augenschein zu nehmen, wie es für dieses Jahr von der Heim- gegangenen Mir in Aussicht gestellt war. Jch ersuche den Vorstand, den Ausdruck Meiner herzlichen Theilnahme der Goethe-Gesellschaft zu übermitteln.

Berlin im Schloß, den 26. März 1897.

Wilhelm, 1. R.“

In der Sißung der philofophisch - historishen Klasse der Akademie der Wissenschaften (vorsißender Sekretar: Herr Vahlen) legte Herr Harnack Mittheilungen zur ältesten Geschichte der Königlich preufishen Akademie der Wissenschaften voc. Er sprach über die Quellen und \childerte cinige Abschnitte aus der ältesten Geschichte des Instituts.

In der Sitzung der physikalish-mathematischen Klasse von dem- selben Tage (vorsißender Sekretar: Herr Waldeyer) las Herr Virchow „über die Bevölkerung der Sen Dieselbe theilt si natur- gemäß in eine {warze (Negritos) und eine hellfarbige (Indios der älteren Schriftsteller) Abtheilung. Die Negritos müssen als eine wirklihe Urbevölkerung betrachtet werden, verwandt den Andamanesen und Sakais. Die Indios, die neuerlich als Malayen aufgefaßt werden, dürften in mehrere ethnishe Gruppen eingeordnet werden müssen. Wie alt sie sind, ist nicht zu erkennen. Die ältesten prähistorisben Höhlenschädel bieten andere Charaktere, als die heutigen Gräberschädel; sie haben am meisten Aehnlichkeit mit den Kanaken- Schädeln von Hawaï. Herr Klein überreichte das Manuscript seiner in der Sißung vom 22. Oktober 1896 Ves Mitheziuns „Über Leucit und Analcim und ihre gegenseitigen Beziehungen“. D Arbeit wird eröffnet durch eine fkritishe Zusammenstellung der vor handenen Literatur; dann folgt die Betrahtung neuer Methoden, die geeignet sind, um mit threr Hilfe entscheidende Unter-