1897 / 79 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 02 Apr 1897 18:00:01 GMT) scan diff

4 anzustellen. Die Arbeit lehrt die Systeme kennen, in denen sich Leucit und Analcim- zur Zeit befinden, und bringt Daten über den Uebergang dieser Mineralien in das reguläre System. Den bildet eine ROnDEE über die Resultate und angereihte hlußfolgerungen. Herr Schulze legte eine Mittheilung des Herrn Dr. Brandes, Privat- Dozenten für Zoologie an der a Halle, „über die Spermatozoen der Dekapoden“ vor. Im Gegensaß zu den meisten Angaben der bisherigen Forscher, welhe den Bau der ODekapoden - Spermatozoen ftudiert haben, wird darin nicht der sogenannte Mittelzapfen der Dekapoden - Sperma- tozoen, fondern der stärker lihtbrehende, zum Ein- dringen in das Ei geeigneter ersheinende stiletähnlihe Theil als _Homologon des Kopfes der Spermatozoen der übrigen Thiergruppen angesprochen. Derselbe legte ferner eine Mittheilung des Herrn Dr. Heymons, Assistenten am Zoologishen Institut bierselbst, vor „über die Organisation und Entwickelung von Bacillus rosslì Fabr.“ Darin werden die Ergebnisse neuer, selbst» ftändiaer Untersuhungen über die ersten Entwickelungsstadien von Bacillus rossíi Fabr., sowie über die Anatomie des ausge- bildeten Thieres mitgetheilt. Die s{lauchförmigen Drüsen, welche oberhalb der Malpighishen Gefäße am Mitteldarm fißen, werden von dem Verfasser ens wie die Malpighishen Gefäße selbft als Bildungen des Proktodaeums, also des Ektoderms, aufgefaßt. Der Vorsitzende legte endlich eine Mittheilung des Herrn Dr. Edw. Flatau, hierselbst vor, betitelt „Das Geseß der excentrishen Lagerung der langen Bahnen im Rütenmark.“ Jn dieser Mittheilung wird der Nachweis geführt, daß die excentrishe Lagerung der langen Nervenbahnen im Rückenmarke als eine allgemein gültige Regel an- zusehen ist. : Der „Verein Berliner Künstler“ hat in seiner außer- ordentlihen Hauptversammlung am 30. v. M. den Schöpfer des National-Denkmals, Professor Reinhold Begas, zum Ehren- mitgliede des Vereins ernannt.

Die Académie française hat, wie ,W. T. B.“ aus aris meldet, den Minister des Auswärtigen Hanotaux und den bgeordneten Grafen de Mun zu Mitgliedern an Stelle der ver-

storbenen Mitglieder Challemel-Lacour und Jules Simon gewählt.

Ein für die Provinz Preußen und sür die Stadt und Univer-

stät Königsberg bemerkenswerther Gedenktag fteht am 12. April d. J. bevor, an welhem Tage vor hundert Jahren der Geheime Regierungs-Rath, Professor Dr. August Hagen, ein um die Nesthetik und Kunstwissenshaft hohverdienter Mann und verehrungs- würdiger Charakter, in Königsberg geboren wurde. Der Albertus- Universität gehörte er mehr als 50 Jahre an. Leben und Wirken dieses Gelehrten zu schildern, welcher mit unermüdliher Pflicht- treue dahin strebte, Sinn und Verständniß für Kunstshönheit in weiteren Kreisen zu wecken und zu pflegen, eine rastlose, verdienstvolle Thätigkeit für Kultur und Geschichte Preußens entfaltete und dessen literarishe Arbeiten, vor allem feine „Norika“, ihm einen Namen in der Gelehrtenwelt geschaffen haben, wird sich eine noch vor dem 12. April im Verlage der Königlichen Hof-Buchhandlung von @. S. Mittler u. Sohn in Berlin erscheinende Gedenkshrift an- gelegen sein lassen, auf die wir zur gegebenen Zeit noch näher ein- gehen werden.

Theater und Musik.

Theater des Westens.

Gestern Abend fand die erste Aufführung des vieraktigen Schau- spiels „Corpsgeist* von Marx Meßner statt, die von einem starken äußeren Erfolge begleitet war. Der junge Dichter versuht in seinem Drama, den Ehrbegriff, wie er in der „Gesellschaft * und in den Volks- freisen in die Erscheinung tritt, näher zu beleuhten, und läßt zu diesem Zweck cinen Konflikt entstehen zwischen dem innerlichen Ehrgefühl, welches 1h vom rein menschlichen Standpuakt aus in der Brust eines jungen Mannes entwickelt, und dem Begriff der äußeren Ehre, die fich hier in den Formen der „studentischen“ Ehre als „Corpsgeist“ dar- stellt. Der Verfasser besißt ein richtiges Gefühl für theatralische Effekte, und aus diesem Gefühl heraus hat er eine Reihe bis zvm Schluß in ihrer Wirkung sich stetig steigernder Scenen aufgebaut, die ih au, wenn man seine etwas einseitigen Anschauungen als zu- treffend anerkennen will, folgerihtig und lebendig aus einander ent- wideln. Die Tendenz, die dem Verfasser vorschwebte, ist nit zu tadeln, hat ihn aber zu Uebertreibungen in der Polemik verleitet.

Wetterbericht vom 2. April, 8 Uhr Morgens.

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Nebersiht der Witterung.

(Fin Maximum liegt westlich von den Britischen Inseln gegenüber einer Depression über dem nord- östlichen Deutsbland. Dementsprehend sind über dem westlihen Mittel-Europa nördliche bis westliche Winde vorherrschend geworden, unter deren Ginfluß die Temperatur herabgegangen ist. In Deutschland, wo fast überall Niederschlag, vielfah in Form von Schnee, gefallen ist, ist das Wetter trübe und kalt; nur in den östlichen Gebietstheilen lieat die Morgen- temperatur noch über dem Mittelwerthe, in Königs- berg um 6, in Breslau um 7 Grad. “Veränder-

Grevenberg. Montag : Jn Civil,

Theater. Königliche Schauspiele. Sonnabend: Opern- 80. Vorstellung. in 5 Akten von Eugòne Scribe, deutsch von Ferd. Gumbert. von Paul Taglioni. Negisseur Teplaff. Dirigent : KapeUmeister Sucher.

Schauspielhaus. 91. Vorstellung. Die Athenerinu. Aufzügen 3 In Scene geseßt vom VDóer-Negiffeur Max Grube. Aafang 7F Uhr.

Sonntag: Opernhaus. [81. Vorstellung. Undine. Romantisce Zauber-Oper in 4 Akten von Albert Text nah Fouqué?’s Erzählung frei be- Tanz von Emil Graeb.

Schauspielhaus. 92. Vorstellung. Narziß. Trauer- spiel in 5 Aufzügen von Emil Brachvogel.

Deutsches Theater. Sonnabend: Der Sohn Anfang 74 Uhr. Nachmittags 24 Uhr: Himmelfahrt. 7x Uhr: Einsame Menschen. Montag: Die versunkene Glocke.

Berliner Theater. Sonnabend: Renaifsauce. Anfang 7# Uhr.

Sonntag, Nachmittags 24 Uhr: Uriel Acofta. Abends 72 Ubr: Kinder der Vühnue,

. Montag: Kaiser Heinrich.

Lessing-Theater. Sans-Gêne. (Agnes Freund. Gustav Kober.) Anfang

Nachmittags 3 Uhr (volksthümliche Preise): Die Ehre. Abends 74 Uhr: Cyprienne, Hierauf: Ju Civil. Niobe.

Residenz-Theater. Direktion: Sigmund Lauten- burg. Sonnabend: Affsociés. Lustspiel in 3 Akten von Léon Gandillot. Anfang 7F Uhr.

Sonntag: Associés.

Alles Licht fällt auf die eine Partei und aller Schatten auf die Gegner. Hierdurch wird die Lebenswahrbeit des Stücks ebenso ftark beeinträchtigt wie seine rein fünftlerische Wirkung. Der Darstellung kann man fast nur Lobenêwerthes nachsagen. Herr Halm entwidckelte in der Rolle des Dr. Walther Mahlow, dessen Herz wegen der inneren und äußeren Ehre im Kampfe mit \ich selb liegt, bei vornehmer Haltung Feuer und Leidenschaft. Den Schlossermeister Mahlow zeihnete Herr Rohland naturwahr, einfa und s{licht. Kleinere Rollen wourden von den Herren Ries, Rembe, Pittshau und Nallentin gut durchgeführt. Theater Unter den Linden. /

Als dritter Abend im Strauß-Cyclus ging gestern die be- [iebteste Operette des Komponisten, „Die Fledermaus“, neu einstudiert in Scene und entzückte wiederum das Publikum dur ihre Fülle geistreiher Einfälle und prickelnder Weisen. Die Aufführung war eine der abgerundetsten des Operetten-Enfembles im Theater Unter den Linden; man fkoante an der flotten Darstellung und an dem frishen Gesang der Mitwirkenden fowohl im einzelnen wie in den mehrstimmigen Säßen seine Freude haben. In Fräulcin Sigl, welche die Nosfalinde gab, hat das Institut eine Sängerin gewonnen, die ein ausgiebiges, gutgeshultes Organ befißt und mit Geshmack vorzutragen versteht. Als Darstellerin ist fic gewandt kund decent. Das von thr gesungene ungarishe Lied im zweiten Aft fand wohlverdiente Anerkennung. Ebenso \stimmbegabt und musikalich iff auch Fräulein Fischer, welche die Kammerzofe Adele verkörperte, und deren temperamentvolle, urwüchsige Art zu spielen hier des öfteren lobend erwähnt wurde; be- kämpfen muß sie nur die Neigung zu Uebertreibungen nah der derb- komischen Seite hin, welche sih bei ihr zuweilen störend vordrängen. Schauspielerisch und gesanglich vortreflich waren ferner die Leistungen der Herren Wellhof (Gefängniß-Direktor Frank) und Bruch (von Eisenftein) und des Fräulein Cornelli, welche den Prinzen Orlofsky mit der erforderlichen Eleganz gestaltete, während Herr Steiner den Alfred gar zu farblos gab. Ueberaus belustigend wirkte ferner Herr Hanno als Gerichtsdiener. Die Tänze im zweiten Akt wurden mit Präzision ausgeführt. Die virtuosen solistishen Leistungen von Herrn und Fräulein Poggiolefi erregten allgemeine Bewunderung. Auch der hübschen Ausftattung muß anerkennend gedaht werden.

Im Königlichen Opernhause wird morgen Meyerbeer?s Oper „Die Afrikanerin“ unter Kapellmeister Sucher's Leitung in folgender Beseßung gegeben: Vasco de Gama: Herr Sylva; Nelusco: Herr Bulß; Selika: Frau Sucher; Jnes: Frau Herzog.

Im Königlichen Schauspielhause geht morgen Les Gber- mann’s Drama „Die Athenerin“ in Scene. Die Phryne fpielt Fräu- lein Poppe, den Agis Herr Matkowoéky.

. Mannigfaltiges.

Gestern fand, wie alljährlich am 1. April, zur Feter des Ge - burtstages des Fürsten Bismarck in der Philharmonie ein Festkommers statt, der einen glänzenden Verlauf nahm. Die weiten Räume waren nach den Entwürfen des Baumeisters Bodo Ebhardt festlih geschmückt. Auf die fonst üblihe Fahnendekoration war dabei verzichtet ; dafür durdzogen Guirlanden in wenigen ftolzen, mächtigen Linien die Halle, während den Schwerpunkt des Arrangements das Podium mit der dahinter aufgerihteten Bühne bildete... Dort ftand die Tafel für die zahlreich geladenen und erschienenen Ehren- gäfte, während die Logen und die Galerien für die Damen reserviert waren. Den Saal felbst erfüllte in den engen Gängen zwischen den einzelnen Tafeln ein festlihes Gerooge, bis der Leiter des Kommerses, der Neichstags-Abgeordnete Dr. Diederih Hahn Ruhe gibot, um das Hoch auf Seine Majestät den Kaiser aus8zubringen, das mit Begeisterung aufgenommen wurde. Es folgte eine von Bodo Ebhardt entworfene „dramatische Huldigung“ zu Ehren des Fürsten Bismarck. Fräulein Clotilde Barth vom Schiller- Theater sprach als Genius Deutschlands einen zündenden Prolog; alédann öffnete sih der Vorhang und zeigte im Bilde den Fürsten Bismardck, einen Lorbeerkranz an der Büste des Hochseligen Kaisèrs Wilhelm des Großen niederlegend. Die Gruppe wecckckte stürmischen Applaus. Die Festrede auf den ersten Kanzler des Deutschen Reiches hielt der Prediger der St. Marienkirche Professor Dr. Scholz. Er feterte das tiefe Gemüthsleben des Fürsten als das eines eten Deutschen. Ein längeres Huldigungs-Telegramm wurde nach Friedrihsruh abgesendet. Feftlieder von Eugen Schwetshke und Erust

C D E E E E T L S

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Male:

74 Ubr. Sonntag: Trilby, Sonntaa, Nachmittags 3 Preisen: Marcelle,

Die UAfrikaneriu. Oper Text von Ballet In Scene gefeßt vom Ober-

Giacomo Meyerbeer.

Ein Wintermärchenu.

von Leo Ebermann.

bauer. Abends 8 Uhr:

Gerichts.

Anfang 74 Uhr. Anfang 3 Uhr: Kinder- Vorstellung.

Kadelburg. MReif-Reciflingen.

Herrn Gustav Käàdelburg.

Hannele’s Montag: Corp®sgeist.

Borber: Blau. Abends

Direktion: Julius Frißsche. Cyclus. Die Flederutaus.

Sonntag: Die Fledermaus. Der Mikado.

Sonnabend: Madame

] Dresdenerstraße 72/73. (Max Loewenfeld a. G.) | Sonnabend: Gastspiel von Auguste Prasch- von H. Hirschel. Musik von (Agnes Freund.) Hlerduf : | V. Roger. Anfang Uhr. Sonntag: Frau Lieutenaut.

C ck Deutsch von Max SYènau. | Sin. fideler Aberd,

in 1 Vorsvieï und 3 Bildern und W. Mannstädt. Meistern, acrangiert

Trilby. Schauspiel in 4 Akten von Du Maurier und Polier, deuts von E. Lederer. Jn Sceyre geseßt von Sigmund Lautenburg.

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Schiller-Theater. Sonnabend, Abends 8 Uhr:

Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Der Millionen- Am Tage des

Theater des Westens. Kantstraße 12. (Bahn- bof Zoologiser Garten.) Sonnabend, Nachmittags Hänsel und Gretel. Abends 74 Uhr: Gastspiel des Herrn Gustav

Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Bei halben Preisen : Gastspiel des Herrn Gustav Kadelburg. T rühmte Frau. Abends 7F Uhr: Gastspiel des Reif-Neiflingen.

Theater Unter den Linden. Behrenstr. 55/57. Sonnabend: Straufß- Komische Operette mit Ballet in 3 Akten von Meilhac und Hals6vy, bearbeitet von C. Haffner und Nich. Genée. Musik von Ioh. Strauß. Anfang 7F Uhr.

Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Bei halben Preisen:

Thalia-Theater (vorm. Adolph Ernst-Theater): Direktion: W. Hasemann. Frau Lieutenant. 3 Alten von P. Ferrier und U C Deutsch

BPentral -Theater. Alte Jakobstraße 830, Direktion: Richard Shul. Vorlezte Woche. Sonn-

abend: Emil Thomas a. G. Leopold Deutsch a. G. Burleske dramati|he Revue

Musik von verschiedenen von Julius Einsdshofer.

Scherenberg {lossen sch an. Ein besonders zündender Vers des leßteren wurde mit großer Begeisterung wiederholt. Dr. Jacobfen trvg darauf einen Sang in der Nibelungenftrophe, Johannes Trojan später eine feiner Dichtungen vor. Den Vorsiß bei der Fidelitas, die erf gegen Mitternacht begann, übernahm Afffsessor Dr. Rogge, ein Sohn des bekannten Hofpredigers.

Der am 2. März verstorbene Justiz-Rath Lazarus - hat dur leßtwillige Verfügung der Stadt Berlin die Summe von 50000 4 zur Verwaltung durch die Armen -Direktion zu folgendem Zwecke vermacht: Aus den en dieses Kapitals sollen jährlih, am 10. März, 100 würdige Arme, ohne Unterschied der Religion, gemeinschaftlih gespeist werden. Sie sollen ein gutes Mittagsmahl und das entsprechende Getränk, Bier oder Wein, er- halten. Der hierbei nicht verbrauhte Theil der Zinsen soll unter sie vertheilt werden. Die näheren Ausführungsbeftimmungen find der Berliner Armen-Direktion übertragen, welche die Feftlichkeiten zu arrangieren hat.

Breslau, 2. April. „W. T. B.“ meldet: Gestern Nachmittag entstand in der Borsig’ schen „Hedwig-Wunsh-Grube“ bei Zabrze infolge Explosion shlagender Wetter ein Gruben- brand. Von den Personen, die sih sofort zur Feststellung der Urfache in die Grube begaben, haben sechs8, darunter der Befißer der Grube und der Chef-Chemiker, ihren Tod gefunden. Der Grubendrand dauert fort.

Geestemünde, 1. April. Der Fischerei-Dampfer „Paul“ landete heute, nach einer Meldung des „W. T. B.“, hier aht ge- rettete Perfonen von einer bei Lodbjerg (Jütland) gestran - deten norwegischen Brigg, welhe mit einer Ladung Gruben- hölzer von Tvestestrand nah LTréport bestimmt war. Die Mann- schaft war mit Hilfe der Rettungsleine durch das Wasser an Bord des „Paul* gebracht worden.

Hamburg, 2. April. Der „Hamburgische Correspondent“ meldet aus Gurhaven: Der dänishe Dampfer „NRiberhuus“, welcher den hiefigen Hafen passierte, berichtet, er habe zwishen Fanoe und Sylt das mit Holz beladene Wrack des . s{chwedischen Schooners „Betty Jensson“, von Halmstad na) Bremen be- stimmt, angetroffen. Der Kapitän, der Steuermann und drei Matrofen wurden gerettet, das Wrak wurde nach Grat yb bei Esbjerg ge- \chleppt. Drei Mann waren vor Hunger und Kälte gestorben und weggespült worden.

Nah Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen. (W. T. B.) Die „Neue Freie Preffe“ meldet: Das gesammte Ministerium Badeni hat seine Entlaffung gegeben, weil die Verhandlungen wegen Bildung einer parlamentarisWen Mehrheit unter Heranziehung der fortschrittlichen Fraktionen gescheitert find. Die Entscheidung der Krone steht noch aus. Man erwartet wieder die Betrauung Badeni’s mit der Kabinetsbildung. London, 2. April. (W. T. B.) Wie das „Reuter"sche Bureau“ aus Montevideo von heute meldet, wären die Regierungstruppen von den Aufftändishen geschlagen worden. Die Verluste sollen niht unerheblich sein. Konstantinopel, 2. April. (Meldung des „Wiener K. K. Telegraphen: Korrespondenz-Bureaus“.) Die Entsen- dung Karatheodory Paschas in einer Spezialmisfion nach Athen 1fff von der Pforte endgültig aufgegeben worden, weil die Enisendung als ein Zeichen der Schwäche gedeutet und aks solhes von griechisher Seite ausgenußt werden würde, und weil ein solcher Schritt die Aktion der Mächte stören fönnte.

Wien, 2. April.

(Fortsezung des Nichtamtlichen in der Ersten und Zweiten Beilage.)

Konzerte.

Konzerthaus. Karl Meyder - Konzert.

Sonnabend: 309, Opexctten- und Walzer- Abend.

Mittwoch, den 7. April : 30. Jahre.

Anfang

halben 6000, Konzert im

Zirkus Renz. Karlstraße. Nur ncch kurze Zeit (Jubiläums- Sagison 1896/97.) Sonnabend, Abends 7Fè Uhr: Gala - Vorstellung. Durch- schlagender Erfolg! Aus der Mappe eines Riesengebirgs - Phantasten. Außerdem: Der ostpreußishe Hengst Blondel (Original-Dressur). Hierauf : Monstre-Tableau von 70 der edelsten Frei- heitspferde, drefs. und vorgef. von Frau Nobert Renz. Eine Schulquadrille, geritten von 8 Herren. Auftreten der Schulreiterin Frau Robert Nenz mit dem Schulpferde Maëöftoso und dem Steiger Solon,

Sonntag: Zwei Vorstellungen. Nachmittags 4 Vbhr (ermäßigte Preise und 1 Kind unter 10 Jahren frei): Tjo Ni En mit dem beliebten Schellenspiel. Abends 73 Uhr: Aus der Mappe eines Rieseugebirgs-Phantasten.

Die be-

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Familien-Nachrichteu.

Verlobt: Frl. Hildegard Jähns mit Hrn. Hauvt- mann Paul von Tippelskirch (Berlin— Char- lottenburg). Frl. Margarete Hoffmeister mit Hrn. Stabsarzt Dr. Ernst Vogt (Glogau).

Verehelicht: Hr. Hermann Graf von Reichenbach mit Hildegard Gräfin zu Dohna (Cassel).

Gestorben: Hr. Major a. D. Karl von Rango (Erfurt). Verw. Fr. Oberst Louise von Zieten, geb. von Platen (Potsdam). Hr. Pastor em. August Friédrih Fürer (Dürrenberg b. Merseburg). Hr. Ober-Landesgerichts-Rath Otto Schmidt (Breslau). Hr. Justiz-Ra!h Her- mann Makower (Berlin). Hr. Lieut. a. D. Richard Frhr. von Fuhs-Nordhoff (Florenz). -— Fr, General von Frankenberg und Ludwigsdorf, geh, von Chelius (Darmstadt). Hr. Fabrik- besißer Julius Brämer (Berlin).

BYaudeville in

Serpette und

Verantwortlicher Redakteur: Siemenroth in Berlin. Verlag der Expedition (Scholz) in Berlin. Druck der Norddeutshen Buchdruckerei und Verlag8- Anstalt Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.

Neun Beilagen

von J. Freund

liches, its Wetter für ganz Deutschland demnächst w : M Deutsche Seewarte,

Neues Theater. Siffbauerdamm ‘4 a./5. Direktion: Sigmund Lautenburg. Sonnabend: Gast- spiel des Herrn Willem Royards vom Königlich Niederländischen Theater in Amsterdam. Zum ersten

Anfang 7F Uhr. Sonntag und folaende Tage: Ein fideler Abend.

Schluß der diesjährigen Possen-Saison unwider-

ruflih Sonntag, den 18. April.

(eins{ließliÞ4 Börsen-Beilage), und das Verzeichniß gekündigter Schlefischer laudschaftlicher Pfaudbriefe,

h

Erste Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

M 79.

Berlin, Freitag, den 2. April

Berichte von deutschen Fruchtmärkten.

Qualität

mittel

gering

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Marktort

E gut : kaufte Gezahlter Preis für 1 Doppelzentner

Außerdem wurden am Markttage (Spalte 1} na über- \{läglicher Schäßung

Dur(b- \chnitts- preis

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Am verigen Markttage

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14,10 | 12,50 |

14,70 | 15,

Ratibor . Aschersleben . . Di es —_— | Breslau 14,20 | Neuß

13,60 | A 1820|.

Ratibor Aschersleben Döbeln Breslau Neuß

Ratibor . Aschersleben Breslau

10,00 | 10,30 | 11,00 |

11,80 | 0 | ei 12,00 | |

Natibor . Aschersleben Döbeln . Breslau Neuß

11,90 |

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11,C0

12,10 | 12,30 |

Weizen. 15,00 | 15,20 | 15,60

41470 | 15,50 | 1590 | 15/80 | 16,00 | 16/30

Noggen. I 11,25 | LL45 | 10,70. |

11,40 | 11,60

10,90 | 11,40

G erste.

14,50 | 15,40

Var ert. | 12,60 | | 11,00 | 11,70 l ; j e | 13,10 | 13,20 : : | 11/60 | 12,60 17 901

15,00

16,20

10,90

12,80

1189: 1175| 14

Bemerkungen. Die verkaufte Menge wird auf volle Doppelzentner und der Verkaufswerth auf volle -Mark abgerundet mitgetheilt. Der Durh-

[chnittspreis wird aus den unabgerundeten Zablen berechnet.

Ein liegender Strich (—) in den Spalten für Preise hat die Bedeutung, daß der betreffende Preis nicht vorgekommen ift: ei Punkt ( . ) in den leßten fechs Spalten, daß entsprehender Bericht fehlt. P e, rgelommen tfi; etn

Deutscher Reichstag. 203. Sißung vom 1. April 1897, 1 Uhr.

_Die erste Berathung des Geseßentwurfs, betreffend Abänderung der Gewerbeordnung, wird fortgeseßt. Abg. Dr. Pachnicke (fr. Vgg.): Wenn man die Wichtigkeit der Vorlage nah der Befetzung des Hauses beurtheilen dürfte, so legt das Haus derselbe sicerlich keine große Bedeutung bei (es find etwa 20’ Abgeordnete anwesend), und ih bedauere nur dié Handwerker, die si Zugang zur ‘Tribüne verschäft haben, um diesen Véer- handlüngen beizuwohnen. Man spricht davon, daß der Mittelstand vershwindet. Ein Theil des Mittelstandes vershwindet allerdings, aber ein neuer Mittelstand entsteht. Das. ist in S@hinoller's Jahrbüchern an der Einkommensteuerstatistik nachzewiesen. Man will das Handwerk organisieren und {ließt alle Diejenigen aus, weélche nicht in Innúungen oder Gewerbeverèeinen sind, d. E die große Mehrzahl der Handwerker. Man sollte das Handwerk, das gesammte Handwerk fprechen lassen und nicht bloß einen Tummelplatz für zünst- lerishe Bestrebungen hafen. Ueber manche Punkte der Vorlage läßt fich ja vielleiht eine Verständigung erzielen, aber ausges{hlo}sen ist eine solhe bezüglih der Zwangsinnungen. Freie Innungen haben auch wir stets gebilligt; aber Zwangsinnungen können nichis leisten, weil ohne Lust und Liebe zur Sache niemals etwas Gedeihliches zustande zu bringen ist. Für verschiedene Gewerbezweige würde eine Innung gar niht zu \chafen scin, weil ihre Vertreter fehr zerstreut im Lande wohnen. Eine Schwierigkeit ist ferner, zu entshziden: was ist ee überhaupt? Wo ift die Grenze zwis{hen Handwerk und roßbetrieb? Schließlich foll die Behörde entscheiden , wer zur Innung gehört! Was entstehen daraus für Schreibereien und Streitig- keiten! Man spricht von der Glanzperiode der Zünfte, als wenn damals alles gut gewesen wäre, und troßdem gab es {hon damals Klagen der Gesellen über Lohndrückerci und Lehrlingszüchterei, wie Schoenlank nachweist in seinem Buche „Soziale Kämpfe“, das auch für Gewerbetreibende, auch für Großunternehmer interessant zu lesen ift. Wenn die Handwerker Agrarier wären, wenn die Schuster Zuükersieder und die Schneider Branntweinbrenner wären, dann würde es au baar Geld geben. Aber für die Händwerker giebt es kein Geld, au nit für die Fortbildungsschulen. Die Klagen der Handwerker sind ganz berechtigt, daß die G&roßgrund- besißer die Handwerker niht berücksichtigen. Wollen Sie “(rechts) den Handwerkern helfen, dann kaufen Sie ihnen recht viel ab und vor allem bezahlen Sie re@t pünktlih. Der Befähigungsnahweis soll es dahin bringen, daß ein Handwerker scin Geschäft niht aufmaht, wenn er dazu im stande ist, sondern wenn die Prüfungskommission, das heißt, wenn seine Konkurrenten es gestatten. Es ist nur gut, daß der Bundesrath diesen Befähigungsnachweis abgelehnt hai. Wenn der Befähigungänahweis eingeführt wird, dann wird jeder Handwerker bestraft, der ein Stück anfeitigt, für welches er nicht geprüft ist. Die Erfahrungen, die Oesterreich darin gemaht hat, sollten abshrecken. Speziell die Landwirthschaft würde s{chwer geschädigt werden, weil die Handwerker, dert uihi oor- handen find. Auf dem Lande muß der Shuhmacher Pferdegeschirr aus- bessern, der Stellmacher muß auch Thüren machen und auc einmal ein Butterfaß - reparieren. Der Gärtner und der Glaser sind meist eine Person, weil der Gärtner die Mistbeete eindecken muß. Alles, was die Tüchtigkeit des Handwerks hebt, wollen wir fördern, aber die Breiheit wollen wir den Handwerkern nicht beeinträchtigen.

Minister: für Handel und Gewerbe Brefeld:

Meine Herren! Die verbündeten Regierungen hab: alle Ursache, dem hohen Hause dankbar zu sein für die wohlwollende Beurtheilung, die die Vorlage bei den verschi:densten Parteien des Hauses gefunden hat. Natürlich ist keine der verschiedenen Auffassungen, die im hohen Vaufe vertreten sind, vollständig befriedigt durch die Vor- lage. Das erklärt fich vollkommen aus dem Umstand, daß die Vorlage das Grgebniß cines Kompromisses if zwischen den entgegen- stehenden Auffassungen: zwischen der einen Auffassung, die die Bil- dung der Zwangsinnung in mögli} weiter Ausdehnung wüns{t, und der anderen Auffassung, die im Gegensaß hierzu wünscht, daß die Korporation des Handwerks si freiwillig vollzieht aus der eigenen

Entschließung, nah den befonderen Verhältnissen und Wünschen der einzelnen Handwerkerkceise.

Es ist die gegenwärtige Vorlage das Ergebniß einer sehr mühe- vollen, ernsthaften und gewissenhaften Arbeit, und ih glaube daher man kann im Interesse der Sache selbst, im Interesse des Handwerks, nur den dringenden Wunsch hegen, daß die Hoffaung \ih erfüllen möge, die ja von verschiedenen Seiten ausgesprochen ist, daß - man in dieser Session in der Kommission eine Verständigung über die Vorlage finde. © Ih glaube, es wird damit dem deutschen Handwerk ein großer Dienst geleistet werden, ein wichtiger Schritt gesehen, um es aufzurihten in der verkümmerten Lage, in der es sih thatsächlih befindet.

Jch habe nun das Wort genommen, um einige Aufklärungen zu geben über die Abweichungen, die in der gegenwärtigen Vorlage enthalten sind gegenüber der früheren preußischen Vorlage. Diese Abweichungen lassen die eigentlihe Grundlage des früheren Entwurfs unbecührt ; se knüpfen an den nämlihen Gedanken an, der auch in der früheren Vorlage ausgesprochen ist, daß man niht überall und beliebig Zwangs- innungen bilden fann, fondern nur da, wo die Vorausfezungen hierfür gegeben find. Auh in den Vorausfeßzungen stimmt im wesentlihen die jeßige Vorlage mit der früheren überein: es sollen nur für einen solhen Bézirk, der ni6t zu ausgedehnt ist, der die Möglichkeit bietet, daß jeder innerhalb des Bezirks an einem Tage in die Innungêversammlungen gelangen und wieder nah Hause kommen kann nur in folchen Bezirken sollen Zwangsinnungen gebildet wecden, wenn in einem fsolhen Be- zirÈ eine genügende Zahl von Handwerkern vorhanden ift, sodaß auch eine leistungsfähige Junung thatsählih ge- shafen wird. Es sollen endlih nicht überall Fanungen gebildet werden nit dort, wo die Wünsche der Handwerker dem entgegen find. Wo die Majorität der Handwerker die Innung refüsiert, da soll davon Abstand genommen werden, Das war auch in der früheren Vorlage ausgesprohen, und an diese Vor- ausfezungen knüpft die jeßige Vorlage an. Sie hat es aber für erwünscht gehalten, dies ausdrücklih im Gese festzustellen, wie es in dem § 100 unter Nr. i bis 3 gesehen is. Sie hat es aber au außerdem für erwünsht erachtet, daß dort, wo die Vorausseßung nicht vorhanden is, daß die Ma- jorität der Handwerker die Zwangsinnung wüns{cht, die Majorität nicht auf den Weg der Beschwerde gewiesen wird; sie hat es vielmehr für zweckmäßig gehalten, daß in folhen Fällen die Verwaltungsbehörde die Betheiligten konvoziert, sie zusammenberuft, mit ihnen verhandelt, die Gründe für und gegen erörtert, den be- sonderen Wünschen, die von der einen oder anderen Seite geltend gemacht sind, Rechnung trägt und so etwas haft, was den allsei- tigen Interessen entspriht. Jch glaube, daß darin eine Verbefserung liegt gegenüber der früheren Vorlage.

Nun ist von einer Seite gesagt worden: ja, wie ist denn das möglih? wie foll denn nun thatsählich der einzelne Handwerker wissen, wann eine Bekanntmachung erlassen wird: es soll in dem und dem Bezirk die und die Jnunung gebildet werden, daß er in diese Innung einbezogen wird? Er kann ja nicht genau beurtheilen : gehöre ih zu dem Gewerbe oder nicht, betreibe ich das Gewerbe fabrikmäßig oder handwerksmäßig ? Diese Zweifel [lösen sich einfah dadurch: wenn eine folhe Bekanntmachung stattfindet und die betheiligten Handr2srker eingeladen werden, so geschieht dos auf Grund einer Liste der Betheiligten. Diefe Liste muß entweder bekannt gegeben werden, oder es muß gesagt werden : dort liegt sie zur Einsiht ofen, dort kann jeder fehen, ob er zu

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denjenigen gehört, die in die Zwangsinnungen einbezogen werden sollen. Das zu machen, ift sehr leiht, man braucht \ich nur den § 14 der Gewerbeordnung anzusehen, in dem ausdrücklih vorgeschrieben ift : Wer den selbständigen Betrieb eines stehenden Gewerbes an- fängt, muß der für den Ort, wo solhes geschieht, nach den Lande8geseßen zuständigen Behörde gleichzeitig Anzeige davon machen.

Die Landesbebörden sind also im Besiy dieser Anzeige, sie find jeden Augenblick in der Lage, die Listen aufstellen zu können und aub jedem Betheiligten davon Kenntniß zu geben, sodaß er in der Lage ift, an dem bestimmten Tage seine Wünsche und An- sprüche für oder gegen die Bildung von Zwangsinnungen geltend zu machen. Damit, glaube ih, ift die Sache in der allereinfahsten und verständigsten Weise geregelt.

Man hat aber weiter im Bundesrath bei der Prüfung der früheren preußishen Vorlage gesagt: es ist doch nicht richtig, daß man eine Ein- richtung treffen soll, deren Bedeutung dahin geht, eine andere Ent- widcklung, wie sie in großen, ausgedehnten Theilen des Reichs statts gefunden hat, zu unterbinden. Es ist bereits in diesem hohen Hause von verschiedenen Seiten hervorgehoben worden, daß thatsächlih die Gewerbe- vereine eine sehr glücklihe Entwicklung genommen haben. Sie sind nit bloß in Süddeutschland, sondern auch in ausgedehnten Theilen Nord- deutschlands vertreten, und Süddeutschland hat es thatsächlih zu Wege gebraht, daß dort keine Handwerkerfrage existiert. Die Regierungen haben sich dort in größerem Maße um das Handwerk bekümmert (sehr wahr! links), als es in unserem Lande geschehen is. In der That ift nit zu verkennen, ih bedaure das meinerseits anerkennen zu müssen es wäre sehr erwünscht gewesen, wenn man im preußischen Staate etwas mehr für das Handwerk gethan hätte (sehr richtig! links); und ih hoffe, daß das in Zukunft auch geschehen wird. (Hört! hört!) Ich glaube es meinerseits in Auésicht stellen zu können. So hat man in Süddeuts{land mit Hilfe der Gewerbevereine Gutes ges schaffen und das Handwerk vor der Verkümmerung gerettet. Soll man nun diese Staaten und Landesgebiete nöthigen, eine Einrich tung aufzugeben, die sich bei ihnen als nüglich und verständig er- wiesen hat? Im Bundesrath hat man gesagt: das könnt ihr von uns nicht verlangen; und wir haben unsererseits gesagt: ihr habt Recht, wir sind damit einverstanden, und ich glaube, das hohe Haus wird der gleihen Vieinung sein.

Nun kommt noch eins in Betracht. Es war im ursprünglichen preu- ßishen Entwurf der Gedanke enthalten, daß die Bildung der Zwangs- innungen von Amtswegen erfolgen follte, es follten die Aufsihts- behörden die Sache in die Hand nehmen; fie sollten überall, wo die Vorausfezungen dafür gegeben sind, Zwangsinnungen errihten. Die- jenigen Handwerker aber, die nicht dur Zwangsinnungen gebunden würden, weil bei ihnen die Vorausseßungen nit zuträfen, die ihre Einbeziehung in die Zwangsinnung bedingen würden, sollten einbezogen werden in die Handwerkerausschüfse. Damit das aber geschehen könnte, follten die vorhandenen freien Innungen geschlofsen werden. Da hat der Bundesrath gesagt : das geht nicht an; man soll nicht damit beginnen, das Vorhandene zu zerstören, umsomehr dann nicht, wenn in dem Vorhandenen that- sählih ein guter Keim gesunden Lebens vorhanden ist. Weshalb soll mañ damit beginnen, die sämmtlichen freien Innungen zu {ließen und so auf den Trümmern der freien Innungen Zwangsinnungen zu bilden, besonders wenn man nit sicher ift, daß das allgemein géshehen kann? Das war aber keineswegs zu erwarten. Wenn Sie die Güte haben wollen, sih die Begründung des früheren preußischen Entwurfs anzusehen, fo finden Sie auf Seite 10 eine Auseinandersezung über die Art und Weise, wie man si die Bildung der Zwangsinnungen dahte. Es wird angenommen, daß der Bezirk einer Zwangsinnung niht über 200 Quadrarkilometer hinausgeht, weil dabei die Mög- lichkeit gegeben ift, daß die Entfernung von der äußersten Péripherie bis zum Siß der Innungen nur eine Meile beträgt, also ohne großen Aufwand an Zeit und Kosten jeder Einzelne in die Innungsversammlung gehen und am nämlihen Tage wieder näch Hause gehen kann. Es wurde ferner angenommen, daß etne Zahl von ungefähr 20 Perfonen doch wohl nothwendig sci, um die Junungen leistungsfähig zu erhalten, und danah berehnet, würde si ungefähr ergeben, daß 65 % der Handwerker gebunden würden durch die Zwangsinnungen. Diese Berehnung beruhte auf der Vergleichung des Erhebungsgebietes, für welches statistishe Ermittelungen setner Zeit angestellt wurden, zur Gesammtheit des Deutschen Reiches. Das- bei ist aber übersehen, daß das Erhebungsgebiet eine Einwohnerzahl von 122 Einwohnern pro Quatdratkilometer hat, während das Deutsche Reich nur eine Einwohnerzahl von 91 Einwdhnern pro Quadratkilometer hat, also } weniger. Tragen Sie dem aber Rechnung, wenn Sie das Verhältniß nehmen zwischen dem Erhebungs- gebict und dem Deutschen Reiche, so müssen Sie von den 65 9% abzichen , fommen dann auf 49%. Aber diesé 49 % würden noch nicht einmal auêreihen, denn die Vertheilung der Bevölkerurg im Deuischen Reiche: ist niht gleihmäßig, wir haben weite Strecken im Often, ländlihe Distrikte. Da sind so wenig Einwohner auf dem Quadra!tkilometer vorhanden, und innerhalb der Begrenzung von 200 gkm, daf die Vorausseßungen für Zwangs- innungen entfallen. Man würde auch nach dem preußischen (ntwurf in Bezug auf die Zahl der Handwerker, die dur Zwängs- innungen gebunden werden, niht weit über ein Drittel der Gesammt- heit hinaustommen. Nun solite ter gesammte Rest gebunten werdên dadurch, daß er unter den Handwerkerauës{chuß gestellt wird. Da hät man sih im Bundesrath mit Recht gesagt, das is doch nicht richtig, daß man eine so große Zahl von Handwerkern, volle zwei ODrittel, nun vollständig dessen berauben foll, was bisher an korporativen Ver- bänden unter ihnen exiftierte, durh Schließung dicser Verbände, der freien Innungen; da ist es doch rihtiger, man läßt die freien Ins nungen vorläufig bestehen und geht nur allmählih dazu über, sie umzu- wandeln in Zwangsinnungen, sobald die Vorausseßungen vorhanden sind, namentlih sobald in den Kreisen dér Handwerker die Üeber- zeugung zum Durchbruch gekommen is}, daß in der That die

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