1897 / 80 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 03 Apr 1897 18:00:01 GMT) scan diff

R E S A Ane M

E

Rickert (fr. Vag.): Ich bedauere, daß die Herren vom fih dur bie Aalisemiten haben Caiaikea laffen, troßdem der Anirag nur gegen die Juden gerichtet is und in der Agitation ‘verwerthet werden wird. Was foll die Regierung mit einer Resolution “anfangen, bei der die versciedenen Theile des Hauses sih Verschiedenes : t haben? Wir werden den Antrag wegen feiner antisemitischen

dens ablehnen fessionelen Ei

d.

Abg. Dr. Lieber (Zentr.): Das Cbristenthum ift die Grundlage der heutigen Kultur. Der Wortlaut des Antrages entbält keine M abentung von Antisemitismus; übcr Motive wird auch nicht abgestimmt, des- i Antrag stimmen, denn che der erste Antisemit dem Reichstage angehörte, hatte Windthorst den kon-

halb kann das Zentrum rubig für den

fessionellen Eid beantragt.

Nachdem der Abg. Schall sih dagegen verwahrt hat, daß er etwa Andersgläubigen die kTonfessionell2 Eidesformel auf- wingen wolle, und nah mehr persönlichen Ausführungen des

bg. Dr. Lütgenau schließt die Debatte.

“Jn seinem Schlußwort als Antragsteller führt

Abg. Liebermann vonSonnenbecxg aus: Die Hoffnung des Abg. Lenzmann, der Reichstag werde den Antrag einmüthig ablehnen, wird sich nicht erfüllen. Eine uferlose Antisemitendebatte würde ih prôvozieren , wenn ich die Verwahrungen der einzelnen Parteien gegen den Antisemitismus fkritisieren würde. Wir wollen den Juden den Eid, den fie sih erkämpft haben, lassen und nur für die Christen O a8 rg mrs Eid E SE Sie unsern Antrag an n dem Sinne, in dem er gestelit ist; Sie werden dadurch ei Verdienst um das Vaterland erwerben. in a

__ Nah cinigen persönlichen Bemerkungen der Abgg. Len z- mann und Richter (fc. Volksp.) wird der Antrag gegen die Stimmen der Sozialdemokraten, der beiden Volksparteien, der freisinnigen Vereinigung, der Nationalliberalen und des Abg. Nadbyl (Zentr.) angenommen.

Es folgt die erste Berathung des von dem Abg. Grafen von Hompesh (Zentr.) eingebrahten Geseßentwurfes, be- treffend die Aufhebung des Geseßes über den Orden der Gesellshaft Jesu, vom 4. Juli 1872. Der Antrag will das ganze Gesey aufgehoben wissen, während zwei An- träge der Abgg. Graf zu Limburg-Stirum (d. kons.) und Riert (fr. Vgg.) nur den § 2 des Geseges aufgehoben wissen wollen, welcher die Ausweisung der Jesuiten vorschreibt.

Abg. Graf von Hompesh: Nachdem der Bundesrath dem Beschlusse des Reichstages nicht Folge gegeben hat, waren wir ge- nöthigt, unferen Antrag wieder einzubringen, und die erste beste Ge- legenheit zu benuyen, ihn auf die Tagesordnung zu bringen. Wir fönnen dabei dem Bundesrath den Vorwurf nicht ersparen, daß sein Verhalten gegenüber dem Reichstage im bêöchsten Grade eigenthüm- lih is. Wir baben es s{merzlich empfunden, wahrnehmen zu müssen, daß der Bundeërath, während er früher andere Anträge des ReichE- tages mit erfiaunlicher Schnelligkeit genehmigte, jeßt, wo es gilt, ein Unrecht wieder gut zu machen, si gar nicht einmal zu einer Entscheidung gufgeschwungen hat, weder im bejahenden noch im verneinenden Sinne. So ist die ganze A in der Schwebe geblieben und das eine für Deutschland no! bestehende Ausnahmegeseß, ein Gesey un- e ‘und s{hlimmster Art, ist bis heute noch in Wirksamkeit.

n der Ueberzeugung von seiner Unhaltbarkeit sind von zwei Seiten Anträge gestellt worden, die nur den § 2 des Gesetzes aufheben wollen, wahrscheinli in der Erwartung, daß der Bundesrath das so modi- fizterte Gese annehmen werde. Wir ketrachten das als eine kleine Abs{lagszahiung und können dafür stimmen. Jh muß aber erklären, daß uns diese Anträge keineswegs genügen und befriedigen und daß wir. nah nie vor Ba sehen müssen, daß das Geseß vom 4. Juli 1872 ganz und voll aufgehoben wird. Indem wir uns in diesem Betracht die nöthigen Schritte vorbehalten und verlangen, daß jedem deutschen Staatsbürger dieselbe politische Recbtsficherheit ge- währt werde, glauben wir den Interessen des Neichs besser dienen zu können, als diejenigen es thun, die durch Verweigecung diefer Rehts- fdherheit in weiten Schichten unseres katholishen Volkes tiefe Unzu- friedenheit und Unmuth hervorrufen. Wir wollen dazu nicht bei- tragen und ersuchen Sie, unserem Antrage zuzustimmen.

Abg Nidckert (fr. Vgg.): Bereits 1893 ist der jeßt von mir estellte Antrag vorgebracht worden, ohne eine Mehrheit zu finden. eute liegt die Sache anders. Für den Antrag des Grafen Hompesc

können wir nicht stimmen, aber wir halten es für nothwendig, den verleßenden Ausweisunzsparagraphen aus der Welt zu schaffen. 1896 hat sowohl Graf Limburg-Stirum für einen Theil seiner Freunde wie err von Bennigsen eine Erklärung abgegeben, die sich gegen die ufrehterhaltung der Ausweisung richtete. Wenn das Zentrum diese Aufhebung als Abschlagézahlung hinnimmt, fo werden hoffentlich die verbündeten Regierungen darauf Rückficht nehmen.

Ybg. Graf zu Limburg - Stirum: Neues über die Sache ist nicht zu sagen. Mau kann sich nur auf das früher Gefagte be- rufen. Die jeyt gestellten Anträge eröffnen die Aussicht, daß ctwas ae herausfommt, was früher nit möglich war. Meine

reunde sind in der Serte nicht einig, Einige meiner Freunde werden ür den Antrag des Zentrans stimmen, ein großer Theil für meinen ntra, cin Theil au gegen meinen Äntrag.

Abg. Dr. von Marquardsen (nl.): In Bezug auf das Verbot der Orden und Ordenskongregationen, welche den Jesuiten nahe stehen, bleiben meine Freunde auf dem früheren Standpunkte. Gin Bundesstaat mit gemisckter konfessioneller Bevölkerung kann Ordensniederlassungen nicht dulden. Das Geseß, wie es bisher gehandhabt ist, hat die Entfaltung des firchlihen Lebens nicht ge- hindert, scine Aufhebung würde aber konfefsionelle Gegensäße hervor- rufen. Aber bezüglih der Aufhebung des § 2 bestehen Meinungs- verschiedenheiten unter meinen Freunden. Man fann darüber zweifel- haft sein, ob der gegenwärtige Augenblick es angezeigt erscheinen läßt, ein Zugeständniß zu machen. Jch erkenne an, daß der § 2 eine Härte ent- bält, und ih freue mi, daß von demselben so gut wie gar keine An- wendung gemacht ist. Die oberhirtilihe Kundgebung des Bischofs von Regensburg in Bayern zur Zentenarfeier und die Aeußerung der Civiltà cattolica“ gegen den Dreibund find die Früchte der Jesuiten. Mir werden der Aufhebung des § 2 zustimmen, damit § 1 um fo sicherer aufrecht erbalten wird.

Abg. von Vollmar (Soz.): Meine Freunde stehen auf dem Stand- punkt der Gleichberehtigung; sie haven sih niemals an dem Kultur- kampf und den Ausnahmebestimmungen gegen die Jesuiten betheiligt. Sie haben fogar 1882 zuerst den Antrag auf Aufhebung des Jesuiten- gesetzes gestellt und die späteren Anträge des Zentrums unterstüßt. Man hat geweint, die Jesuiten würden dié Sozialdemokratie endlich vernihten. Davor fürchten wir uns nicht. Wir wollen dem Zentrum gern dazu helfen, eine Kämpsferschaar gegen uns auf die Beine zu bringen. Die Verschiedenheit der Weltanschauungen hindert uns nicht, tolerant zu sein. Die Aufhebung des § 2 ändert in der Sache nichts, denn die Antrag- steller stehen dana immer noch auf dem Standpunkt der Jesuiten-- urcht und glauben immer, zwischen der katholishen Kirche und den

esuiten einen Unterschied machen zu sollen. Die Kundgebung des s en Senestrey hat nicht auf die Aufhebung des Jesuitengeseßzes gewartet.

Abg. Freiherr von Stumm (Rp.): Wir bleiben. auf dem Stand- punkt stehen, ben wir früher eingenommen, und stimmen gegen alle Anträge. Jch beziehe mih auf die Motivierung, die ich im Januar 1895 vorgebracht habe. Die Aufhebung des ganzen Gesetzes verstehe ih, aber nicht die Aufhebung des § 2, der die Durchführung des § 1 allein ermöglicht.

Abg. Dr. Lieber (Zentr.): Der Artikel der „Ciyviltà cattolica“ ist von den „Stimmen von Maria-Laach“ desavouiert worden; er stellt niht die Meinung der deutshen Jesuiten dar. Wer die Kundgebung des Bischofs Senestrey mißbilligt, der kann s{ließlich alle diejenigen, welhe sih katholis nennen, über die Grenze jagen.

Dr. Lütgenau (Soz.) wendet sich gegen den kon-

tigkeit nicht gewähren will. Bundesrath f die Frauen noch niht aus dem

lends essen müfien, Marquardsen wird die erste Lesung geschlossen.

Antrag Stimmen der Deutsch-Konservativen,

zu angenommen.

und den Konservativen eingebrahten Geseßentwurss, be- treffend den Verkehr mit Butter, Käse, Schmalz und ihren Ersaßmitteln.

__ Die S81bis 3werden ohne Debatte angenommen. Zu § 4 hat die Kommission beschlossen, zwar die Herstellung, Aufbewahrung oder Verpacktung von Margarine in den Räumen zu verbieten, in denen Butler gewerbsmäßig hergestellt, aufbewahrt oder verpackt wird; dagegen ist die Bestimmung, daß auch das Li ball der Margarine in den Räumen, in denen Vutter

eil gehalten wird, verboten sein foll, mit Ausnahme der Orte ce v als 5000 Einwohnern, von der Kommission ge-

rien.

Abg. von Ploeß (dk.) beantragt die Wiederherstellung des ur- fprünglihen Antrags.

…_ Abg. von Grand-Ry (Zentr.) hält die Trennung der Verkaufs- räume für nothwendig, zumal es noch nit feststehe, ob das chemische Färbemittel, welches der Margarine zugeseßt werden folle, wieder entfernt werden könne.

Abg. von Ploey: Meine Freunde haben den Wunsch, das Geseß möglichst bald zu stande zu bringen, damit der Landwirthschaft durch ein kleines Mittel geholfen wird. Leider hat der Bundesrath im vorigen Jahre unsere mit großer Mehrheit gefaßten Beschlüsse abgelehnt. Ja der Kommission sind manche Verschlehterungen angenommen worden. Die bedenklihhste is die Streichung der getrennten Verkaufsräume. Die latente Färbung steht nit so fest, daß man die Trennung der Berkaufsräume entbehren könnte. Die verbündeten Regierungen haben sich ja bei der ersten Lesung damit einverstanden erklärt, daß die Trennung der BVerkaufsräume gauf- genommen wird für die Ortschaften mit mehr als 5000 Einwohnern. Diese Trennung könnte nur entbehrt werden, wenn die Margarine ret lebhaft gefärbt wäre; abec das hat man nihcht angenommen. Wenn die Kaufleute zum alleinigen Verkauf der Margarine übergehen, dann brauen die Margarinefreunde sich doch nicht zu ereifern gegen die Trennung der Verkaufsräume. Wir haben aber nicht bloß die Interessen der Kaufleute im Auge, sondern au die der Ee e

g. Frißzen-Rees (Zentr.): Ich will ein möglichst s{harfes Geseß, welches dur Beseitigung des unlauteren Weitbewerbes der Margarine den Konsum der Butter hebt. Die Trennung der Verkaufs- a würde den Konsum der Butter aber nichi heben, sondern ver- mindern.

Abg. Galler (d. Volksp.): Der § 4 kann nur von denen an- genommen werden, die den Handel und namenili die kleinen Kauf- leute dur) Polizeimaßregeln chikanieren wollen, Die Konsumenten würden si \chon gegen die Margarine schüßen können.

_ Abg. Dr. Kruse (nl.) erklärt sich gegen die Abänderung der Beschlüsse der Kommission.

__ Abg. Dr. Hermes (fr. Volksp.) weist darauf hin, daß die Ne- gierung erhebliche Bedenken gegen die Trennung derx Verkaufsräume geltend gemacht bâtte, daß eine solche Vorschrift aber au überflüfsig sei, da die Verfälshungen {hon auf ein Minimum herabgegangen seien. Dana bedürfe es alfo überhaupt des ganzen Geseßzes nicht, dessen Vorschriften s{licßlih úur die Landwirthschaft s{Gädiaten.

Abg. Wurm (Soz.): Wir werden gegen das Gefeß stimmen; acceptieren könnten wir dasselbe vielleicht, wenn die Bestimmung über die Trennung der Verkaufsräume nit vorhanden wäre.

i Abg. Dr. Bachem (Zentr.): Die Trennung der Verkaufsräume wird eine Woblthat sein für die Konsumenten und auch für die Händler, die nur im Uebergangszustande Unbequemlichkeiten zu ertragen haben werden, aber von der Versuhung befreit werden, Margarine statt Butter zu verkaufen. Wenn si zeigen sollte, daß der Weg nicht der richtige war, dann werden wir die bessernde Hand anlegen können. Staatssekretär des Innern, Staats - Minisier Dr. von Boetticher:

Meine Herren ! Der Herr Abg. Wurm hat an eine Aeußerung er- innert, welde ih bezüglih der Frage der getrennten Verkaufs- räume im Margarine- und Butterhandel bei der ersten Be- rathung des vorliegenden Geseß entwurfs gethan habe, und zroar dahin, daß sich über ein Gebot der Trennung der Ver- faufsräume, welhes aus landwirthschaftlichen Kreisen heraus gewünscht wird, werde reden lassen. Diese Aeußerung habe ih gethan und diese Aeußerung kann ih auch heute noG nach dem Meinungsauêstaufch, welcher innerhalb der verbündeten Regierungen stattgefunden hat, aufrecht erhalten. Die Sache lag für die verbündeten Regierungen im vergangenen Jahre so, daß sie sehr beklagten, daß der Entwurf, den sie dem hohen Hause hatien zugehen lassen, nit in einer Gestalt aus der Berathung des Reichstages hervorging, welche für den Bundes- rath annehmbar war. Sie erinnern sih, es gab zwei Steine des Anstoßes. Das eine war das Färbeverbot und das andere war das Gebot getrennter Verkaufsräume. Die verbündeten Regierungen haben darüber habe ich bei der ersten Berathung au keinen Zweifel gelassen in dem Bestreben, den Betrug und den un- lauteren Wettbewerb von dem Gebiet des Margarinehandels und der Margarinefabrikation auszuschließen, sh bemüht, festzustellen, bis zu welhem Grade man den im Reichstag insbesondere aus landwirth- \chàaftlihen Kreisen heraus hervorgetretenen Wünschen entgegenkommen könne, und die verbündeten Regierungen haben \sich damals über- wiegend dahin ausgesprochen, daß sie einem Färbeverbot niht würden zustimmen können, daß aber ein Gebot getrennter Verkaufsräume für Margarine und für Butter allenfq{ls" annehmbar sein werde, welches sh in den Grenzen halte, die niht allzu schwere Schädigungen für die betheiligten Handelskreise im Gefolge haben würden.

Nun will ich nit vershweigen, daß allerdings dieses Zu- geständniß, welheè das Ergebniß des Meinungsaustausches unter den verbündeten Regierungen war, von der überwiegenden Mehrzahl der Regierungen sehr ungern gemacht wurde. (Hört! hört! Links.) Denn darüber war man nicht im Zweifel, daß ein solches Gebot getrennter Verkaufsräume, und das haben die Herren in der Mehrzahl ja anerkannt, immerhin für die betheiligten Händler mindestens Unbequemlihkeiten, aber man geht wohl auch“ nit zu weit, wenn man sagt, geringe Schädigungen im Gefolge habe. Inzwischen war man aber doh der Meinung, daf,

Jch bin erfreut, daß die Anträge Gelegenheit geben, den Bundesrath

weil man es hier mit einem sehr delikaten Gegenstand zu thun hat

vor die Frage zu stellen, ob. A Ves S E flexe- e es als selbstverständlich,

daß, wenn s der § 2 des Jesuitengeseßes aufgéhoben wird, va seine _ auf Grund des § 3 B Gefeyes erlassenen Au-

ordnungen einer Durchsicht unterzieht. Besonders bedauerlich ist, daß d j cseye herau8genommen find, daß die rauen vom Herzen Jesu noch länger im Auslande das Brot des

Nach einer persönlihen Bemerkung des Abg. Dr. von

In der zweiten Lesung nimmt Niemand das Wort. Der des Grafen von Les wird hierauf gegen die F ) nser er Nationalliberalen und eines Theils der freisinnigen Vereinigung angenommen; ebenso werden die übereinstimmenden Anträge der Abgg. Graf

Limburg-Stirum und Nickert gegen die Stimmen der Reichspartei und eines Theils der Deutsch:Konservativen

Es folgt die zweite Berathung des von dem Zentrum

(Heiterkeit), welher niht leiht von vem anderen Produkt zu unter- scheiden ist, dem er unlautere Konkurrenz hier und da zu machen bestrebt ift, für die Butterproduktien doch ein recht erhebliches Interesse besteht, möglichst wirksame Bürgschaften gegen diese un- [Iautere Konkurrenz geschaffen zu sehen, daß man daher dem berechtigten Interesse der Butterproduktion so weit Rechnung tragen müße, als es ih irgendwie gegenüber den entgrgenftehenden Interessen ver- antworten Iäßt.

Nun, meine Herren, will ih weiter berihten. Als Ihre Kom- mission, dec ich für die fachliche und gründliGße Bebandlung der Materie nur meinen lebhaften Dank ausfprehen kann, das Gebot getrennter Verkaufsräume nicht acceptierte, fiel mir und meinen Herren Kollegen im Bundesrath ein Stein vom Herzen (Heiterkeit) ; denn wir sagten uns, es sei gut und freudig zu begrüßen, daß wir nun der Verantwortung überhoben find, unferen Regierungen zu em- pfehlen, in dem Streit der Interessen, der hier zwischen Handel und Produktion besteht, sich auf cine Seite zu stellen. Dieses Gefühl hoher Befriedigung if durch den Antrag der Herren Abgg. von Grand-NRy und von Ploeß erheblich beeinträchtigt worden, und ih habe mir, seitdem diese Anträge vorliegen, gründlih überlegt, ob ih nicht noc; den Versu machen sollte, den Herren die Bedenken vorzutragen, welche gegen die Annahme dieses Antrags fprechen.

Meine Herren, wenn Sie sich vergegenwärtigen, daß in dem Geseß doch eine große Zahl von Bürgschaften dafür gegeben if, daß der unlautere Wettbewerb auf dem Gebiete des Margarinehandels in Schranken gehalten werde, dann werden Sie füglih zu der Ueberzeugung Ffommen fönncn, daß es ceigentlich entbehrlich sei, noch nah weiteren Garantien zu suchen. {Sehr wahr! links.) Das Geseß enthält eine Vorschrift, daß am Verkaufêladen ein Plakat mit der Aufschrift „Verkauf von Mar- garine“ angebradt fein muß; es enthält die Vorschrift der latenten Färbvng der Margarine; es enthält die Vorschrift, daß die Abgabe- gefäße und Umhüllungen die Aufschrift „Margarine“ tragen müssen; es enthält die Vorschrift, daß die Aufbewahrungs- und Versant- gefäße dieselbe Aufschrift und die Fabrikfirma an sih tragen müssen; es enthält die Vorschrift, daß tie Margarine, wenn fie in regel- mäßigen Stücken abgegeben wird, in Würfelform gebracht werden foll und daß die Bezeichnung „Margarine“ auf die einzelnen Würfel eingepreßt werden muß. Es ift weiter vorgesehen, daß die Gefäße für Margarine mit einem rothen Streifen versehen werden sollen, und der Entwurf enthält endlich die Vorschrift, daß in Rechnungen und Frachtbriefen nur diese Be-

zeihnung gebraucht werden datf. Alle diese Vorschriften sind unter Strafe gestellt worden, unterliegen also einer wirksamen Kontrole der Polizei. Nun kann man ja freilih sagen: ja, wo diefe Vorschriften beobadtet werden, da ist ales in Ordnung, aber wo sie nit becbachtet werden, da muß ebén noch eine weitere Garantie ge schaffen werden, und es is nüßlih, daß der Butterhändler, wenn er etwa dazu übergehen will, Mischbutter herzustellen und zu verkaufen oder Margarine unter einer falschen Flagge in den Verkehx zu bringen, eben {on durch die Verbotsvorschrift, daß er dieses Geschäft nicht treiben soll in demselben Lokal, in welchem er Butter verkauft, daran gehindert wird. Allein, ih glaube s{chwer- li, daß mit einer folchen Vorschrift der Zweck, den wir alle im Auge haben, in wirksamerer Weise errei@t wird als dur jene Kautelen, die bereits von Ihrer Kommission beschlossen sind.

Und nun, meine Herren, bitte ich Sie, noch daran zu denken, daß, wenn diese Vorschrift, die Jhnen der Herr Abg. von Grand-Ry vorschlägt, in das Gese eingefügt wird, dann an einzelnen Orten de cin recht merkwürdiger Rechtszustand hergestellt wird. Wir haben bekanntlich große Städte, an deren Weichbildgrenze unmittelbar Vororte liegen, die eine nicht über 5000 hinausgehende Einwohnerzahl haben. Wir haben Städte, ih glaube, es trifft dies auch für Berlin zu, wo, wenn der Entwurf den Antrag Grand-Ry in fic aufnimmt, in derselben Strafie auf der einen Seitedie Butter nicht mit der Margarine indemsfelben Naum verkauft werden darf, während sie auf der anderen Seite der Straße mit der Margarine zusammen in demselben Lokale unbeanfstandet gehandelt werden kann, um deswillen, weil derOrt, zu dem diese andereScite der Straße gehört, weniger als 5000 Einwohner zählt. (Zuruf rets.) Gewiß kommt das vor! Ja, es kann sogar vorkommen mir sindauch solche Grenzverhältnisse bekannt —, daß Häuser, die unmittelbar neben einander liegen, einem verschiedenen Rechte unterworfen sein werden, um deswillen, weil sie zu versGiedenen Eemeindebezirken gehören.

ÁÂlso, meine Herren, das find Dinge, die niht erwünscht sind, und ih würde deshalb sehr glücklich fein, wenn sich die Herren dazu ent- \hließen könnten, zunächst von dieser weiteren Kautel, die die vor- liegenden Anträge zu schaffen beabsichtigen, abzusehen.

Dazu bemerke ih noch Folgendes: Wenn Sie den Antrag Grand-Ry annehmen wollen, dann geht die Sache au noh nic&t so einfa, sondern dann müssen wir in den Gesetzentwurf noh zwei weitere Bestimmungen einfügen: einmal eine Bestimmung darüber, wie es, wenn nun bekanntlich ist die Einwohnerzahl veränderlich ein Ort in die Kategorie derjenigen Gemeinden, welche 5000 Ginwohner und mehr haben, einrückt, mit dem Eintritt der Wirksamkeit dieser Bestimmung gehalten werten soll. (Zuruf rechts.) Ich bitte um Verzeihung, das kann nicht so ohne weiteres gemacht werden; sondern das muß das Gese regeln, denn der einzelne Händler weiß niht, wann seine Vaterstadt oder sein Vaterdorf das Glück hat, 5000 Einwohner zu haben. Es muß vielmehr eine Bestimmung darüber erlaffen werden, welche Stelle oder Behörde mit autoritativer Wirkung zu erklären hat, daß der betreffende Ort die Zahl von 5000 Einwohnern erreicht hat, daß also infolge dessen das Gcbot der Trennung der Verkaufs- räume in Kraft tritt.

Außerdem werden Sie, meine Herren, au eine Uebergangs- bestimmung in der Weise treffen müssen, daß das Gebot getrennter Verkaufsräume nicht sofort mit dem Gefeß, dessen baldige Wirksam- keit Sie doch Alle berbeisehnen, allgemein eintritt, sondern daß eine Uebergangszeit gegeben wird, in der der gemeinsame Vertrieb der Margarine mit der Butter noch zugelassen wird. Nas sind äber Dinge, die man zur dritten Lesung so vorzubereiten hätte, daß sie dann in das Gesetz aufgenommen werden können.

Meine Herren, wie ge}agt, ih für meine Person halte den vorliegenden Antrag für entbehrlich; ih bin der Meinung, daß die Kautelen, die wir geschaffen haben, ausreihen. Ich glaube aber nicht, daß, wenn Sie den Antrag Grand-Ry annehmen, die ver- bündeten Regierungen daran das Gesey scheitern lassen werden; aber

Sie werden dem Bundesrath eine viel größere Freude machen und

T E T Ce K R

EMReBEI ate Cir n 2247 E s

ihm seinen Entschluß erleichtern, wenn Sie den Antrag ablehnen. (Heiterkeit.) E Aba. Müller -Waldeck (Reformp.) tritt für die Anträge von Plôög-Grand-Ry ein. : i Aba. Graf von Kaniy (d. kons.) suht nahzuweisen, daß die teœnischen und praktishen Bedenken des Staatssekretärs hinfällig seien. Er freue sih aber der \ließlihen beruhigenden Zusicherung resfelben und danke dem Abg. Bachem für scin Entgegenkommen. Ueber den Antrag der Abgg. von Grand-Ry und von Ploeh wird namentlich abgestimmt. Für den Antrag werden 100 Stimmen abgegeben, gegen derselben 86 Stimmen. Das Haus isst fomit beshlußunfähig, da 199 Anwesende dazu er- forderlich sind. f 55 Schluß gegen 61/2 Uhr. Nächste Sißung Sonnabend 12 Ubr. (Rechnungssächen, Wahlprüfungen, Jesuitenantrag, Margarinegeseb.)

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

63. Sigung vom 2. April 1897.

Die zweite Berathung der Entwürfe einer Städte- ordnung und einer Landgemeindeordnung für die Provinz Hessen-Nassau wird fortgeseßt. 2

S 15 der Städteordnung enthält die Bestimmungen über die Einführung des Dreiklassenwahlrehts für die Wahlen der Stadtverordneten. Die stimmberechtigten Wähler sollen nach Maßgabe der von ihnen in der Gemeinde zu entrichten- den direkten Staats-, Gemeinde-, Kreis-, Bezirks- und Pro- vinzialsteuern in drei Abtheilungen getheilt werden, und zwar in der Art, daß auf jede Abtheilung ein Drittel der Gesammti- summe der Steuerbeträge aller Wähler fällt. :

Ueber den Beginn der Debatte ist gejtern berichtet worden.

Minister des Junern Freiherr von der Recke:

Meine Herren! Ich halte es für meine Pflicht, darauf hinzu- weisen, daß die Königliche Staatsregierung in der in § 15 gewählten Konstruktion des Wahlrechts eine der wesentliden Säulen des ganzen Gesetzes erblickt. Ih möchte daher dringend bitten, an dieser Säule nicht zu rütteln und den § 15 so zu gestalten, wie er aus der Kom- missionsberathung hervorgegangen ist, mit einer Einschränkung, die ih mir erlauben werde, am Schluß meiner Ausführungen noch her- vorzuheben.

Meine Herren, ih habe in der ecften Lefung bereits betont, daß die Königliche Staatsregierung ein entsheidendes Gewicht auf die einheitliche Regelung der Wablrechtsfrage in den beiden Regierungê- bezirken legt. Wenn mir nun entgegnet wird: ja, warum denn nicht auch in Frankfurt? so kann ih darauf nur erwidern: wenn die Verhältnisse es angezeigt hätten erscheinen lasen, auch die ganze Gemeinde- verfassung von Frankfurt neu zu regeln, also das dort vorhandene Gemeindeverfassungsgeseßp aus dem Fabre 1867 aufzuheben, würde selbstverständlich auch bas Dreiklassenwahlsystem in Frankfurt a. M. eingeführt worden sein. Ledigli*Þ aber aus dem Umstande, daß das Wakhlsystem in Frankfurt abweicht, eine Veranlassung herzu- nehmen, das ganze Gemeinde-Verfassungêgesey in Frankfurt zu ändern, was sich in den übrigen Theilen vollständig bewährt hat, werden Sie der Königlichen Staatsregierung nit zumuthen wollen. Nach sehr reifliher Erwägung hat si die Regierung dann ents{lofsen, dem hohen Hause vorzushlagen, das Dreiklassensystem für die beiden Pro- vinzen zu wählen, Maßzebend hierfür find insbesondere drei Er- wägungen gewesen, erstens : daß sih dasselbe {on in den früheren nassauishen Gebietstheilen vorfand und zu keinen besonderen Ein-

wendungen Veranlassung gegeben hat, zweitens der Umstand, daß es das Dreiklasscnsystem ist, welckchcs in dem größten Theil der Monarchie bereits in Geltung sih befindet, und drittens die Erwägung, daß auch der Provinzial-Landtag der Königlichen Staatsregierung diesen Weg gewiesen hat. Wenn schon in der ersten Lesung und jeßt auch in der zweiten darauf hingewiefen ist, daß dieser Beschlußfassung des Provinzial-Landtages eine befondere Bedeutung nicht beizumessen sei, so muß ih, meine Herren, wiederholt betonen, daß ich mi dieser Auffassung durchaus nit anschließen kann. Ich bin vielmehc der Meinung, daß wir uns an eine bessere und unterriGtetere Behörde nicht hätten wenden können, um über die Stimmung der Bevölkerung unterrichtet zu werden. Ih möchte auh noch darauf hinweisen denjenigen Herren aus Hessen gegenüber, die betonen, daß bas Votum des Provinzial-Landkages niht von aus\{lag- gebender Bedeutung fein könnte, daß für die Städteordnung 27 Ab- geordnete aus Hessen gestimmt haben und nur 24 dagegen. In dem Gntwurfe der Städteordnung befand sich aber bereits das Dreiklassen- wahlsystem; es hat also entschieden die Mehrzahl der hessishen Ab- geordneten für den Entwurf der Städteordnung und damit auch für tas Dreiklassensystem gestimmt.

Zu meiner großen Freude haben nun au die Kommissions- verhandlungen die Annahme des Regierungsentwurfs ergeben. Jn dieser Kommission sind die Gründe für und wider so eingehend erôrtert, und in dem Komnmiissionsberiht sind fie so ausführlich dar- gestellt worden, daß ich glaube davon absehen zu können, diese einzelnen Gründe hier noch eingehend zu erörtern; es ist dies ja auch bereits von einer Reihe von Vorrednern in ausgiebigem Maße gesehen. Ich möchte nur auf zwei Punkte hier noch hinweisen. Es wird behauptet, aus der großen Anzahl der hier eingegangenen Petitionen ergebe sich, daß die Bevölkerung in der Provinz Hessen-Naffau entschieden Stellung gegen den Entwurf genommen habe. Nun will ih gar-

nit leugnen, daf eine Anzahl derjenigen Persönlichkeiten, welche diese

Petitionen untershrieben haben, au über die Tragweite dieses Ent- wurfs unterrichtet gewesen sind. Nach den Erfahrungen, die ih aber

im allgemeinen mit derartigen Petitionen gemacht habe, kann ih doch einen leisen Zweifel darüber nicht unterdrücken, ob nit auch eine große Anzahl derjenigen Herren, die ihre Unterschrift dazu gegeben haben, über die volle Bedeutung des Gesetzentwurfs sh noch nit

ganz klar geworden waren.

Ich will zum Beweise dessen eines Berichts Erwähnung thun, Darin meldet ein Landrath

der mir im Januar zugegangen ist. Folgendes:

An sämmtliche Bürgermeister meines Kreises is von dem Casseler Bürgerverein eine vom 13. dieses Monats datierte, gedrukte kurze Aufforderung ergangen, Unterschriften auf einem anliegenden Bogen für eine Petition gegen die neue Landgemeindeordnung zu sammeln. Gine Begründung ist dem Anschreiben nit beigefügt. Was in der Petition stehen soll, ist den betreffenden Herren niht mitgetheilt

worden.

man von der überwiegenden Stellungnahme gegen den Entwurf spricht. Das Gleiche gilt von der Behauptung, daß fast aus allen Gemeindén Protestpetitionen eingegangen seien. erstatter recht verstanden habe, so liegen 300 Petitionen vor. Ich er- laube mir aber darauf aufmerksam zu machen, daß sih in den beiden Regierungsbezirken 2400 Gemeinden befinden. der ahte Theil sein, aus dem derartige Petitionen eingegangen find,

derjenige, daß immer behauptet wird, namentlich au von dem Herrn Abg. Kircher, mit seinem Antrage würde bezügli des Wahlrechts das alte, hergebrahte Verhältniß in dem NRegierungs-

ih entsieden

Nach meinen Nachrichten ift es jedenfalls sehr überirieben, wenn Wenn ich den Herrn Bericht-

Es würde also nur

Der zweite Punkt, auf den ih noch zurückommen möchte, ift

bezirk Cassel aufrecht erhaltea. - Ja, meine Herrea, das muß bestreiten. Nachdem der Gesehentwurf eine vollständig andere Konstruktion nach der Richtung hin gemacht hat, daß an Stelle der Bürgergemeinde die Einwohnergemeinde geseßt ift, hat sih die Zahl derjenigen Persönlichkeiten, welhen das Wahl- ret zugestanden ist, so kolossal vermehrt, daß man von einer Identität des j:ßigen mit dem Zustande, den der Herr Abg. Kircher herbei- führen möchte, absolut nit mehr sprechen kann. Ih möchte hier nur einige wenige Beispiele anführen, aus tenen fich ergiebt, wie stark die Wählerzahl in den einzelnen Gemeinten gewachsen ist. Die Stadt Hanau hat zur Zeit 1482 Stimmberechtigte; nach dem neuen Entwurf würde sie 4386 Stimmberechtigte be- fonmezn. Die Gemeinde Fechenhcim hat biêher 172 Stimm- berechtigte; nah dem neucn Entwurf würde sie 705 erhalten (hört !); in Gelnhausen find zur Zeit 374 Stimmberechtigte, der neue Entwurf würde 660 Personen die Stimmberechtigung geben. Es werden, meine Herren, diese Zahlen zur Genüge die Nichtigkeit meiner Behauptung erhärten, daß der jeßt immer gezogene Bergleich nicht zutrifft und der Wunsch, dur den Antrag Kircher dem Yegie- rungsbezirk |Cassel das bisherige alte, hergebrahte Verhältniß zu er- halten, in keiner Weise erfüllt wird. Fm übrigen will der gedahte Antrag gerade datjenige cinführen, w26 die Königliche Staatsregierung nicht wünscht. Durch die An- nahme dieses Antrags würde nämlich eine Duplizität in dem Wahl- ret eintreten, insofern in dem Regierungsbezirk Wiesbaden das Drei- klassensystem, in dem Regierungsbezirk Cassel das direkte Wahlreht Play greifen würte. Aus dem von mir vorhin \{onMitgetheilten ift die Königliche Staatsregierung nicht in der Lage, diesem Antrage zu- zustimmen. Ebenso wenig, meine Herren, würde ih in der Lage sein, dem Eventualantrage der Herren Abgg. Kircher-Cahenêly die Zustimmung der Königlichen Staatsregierung in Aussicht zu stellen. Dieselben wünschen eine Modifikation des Dreiklassensystems nah der Richtung hin, daß in der ersten Klasse 10 9/0, in der zweiten Klasse mindestens 9009/6 aller Stimmberechtigten Aufnahme finden follen. Sie wünschen, für den Fall der Ablehnung des Antrags, anstatt der Ziffer 10 und 90 9% zu segen 5 9/6 und 100/06. Meine Herren, ih will nicht be- streiten, daß dur eine derartige Bestimmung in einigen Orten eine Abschwächung der plutokratischen Wirkung eintreten würde ; wer giebt uns aber die Sicherheit, daß man hiermit die richtige Grenze trifft ? Mit demselben Nehte würde man au andere Prozentsäßze greifen können. Ih kann daher diesem Antrage in Uebereinstimmung mit einigen der Herren Vorredner den Vorwurf nit ersparen, daß er die Prozentsäße willkürlih greift: Der Hauptgrund aber, aus dem die Staatsbehörde glaubt, dem Antrage nicht zustimmen zu können, ist derjenige, daß man fagen muß: wenn man einmal das Drei- klassenwahlsystem, welches in einem großen Theil der Monarchie eingesührt ist, sür die Provinz Hessen - Nassau annimmt, so ist es nicht wohl zweckmäßig, daß man bei dieser Provinz allein eine Modifikation eintreten läßt. Ich erlaube mir, daran zu erinnern, daß ja die Regierung damit beschäftigt ist, Erhebungen anzustellen über die Wirkung des Kommunalabgaben- gesetzes auf das Dreiklassenwahlsystem. Ih hoffe, dem hohen Hause gleich nach Ablauf der Osterferien die betreffenden Materialien vor- legen zu können. Die Regierung wird dann erwägen, ob auch für tie gesammte Monarchie gewisse Modifikationen hinsichtlich des Wahl- rechts vorzuschlagen sind, und es wird dann auch für die Provinz Hessen-Nafsau dabselbe eintreten wie für die ganze übrige Monarchie. Fch möhte Sie deswegen nochmals bitten, den § 15 in der Kom- missionéfassung anzunehmen. Der Vorbehalt, den ih im Anfange meiner Ausführung gemacht habe, bezieht sich darauf, daß man binsithtlich der juristishen Personen, namentli aug hinsihtlich des Staatsfiskus eine Einschränkung gegen- über der Regierungsvorlage hat cintreten lassen. Ic halte es nit für billig und nicht für gerechtfertigt, daß man den juristischen Personen hier eine weniger wissenswerthe Behandlung angedeihen läßt, als den phy- sischen Personen. Es würde dies dem dem Dreiklassenwahlsystem zu Grunde liegenden Prinzip, bei welchem das Verhältniß von Leistung und Gegenleistung, Recht und Pflicht hauptsählih in Betracht zu ziehen ist, zuwiderlaufen. Ich bin nit in der Lage, hier einen bestimmten Antrag zu stellen auf Wiederherstellung der Regierungévorlage, würde es aber mit Freude begrüßen, wenn aus dem hohen Hause heraus ein derartiger Antrag gestellt würde, Abg. Dasbach (Zentr.) spricht fi gegen das Dreiklassenwahl- System aus unter Berufung auf die Petitionen und empfiehlt die Anträge Kircher.

Geheimer Regierungs-Rath von Trott zu Solz führt aus, daß die Unterzeichner der Petitionen über den Inhalt der Vorlage

dem ODreiklassenwahlsystem zugestimmt, und das fei entscheidend.

Kommission des Provinzial-Landtages eine Eintheilung dahinvorgeshlagen habe, daß in der ersten Klasse „mindestens 10 %/ und in der zweiten Klasse mindestens 20 9/9 der Wähler fein sollen, und daß das Plenum

vorschlügen. Die Regierung solle wenigstens diese

wie fich diese Abstufung bewähre.

Dreiklafsenwahlrehts bat man immer behauy E das geringste Beweiématerial dafür aus ber Praxis bei-

ebracht. o ra chr dem thatsächlihen Verhältniß der Klassen.

wie die Sache fein würde, dazu is mir meine

denn doch zu lieb. l wollen wir aufrechterhalten, um nicht den Anschein zu erwecken, als

wollten wir die plutofkratishe Wirkung des Wablsystems noch ver- mehren.

werden von der Stadtverordneten-Versammlung l besoldeten Mitgliedern des Magistrats in gemeinsamer Sißung gewählt, der Bürgermeister und die besoldeten Beigeordneten auf zwölf, die unbesoldeten Beigeordneten auf sechs Die Wahl mitglieder kann auch auf Lebenszeit erfolgen.

Debatten: angenommen.

: im (kons.): Di ü e Wir des Aba. von Pappenheim (kons) iee g nstig N E

90 9/9 entsprechen hon so wie u probieren, Provinz Hessen-Nassau Die Beschränkung des Wahlrehts des Fisfus

Die Ziffern von 10 Uad

Wir timmen also für die Kommissionsbeshlüfse. ) Abg. Sha ffne r (nl.) spricht si gleichfalls für die Kommissions-

beschlüsse aus und lehnt alle Anträge ab.

8 15 wird unter Ablehnung aller Anträge unverändert

in der Kommissionsfassung angenommen.

Nach § 27 soll zeder Wähler dem Wahlvorstande münd-

lich zu Protokoll erklären, wem er seine Stimme geben will.

Die Abgg. Cahensly und Kircher (Zenir.) beantragen

statt dessen die geheime Wahl durch Stimmzettel.

Geheimer Regierungs-Rath von Trott zu Solz bittet um

Ablehnung des Antrages; die öffentliche Stimmabgabe jci s{on jeyt Rechtens in der Provinz Hessen-Nassau.

Der Antrag wird nah kürzcr Debatte abgelehnt, § 27

angenommen.

S 34 bestimmt: Der Bürgermeister und die Beigeordneten und den un-

Jahre. der besoldeten Bürgermeister und Megistrats-

Abg. Wintermeyer (fr. Volksp.) beantragt, daß die

Wahtversammlung allein von der Stadtverordneten-Versamm- lung gebildet werden soll.

Abg. Cahensly (Zentr.) bcantragt, die Wahl auf

Lebenszeit nicht zuzulassen.

Nach kurzer Debatte, insbesondere nachdem Geheimer

Regierungs-Rath von Trott zu Solz sich gegen die Anträge ausgesprochen hat, wird Z 34 unverändert angenommen.

S 69 enthält die Bestimmungen über die Besoldungen

der Bürgermeister und Beigeordneten.

Die Abgg. Cahensly und Kircher beantragen, die Be-

slimmung zu streichen: Der Regierungs-Präsident kann ver-

langen, da n e 1 nen Besoldungen und Enlschädigungsbeträge bewi

ß die zu einer zweckmößigen An, angemcsse- igt werden.

Geheimer Regierungs-Rath von Trott zu Solz erklärt, daß

die Negierung an diefer Bestimmung festhalten müsse, weil sie einen Theil ihres Aufsihtsrehts ausmache.

Die Abgg. von Pappenheim und von Tepper - Laskî

sprezen si in demselben Sinne aus, während Abg. Kir \ch den Antrag unterstüßt.

Der Antrag wird abgelehnt, Z 69 angenommen.

Nach 8 83 kann statt eines Magistrats. ein Bürgermeister

mit einem Beigeordneten und zwei oder drei Schöffen gewählt werden. Die Regierungsvorlage bestimmte ferner, daß in Städten von nicht mehr als 1200 Einwohnern diese Einrich- tung kraft des Geseges eintritt. Die Kommission hat diese leßtere Bestimmung gestrichen.

Abg. von Pappenheim beantraat die Wiederherstellung der

Fassung der Regierungsvorlage, für die si auch Geheimer Regierungs- Rath von Trott zu Solz ausspricht, während die Abgg. Winter - meyer, Dr. Enneccerus, Dr. Lotichius (nl.), Kircher und Hofmann (nl.) der Kommissionsfasfsung den Vorzuz geben.

8 83 wird in der Fassung der Kommission angenommen. Der Rest der Städteordnung wird ohne erhebliche

Schluß 4 Uhr. Nächste Sipung Sonnabend 11 Uhr.

(Landgemeindeordnung für Hessen-Nafsau; Gesezentwurf, betr. die Neisekosten und Tagegelder der Beamten.)

nicht genügend unterrihtet gewesen seien. Der Provinzial-Landtag habe

Abg. Dr. Stephan (Zentr.) macht darauf aufmerksam, daß die

des Provinzial-Landtages dafür 5 bezw. 10 %/o empfohlen habe, alfo dasselbe, was die Herren Cahensly und Kircher in leßter Linie auch orderung be- willigen. Man könne ja in der einen Provinz einen Versuch machen,

Abg. von Tepper-Laski (fr. kons.) erklärt, daß seine Freunde für die Kommissionsfassung stimmen würden, um nicht einen Dualismus in der Provinz herzustellen. Ein praktisches Bedürfniß naheinem solchen sei nicht anzuerkennen. Die Regierung habe die berechtigten Eigenthümlichkeiten der hessischen Bevölkerung über 30 Jahre konferviert, jeßt sei die NRe- form unvermeidlich. Das Dreiklassenwahlrehcht sei für die Gemeinde- wahlen das allein rihtige und der Billigkeit entsprehende, das allge- meine gleihße Wahlrecht habe für die Gemeindewahlen keinen Schim- mer von Berechtigung. Wenn man das Dreiklassenwahlreht ändern wolle, müsse man erst nachweisen, daß die Vertreter der ersten Klasse in der Stadtverordneten-Versammlung das Gemeindeleben ungünstig

Mannigfaltiges.

Dr. Fridtjof Nanfen if gestern Morgen mit seiner Gattin in Berlin eingetroffen. Auf dem Bahnhof eFFricdrichstraße" wurde er von dem s{chwedishen Gesandten Baron von Lagerheim und dem Vorstande der „Gesellichaft für Erdkunde“ begrüßt und sodann nach dem Palast-Hotel geleitet. Die zu Ehren des berühmten Polar- forschers anberaumte Festsißzung mit si anschließendem Bankett findet beute Abend um 7 Uhr in den Näumen des Neuen Königlichen Opern- theaters stait.

Der Magistrat wählte in feiner gestrigen Sißung eine Depu- tation, bestehend aus deu Stadträthen Markgraf und Tourbió, mit dem Auftrage, den Nordpolforsher Dr. Fridtjof Nanfen im Namen der Stadt Berlin zu begrüßen. Mit der Einrichtung von Nischen zur Aufnahme der Standbilder früherer Fürsten und Staatsmänner in der Sieges-Allee wird im Frühjahr der Anfang gemacht werden, und ¡war zunächst auf der Strede vom Königsplay bis zur Charlotten- burger Chaussee. Es foll daher die nothwendige Eatfernung der äußeren Baumreihe, welche si hinter dem Promenadentoege befindet, auf Kosten der Stadt erfolgen. Die Kosten hierfür wurden auf 1080 M festgeseßt. Schließlich wurde beshlofsen, bei der Stadt- verordneten - Versammlung die Genehmigung zum Verkauf des städtischen Grundstücks Königstraße 1—6 (Alte Post) für 1 900 000

nachzusuchen. S

In der neuen „Urania“ (Taubenstraße) bewährt der néue wissenschaftliche Ausftatlungsvortrag „Der Kampf um den Nordpol“ stets dieselbe Unziebungskraft und wird deshalb die ganze nächste Woche hindur das Repertoire beherrs{chen. Das Nepertoire der alten „Urania“ (Invalidenstraße) lautet: Sonntag: Herr G. Witt „Ueber Himmelösphotographie“ ; Véontag und Freitag: Herr Dr. Spies „Neue Versuche mit flüssiger Luft“; Dienstag: Herr Dr. Kronecker Reisebilder aus Kaschmir“; Mittwoch: Herr Professor Müller „Bakterien und Serumtherapie" ; Donnerstag: Herr Dr. Schwahn "Die Erscheinungen der Gletscherwelt"; Sonnabend: Herr G, Witt „Ueber den Bau des Weltsystems".

Von Montag, den 5. April, ab ist die Besteigung des Rathhausthurms wieder gestattet, und zwar täglih von 10 Uhr Vormittags bis 3 Uhr Nachmittags gegen Zahlung eines Eintritts- geldes von 20 4 für jede Person. Eintrittékarten (nur für den Tag der Wsung gültig) find bei dem Portier am Rathhaus-Portal in der Königstraße zu haben.

Beuthen i. O.-S., 2. April. Zu dem Grubenunglüd@ in der Borsig’ shen „Hedwigswunsh-Grube“ bei Zabrze (\. Nr. 79 d. Bl.) berichtet „W. T. B.“ weiter: Die bereits gemeldete Explosion s{chlagender Wetter erfolgte gestern Ba ae auf dem Redensblick-Flöß im Tiefbau der Grube. Bis Mittag war dur die Ausführung eines Sperrdamms jede weitere Gefahr beseitigt. Nachmittags Uhr unternahm Arnold Borsig mit s\eiñen Begleitern die Einfahrt, um die Wetter zu untersuchen; da erfolgte eine zweite Explosion und ein ur{bru des Dammes. Alle Eingefahrenen kamen ums Leben. Berg-In Scholier versuchte wiederholt, mit Rettungsmannschaften bis zur Unglüdcksftätte vorzudringen, wurde aber ohnmächtig zu Tage gefördert. Der vorhandene Rettungsapparat funktionierte nicht. Erst dem Berg-

(Hört! hört! recht8.)

becinflußt hätten, und diesen Nachweis könne man nicht erbringen.

Inspektor Kirshniok von der Nachbargrube gelang es, mit Rettungs-