1897 / 82 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 06 Apr 1897 18:00:01 GMT) scan diff

C P e L

S

E,

Berichte vou deutschen Fruchtmärkten.

Qualität

wu am

f

gering - |

mittel gut

Vers Dur(- kaufte

F:

(100 kg)

Gezahlter Preis für 1 Doppelzentner

Menge preis

(Spalte 1) nad über- für \{läglicher

nie- | hôch- | nie- drigster | ster } drigfter

h 6 fs

ung

auft Doppel- zentner

¿I A

Doppel- Hi | zentner

¡entner

K E P

100 kg d

D p l

E 15,30 i ¿22% 15,20 E a 15,30

15,60 15,80 | 15,80 15,50 | 15,90 15,80 | 15,80

Rog IO/BO l e 10,80 | 10,80 11,20 | 11,40 10,90

Ma... | 10,85 E | | 10,30 Bieolau 11,10 E E 10,40

Liffa.

s 12,30 Breslau

| 13,50 | 13:00

j | 1240| | —] | 14,60 12,50 | 12,90 | 13,10

Wei

| 11,60 | 12,60 : 395

zen. 9 15,60 2. 4. 2 16,30 175 15,70 : 15 16,20 s : . . : 16,30 165 15,62 . 4. 15

gen.

15 10,85 c . 4. 5 11,40 70 10,71 : 20 11,60

10,90 | 11,40 73 / 10,66 ) A 20 Gerste. 14,50 | 15,40 | Hafer.

49 12,30 i 2. a

db 37 | 1240 1 12,30| 2.4. 12,60 359 11,97 | 11/86 | 3. 4. j 5, 4,

13,20 ÿ Í 11,97 | 11,97 |

Bemerkungen. Die verkaufte Menge wird auf volle Doppelzentner und der Verkaufswerth auf volle Mark abgerundet mitgetheilt. Der Durch-

s{hnittspreis wird aus den unabgerundeten Zahlen berechnet.

Ein liegender Strich (—) in den Spalten für Preise hat die Bedeutung, daß der betreffende Preis nihi vorgekommen ift; ein Punkt ( . ) in den leßten sechs Spalten, daß entsprehender Beri cht fehlt.

Deutscher Reichstag. 206. Sißung vom 5. April 1897, 11 Uhr.

Ueber den Anfang der Sißung wurde in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet.

Tagesordnung: Fortseßung der zweiten Berathung des Handelsgeseßbuches, und zwar bei dem sechsten Abschnitt: „Handlungsgehülfen und Handlungslehrlinge.“

Die 88 70 bis 71 betreffen die Gründe, aus denen der ge gelfe bezw. der Prinzipal ohne Kündigung von dem Vertragsverhältnisse abgehen kann.

Der Handlungsgehilfe kann ohne Kündigung den Vertrag aufheben, u. a. wenn sih der Prinzipal Thätlichkeiten oder nend Ehrverleßungen gegen ihn hat zu Schulden kommen

en. Die Kommission hat den Saß hinzugefügt: wenn der Prinzipal sich unsittlihe Zumuthungen hat zu Schulden kommen lassen, oder wenn er den Handlungsgehilfen gegen solhe Handlungen eines anderen Angestellten oder eines Familien- angehörigen des Prinzipals niht {üßt.

Nach § 71 kann der Prinzipal das Vertragsverhältniß auflösen, wenn der Handlungsgehülfe sih Thätlichkeiten gegen den Prinzipal (die Kommission hat hinzugefügt: oder „dessen Stellvertreter“) zu shulden kommen läßt.

Abg. Beckh (fr. Volksp.) beantragt, auch die Familien- angehörigen des Prinzipals hier einzufügen, während

Abg. Noeren (Zentr.) die Aufhebung des Vertragsverhältnisses auch zugelassen wissen will, wenn der Handlungsgehülfe {ich einem unsittlichen Lebenswandel ergebe.

Abg. Lenzmann (fr. Volksp.) hält es für besser, die ganzen Bestimmungen zu \treihen und es dem Richter zu überlassen, ob ein Grund zur Auflösung des Vertrages vorliege. Denn es sei s{chwer zu sagen, was ein unsittliher Lebenswandel sei. Wenn man die Vor- schrift bezüglich des Handlungsgehülfen annähme, dann wäre fie viel- leiht viel nothwendiger bezüglih des Prinzipals, und es müßte der Antrag Roeren zum § 70 angenommen werden.

Abg. Roeren: Ih weiß niht, wie mein Antrag solchen Widerspru hervorrufen kann. Warum soll die Bestimmung über den unsittlichen Lebenswandel gestrihen werden, obgleih fie niemals zu irgend welchen Bedenken in der Praxis Veranlassung gegeben hat?

Geheimer Ober-Regierungs-Rath im Reichs-Justizamt Dr. Hoff - mann hâlt es niht für möglih, daß aus der Weglassung des un- fittlihen Leben8wandels gefolgert werden könne, daß darin kein Grund mehr für die Aufhebung der Vertragsverhältnifses liegen folle.

Abg. Singer (Soz.) erklärt sich ebenfalls gegen den Antrag Roeren, der nur Verwirrung in das Verhältniß hineinbringen würde.

Abg. Dr. Osann (nl.) hält es für bedenklih, eine Kasuistik in das Geseß einzufügen, die doch niht erschöpfend fet; er er- Xläre fich daher gegen den Antrag Roeren.

Die Anträge Roeren und Beckh werden abgelehnt und die S8 70 und 71 unverändert angenommen.

Die §8 73—74 betreffen die Konkurrenzklausel. Nach Z 73 der Kommissionsbeschlüsse soll eine Vereinbarung Über die Beschränkung des Handlungsgehülfen in feiner ge- werblichen Thätigkeit nah Beendigung des Dienstverhältnisses nur so weit verbindlich sein, als sie nah Zeit, Ort und Um- fänden nicht die Grenze überschreitet, durh welhe eine un- billige Ershwerung des Fortkommens des Handlungsgehilfen ausgeschlossen wird.

___ Die Kommission hat hinzugefügt, daß die Beschränkung sih nicht auf mehr als drei Jahre nah Beendigung des Dienst- verhältnisses erstrecken dürfe. Die Vereinbarung solle nichtig sein, wenn der Handlungsgehülfe zur Zeit des Abschlusses minderjährig sei.

Nach 7 74 soll der Prinzipal Ansprüche aus der Kon- Turrenzklausel niht geltend machen können, wenn er durh vertragswidriges Verhalten dem Handlungsgehülfen Grund zur Auflösung des ‘Dienstverhältnisses gegeben hat; ebenso soll nach dem Sage 2 des §8 74 der Prinzipal Ansprüche nicht geltend machen können, wenn er das Dienstverhältniß kündigt, æs sei denn, daß ein Anlaß dazu vorliegt, den er nit ver- s{uldet hat, oder daß während der Dauer der Beschränkun

em Handlungsgehülfen das zuleßt von ihm bezogene Gehalt

a wird.

ie Sozialdemokraten wollen die Konkurrenzklausel vollständig gestrihen und derartige Vereinbarungen für nichtig erklärt wissen.

Abg. Freiherr vonStumm (Rp.) beantragt, im § 73 den von der Kommisfion zuge|ügten Saß zu streichen (Beschränkung auf 3 Jahre) und im § 74 den zweiten Saß zu streichen.

Abg. Singer hält dafür, daß mit wenigen Ausnahmen die Konkurrenzklausel im Reichstage bei dem Geseßentwurf über den un- Tauteren Wettbewerb verurtheilt worden sei; man habe nur damals diesen Æntwurf nicht als den rihtigen Plaß für die Beseitigung der Klausel

angesehen. Redner weist darauf hin, daß eine Mannheimer ems ihre Angestellten auf Ehrenwort zu einer solhen Konkurrenzklausel verpflihte. Ein anderer Vertrag eines Kabelwerks in Duisburg ver- pflihte einen mit 1600 #4 bezahlten Angestellten zur Zahlung von 30 000 G Konventionalstrafe für den Fall des Bruchs der Konkurrenz- kflausel. Die meisten Korporationen hätten fich gegen die Konkurrenz- klausel erklärt, mit Ausna5me des Zentralverbandes der JIn- dustriellen. Die chemische Industrie, welche die Konkurrenzklausel befürworte, habe dabei ausgesprochen, daß der Betriebsinhaber für die Dauer der Klausel das Gehalt weiter bezahlen müsse. Dem deutschen Handel würde eine Schmach abgenommen, wenn den unlauteren Elementen verwehrt würde, solhe Verträge abzuschließen.

Abg. Freiherr von Stumm: Der Zentralverband hat sich mit dieser Frage [garniht befaßt; die chemishe Industrie gehört dem Zentralverbande nicht an. Jh habe meine Verträge niemals auf Ehrenwort oder mit Konventionalstrafe abgeshlossen. Bei der Verhandlung über . den unlauteren Wettbewerb hat man durchaus niht daran gedacht, jede Möglichkeit der Beschränkung zu verhindern. Es wird. immer fo dargestellt, als ob anftändige Prinzt- pale eine folche Konkurrenzklausel überhaupt niht anwendeten. Die Sache besteht in der Praxis gerade umgekehrt. Es handelt sch darum, daß die unanständigen Prinzipale fih der Handlungsgehilfen zur illoyalen Konkurrenz bedienen würden. Um “eine mißbräuchlich hohe Konventionalstrafe zu verhindern, genügt die Vorschrift des § 73 vollkommen. Die Beschränkung auf 3 Jahre kann zu kurz oder zu lang sein, Wenn es sch um den Eintritt in ein Konkurrenzgeshäft in einer anderen Gegend Deutschlands handelt, so würden drei Jahre zu lange fein. Fllen es sih aber um ein Kon- kurrenzgeschäft in derselben Straße handelt, so würden drei Jahre nicht auéreihen, da Tönnten es zehn Jahre sein.

Staatssekretär des Reichs-Justizamts Dr. Nieberding:

Meine Herren! Jch darf wohl sagen, daß in dem ganzen Ent- wurf des Handelsgeseßbuches sich kaum eine Bestimmung befindet, die uns bei der Vorbereitung der Vorlage so viel Mühe und fo viele Gedanken gemacht hat, wie die Bestimmungen über die Konkurrenz- kÉlausel, und daß auch keine Bestimmung in dem Jhnen vorliegenden Entwurf sich befindet, die so sehr die Kritik wachgerufen und uns so viele Vorwürfe zugezogen hat, weil wir die Tragweite der Frage nicht vollständig ergründet hätten. Wenn wir nun mit demjenigen, was wir Ihnen vorgelegt - haben, doch noch einigermaßen uns zufrieden geben dürfen, so beruht das in der Wahr- nehmung, daß doch auch Ihre Kommission, troy der allergründlihsten Arbeit bei der Erwägung aller Vorschläge, die in der Kritik und der Oeffentlichkeit zur Verbesserung der Bestimmung über die Konkurrenzklausel hervorgetreten sind, hat anerkennen müssen, daß die Vorlage im Großen und Ganzen das Richtige getroffen habe, und daß es nur einiger Ergänzungen bedürfe, um wirklich eine aus- reihend gerechte Linie zwishen den Interessen der Prinzipale und Handlungsgehilfen zu ziehen.

Nun, meine Herren, hat der Herr Abg. Singer bei der Ver- tretung seines Antrages allerdings die ganze so shwierige Frage in sehr einfaher Weise gelöst, indem erx die Berechtigung ihres Daseins über- haupt verneint hat; er erklärt: eine Konkurrenzklausel i} über- haupt nicht anzuerkennen, s\treißen wir die Bestimmung aus dem Entwurf völlig heraus! Wenn der Herr Abg. Singer si dabei darauf berufen hat, daß früher, als hier im Hause aus Anlaß des Gesetzentwurfs über den unlauteren Wettbewerb diese Frage aufgeworfen wurde, die Meinung fast auss{chließlich dahin ge- gangen sei, daß die Konkurrenzklausel aus dem geschäftliGen Leben beseitigt werden müsse, so glaube ih, irrt er darin. (Sehr richtig!) Anerkannt wurde hier im Hause allgemein die Nothwendigkeit einer geseßlihen Regelung auf diesem Gebiete, aber im Sinne einer aus- gleichenden Gerechtigkeit zwishen den Interessen der Prinzipale und der Handlungsgehilfen, durhaus aber nit anerkannt wourde von der Mehrheit des Hauses, daß eine Konkurrenzklausel überhaupt nicht mehr zugelassen werden folle Auch die Erklärung, die ih damals die Ehre hatte hier im Hause abzugeben, indem ih zusagte, daß wir den Versu}ß mahen würden, bei der Ausarbeitung des Handelsgeseßbuches eine Regelung zu finden, ging nicht dahin, die Konkurrenzklausel zu beseitigen, sondern sie versprach nur, daß wir eine Regelung versuhen wollten, die den so lebhaft vertretenen Interesse| der Handlungsgehilfen entgegen- kommen würde. Das, meine Herren, haben wir in der Vorlage versuht. Daß auf seiten der Gehilfen, wie der Herr Abg. Singer behauptete, die Meinung übereinstimmend dahin gehe, die Konkurrenz- klausel zu beseitigen, auch das is nicht rihtig. Große Gehilfen- verbände Deutschlands, angesehene Organisationen der Handlungs- gehilfen haben si die Objektivität bewahrt, indem sie, während sie

ihre Interessen in dieser Sache verfohten, doch anerkannten: au die Prinzipale haben ihre Interessen in dieser Frage, und auch ibre- Interessen müssen bei der geseßlihen Ordnung geshüßt werden.

Also in dem Sinne, in dem der Herr Abgeordnete Singer die Sache hier vertreten hat, sind, glaube ih, abgesehen von den Ver- tretern seiner Partei, in der öffentlihen Meinung nirgendwo Stimmen laut geworden. In der That, man brauht sich doch die Verhält- nisse, wie sie in der Wirklichkeit auf seiten der Prinzipale liegen, nur: einigermaßen zu vergegenwärtigen, um sich sagen zu müssen,

daß, wenn man den Weg beschreiten wollte, den der Antrag-

der Abgg. Diey und Genossen hier eingeshlagen hat, man die wirthschaftlihen Erxistenzbedingungen der kleineren Prinzipale vielfah geradezu gefährden würde. Das Interesse, welhes von seiten der Prinzipale gegenüber den Handlungsgehilfen vertreten wird, beruht einfach darin, daß sie diejenigen Erfahrungen und Kenntnisse - die sie im Laufe ihres geshäftlihen Lebens unter Aufwendung langer Arbeitszeit, ihres kleinen, vielfah {wer erworbenen Kapitals ge- sammelt haben, einigermaßen doch für si selbs bewahren können, daß diese geshäftlihen Werthe nicht der Raub eines jeden in das Geschäft gekommenen Handlungsgehilfen werden, der kurze Zeit in dem Geschäft verbleibt, um es dann wieder zu verlassen und die fremden Erfahrungen für sich auszunußen ohne Mühe und Kosten, während der Prinzipal mit Mühen und Kosten- und Zeit- aufwand sie im Laufe der Jahre \sich errungen hat. Kann denn darin eine Gerechtigkeit gefunden werden, daß, wenn ein fleißiger Ges{äfte- mann im Laufe von Jahren mit Arbeit und Reisen, mit Geld- und Zeitaufwand sich eine Rethe zuverlässiger Bezugsquellen verschafft hat, die das Ansehen seines Geschäfts stüßen, sich eine Reihe sicherer und guter Abnehmer gesichert hat, die die Ginträglichkeit des Geschäfts be- gründen, dann der Handlungsgehilfe in der vielleiht kurzen Zeit, die er im Geschäft zubringt, ohne weiteres zu eigenem Nutzen Kenntniß nehmen kann von diesen Bezugsquellen und Absahgebieten,, sie soll ausnügen dürfen ohne Rücksicht auf den dem Prinzipal daraus- erwachsenden Schaden ? Meine Herren, darin liegt eine wirthshaftliche und eine moralishe Ungerechtigkeit, deren sich die Gesetzgebung nicht {chuldig machen darf.

Nun hat der Herr Abg. Singer unseren Vorschlägen den Vor- wurf gemacht, daß wir hinter den Beschlüssen, die in der Kommission für Arbeiterstatistik gefaßt worden sind, sehr zurückgeblieben seien unter augenscheinliher Berücksichtigung der Interessen der Prinzipale. Ja, meine Herren, die Aufgabe, die der Kommission für Arbeiter- statistifk gestellt war, mußte im Verhältniß zu der Aufgabe, die uns gestellt war, verhältnißmäßig leiht ersheinen; denn die Kommission hatte sich nur mit Uebelständen und überhaupt mit den Verhältnissen im Ladengeschäfte zu befassen, wir dagegen hatten die Aufgabe zu lôsen, eine übereinstimmende Regelung herbeizuführen für das ganze Gebiet des Handels: für große und für kleine Geschäfte, für offene Ladengeshäfte und für geshloßeñe Unternehmungen, und da stellen sih die Dinge doch ganz anders, als wenn man einen kleinen Zweig des Handelsbetriebes sich allein zum Vorwurfe nimmt.

Es ist auch nicht ganz richtig, wenn Herr Singer uns vorhält, daß wir bei unserer Regelung uns im wesentlichen darauf beshränkt hätten, alles in das Ermessen des Richters zu stellen. Wir sind in zwei Beziehungen, die für das praktische Leben große Bedeutung în Anspruch nehmen können, erheblich weiter gegangen. Der Entwrourf erklärt zunächst : für alle minderjährigen Handlungsgehilfen giebt es feine Konkurrenzklausel. Das will : sehr viel bedeuten, wenn Sie berüdcksihtigen, wie groß die Zahl der Handlungsgehilfen ist, die im minderjährigen Alter bereits im Geschäfte stehen. Der Entwurf erklärt ferner, daß für diejenigen Handlungsgehilfen, die ohne einen triftigen Grund von ihrem Prinzipal entlassen werden, die aus der freien Jnitiative des Prinzipals oder durch dessen Schuld genöthigt werden, anderweit einen Erwerb zu suchen, es keine Konkurrenzklausel giebt. Nur für die Verhältnisse der übrigen Gehilfen soll es gestattet sein, einen Vertrag zu schließen, kraft dessen der Handlungs- gehilfe eine gewisse Zeit sich der Ausnußung des geistigen Kapitals, wenn ih so sagen darf, das der Prinzipal in seinem Geschäftébetriebe für fih erworben hat, zu enthalten hat. Daß der Fall vorkommen könnte, wo jemand auf Lebenszeit genöthigt würde, dem Betriebe seines früheren Prinzipals keine Konkurrenz zu machen, das wird im Ernste niemand besorgen wollen. Käme ein exorbitanter Fall dieser Art vor, so würde der Richter sicherlih einschreiten und kraft der ihm dur den Entwurf zugedahten Vollmachten derartige Dinge un- möôglich mahen. Wenn Sie berüdsihtigen, meine Herrea, was der Entwurf in dieser Weise vorgeschlagen hat, das rihterliche Ermessen in allen denjenigen Fällen, in denen überhaupt eine Konkurrenzklausel zulässig ist, frei walten zu lassen, weil es eben nicht möglich ift, alle Ver- hältnisse durch bestimmte Vorschriften zu regeln, daß der Entwurf den Aus\chluß der Konkurrenzklausel für alle minderjährigen Handlungs- gehilfen, auch den Auss{chluß der Konkurrenzklausel für alle diejenigen Handlungsgehilfen vorsieht, die aus der freien Jnitiative oder durch die Schuld des Prinzipals aus dem Geschäfie ausscheiden, so werden Sie zugeben müssen, daß den Wünschen der Handlungsgehilfen in weitgehendem Maße entgegengekommen ist, so weit entgegengekommen ist, als es, ohne die Interessen der Prinzipale auf das empfindlichfte zu berühren, geshehen kann. Und wenn der Herr Abg. Singer den Wunsch ausspriht, daß das hohe Haus bemüht sein möge, eine Lösung zu finden, die es für die Zukunft verhindert, daß Handlungsgehilfen genöthigt werden zum Eingehen -entehrender Verpflichtungen, so bietet die Vorlage den Weg dazu. Dem Ein- gehen entehrender Verpflihtungen wird durch die Bestimmungen der Vorlage in jeder Weise vorgebeugt werden.

Meine Herren, ich kann Ihnen also nur empfehlen und es wird in dieser Beziehung vieler Worte kaum bedürfen : lehnen Sie den von dem Herrn Abg. Singer vertretenen Antrag ab und treten auf den Boden der Regierungsvorlage!

Nun hat die Regierungsvorlage von seiten Ihrer Kommission in zwei Punkten Abänderungen erfahren, von denen ih nit anerkennen kann, daß sie glüdcklihe gewesen sind.

Meine Herren, Jhre Kommission hat entgegen dem Wunsche der verbündeten Regierungen vorgeshlagen, daß in denjenigen Fällen, in denen eine Konkurrenzklausel zulässig sein foll, die Dauer dieser Konkurrenzklausel unter allen Umständen beschränkt bleiben müsse auf drei Jahre. Der Herr Abg. Freiherr von Stumm hat sih die Auffaffung der Regierungen zu eigen gemacht und beantragt, diese Bestimmung zu streihen. Meine Herren, ih würde es niht nur vom Standpunkt der Prinzipale, sondern auch der Handlungsgehilfen als einen Gewinn ansehen, wenn dieser Vorschlag Ihrer Kommission gestrichen würde.

F glaube niht, daß dur eine derartige mechanische Beschränkung der Konkurrenzklausel auf einen unbedingten Zeitraum von höchstens drei Jahren dem Interesse der Handlungsgehilfen Rechnung getragen wird. Ich glaube, ich täushe mich in der Art und Weise, “wie das Leben derartige Bestimmungen in die Praxis einzuführen pflegt, niht, wenn ih der Besorgniß Aus- druck gebe, daß die nächste Folge einer solhen Vorschrift die sein wird, daß nunmehr die meisten Konkurrenzabkommen auch in der That auf den von Ihrer Kommission vorgeshlagenen Maximalzeitraum abgeschlossen werden. Gegenwärtig ift das glückliherweise nicht so; die übergroße Mehrzahl der Konkurrenzklauseln erstreckt \ich auf die Zeit von ein bis zwei Jahren. Wenn aber nunmehr im Geseße ausdrüdcklich gesagt werden sollte: auf länger als drei Jahre darf die Konkurrenzklausel niht lauten, dann wird die öffentlihe Meinung daraus s{ließen: drei Jahre darf sie aber der Regel nach dauern, auf drei Jahre wird sie infolge dessen auch regelmäßig lauten. Ein solches Ergebniß wird also aus dem Vorschlage er- wachsen, lediglih zum Nachtheil der Handelsgehilfen.

Aber, meine Herren, auch im Interesse der Prinzipale kann ih doch nicht anerkennen, daß dieser Zeitraum ausreichend Rücksicht nimmt auf die Verhältnisse des praktischen Geshäftsbetriebes. Nehmen Sie doch nur einmal an den Fall, daß einem ausscheidenden Handlungs- gebilfen nicht die Konkurrenz untersagt werden soll für den ganzen Umfang des Betriebes des Prinzipals, fondern nur für einen einzelnen Artikel aus demGeschäft; der Prinzipal hat es verstanden, für einen einzelnen Artikel sich eine besonders große Anerkennung zu vershaffen, für diesen einen Artikel einen zuverlässigen Kundenkreis zu gewinnen, weil er gerade für ihn vorzüglihe Bezugsquellen hat und die pfleglihste Behandlung kennt. Da kann es doch durhaus nicht unbillig erscheinen, daß die Konkurrenzklausel auß einmal eine längere Zeit als drei Jahre um- faßt, und ih kann mir sehr wohl den Fall denken, daß das Interesse des Prinzipals in keiner Weise genügend gedeckt wird, wenn er nun auth hier gezwungen sein soll, die Konkurrenzklausel auf drei Jahre zu beshränken.

So, meine Herren, sage ih: Sie shädigen in vielen Fällen das Interesse des Prinzipals, wenn Sie eine derartige mechanische Zeit- grenze ziehen; Sie s{chädigen in vielen Fällen auch das Intereffe des Handlungsgehilfen. Lassen Sie daher auch hier dem Leben Spiel- raum und das verständige Ermessen des Richters walten.

Wenn ih in diesem Punkt mit den Ausführungen des Herrn Abg. Freiherrn von Stumm mich einyerstanden erklären kann und Sie bitten muß, den Zusay, den die Kommission zu § 73 der Vorlage gemacht hat, niht anzunehmen, so bin ich auf der anderen Seite niht in der Lage, den Ausführungen des Herrn Vorredners zuzustimmen, soweit sie den § 74 betreffen. Lieber wäre es mir auh in § 74, wenn Sie nicht den Vorshlag der Kommission, sondern den Vorschlag der verbündeten Regierungen annehmen wollten; aber da ein dahin gebender Antrag nicht gestellt worden ist, so, glaube ih, werden die verbündeten Regierungen Resignation üben und ih mit dem Vorschlage der Kommission einverstanden erklären müssen. Aber der Antrag des Herrn Freiherta von Stumm geht nicht dahin, ledigli dasjenige zu beseitigen, was die Kommission dieser Bestimmung zugeseßt hat, sondern er will die praktishe Tragweite des ganzen 8 74 in einer nach Auffassung der verbündeten Regierungen nicht zulässigen Weise einshränken.

Ich gebe dem Herrn Vorredner vollständig zu, daß die Bestimmung, wie wir sie vorgeshlagen haben, und auch so, wie die Kommission sie formuliert hat, für viele Geshäftsunternehmer Unzuträglichkeiten nah sich ziehen wird; wir haben hier aber nur die Wahl zwischen zwei Uebeln: ent- weder die Handlungsgehilfen in einer verhältnißmäßig s{chußlofen Lage zu lassen, oder auf der anderen Seite den Prinzipalen Verpflichtungen aufzulegen, die für sie oft unbequem und empfindlich sein werden. Fndessen glaube ih do, daß man hoffen darf, daß auch hier im praktishen Leben bei einem besonnenen und vorsihtigen Vorbehalten der Prinzipale gegenüber den verständigen Gehilfen die Schwierigkeiten nicht unüberwindlich sein werden.

Unter den obwaltenden Verhältnissen bleibt in der That nichts Anderes übrig, als den Weg zu wählen, den die Vorlage Jhnen vor- \{lägt. Jch kann Jhnen deshalb nur empfehlen, die Vorschläge Ihrer Kommission zu §§ 73 und 74 mit Ausnahme des Absatzes 2 des § 73, den ih abzulehnen bitte, anzunehmen.

Abg. Roeren; Die Beseitigung der Konkurrenzklausel liegt nicht im Interesse der Handlungsgehülfen, die doch daran denken, selbft einmal selbständig zu werden und die sich niht dafür bedanken können, daß sie sich niht durch eine Konkurrenzklausel mehr zu {üßen per Ich empfehle die unveränderte Annahme der Kommissions- e :

Abg. Galler (d. Volksp.) bedauert, daß der in der Kommission gestellte Antrag, dje Konkurrenzklausel für Gehülfen unter 3000 4 Gehalt zu \treihen, niht angenommen sei; wenn auch noch die kleine Verbesserung, welhe die Kommission vorgeschlagen habe, wieder be- ais Y werden follé, dann sollte man lieber die ganze Vorschrift

treihen. _ Abg. Himburg (d. kons.) erklärt sich für den Vorschlag der Re-

gierung.

Die S8 73 und 74 werden ohne Aenderung nah den Beschlüssen der Kommission genehmigt. :

S 75 betrifft das Lehrling sverhältniß. Die Abgg. Dieh (Soz.) und Genossen beantragen, hierzu folgenden Zusaß:

„Bei Personen unter 17 Jahren, welche mit kaufmännischen Hilfsleistungen nit a ausnahmsweise oder vorübergehend be- schäftigt werden , gilt die Vermuthung, daß sie in einem Lehr- verhältniß stehen." : /

Abg. Die weist auf eine analoge Beftimmung der Gewerbe- ordnungsnovelle bezüglich der Handwerkslehrlinge hin.

Abg. Dr. Vielhaben (Reformp.) erklärt sich für den fozial- demokratischen Antrag. :

Geheimer Ober-Regierungs-Rath Dr. Hoffmann hält den Antrag für überflüssig. i

Gegen die Stimmen der Sozialdemokraten wird der An- trag abgelehnt.

Nach Z 76 soll sih die Dauer der Lehrzeit nah dem a O oder, wenn nichts ausgemacht, as Ortsgebrauch richten.

Die Sozialdemokraten (Abgg. Diey u. Gen.) verlangen einen s{hriftlihen Lehrvertragg und wollen die Lehrzeit auf 3 Jahre in der Regel, höchstens auf 4 Jahre festgeseßt wissen.

Geheimer Ober- eatecung&Maib Dr. Hoffmann: Die verbün- deten Regierungen wollen au auf. die Schriftlichkeit der Lehrverträge binwirken; deshalb is vorgeschrieben, daß die Lehrherren nur auf Grund schriftliher Verträge Ansprüche erheben können.

Gegen die Stimmen der Sozialdemokraten wird der An- trag abgelehnt. :

Nach einem neuen § 80 a soll derjenige bestraft werden, der die ihm den Lehrlingen gegenüber obliegende Pflicht in

einer dessen Gesundheit, Sittlichkeit oder Ausbildung gefähr- denden Weise verleßt. s D

Abg. Freiherr von Stumm beantragt, zu sagen: „Gesundheit oder Sittlichkeit*, weil der Prinzipal eines großen Geschäfts sih nicht um die Ausbildung seiner Lehrlirige im einzelnen kümmern und, w ferner ein Lehrling niht in alle Geshäftszweige eines großen Unter- nehmens eingeführt werden könne.

Abg. Singer: Die Annahme des Antrags würde die Lehrlinge \{hlechter stellen als bisher. An die Stelle des Prinzipals würde nach dem Gesey in den großen Geschäften einfach der Stellvertreter desselben treten. L Führung des Hauptbuhs braucht der Lehrling natürli nit berufen zu werden.

¿ A De Vielhaben tritt für die Annahme der Kommissions- eschlüsse ein.

Abg. Lenzmann hält es für unrichtig, alle Dinge unter Strafe zu ftellen, auch die Nichterfüllung einer sittlichen Pflicht. Erstens würde ein pflihtvergessener Lehrherr keine Lehrlinge mehr be- kommen, und weiter würde die neue Bestimmung der Denunziation Thür und Thor öffnen. 3

Abg. Dr. Spahn (Zentr.) Hält die vorgebrahten Bedenken für niht zutreffend und empfiehlt die Annahme des § 80a.

Abg. Freiherr von Stumm: Die Sozialdemokraten wollen gar keine Lebr nge, sie wollen an deren Stelle aur bezahlte Kräfte haben ; dieser Standpunkt widerspricht aber den Interessen der jungen Leute, welche als Lehrlinge ausgebildet werden möchten. aeb A Singer: Ih wünsche au eine gründliche Ausbildung der

ehrlinge. /

» 80a wird unverändert angenommen.

ach 8 81 soll für die Personen, welche andere als kauf- männische Dienste leisten, es bei den für das Arbeitsverhältniß geltenden Vorschriften bewenden.

Die Sozialdemokraten beantragen den Zusaß:

„Zum Gesinde sind in dem Betriebe eines Handelsgewerbes lediglich ausnahmsweise beshäftigte Personen niht zu rechnen.“

Abg. Singer macht darauf aufmerksam, daß Dienstboten viel- fa in kaufmännischen Geschäften, in Gastwirthschaften u. |. w. für den Betrieb verwendet würden. Wenn ein Dienstbote ab und zu in dem Betriebe beshäftigt werde, so verliere er niht den Charakter als Dienstbote. Aber es sollte verhindert werden, daß dauernd beschäf- tigte Gewerbegehilfen als Dienstboten bezeihnei und der Gesinde- ordnung üntéritellt würden. i

Geheimer Ober-Regierungs-Rath Dr. Hoffmann bezweifelt, daß durch den Antrag alle Zweifel beseitigt werden könnten, welche hier obwalteten,

Abg. Stadthagen (Soz.) glaubt, daß der Antrag niht dem widerspreche, was die Regierung über die Stellung dieser Arbeiter denke.

Es liege gerade im Interesse der Arbeiter, daß ihre Rechtsverhältnisse, die ,

jeßt unsicher seien, festgelegt würden ; wenn auch für einen kleinen Kreis von Arbeitern noch Zweifel blieben, so follte man doch deshalb den Anirag nicht ablehnen. i: ;

Der Zusay wird abgelehnt und § 81 unverändert ge-

nehmigt. siebenten Abschnitt

Beim erklärt

Abg. Singer, daß die Sozialdemokraten ihre in der Kom- mission gestellten, aber abgelehnten Anträge niht wiederholen würden.

Im übrigen wird das erste Buch ohne weitere Debatte erledigt, ebenso die beiden ersten Abschnitte des zweiten Buchs „offene Handelsgesellshaft“ und „Kommandit- gesellschaft“. : :

Jn dem dritten Abschnitt: „Aktiengesellschaft“ wird bestimmt, daß die Aktien auf einen Betrag von 1000 #4 lauten müssen, daß jedo für ein gemeinnüßiges Unternehmen im Falle eines örtlichen Bedürfnisses der Bundesrath auch die Ausgabe von Aktien in einem geringeren Betrage, jedoh nicht

unter 200 M, zulassen kann. Abg. von Strombeck (Zentr.) beantragt, in dem leßten Saß das Wort „örtlihen“ zu streichen.

Staatssekretär des Reichs-Justizamts Dr. Nieberding:

Meine Herren! Ich möhte gegenüber den Ausführungen des Herrn Vorredners nur konstatieren, daß die Bestimmungen des bestehenden Gesetzes, die mit dem Entwurf in diesem Punkte übereinstimmen, im Bundesrath noch niemals Anlaß zu Zweifeln über ihre Auslegung und Anwendbarkeit geboten haben. Unter diesen Umständen ift, glaube ih, die Besorgniß des Herrn Antragstellers, als könnte in Zukunft aus der Fassung der Vorlage irgend welche Unklarheit bezüglich der Kompetenz des Bundesraths #ch ergeben, eine unbegründete. Das steht jedenfalls fes: der Begriff des örtlihen Bedürfnisses beshränkt ih nicht auf einen einzelnen Ort, sei es Stadt oder Ge- meindebezirk; dex Begriff is hier allgemeiner verstanden, auch Be- dürfnisse innerhalb eines größeren, wenn nur räumlih beshränkten Umkreises um einen einzelnen Ort gehören unter die Vorschrift. Das steht außer allem Zweifel und liegt auch im Sinne des Herrn An- tragstellers. Wenn ih gleichwohl bitte, an der Regierungsvorlage festzuhalten, so geschieht es deshalb, weil darin der gefunde wirth- \chaftlihe Gedanke ausgedrüdt ist, daß kleine Aktien nur ausgegeben werden sollen für solhe Unternehmungen, die auch wirkli \ich in engeren räumlichen Grenzen bewegen, weil man Aktien von kleinem Nominalbetrage nicht unter das große Publikum und hier vor allem unter die kleinen Leute gelangen lassen will. Es ist aber zweifellos, daß, wenn Sie das Wort „örtlich“ streichen, daraus vielfa Veranlassung genommen werden würde, mit Anträgen an den Bundesrath zu kommen, die niht im Sinne des Gesetzes liegen; und ich möchte Sie bitten, verschonen Sie den Bundesrath mit der Möglichkeit derartiger Anträge. Es handelt sich nach dem Antrag des Herrn Vorredners um ein Vertrauensvotum für den Bundesrath, und insofern könnte ih den Antrag dankbar acceptieren. Dem Bundesrath is} aber lieber, wenn ihm dieses Vertrauensvotum nicht ertheilt wird. Jh glaube, es liegt im allseitigen Interesse, wenn es nicht geschieht.

Ich bitte, lassen Sie es beim Vorschlage der Kommission und lehnen Sie den Antrag ab.

Der Antrag wird abgelehnt und im übrigen dieser Ab- nitt Unveränien nah den Beschlüssen der Kommisston bis

8 237 inkl. genehmigt. : H Um 43/4 Uhr wird die weitere Berathung bis Dienstag

1 Uhr vertagt.

„Handlungs8agenten“

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

65. Sißzung vom ö. April 1897.

Ueber den ersten Theil der Sißung ist gestern berichtet worden.

Bei der dritten Se Landgemeindeordnung für die Provinz Hessen-Nassau E (Ver- waltung der Landgemeinden) der Abg. von Pappenheim Co, die Wiederherstellung der Regierungsvorlage dahin : Jn

andgemeinden von mehr als 500 Einwohnern kann dur Ortsstatut ein kollegialisher Gemeindevorstand (Gemeinde-

rath) eingeführt werden. (Jn der zweiten Lesung war beschlossen e fa gets in diesen Gemeinden ein follegialischer Gemeinde- ; vorstand gebildet werden muß.) : Abg. Dr. Beckmann (kons.) beantragt, in dem Antrage von Pappenheim die Begrenzung von 500 Einwohnern über- haupt zu streihen. /

Abg. von Tepper-Laski (fr. kons.) beantragt für den Fall der Ablehnung der Anträge von Pappenheim und Beck- mann den Zusaß zur Fassung der zweiten L _daß „ia kleineren Landgemeinden mit umfangreiher Vermögensver- waltung“ ein fkollegialisher Gemeindevorstand dur Ortsstatut eingeführt werden kann.

Minister des Jnnern Freiherr von der Nee:

Meine Herren! In den bisherigen Verhandlungen hat sich in allen sonstigen wesentlihen Punkten eine sehr erfreulihe Ueberein- stimmung in der Auffassung des hohen Hauses mit der der König- lichen Staatsregierung herausgestellt. Nur der § 45, welcher das Prinzip der Verwaltung der Landgemeinden regeln soll, hat eine Gestaltung erfahren, die nah meiner Auffassung keine zweckmäßige ift. Es wird zwar an den Anfang des Paragraphen der Saß gestellt : „an der Spitze der Verwaltung der Landgemeinde \teht der Bürger- meifter“, und man sollte danah annehmen, daß das bureaukratische: Prinzip das allein geltende bei der Verwaltung ist. Dieses Prinzip wird aber sehr bald dadur abgeshwächt, daß in dem fünften Absatz gesagt ist: „in Landgemeinden mit mehr als 500 Einwohnern . wird ein fkollegialer Gemeindevorstand gebildet.“ Mit diesem fünften Absa wird daher ein gemischtes System geschaffen. Noch größere Bedenken erregt es bei mir, daß in dem vorletzten Absatz den kleineren Landgemeinden, die nah der Regel in den vor- stehenden Absäten bureaukcatisch verwaltet werden sollen, die Möglich- keit gegeben ift, durch Ortsftatut einen ktollegialen Gemeindevorstand zu bilden.

Diese Fassung des § 45 geht weit über die Vorschläge hinaus, welche der Provinzial-Landtag seiner Zeit angenommen hat. Jn diefen Vorschlägen machte man wenigstens eine Grenze nah unten, indem nach ihnen nur Landgemeinden über 200 Seelen die Möglichkeit eines ' follegialen Gemeindevorstandes gewährt wurde. Außerdem enthielt der Vorschlag des Provinzial-Landtages noch ein weiteres Sicherheits- ventil, indem daselbst eine längere Reihe von Jahren vorgesehen war, innerhalb deren es gewissen Gemeinden nochþ nicht möglich war, zu dem kollegialen Gemeindevorstand überzugehen.

Meine Herren, ich würde es nun sehr bedauern, wenn dur die Fassung des § 45 dem Geseßentwurf unüberwindlite Schwierigkeiten entgegengeseßt würden, und ih möchte deswegen an das hohe Haus die dringende Bitte richten, sich diesen Paragraphen doch noch einmal recht reiflich zu überlegen. Die Königliche Staatsregierung ift, wie ih mir bereits bei der früheren Verhandlung auszuführen erlaubt habe, der Meinung, daß für die Landgemeinden die bureaukratische Verfassung die richtige sei, und daß nur den größeren Landgemeinden ein fkollegialisher Gemeindevorstand auf ihren Wunsch gegeben werden solle.

Die Königliche Staatsregierung hat fch auch nicht davon über- zeugen können, daß in den Verhältnissen der Provinz Hessen-Nafsau eine zwingende Veranlassung vorliegt, von diesem Prinzip abzugehen. Es ift gewiß nicht der Drang nah Uniformierung, welcher uns dazu veranlaßt, bei diesem Vorschlage f\tehen zu bleiben, sondern es ift die feste und redlihe Ueberzeugung, daß eine derartige Kon=- struktion, wie sie in § 45 von Ihrer Kommission vorgeschlagen wird, den Interessen der Gemeinden nit dienlih sein wird. Hauptsächlih wird jeßt hervorgehoben: man habe sich in der Provinz an diesen Follegialishen Gemeindevorstand gewöhnt, und es sei nit gut, den Gemeinden die Möglichkeit zu verschließen, den fkollegialishen Gemeindevorstand zu erhalten, bezw. ihn fich zu verschaffen. Ja, meine Herren, wenn die Sache so läge, daß wir einfach Befugnisse des seitherigen Gemeinderaths dem Bürger- meister übertragen wollten, so würde ich ganz der Meinung fein, daß: die Konstruktion, wie sie in der Kommissionsyorlage ihren Ausdruck gefunden hat, die richtige sci. Dem is aber nicht so, sowohl von meiner Seite, als auch von anderen Rednern des Hauses ist darauf hingewiesen worden, daß gerade ein großer Theil der Befugnisse, die früher der Gemeinderath aus- übte, auf die Gemeindevertretung übergehen soll. Also das Kollegium, was Sie sich gern erhalten wissen wollen, werden Sie bereits haben in der Gemeindevertretung, und es iff nach meiner An- schauung in der That nicht zweckmäßig, in den kleinen Land- gemeinden zwei Kollegien neben einander zu ftellen, Wollen Sie vielleicht die Gewogenheit haben, sich folgenden praktishen Fall zu vergegenwärtigen. Nah der jeßigen Kon- struktion des § 45 würde es möglih sein, daß eine Landgemeinde von 200 Seelen sich einen kollegialishen Gemeindevorstand wählte. Nun handelt es sih darum, irgend eine Ausgabe zu beschließen, ih will einmal sagen, für die Bekiesung eines Weges, der Kosten- punkt beträgt 100 4A Die Gemeindevertretung, bezw. die Gemeinde- versammlung beschließt diese Ausgabe, und beschließt auch zuglei, daß die Bekiesung nunmehr vor siH gehen sollte. Nun wäre do nihts einfacher, als daß der Bürgermeister am nächsten Tage sofort die Sache ins Werk sezte. Sowie diese Landgemeinde von 200 Seelen sih aber einen kollegialishen Gemeindevorstand gewählt hat, so muß der Bürgermeister z. B. die Frage, wann foll mit der Bekiesung vor- gegangen werden, noch einmal dem Gemeinderath vorlegen, und dann hat er zu gewärtigen, daß der Gemeinderath ihm noch Schwierig® keiten macht, z. B. wegen der Zeit der Auéführung. Das ist nur ein kleines Beispiel, das ih Ihnen anführen wollte, um darzuthun, daß es wirklich nicht angängig ift, überall zwei Kollegien nebeneinander zu ftellen.

Es is nun eine Reihe von Anträgen eingebracht, die darauf abzielen, diese Konstruktion der Regierungsvorlage etwas näher zu bringen. Jn erster Reihe fteht der Antrag des Herrn Abg. von Pappenheim, welher wüns{cht, daß in die Regierungsvorlage an Stelle der Zahl 1200 die Zahl 500 eingeseßt wird. Es würde danach also allen Landgemeinden über 500 Seelen möglich sein, durch Ortöstatut, alfo unter Zustimmung des Kreis ausschusses, sich einen kollegialen Gemeindevorstand zu geben. Ih bin nah wie vor der Meinung, daß es zweckämäßiger sein würde, die Zahl von 1200 stehen zu laffen. Ih habe aber vorgestern mi {hon dahin ausgesprochen, daß man über die Zahl diskutieren könne, und ih würde au keinen Anstand nehmen, mich mit diefer Zahl von 500

einverstanden zu erklären.