1897 / 83 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 07 Apr 1897 18:00:01 GMT) scan diff

Jch habe ja nur bie Hoffnung ausgesprochen, daß wir auch mit der Stadt Berlin uns in gütliher Weise einigen werden; ich habe aber ven Auspruch, daß man den ganzen alten Botanischen Garten einfach der Stadt Berlin shenkt im Interesse der Anlieger, bie allerdings die arf te Agitation in dieser Beziehung gemacht haben, zurüdckweisen müssen. Ich habe ausdrücklich hinzugefügt, daß ein

‘solcher verkehrter Anspruch auch niemals von Berlin und den Organen der Stadt erhoben worden is. Mehr kann ich doch

nichi thun !

Abg. Dr. Langerhans: Auch die Stadt nimmt 2 & für die Kranken, die Charité aber 3 #4 für die Geisteskranken.

Finanz-Minister Dr. von Miquel:

Jh sprach nicht von Geisteskranken, sondern von sonstigen Kranken, und niht davon, was die Stadt Berlin für ihre Kranken si bezahlen läßt, sondern von den Selbstkosten, die der Stadt erwachsen. Wir sind zufrieden; wir würden wenigstens darin ein Entgegenkommen er- bliden, wenn die Stadt Berlin für diejenigen Kranken, die in der Charité über den Betrag von 100 000 Verpflegungötagen hinaus für die Stadt verpflegt werdén, denselben Betrag an den Staat zahlt, den sie in ihren eigenen Krankenhäusern an Selbstkosten hat.

Geheimer Ober-Regierungs-Rath Dr. Althoff: Die Charits ift als Königliches Institut gegründet und mit Königlichen Mitteln ausgestattet worden. Es ist cine Anstalt der Hohenzollern zu Gunsten der Berliner Kranken. Die Differenzen entstanden später, als Berlin weitergehende Ansprüche, seiner wachsenden Bevölkerung entsprechend, an die Charitó stellte. 1835 verpflichtete sih die Charité, der Stadt Berlin 100 000 frete Verpflegungstage zu geben. Ursprünglich handelte es sih um einen Aft Königlicher Munifizenz. Wir ersparen der Stadt durch die Charité jährlich eine große Ausgabe, das kann nicht bestritten werden. Auch in anderen Städten, wie Halle, Leipzig und Straß- burg, exsetßen die Kliniken die \tädtishen Krankenhäuser; man braucht seine Beispiele also garniht einmal aus Frankrei herzuholen. Die Frage der dritten medizinischen Klinik ist augenblicklich nicht afktuell; auf das Charitó-Terrain wird sie keinesfalls kommen. Die Vorlage empfiehlt sich auch in wissenshaftliher und humanitärer Beziehung; wird sie durchgeführt, so wird die Stadt Berlin in dieser Hinsicht die erste Stadt der Welt werden.

Abg. Dr. Langerhans: Man sollte nicht durch Eröffnung immer neuer Polikliniken die ärmeren Aerzte noch mehc schädigen. Ueber bistorishe Rechte streite ih niht; es handelt fich nur darum, was gut is für Staat und Gemeinde. H

Die Vorlage wird der Budgetkommission überwiesen.

Es folgt die Berathung des Kommissionsberichts über den Antrag des Abg. von Schencken dorff (nl.), betreffend Förderung des Fortbildungs schulwesens.

Die Kommission empfichlt folgende Beschlußfassung :

die Regierung aufzufordern: 1} dem gewerblichen (eins{chließlidch des kaufmännischen) und länd- lichen Fortbildungs\{chulw-seu, au insoweit ersteres mit den Fach- \{ulen in Verbindung steht, unter voller Wahrung seines Charakters als einer Einrichtung der Gemeinde, Innung oder sonstigen gewerb- lien Vereinigung und im Anschluß an die bereits bestehend: n ge- feßlihen Bestimmungen, künftig eine weitergehende Förderung, ins- besondere dur Zuwendung vermehrter Staatsmittel zu theil reerden zu laffen ; zu diesem Behufe 2) vom 1. April 1898 ab ein bestimmtes Beitragsverbältniß des Staats zu den erwachsenden Ausgaben auf der Grundlage ein- treten zu lassen, daß die Gemeinde (Innung, Vereinigung) vorweg die Kosten für die Räumlichkeiten, Heizung und Beleu{tung trägt; der Staat dagegen unter Berücksichtigung des Bedürfnisses der Ge- meinde (Innung, Vereinigung) bei Fortbildungsshulen“ mit frei- willigem Besuch: bis zu F, bei den auf Grund des § 120 der Ge- werbeordnung eingerihteten, obligatorishen Fortbildurgsshulen bis ju 3 s nicht durch das Schulgeld gedeckten übrigen Kosten über- nimmt; 3) die Positionen im Etat 1898/99 Kap. 69 Tit. 7 (Zuschüsse für gewerblihe Fortbildungss{ulen) und Kap. 102 Tit. 15 b (Zu- \chüße für ländlihe Fortbildungsshulen) weiter zu verstärken, bezw. besondere Etatstitel einzustellen, um hieraus sowohl die unter Nr. 2 bezeihneten vermehrten Zuschüsse zu gewähren, als auch a. neben den Mädchen-Fortbildungsshulen den Haushaltungs- \chulen staatliche Beihilfen zuzuwenden, sowie

b. die Kosten zur Ausbildung von Lehrkrästen (Lehrern, Hand- werkern, Landwirthen u. \ w.) für den gesammten Fort- bildungss{hulunterriht, zur Theilnahme von Lehrern an Fach- Tonferenzen und zu Studienreifen zu bestreiten;

4) im Extraordinarium Mittel auszuwerfen behufs Unterstüßung von Gemeinden (Innungen, Vereinigungen), welche mit besonderen Kosten verbundene Baulichkeiten für die Nrd ha zur Ver- fügung stellen oder wit Inventar ausrüsten ;

5) dem Untecrichts\toff der Fortbildungs\{hulen nah Anhörun cer Gemeinde (Innung, Vereinigung) eine Gestaltung zu geben, daß derselbe, unter Anpassung an die örtlichen Verhältnisse, vorzugsweise für das bürgerclihe Leben von Nugen ist und den Lebens- und Be- rufsinteressen der jungen Leute dient.

Abg. Dr. Dittrich (Zentr.) beantragt, in der Nummer 2 die Bestimmung über die Leistung von F bezw. F der betreffenden Kosten seitens des Staats zu streichen.

Die Abgg. ‘Dr. Dittrich und Leppelmann (Zentr.) bean- tragen ferner als Zusay zu Nummer 5: „uud im Lehrplan nah Einvernehmen mit den kirchlichen Behörden eine Zeit für die Er- theilung des Religionsunterrihts durch die zuständigen Seelsorger bereit zu stellen.“

Abs. Freiherr von Plettenbérg-Mehrum (konf.) beantragt, der Nummer 5 hinzuzufügen: „indem zugleich der Weckung und Er- haltung des religiösen Sinnes derselben auf konfessioneller Grundlage nach Möglichkeit Nehnung getragen wird“.

Abg. von Schenckendorff (ul.): Es ist bedauerlich, daß dieser Gegenstand vor so schwach beseßtem Hause zur Berathung kommt. Die hohe Bedeutung der Fortbildung über die Volksschule hinaus ift allgemein anerkannt worden. Die Fortbildungsshulen haben auch eine politishe Bedeutung für die Erziehung des Volkes zur Theil- nahme an dem allgemeinen und geheimen Wahlrecht. Ver Staat hat alfo an dieser Frage ein hervorragendes Interesse. Preußen ist bisher hinter anderen Staaten zurüdckgeblieben; es steht erst an 15. Stelle. Die Kommission hat die Grundlinien für die weitere Ent- -wickelung der Fortbildungéschule festgelegt. Die ganze Einrichtung soll eine Ginrihtung der Gemeinden oder der gewerblichen Verbände bleiben, auch wenn der Staat größere Mittel hergiebt. Eine zen- tralistishe ftaatlihe Uniformität wäre auf diesem Gebiete vom Uebel. Der Unterrichts\toff muß si den besonderen örtlihen Verhältnissen anschließen und den Lebens- und Berufsverhältnissen der jungen Leute dienen. Einen Religionsunterriht haben wir nit angenommen, aber den Religionsgenofsenshaften Gelegenheit bieten wollen, ihren Ein- fluß geltend zu mahen. Bei der Verschiedenheit des Schülermaterials war es aber nit angezeigt, besondere Unterrichtsstunden festzustellen. Dem Fortbildungs-Schulunterricht einen obligatorishen Charakter zu

eben ohne jede Vermittelung, erschien uns für Preußen augenblicklih edenkli. Wir haben erst noch nachzuholen, was andere Staaten gethan ‘Haben. Durch Ortsstatut können die Gemeinden ten obligatorishen Unter- rit einfübren. Das Vektrige wollen wir der Zukunft überlassen. je Nothwendigkeit einer besonderen Fortbildung der Volkéschul- “Tehrer für den Fortbildungsunterciht wird in Leyr rkreisen vielfach “Pestritten. Man hat aus den früheren Worten des Ministers ent- nehmen zu fönnen geglaubt, daß er die Fortbildung der Lehrer im ‘allgemeinen nit für ausreihend halte. Das beruht auf einem Ferthum, wie der Minister wohl selbst noch bestätigen wird. Die ortbildungs\{ule ist aber keine Fortsezung der Volkss{hule. Sie oll gewerblihe Kenntnisse bieten, und für diese sind die Lehrer auf

den Seminaren nit vorgebiltet. Diese jungen Leute befinden \ih noch in den FsegE ahren: sie müssen ganz anders behandelt werden, als die Volksschüler. Die Lehrer müßten also in einer Zentralstelle dur besondere Kurse für diesen Unterricht vorgebildet werden. Die Beitragszerhältnisse des Staats müssen möglichst klargestellt werden. Größere Auszaben der Gemeinde erfordern auch eine größere taat- lihe Zubuße. Die Vorbehalte, die der Finanz-Minister bezüglich des Zuschusses gemacht hat, bedaure ih; es war aber in der \Kommission niht mehr zu erreichen. Es feblt ferner in der Resolution eine Garautie dafür, daßdie vom Staat den Gemeinden versprochenen Zuschüsse auch dauernde sein werden. Ih hoffe, daß das erhöhte Niveau, auf welches die Fortbildungsschule gehoben werden foll, den Nan E EE veranlaßt, seine o ferwilligeHand möglichst weit zu öffnen. Von oben herab fann nit alles dekretiert werden; es muß den größeren freien Verbänden ein Spielraum gelassen und ihnen Unter- stüßung gewährt werden, namentlih binsichtlich der Einrichtung von Baulichkeiten. Wir haben bei dieser Frage auh die ländlihen und faufmännishen Fortbildungsschulen im Auge. Wir find der Ueber- zeugung, daft der Staat unseren Anträgen im Interesse des Vater- landes feine Zustimmung geben wird.

Abg. Dr. Dittrich (Zentr.): Ein überhastetes Tempo könnte der Sache mehr Schaden als Nuyten bringen. Die Staatszuschüsse müssen gleihmäßig vertheilt werden an die freiwilligen wie an die obligato- rischen Fortbildunosshulen. Wir wünschen keinen Zwang von oben und von unten. Den Eltern muß es überlassen bleiben, die Schule zu wählen, welhe sie für die Ausbildung ihrer Kinder für geeignet halten. Es kommt dabei aber auch auf die Bildung des Gemüths an, auf die Erziehung; das beste Fundament für das ganze Leben und das wirksamste Erziehungsmittel is und bleibt die Religion. Das hat fowohl die Kommission, wie die Regierung anerkannt und die Ein- führung des Religionsunterrid;ts für wünschenswerth erklärt, aber eine feste Eingliederung des Religionéunterrihts niht für möglih gehalten. Ich bin anderer Meinung, und darum habe ich beantragt, daß bei Ein- rihtung sol{er Fortbildungs\{ulen eine bestimmte Religionsunterrichts- stunde bereitgestellt werde.

Abg. Lucius (fr. kons.): Die Sympathien für die Fortbildungs- \{ulen haben zugenommen, es besteht aber mehr Neigung für die Faschulen als für die allgemeinen Fortbildungsshulen mit ihrem zusammengewürfelten Schülermaterial. Der Unterricht in den Fach- flassen muß von geprüften Geroerbeshullehrern ertheilt werden. Die jeßigen Fortbildungsshulen bieten noh ein unfertiges Bild, darum wäre es fals, sie allgemein obligatorish einzuführen. Namenilich der Zeichenunterriht müßte von tehnisch vorgebildeten Lehrern und bei Tage gegeben werden, eventuell am Sonntage. Augenblicklih fehlt es aufer den erforderlidzen Geldmiiteln aud an den erforder- lichen Lehrkräften. Hoffentlih thut der Finanz-Minister seine milde Hand auf, um das von ihm aufgestellte Programm auch ins Leben zu fübren. Die konfesstonelle Frage kann der Sache nur Schwierig- keiten machen.

Abg. Freiherr von Plettenberg-Mehrum (kons.): Der Einwirkung der Kirche muß in der Resolution ein bestimmter Ausdruck egeben werden. Allerdings muß man sich vor zu konkreten Vorschlägen uten. Es könnte beim Beginú des Unterrichts eine religiöse kon- fessionelle Andacht abgehalten werden. Jn unserer Zeit der Dis- ziplinlosigkeit muß darauf hingewirkt werden, daß dem Volke die Religion erhalten bleibt. Der obligatorishe Unterriht müßte mög- lihst ausgedehnt werden. Gerade die mürrishen Elemente gehören in die Fortbildungs\chule.

Minisier für Handel und Gewerbe Brefeld:

Meine Herren! Ich gestatte mir zunächst, der Kommission den Dank und die Aneckennunz der Regierung auszusprechen für die außer- ordentlich gründliche, forgfältige und gewissenhafte Art, mit der sie sh ihrer Aufgabe entledigt hat. Jh kann mih auch mit dem Er- gebniß dieser Arbeiten, mit den Anträgen, wie fie vorliegen, im all- gemeinen namens der Regierung einverstanden erklären vorbehalt- lich einiger fleinen Abweichungen, die ih mir gestatten werde mit- zutheilen, indem ih der Reihe nah die einzelnen Säße des Antrages der Kommission durchgehe.

In dem ersten Sah der Resolution is der Grundgedanke zum Ausdruck gebracht, daß die Regierung in größerem Maße die Fort- bildungsshulen unterstüßen soll, als es bisher geschehen ist, dur Zu- wendung vermehrter Staatsmittel. Die Regierung ist mit dieser Auffaffung durhaus einverstanden. Sie is auch der Mei- nung, daß dabei nothwendig is, den besonderen Charakter der einzelnen Schulen zu wahren, je nachdem die Schulen Einrichtungen der Gemeinden, der Innungen oder besonderer Anstalten sind. Sie hat durchaus nicht die Absicht, alle Schulen zu normali- leren; sie will sie in ihrer besonderen Art, wie sie gewachsen und groß geworden sind, bestehen lassen, fie will sie nur fördern und unterstüßen in ihrer bisherigen Entwickelung. Wir sind der Meinung, daß diefe Förderung der Foribildungsshulen in der That von großer Bedeutung ist. Sie is eines der oft besprohenen Mittel, um das Kleingewerbe zu halten in der schwierigen Lage, in der es sh befindet. Wir wollen deshalb die Fortbildungsshulen unterstüßen, mag es sich um das Handwerk handeln, mag es sich um kleine kaufmännische Gewerbe handeln oder um den kleinen Landbesiß; wo überall die Fortbildungsschulen geeignet sind, die wirthschaftlihe Lage durch bessere Ausbildung der betreffenden Klassen heben und verbessern zu können, da wollen wir mit Mitteln des Staats dafür eintreten.

Was den zweiten Punkt anbetrifft, so handelt es sih um die Regelung des Beitragsverhältnisses zwishen Staat und Gemeinden. Auch hier sind wir mit den Vorschlägen der Kommission durchaus einverstanden. Jch habe mich hier nur zu äußern über den abweichen- den Antrag des Abg. Dr. Dittrich. Derselbe is der Meinung, daß es nit richlig wäre, hier eine Unterscheidung zu machen zwischen den Schulen, die auf einem statutarischen Zwang beruhen, und den fakulta- tiven Schulen. Wir glauben doch, daß es richtig ist, an dieser Unter- scheidung festzuhalten, und zwar aus den Gründen, die der Abg. von Schenckendorff in sehr einleuhtender Weise {hon dargelegt hat. Es ist in der That nicht zu verkennen, daß nicht in allen Theilen des Landes, niht in allen Gegenden, nicht überall das Bedürfniß, die Lust und der Wunsch in gleiher Weise hervortritt, durch den Fortbildungsschulunterriht die Lage der gewerblichen zu verbessern. jeder natürlich die große Bedeutung, die der Fortbildungs\hul- unterriht hat. Da fehlt es nihi an der genügenden Zahl von Schülern; auf dem Lande dagegen, in den kleinen Städten ist es anders. Da verschafft sih die Einsicht viel weniger leiht Eingang, welche Bedeutung den Fortbildungss{ulen beizumessen ist ; da ist eine geringe Anzahl von Schülern vorhanden, die bereit sind, an einem folhen Unterricht theil zu nehmen, und wenn da nicht der statutarische Zwang hinzutritt, dann ist es aber niht möglich, die Schulen zu errichten. Wollte man folchen Zwang generalisieren, dann wäre das nit rihtig. Wenn man es aber den betreffenden Vertretungen, den kommunalen Verbänden überläßt, die die Verhältnisse kennen, ver-

ständig zu prüfen und geeignetenfalls zu sagen: hier müssen wir einen ! als thunlich, dur die Fortbildungsshulen, dur die Art, wie der

Zwang anwenden, wenn wir dazu kommen wollen, die Schule einzu- rihten, so hat ein solcher fakultativer Zwang einen guten Sinn; das ist der Standpunkt der Reihs-Gewerbeordnung im § 120, das ist

j die Fortbildungsshulen

Arbeiter ! In den großen Städien, wie in Berlin, erkennt ;

au der Standpunkt, auf dem die preußishe Regierung steht. Und, von diesem Standpunkt aus haben wir es für angemessen erachtet, den geringen Unterschied zwischen der Unterstüßzuno, die der Staat den Fortbildungsshulen bewilligen will, eintreten zu lassen, den Unterschied der Beiträge zwischen F und F derjenigen Kosten, die dur die Schul- gelder niht gedeckt werden.

Fh komme nun zu Nr. 3. Hier handelt es sih zunächst um den Unterricht für die Fortbildung der Mädchen. Die Regierung ist der Meinung in voller Uebereinstimmung mit Jhrer Kommission, däß sie die Aufgabe hat, in ganz gleiher Weise für das gewerbliche Fort- kommen der Arbeiterklassen zu sorgen, mögen es Frauen oder Männer sein; beiden muß sie ihre Fürsorge ¿uwenden. Soweit der gewerb- lihe Unterricht für die Frauen die Ausbildung de:selben in den häus- lihen Verrichtungen naturgemäß in sih \{chließt, is es selbstverständ- lich auch die Aufgabe des Fortbildungs\{hulwesens, hierfür zu sorgen. Darüber hinaus aber förmliche Haushaltungsfchulen einzurihten, das ist uns zu weitgehend erschienen; das fällt nach unserer Ansicht aus dem Rahmen der eigentlihen Fortbildungsshulen heraus; das muß nah unserer Auffassung den Gemeinden oder besonderen Anstalten, die sich zu diesem Zwette bilden, vorbehalten werden. In diesem Punkt besteht also eine kleine Abweichung zwischen der Auffassung der Kommission und der Regierung.

Einverstanden {sind wir dagegen wiederum mit der Position 3b betreffend die Kosten der Ausbildung von Lehrkräften für die Fort- bildungsshulen. Hier muß ih zurückommen auf eine Beschwerde, die in Anlaß meiner früheren Aeußerungen zu dieser Frage in den Kreisen der Lehrer gegen mich erhoben und die bereits von dem Abg. von Schenckendorff zur Sprache gebracht worden ist. Es hat in den Kreisen der Lehrer eine gewisse Beunruhigung und Erregung hervorgerufen, daß ih \. Z. bei der ersten Berathung des Antrags von Schenckendorff in diesem hohen Hause mich dahin ausgesprochen habe, es wäre erwünscht, daß auch die Elementarshullehrer, wenn fie den Unterricht in Fortbildungss{hulen ertheilen, besondere Kurse durh- zumachen hätten in Bezug auf das kaufmännische Rechnen, in Bezug auf das Dezimalrechnen und die Berehnung von Körpergrößen, also in Bezug auf das entwickeltere Rechnen. Ich werde mir erlauben, die Worte zu verlesen, die ih damals hier im hohen Hause gesagt habe :

Der Unterricht hier, sowohl im Rechnen wie in der deutschen Sprache, geht über das Maß dessen hinaus, was die Elementar- schule leistet; er muß aptiert werden dem künftigen Beruf der Fortbildungsshüler. Insbesondere was das Rechnen anbetrifft, wird es nothwendig sein, bier den Unterricht im kaufmännischen Rechnen, in der Dezimalrehnung zu ertheilen, in der Berechnung von Körpergrößen.

Es ist hier also gesagt, daß der Unterricht, der in der Fortbildungs- \{hule ertheilt wird, ein anderer ift als derjenige, der in der Glementar- schule ertheilt wird. Jn der Elementarshule hat er einen mehr theoretishen allgemeinen Charafter, hier einen für die befondere gewerblide Thätigkeit ter Schüler aptierten Charakter; der Rechenunterriht muß speziell angewandt werden auf die ge- werbliche Arbeit, in der die Fortbildungsschüler beschäftigt werden; die Beispiele, an denen das Rechnen gelehrt und erläutert wird, müssen aus dem gewerblihen Leben, aus der praktishen Beschäftigung der Fortbildungs|chüler entnommen werden. Da ift dann gesagt worden : in diesem Sinne und in dieser Fassung muß \sich der Unterricht auch erstrecken auf das kaufmännische Rechnen, auf das Dezimalrechnen und auf die Berehnung von Körpergrößen. Das ift der Sinn, den ih mit diesen Worten verbunden habe. Ich bezweifle niht, daß die Elementarschullehrer auch in der Berechnung von Körpergrößen, im kaufmännischen Rechnen und im Dezimalrehnen bewandert sind, auch darin in den Elementarshulen Unterricht ertheilen ; aber der Unterricht, den sie in dieser Richtung an der Fortbildungsschule zu ertheilen haben, i eben ein anderer, ein aptierter, ein angewendeter an- gewendet auf das gewerbliche Leben der Fortbildungs\{hüler —, und für diese Art des Unterrichts sollen die Leherer vorgebildet werden in den Kursen, die hierfür einzurihten siad. Es ift also mehr die Methode des Unterrichts, die ihnen beigebraht werden foll, als der Gegenstand deéselben.

Ich glaube, diese Erklärung wird genügen, um die Kreise der Volksschullehrer zu beruhigen und jeden Zweifel darüber auszu- shließen, daß es mir völlig fern gelegen hat, irgend wie den hohen Standpunkt unserer Elementarschule zu verkennen und noch weniger die Verdienste und Leistungen unserer Elementarshullehrer felbst herabzuwürdigen,

* Jch komme nun zu dem vierten Punkt der Anträge:

im Extraordinarium Mittel auszuwerfen behufs Unterstüßung von Gemeinden (Innungen, Vereinigungen), welche mit besonderen Kosten verbundene Baulichkeiten für die Fortbildungss{hulen zur Verfügung stellen oder mit Jnventar ausrüsten.

Wir sind vollkommen damit einverstanden, daß es die Aufgabe der Regierung ist, auch extraordinäáre Mittel zu bewilligen, um mit dem Inventar auszurüsten. Da- gegen scheint es. uns allerdings zu weit zu gehen, wenn man dem Staat au die Aufgabe zumuthen will, nun noch für die Fortbildungsshulen die Bauten auszuführen beziehungs- weise für die Ausführung der Bauten Gelder zu bewilligen. Das muß doch den Gemeinden und Provinzen überlassen werden, die diefen einzelnen Anstalten näher stehen. Sonst würde man doch auf eine unübersehbare Bahn von Aufwendungen von Staatsmitteln gelangen.

Fh komme dann zu Nr. 5, wo es sich um den Lehrstoff, den Lehrplan in den Fortbildungss{ulen handelt. Hier liegen zwei An- träge vor: der eine Antrag vom Abg. Dr. Dittrich, der dahin geht, es sollte im Anschluß an die Fassung des § 5 folgender Zusaß auf- genommen werdén :

und im Lehrplan nah Einvernehmen mit den kir{lihen Behörden eine Zeit zur Ertheilung des Religionsunterrihts durch ten zu- ständigen Seelsorger bereit zu stellen ;

| der andere Antrag von Herrn Freiherrn von Plettenberg, im Anschluß

an Nr. 5 einzufügen : in dem zugleich zur Weckung und Erhaltung des religiösen Sinnes derselben auf konfessioneller Grundlage nach Möglichkeit Rechnung getragen wird. Mit dem leßten Antrag sind wir vollständig einverstanden, wir find au der Meinung, daß es die Aufgabe der Regierung ist, soweit

Unterricht dort ertheilt wird, auf die Weckung des religiösen Sinnes

* der Fortbildungsshüler hinzuwirken. Wir verkennen durchaus nicht,

daß gerade die Pflege der Sittlichkeit, Zucht und Ordnung unter den gen Arbeitern durchaus es erfordert, daß die religióse Grundlage

un : lies bleibt. Aber, weine Herren, es {eint uns doch zu weit zu

gehen, wenn man in den Lehrplan einer gewerblichen Fortbildungs- \hule deshalb den Religionsunterriht aufnehmen will; er gehört nah unserer Ansicht planmäßig nicht hinein. Aus diesen Gründen werden wir dem Antrage Dittrich, der dahin geht, den Lehrplan zu erweitern durch die Ausnahme des Religionsunterrichts, . nicht zustimmen. Wir haben aber eine Einrichtung getroffen, die, wie ih hoffe, den An- syrüchen des Herrn Dr. Dittrich únd feiner Partei genügen wird. Mir sind also der Meinung, daß es erwünscht is, den Religions- unterriht, wenn man ihn auch nicht in den Lehrplan der Fortbildungs\hule aufnimmt, doch im Anschluß an den Unterriht in den Fortbildungs\{ulen durch Lehrer der betreffen- den Konfession zu ertheilen, ohne Zwang für die Schüler. Es soll also im unmittelbaren Anschluß an die Lehrstunden, die in den Fortbildungsschulen gegeben werden, und in den gleichen Lokalen durch die Lehrer der betreffenden Konfessionen der Religions- unterricht ertheilt werden. In diesem Sinne sind die Einleitungen ge- troffen worden, cs sind die Regierungs-Präsidenten mit Anweisungen versehen, auf die Gemeinden einzuwirken, daß sie die Schullokale bereitsiellen für die Ertheilung des Religionsunterrihts. Es sind andererseits die Konsistorien und die Bischöfe ersucht worden, ihrerseits die erforderlichen Lehrkräfte für die Ertheilung des Religionsunterrih18 bereitzuftellen. Ich glaube, daß diese Einrihtung wohlgeeignet ift, den Wünschen des Herrn Dr. Dittrich zu entsprechen und thatsächlich au in wirksamer Weise die Weckung und Erhaltung des religiösen Sinnes zu fördern und damit auch die Sittlichkeit und Ordnung unter den jungen Arbeitern zu befestigen. Jh hoffe, meine Herren, Sie werden damit einverstanden sein! (Bravo!)

Abg. Pleß (Zentr.) befürwortet die Pflege eines religiös-sittlihen Unterrichts in den Feortbiltungsshulen im Sinne des Antrages Dittrih. Dem Handwerkerstande müsse vor allem eine Zwangs- organisation gegeben werden, dann werde er auch die Opfer bringen, die man von ihm verlange.

Finanz-Minister Dr. von Miquel:

Fch môhte mit zwei Worten kurz die Stellung der Finanz- verwaltung zu den Anträgen der Kommission bezeichnen.

Fch habe schon bei der ersten Berathung mich durchaus geneigt gezeigt, auf diesem Gebiet mehr Staatsmittel, als bisher, aufzuwenden, natürlich unter der ftillichweigenden Voraussezung, daß die allgemeine Finanzlage das gestattet. Ich hoffe, daß das in den nächsten Jahren der Fall fein wird. Ich bin der Meinung, daß, wie die Dinge ein- mal liegen, es niht umgangen werden kann, daß der Staat in manchen Fällen belfend eingreifen muß, daß niht erwartet werden kann, daß die Gemeinden, Handwerkerverbände, Innungen u. f. w. allein aus ihren Mitteln das Erforderliche leisten.

Meine Herren, die Kommission hat in einer Reiße von Sätzen der Staatsregierung die Gesichtspunkte bezeihnet, nach welchen ver- fahren werden soll. Der Herr Handels-Minister hat sich darüber {hon so bestimmt und klar geäußert, daß ih niht weiter darauf ein- zugehen brauhe. Im Großen und Ganzen: wer die Mannigfaltig- feit des praktischen Lebens kennt und die lokalen Verhältnisse das mag mir die Kommission nit verübeln —, der giebt auf alle diese \{chdnen Gesichtspunkte nicht allzu viel; man wird in der Praxis in jedem einzelnen Fall das besonders Zweckmäßige erwägen müssen, und man kann dabei natürlich leitende Gesichtspunkte im Auge behalten, man wird se aber in sehr vielen Fällen nah den lokalen Verhältnissen modifizieren müssen. Was dem Einen recht if, ift zwar dem Andern billig, aber nit paßt dasselbe überall, in vielen Fällen paßt das Eine hier und das Andere da.

Man darf sich auch nicht die Illusion machen, daß 68 hier bloß zu thun ift mit der Hergabe von Geld aus der Staatskasse. Diese Institute sollen ja auch nah der Meinung der Kommission Gemeinde- \hulen werden und bleiben; fie sollen ihren wesentlihen Charakter als kommunale Fortbildungsanstalten behalten und dies auch in Zukunft, selbst wenn der Staat mehr leistet. Daraus ergiebt \ih hon von felbst, daß hier zwei íSnteressenten konkurrieren, sowohl bei Neuherftellung als bei Modifikationen und Verbesserungen bestehender Schulen. Das seht häufig sehr s{chwierige, langjährige Verhandlungen mit den Gemeinden voraus, um so shwterigere, als wir ja au von den Gemeinden dabei Opfer verlangen müssen. Wenn wir dies in zu geringem Maße thun, wenn wir die Ausgaben wesentlich auf die Staatskasse werfen, so wird der schöne Saß der Kommission : diese Schulen sollen freie Kommunalshulen bleiben, einfach in der Luft stehen. Wenn der Staat den größten Theil der Kosten deckt, fo wird er au den größten Einfluß auf die Verwaltung der Schulen haben; und, was die Kommission wünscht, daß im wesentlichen nah den lokalen Verhältni\sen diese Schulen eingerihtet werden sollen, das wird in den Hintérgrund treten. Dies ergiebt von selbst die Nothwendigkeit eines allmählihen Fortschreitens (fehr richtig!) und beweist, daß es mit der bloßen Hergabe von Geld nit gethan ist.

Vor allem aber kommt es nah meinen Erfahrungen darauf an, daß im Handwerkerftand die lebendige Ueberzeugung von der Noth- wendigkeit folher Schulen vorhanden ist, vor allem darauf, daß die Handwerker den Besu dieser Schulen bei ihren Lehrlingen und Gesellen felbst fördern (sehr rihtig!), daß fie fie geradezu dazu anhalten und nicht, wie früher das häufig der Fall war, zurückhalten, daß sie bie Kinder in Betreff des regelmäßigen Schulbesuhs kon- trolieren. Bei einer Schule, mit deren Verwaltung ih früher als Kom munalbeamter zu thun hatte, haiten Innungsverbände die Ein- rihtung getroffen, daß sie selbst des Abends den Besuch der Lehrlinge kontrolierten und die erforderlihe Bestrafung eintreten ließen. Fehlt dies Interesse der Handwerker, so werden die Bemühungen der Ge- meindev, folhe Schulen einzurichten, und des Staats, solhe Schulen mit Opfern zu unterstüßen, meist hinfällig, sie haben wenigstens nur einen fehr geringen Erfolg nah meinen Erfahrungen. Es hat mich sehr gefreut, hier zu hören, daß im großen Ganzen die Einsicht von der Nothwendigkeit solcher Fortbildungsshulen für den Handwerker- stand in der leßten Zeit sehr gewachsen ist. (Sehr richtig!) Das ift ein fehr erfreulihes Zeichen; dann werden wir auch weiter kommen.

Je mehr die Handwerker selbst auf Einrichtung folher Schulen bedaht sind, oder die Gemeinden dahin drängen, um so mehr muß allerdings auch der Staat helfen; das muß pari passu gehen, die drei Kräfte sind alle drei nothwendig, um etwas Gedeihliches zu leisten.

Nun bleibe ih dabei, daß das Interesse des Handwerkerstandes, der Gemeinden und der SŸhüler selbst am meisten befördert wird, wenn die leßteren möglihst bald diejenigen Dinge lernen, die sie für ihren etgenen Beruf gebrauhen können. (Sehr richtig!) Die all-

gemeine Bildung ih will das gleich etwas modifizieren if ja au nicht zu entbehren; aber das Wichtige ift, daß der Schüler selbst das Gefühl hat: du wirft in deinem zukünftigen Beruf durch das, was du in der Schule lernt, wesentlich gefördert. (Sehr richtig !) Dann kommt meistens erf das lebendige Interesse des Schülers; sonst empfindet er oft es als einen Zwang und sagt sih: meine Volks- \{hule genügt mir, und nun soll ich nochmal. wieder anfangen, ih soll des Abends, wenn ich müde und abgespannt bin, wieder in die Schule getrieben werden. Eine solhe Stimmung i} etwas sehr Bedenkliches. Wenn die Kinder aber fühlen, daß die Art des Zeichnens, die Art des Bossierens in ihrem eigenen Beruf von besonderer Bedeutung ift, dann bekommen sie Lust und kommen gern, es ift kein großer Zwang nöthig diese Erfahrung habe ih wenigstens gemacht.

Nun ift ja ganz zutreffend, daß wir dabei auf manche Schwierig- keiten stoßen. În den größeren Städten wird ja eine höhere Entwickelung der Schule nöthig sein, man wird z. B. da im Zeichnen für die einzelnen Handwerker mehr \pezialisieren können. Das koftet aber viel Geld, mehr Lehrkräfte, und das ift nur für gewerbliche Fortbildungsschulen im böheren Sinne und für größere Städte mögli; bei kleineren Städten wird die Verschiedenheit der elementaren Vorbildung noch \{limmer wirken als in den großen Städten. Namentlich bei kleineren Meittelstädten, wo der größte Theil der Lehrlinge vom Lande kommt, kann man es garnicht umgehen, die elementare Fortbildung auch in diese Shulen zu legen. Die Knaben, die aus der Stadt selbst kommen, die eine gute mittlere Bürgerschule besuht haben, würde ih dispensicren von diesen Vorklassen, die sollen niht mit den Jungens vom Lande wieder anfangen; da muß man unterscheiden: manche Sqhulen haben in dieser Beziehung ein Examen in der elementaren Vor- bildung, dur dessen Absolvierung die Schüler erst berechtigt sind, in die eigentlihen gewerblichen Fortbildungsklafsen überzugehen. Das wird man auch niht s{hablonisieren können, man wird nach den besonderen Ver- hältnissen des einzelnen Ortes, der Vorbildung und dem lokalen Zweck der gewerblichen Ausbildung verfahren müssen. Diese Schulen können aber nur als wirklihe Kommunalshulen gedeihen, die gesammte gewerb- lihe Bevölkerung muß da mitwirken, und der Staat soll sich hüten, da allzu scharf einzugreifen. Er muß eine richtige Verwendung der Mittel sich garantieren lassen, er muß für die rihtige Ausbildung der Lehrer sorgen und Gelegenheit geben, daß die betreffenden Lehrer ih gerade auf diesem Gebiete ausbilden. Da bin ich völlig einverstanden : für diese allgemeinen Erfordernisse auf diesem Gebiet kann der Staat Besonderes leisten, aber die Höhe der Zuschüsse muß sich sonst auch richten nah den Bedürfnissen und der Leistungsfähigkeit der betreffen- den Gemeinden. Die Stadt Berlin wird nicht staatliche Beihilfen verlangen, ebenso viele andere Städte nit; sie wollen si lieber frei bewegen, nicht dur staatlihe Zuschüsse gehemmt werden.

Ich will auf den Unterschied, den die Kommission mat zwischen obligatorisher und nicht-obligatorisher Fortbildungsshule, hier nit weiter eingehen. Ich lege perfönlih so großen Werth auf die obligatorishen Fortbildungss{chulen, daß ich persönlih geneigt sein würde, für diese mehr staatlihe Beihilfen als für andere zu geben. (Hört, hört!) Ich will lieber die große Menge mitnehmen, selbst wenn die höhere Entwickelung für Einzelne dadurch etwas gefährdet wird, als die große Masse laufen lassen und mih beschränken auf die Ausbildung von Kunsthandwerkern und gewissen besser situierten Lehrlingen. Ich glaube, wir haben ein großes foziales Fnteresse daran, daß die erziehlihe Wirkung jedes Wissens, jedes Lernens, jeder Disziplin und jeder Schulzuht nicht einfa abschneidet für die gesammten unteren Klassen mit dem 14. Jahre. (Sehr rihtig!) Ich halte es für den größten Vorzug der gébildeten Klassen, daß sie’ ihre Kinder bis zum 18. Lebensjahre unterrihten lassen können, und für das s{chwerste Uebel in den unteren Klassen, daß die Kindererziehung mit dew 14. Jahre vollständig ab- {ließt und sie nun allen Verführungen der Welt ausgeseßt sind. Fe mehr wir junge Schüler und Schülerinnen bis ins spätere Lebens- alter, etwa bis zum 16. Jahre, überhaupt noch in eine Schule bringen können, je größere Wohlthat werden wir denselben erweisen.

Aber ih will auf die Sache niht näher eingehen. Das ift eine alte Streitfrage, an der ih mich {hon vor vielen Jahren betheiligt habe. Ich glaube aber, von selbst wird si diese Frage in der Praxis lösen, wenn man die einzelnen Fälle ins Auge faßt. In manchen Fällen wird allerdings die obligatorische Schule niht praktisch sein, in anderen wohl.

Ih habe nur zeigen wollen, daß ich ganz auf dem Standpunkt meines Kollegen, des Herrn Handels-Ministers, stehe und entschlossen bin, au, soweit die Verhältnisse es gestatten, die Mittel es erlauben, ein Bedürfniß nahgewiesen wird, mehr als bisher staatlihe Mittel für diese höchstwichtigen Schulen zu bewilligen, und daß wir wohl, glaube ih, in den nähsten Jahren auch in unserem Etat in dieser Beziehung erhebliche Fortschritte machen werden. (Bravo!)

Abg. Broemel (fr. Vgg.): Früher hieß es auf diesem Gebiet : Immer langsam voran. Heute heißt es nur noch: Etwas langsamer, als Herr von Schenckendorff will. Das ist ein Fortschritt. Wir wollen uns aber mit dem Komtnissionsbes{luß begnügen und die Fort- bildungs\hule mit dem Religionsunterriht nicht belasten. Es muß den einzelnen kirhlihen emeinschaften überlassen werden, den Schülern eine Seelsorge angedeihen zu lassen. Die konfessionelle Frage gehört nit hierher. Die freiwillige und die obligatorische Fortbildungsschule müssen hinsihtliG der eiträge gleih behandelt werden. Fch werde deshalb für diesen Theil des Antrags Dittrich stimmen. Die Berliner sind allerdings anderen Gemeinden in der Opferwilligkeit für diese Zwecke vorangegangen. In dieser Beziehung fennt der Finanz-Minister sie besser als in der Frage des Botanischen Gartens. Die früheren Reden des Handels-Ministers mußten in der That die Elementarlehrer befremden; denn er hatte gesagt, daß das „Maß“ der Leistungen der Volksschule hinter dem der ortbildungs- schule zurückbleibe. Es handelt sih hier um den ersten Schritt. Möge es dem- verdienten Förderer des Fortbildungsshulunterrihts vergönnt

ein, au den Abschluß zu erleben. - 9 A De Langerhans (fr. Volksp.) : Die Vertheilung der Staats-

zusüsse wird sih allerdings nah den örtlichen Verhältnissen richten müssen. Ich werde für die Vorschläge der Kommission stimmen, obs gleih ih im einzelnen Bedenken habe. Der obligatorische Unterricht wäre bedauerli, er würde der freiwilligen Thätigkeit der Gemeinden gerade für die ärmeren Klassen hinderlich sein. Diese Thätigkeit der Gemeinden ist der beste Damm gegen das Umsichgreifen der Sozial- demokratie. N ;

Darauf wird die Diskussion geschlossen.

Unter Ablehnung der beiden Anträge Dittrich wird der Antrag der Kommission mit dem Antrage von Pletten- berg, für den außer dem Zentrum und den Konservativen auch ein Theil der Nationalliberalen stimmt, angenommen.

Schluß 31/4 Uhr. Nächste Sißung Mittwoch, 11 Uhr.

(Petitionen.)

Handel und Gewerbe. s

Täglihe Wagengestellung für Kohlen und Koks : an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr find am 6. d. M. geftellt 12 552, niht rehtzeitig geftellt keine Wagen. In Oberschlesien sind am 6. d. M. geftellt 4271, nicht ret-

zeitig geftellt keine Wagen.

Zwangs-Versteigerungen.

Beim Königlichen Amtsgericht 1 Berlin ftanden am 5, April ‘die nachbezeihneten Grundftüdte zur Lo Raumer- straße 54, dem Maurermeister Aug. Gursche ge örig; läche 6,56 ‘a; Nuzßungswerth 8700 4; mit dem Gebot von 1 V4 blieb der Kaufmann A. Jung, Hohmeisterstraßie 16 B, Meistbietender. Swinemünderstraße 20, dem Glockengießer Sebastian Retschke gehörig; Fläche 2,73 a; Nuzungêwerth 4440 A4; Meist- bietende blieb die Firma Evers & Klapper zu Charlottenburg, Charlottenburger Ufer 5, mit dem Gebot von 72 300 #4

Der Aufsichtsrath der Stettiner Maschinenbau-Aktien- gesellschaft „Vulkan“ hat beschlossen, der Generalversammlun die Vertheilung einer Dividende vou 6/6 für 1896 (wie im Vorjahre zur Genehmigung vorzuschlagen. i Aus Essen wird der „Rhein.-Westf. Ztg. berichtet: Die Be- theiligungsziffer am Kohlensyndikat ist in den lezten Sihungen des mit der Angelegenheit betrauten ständigen Auss{hufses mehrfah erhöht worden. Die Gesammtsteigerung der Förderbetheiligungsziffer ab 1. April d. F. erstreckt ih auf etwa 20 Zechen und zwar um rund 14 Millionen Tonnen; es handelt \sich hierbei um die Bewilligung derjenigen älteren Anträge, welche bisher mit Rücksiht auf die Maikt- lage zurüdgeseßt worden waren. An der Erhöhung betheiligt sind u. a. mit rund 40 000 & Karolinenglück, 130000 t Harpen, 120000 t Zentrum, 30000 t Dorstfeld, 30000 t Hannibal, 17 000 t Eiberg, 75 000 Unser Friß, 60 000 t Graf Bismarck, 100 000 t Konsolidation, - über 300 000 t Gelsenkirhener Gesellschaft einschl. für Minister Stein, 47 000 t Magdeburger Bergwerks: Aktiengefellschaft, 190 000 t Nord- stern. Die Förderung ftieg bis 1896 einshließlich seit 1866 um 35 673 000 t, d. b. jährlih um 1 189 000 6, seit 1876 um 27 100 000 6, d. h. jährlih um 1355 000 t, seit 1886 um 16505 000 t, d. h. jährlich um 1 650 000 t. Die Konferenz zur Feststellung des Wagens bedarfs im Herbst \{hägte die Fördervermehrung für 1897 auf 3 935 000 t, also rund 4 Millionen Tons. Die jeßt bewilligten 1} Millionen bilden also nur einen Bruchtheil der Gesammtsteigerung. Königsberg, 6. April. (W. T. B.) Getreidemarkt. Weizen unverändert. Roggen behauptet, pr. 2000 Pfd. Zollgew. 106,50. Gerste matt, Hafer träge, do. loko pr. 2000 Pfd. Zollgewicht 126. Weiße Erbsen pr. 2000 Pfd. Zollgewicht'117,006. Spiritus pr. 100 ter 100 9% loko 38,10, do. pr. April 38,10, do. pr.

August 39,40,

Daniig, 6. Al (V T D) Getreieiais Weizen loko matt, Umsag 100 t, do. inländ. hochbunt und wei 154—155, do. inländ. bellbunt 153, do. Transit hochbunt und weiß 12 —123, do. bellbunt 121,00, do. Termin zu freiem Verkehr pr. März —,—, do. Transit pr. März —,—, Megulierungspreis zum freien Verkehr —. MRoggen loko weichend, inländ. 105,00, do. russisher und polnischer zum Transit 70,00, do. Termin pr. März —— , do. Termin CTransit pr. Mrz ——, do. Regu lierungspreis zum freien Verkehr —. Gerste, große (660—700 Gramm) 130,00. Gerste, kleine (625—660 Gramm) 111,00. Hafer, inländischer 124,00. Erbsen, inländishe 128,00. Spiritus loko kontingentiert 57,50, nit kontingentiert 37,75.

Stettin, 6. April. (W. T. B.) Nach Privatermittelungen wurde im freien Verkehr notiert: Weizen loko 151—153, Roggen loko 112,00, Hafer loko 125,00—128,00. Rüböl pr. April 54,00. Spiritus loko 37,80, Petroleum loko —,—,

Breslau, 6. April. (W. T. B.) (Schluß - Kurse.) Schl. 34 9/9 L.-Pfdbr. Lätt. A. 100,30, Breslauer Diskontobank 114,90, Breslauer Wechslerbank 103,00, Schlesisher Bankverein 128,75, Breslauer Spritfabrik 133,00, Donnersmarck 146,90, Kattowißer 158,50, Oberschl. Eis. 92,00, Caro Hegenscheidt Akt. 125,25, Oberschl. P. 3. 13650, Opp. Zement 151,00, Giesel Zem. 136,50, 2, Ind. Kramsta 143,75, Schles. Zement 192,00, Schl. Zinkh.-A, 203,50, Laurahütte 152,00, Bresl. Oelfbr. 100,00.

e Spiritus per 100 1 100 9% . 50 M Vérbrau{hsähgäben ‘pr. April-56,30-Gd., do.-do. 70-6 brauh8- abgaben pr. April 36,70 Gd.

Magdeburg, 6. April. Zuckerbericht.

(W T. D) Kornzucker exkl. von 92% —,—, Kornzucker exkl. 88 9% Rendettent

9,60—9,75. Nachprodukte exklusive 75 9% Rendement 7,00—7,90. Ruhig. Brotraffinade 1 23,00. Brotraffinade Il 22,75. Gem. Brotraffinade mit Faß 22,75—23,50. Gem. Melis 1 mit Faß 22,29. Rubig. Robzucker 1. Produkt Cransito fr. a. B. Hamburg pt. April 8,85 Gd., 8,874 Br., pr. Mai 8,90 Gd., 8,924 Brz pr. Juni 8,95 Gd., 8,974 Br., pr. Juli 9,024 bez., 9,024 Br., pr. August 9,05 bez., 9,05 Br. Matt.

Frankfurt a. M., 6. April. (W. T. p (Schluß - Kurse.) Lond. Wechs. 20,375, Pariser do. 81,083, iener do. 170,30, 3 9/9 Reichè-A. 97,60, Unif. Egypter 106,80, Italiener 89,30, 3% port. Anleihe —,—, 59% amort. Rum. 100,20, 49/0 russische Kons. 102,70, 49% Ruff. 1894 66,40, 4/9 Spanier 62,40, Mittel- meerb. 93,50, Darmstädter 150,10, Diskonto-Kommandit 193,50 Mitteld. Kredit 113,20, Oesterr. Kreditakt, 2964, Oest.-Ung. Bank 803,00, Reichsbank 159,60, Laurahütte 152,00, Westeregeln 174,00, Höchster Farbwerke 441,00, Privatdiskont 28. }

Effekten-Sozietät. (Schluß.) Oesterr. Kreditaktien 2974, Gotthardbahn 153,70, Disköontó-Kömm. 193,80, Jtal. ‘Mittélineetb. —, Schweizer Nordostbahn 107,30, Ital. Meridionaux 126,00, 69/0 Mexi- kaner 94,99, Italiener 89,70.

Köln, 6. April. (W. T. B.) Rüböl loko 57,50, per Mai 56,80.

Dresden, 6. April. (W. T. B.) 30%/ Sächs. Rente 97,00, 34 0/6 do. Staatsanl. 101,50, Dresdn. Stadtanl. v. 93 101,75, Allg. deutsche Kredit 212,25, Dresd. Kreditanstalt 134,75, Dresdner Bank 151,00, Leipziger Bank —,—, Sächs. Bank 125,50, Dresd. Sträßen- bahn 219,00, Sächs.-Böhm. Dampfschiffahrts-Ges. 237,00, Dresdner een S L (ŒW. L B) (SWluß-Kursed 14

c , 6. April. ¿L O - Kurse. 0 Sächfische Rente 97,00, 34 9% do. Anleihe 101,40, Zeißer Paraffin und Solaröl «Fabrik 106,25, Mansfelder Kuxe 930,00, iger Freditanttalt-Aktien 212,75, Kredit- und Sparbank zu Leipzig 116,70, Leipziger Bankaktien 176,00, Leipziger Hypothekenbank 146,75, Sächsische Bankaktien 125,00, Sächsishe Boden-Kreditanstalt 126,50, Leipziger Baumwollspinnerei-Aktien 169,00, Kammgarnspinnerei Stöhr u. Co. 183,75, Altenburger Aktienbrauerei 240,00, Zuckerraffinerie

alle-Aktien 111,50, Große Leipziger Stra enbahn 224,00, iger lektrische Straßenbahn 170,00, Thüringis e Gasgesellschafts- 200,50, Deutihe Spigenfabrik 230,00, Leipziger Elektrizitätswerke 136,00.

Kammzug-Terminhandel. La Plata. Grundmuster B. pr. April 2,924 #, pr. Mai 2,924 6, pr. Juni 2,95 #, pr. Juli 2,95 4, pr. August 2,95 #6, pr. September 2,95 „#&, pr. Oktober 2,95 #46, pr. November 2,95 4, pr. Dezember 2,95 4, pr. Januar 2,95 6, pr. Februar 2,95 H, pr. März 2,95 &, Umsaß: 10000 —, Behauptet. -

Bremen, 6. April. (W. T. B.) Börsen - S@lußbericht. Raffiniertes Petroleum. (Offizielle Notierung der Bremer oleum- Börse.) Matt. Loko 5,50 Br. Schmalz. Ruhig. Wilcox 23 4, Armour as 23 8, Cudahy 24 „4, Choice Gr i

White label 24 §. Speck. Ruhig. Shoert clear middl, loko 254 S. Reis unverändert. Kaffee höher. Baumwolle. Ruhiger. Upland middl. loko 383 4. Tabak. 440 Seronen Carmen.

Rurle des Effekten - Makler - Vereins. 5 % Nord- deutsche Wollkämmerei und Kammgarnspinnerei - H 165 Se Llo Ee Lloyd-Aktien 1022 Gd., ' Bremer Wo

r. burg, 6. April. (W. T. B.) (S@hlußkurse. D Kali. 130/25; S raf k. f. D. 163,20, ie Bu. 16046,