1897 / 84 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 08 Apr 1897 18:00:01 GMT) scan diff

È bei Elementarschulbauten nit übersteigt. Eine Beanstandung de nur aus erheblichen Gründen erfolgen, im übrigen “werden die mir erstatteten Berichte, abgesehen von besonderen Ausnahmefällen, nur dazu dienen, um den Königlichen Re- gierungen Direktiven für zukünftige Fälle zu geben und die gemachten Erfahrungen bei künftiger Vertheilung des Fonds zu berüdsichtigen. : Jh füge jedoh ausdrücklih hinzu, daß cs si in dieser Beziehung lediglich um einen Versuch handelt, dessen Durch- führung sofort aufgegeben werden müßte, wenn es sih wider Erwarten herausstellen sollte, daß sowohl das Baubedürfniß als auch die Leistungsfähigkeit der Baupflichtigen nicht im Sinne der bisher ergangenen Vorschriften eingehend geprüft worden wäre. Berlin, den 30. März 1897. _ Der Minister der geisilichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten. Bos, se.

Der Minifter der öffentlihen Arbeiten. Im Auftrage: Schult.

An sämmtliche Königliche Regierungen.

Anlage 1. Bestimmungen über die Mitwirkung der Lokalbaubeamten bei Elementarschulbauten, zu denen Gnadenbeihilfen aus Staatsmitteln beantragt werden.

Die Lokalbaubeamten sind von Amts wegen verpflichtct, bei der Vorbereitung und Ausführung aller derjenigen Schul- bauten mitzuwirken, bei denen wegen Unvermögens der zum Bau Verpflichteten Beihilfen aus der Staatskasse beantragt werden.

Diese Mitwirkung besteht

1) in der Betheiligung an den Vorarbeiten zur Fest- stellung des Baub edürfnisses ;

n in der Aufstellung der Vorentwürfe und Kosten- über|schläge nebst einer genauen Baubeschreibung ;

3) in der Prüfung der ausführlichen, von den Bau- verpflichteten zu beschaffenden Entwurfszeihnungen und in der Ueberwachung der in der Ausführung begriffenen sowie in der Abnahme der fertigen Bauten.

Zu 1. Die Lokalbaubeamten haben auf Erfordern der Regierung gemeinschaftlich mit den Landräthen und den Gemeindevertretern zu erwägen, in welcher Weise dem Baus- bedürfniß im einzelnen Falle am zweckmäßigsten zu genügen ist, ob durch Umbau oder Erweiterung eines vorhandenen Schulhauses oder seiner Nebenanlagen, oder durh Errichtung eines Neubaues. Jnwieweit dabei der Kreisphysikus oder wegen Bemessung der Wirthschaftsgebäude ein landwirthschaft- licher Sachverständiger oder der Schulaufsichtsbeamte zuzuzichen ist, wird die Regierung im einzelnen Falle, eventuell auf Antrag bestimmen. :

“fait es sih um einen Umbau oder Erweiterungsbau, so haben die Lokalbaubeamten den Zustand des alten Gebäudes sorgfältig zu untersuhen und über den Befund ein Gutachten zu erstatten. Steht ein Neubau in Frage, so ist es Aufgabe der Lokalbaubeamten, diein Vorschlag gebvrahtenBaupläze aufihre Brauchbarkeit zu untersuchen, den geeignetsten zubezeichnen und den Geldbedarf für Grunderwerbs- und Baukosten annähernd ab-

zuschäßen.

Qu 2. Die Lokalbaubeamten haben, sobald von der Re- gierung das Baubedürfniß festgestellt und die Nothwendigkeit einer Staatsunterstüßung anerkannt ist, die Vorentwürfe für den geplanten Umbau, Erweiterungsbau oder Neubau aufzu- stellen und dazu eine genaue Baubeschreibung nebst cinem Kostenüberschlag anzufertigen. Jn Neubaufällen find diese Arbeiten erst dann vorzunehmen, wenn der Erwerb eines ge- eigneten Bauplaßzes er ist.

Die M otentrofcte sollen in der Regel im Maßstab 1 : 150, die zugehörigen Lagepläre im Maßstab 1:500 ' gezeichnet werden. Jn leßteren sind die Himmelsrichtungen, die Höhen- verhältnisse des Bauplages (in Ordinaten bezogen auf die Straßenkrone), die Nachbargrenzen und die auf Nachbargrund- stücken vorhandenen Gebäude, Düngerstätten und Abortgruben anzugeben. i:

Als Vorertwürfe für Neubauten können die in einzelnen . Blättern käuflichen, vom Ministerium der geistlichen 2c. An- gelegenheiten herausgegebenen Entwurfsbeispiele vom Jahre 1895 unmittelbar benußt oder durch Eintragung der erforder- lichen Abänderungen dem gegebenen Falle angepaßt werden.

Die Baubeschreibung muß alle Angaben über Raum- bedürfniß, Beschaffenheit der Baustelle, Bauart, Bauzeit und Baukosten vollständig und bestimmt enthalten.

(Vergl. das Beispiel Anlage 2.)

Diese Ausarbeitungen find der Regierung einzureichen mit einem Begleikbericht, in welchem angegeben sein muß, ob sich in dem betreffenden oder in einem benachbarten Baukreise geeignete Kräfte für die Aufstellung des ausführlihen Entwurfs und der Kostenberehnungen finden.

Die von den Lokalbaubeamten aufgestellten Vorentwürfe, Baubeschreibungen und Kostenüberschläge werden seitens der Regierung bautehnisch und rehnerisch geprüft und festgestellt. Auf Grund dieser Unterlagen wird unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit der Bauvecrpflichteten die nachzusuchende Staatsbeihilfe in runder Summe ermittelt.

Ueberschreitet diese Summe den Betrag von 30 000 6, jo unterliegen die Vorentwürfe, Baubeschreibungen und Kosten- überschläge der Superrevision durch das Ministerium der geist- lichen 2c. Angelegenheiten.

Zu 3. Die Beschaffung der ausführlichen Ent- wurfszeihnungen, Kostenberechnungen und Ver- dingungsanschläge liegt Ra C L Lit eten ob. Die Entwurfszeichnungen müssen die Grundrisse der Fundamente und aller Geschosse, die Ansichten des Gebäudes von allen Seiten und die erforderlichen Durchschnitte klar darstellen. Jn die Grund- risse und Durchschnitte müssen alle Schornsteine und Lüftungs- rohre, Gewölbe, die Balken- und Sparrenlagen sowie Treppen enau eingezeichnct werden. . Die Zeichnungen sind im Maß- lab 1:100 aufzutragen und müssen alle wihtigen Maße eutlih eingeschrieben zeigen.

Die Entwurfszeihnungen werden von den Lokalbaubeamten vor Beginn der Bauausführung geprüft und endgültig fest- gestellt. Bei der Prüfung ist darguf zu ahten, daß die ein- ereichten Entwurfszeihnungen dem Vor-ntwurf und der Bau- R hceibung in allen Theilen entsprehen und eine solche Durch- arbeitung im einzelnen erfahren haben , daß Bauausführung gesichert wird. i :

Die Prüfung der ausführlihen Kostenanschläge liegt den Lokalbaubeamten nicht ob.

Die Verdingung und Ausführung der Schhul-

eine gute

bauten, sowie die Abrechnung ist in ganzem Umfange Sache der Bauverpflichteten allein. Die Lokalbaubeamten haben jedoch, damit das Staats- interesse ausreihend gewahrt wird, die Bauausführung u überwachen und den fertigen Bau abzunehmen. Gei dieser Ueberwahung und Abnahme dienen die geprüften ausführlihen Entwurfszeihnungen und die Baubeschreibung als maßgebende Unterlagen.

Die Lokalbaubeamten haben jeden Schulbau während der Aus- führung mindestens dreimal zu besichtigen, und zwar soll die erste Besichtigung nach Fertigstellung des Baues bis zur Höhe des Erdgeschoßfußbodens, die zweite nah Vollendung des Nohbaues, die dritte nah Fertigstellung des Ganzen, einschließlich der Neben- anlagen, stattfinden. Die Bauverpflichteten haben die Vor- nahme der Besichtigungen rechtzeitig bei den Lokalbaubeamten zu beantragen. Leßtere En die Termine für die Besichti-

ungen an und machen den Bauverpflichieten davon vorherige

Mittheilung mit dem Anheimstellen, die betheiligten Unter- nehmer zu benachrichtigen. Zu der dritten Besichtigung, mit welcher in der Regel die Abnahme des Baues verbunden sein wird, müssen stets Gemeindevertreter zugezogen werden.

Ueber die Besichtigungen haben die Lokalbaubearaten unter Benußung von Formularen nah dem beigefügten Muster (Anlage 3) an die Regierung zu berichten, welche, falls nicht wegen mangelhafter Ausführung oder Abweichungen von dem eprüften Entwurf und der Baubeschreibung Bedenken zu er- heben sind, Abschlagszahlungen auf die den Bauverpflichteten zugesicherte Staatsbeihilfe anweist. Jn der Regel sollen hierbei nach der ersten Besichtigung 2/10, nach der zweiten Besichtigung 4/10 Und nah der Abnahme der ganzen Bauanlage 4/19 des zugesicherten Gesammtbetrages zur Anweisung gelangen.

Beschränkt sih die Bauausführung nur auf einen Umbau minder erheblicher Art, oder handelt es sich nur um ein Nebengebäude, eine Brunnenänlage oder dergleichen, so hat die Regierung na Lage des einzelnen s Bestimmung zu treffen, wie die Bauaufsicht zu üben und die Auszahlung der Staatshbeihilfe zu bewirken iù,

Wenn den Bauverpflichteten zur Anfertigung der aus- führlichen Entwurfszeihnungen und Kostenanshläge keine geeigneten technischen Kräfte innerhalb des betreffenden oder eines benahbarten Baukreises zur Verfügung stehen (vergl. oben unter 2), so sind die Lokalbaubeamten verpflichtet, auch diese Ausarbeitungen ihrerseits anzufertigen.

Die Verdingung, Ausführung und Abrechnung des Baues

M aber auch in solchen Fällen Sache der Bauverpflichteten allein. __ Werden zu cinem Schulbau außer der Gnadenbeihilfe seitens des Fiskus als Patron (Gutsherr) Baumaterialien in natura gewährt, oder wird eine entsprehende Geldvergütung für diese gezahlt, so liegt es den Lokalbaubeamten ob, die genaue Berehnung der vom Fiskus zu gewährenden Bau- materialien oder der entsprehenden Geldentshädigung auf- zustellen und der Regierung zur Prüfung einzureichen.

Erfolgt die Lieferung dieser Materialien in natura, so haben die Lokalbaubeamten die sachgemäße Verwendung der- selben zu überwachen und nah Vollendung des Baues zu be- scheinigen.

Wenn die Bauverpsflichteten aus eigener Entschließung Gesuche um Staalsbeihilfen für Schulbauten an die Behörden zl richten beabsihtigen und zur Begründung solcher Anträge

aupläne und Kostenberehnungen nothig haben, sind die Lokal- baubeamten ‘zur Ausarbeitung dieser Ünterlagen nicht ver-

pslihtet.

Deutscher Reichstag. 208. Sißung vom 7. April 1897, 1 Uhr.

Ueber den Anfang der Sißung wurde in der gestrigen

Nummer d. Bl. berichtet. i O

Auf der Tagesordnung steht folgende, von den Sozial- demokraten beantragte Resolution: s i

„den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, baldthunlihst die Vor- legung eines Geseßentwurfs zu veranlassen, wodurch: 1) für Handlungsgehilfen und Lehrlinge die Arbeitszeit geregelt und eine Beschäftigung derselben in der Zeit von s Uhr Abends bis 6 Uhr Morgens im allgemeinen ausgeshlcssen wird; 2) die Gewerbe- inspektion auf das Handelsgewerbe ausgedehnt und die Beaufsichti- gung besonderen Handels-Inspektoren übertragen wird. j

Hiermit wird verbunden die Berathung dec nachstehenden von den Abgg. Dr. Freiherr von Hertling (Zentr.) und Gen. beantragten Resolution: :

„Die verbündeten Regierungen zu ersuhen: a. in Erwägung darüber einzutreten, inwieweit und mit welher Maßgabe die Be- stimmungen der §8 120 a bis 120e und 134a bis 139b der Gewerbeordnung (Arbeitershußbestimmungen) unter zweckentsprechen- der Anpassung an die besonderen Bedürfnisse auf das Handels- gewerbe auszudehnen sind; Þ. thunlichst bald dem Reichstage cinen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen.

Abg. Diet (Soz.) weist auf die lange Arbeitszeit der Hand- lTungsaehilfen und besonders au der Apothetergehilfen hin, die aud) noch Nachtdienst und nur selten einen freien Sonntag hätten. Es sei durhaus nothwendig, die Handlungsgehilfen au unter die Arbeiter- schußbestiminungen zu stellen, da ihre wirthschaftliche Lage vielfach die- selbe sei wie die der Arbeiter.

Abg. Dr. Freiherr von Hertling: Das Handelsgeseßbuch ist an der Frage tes Arbeiterschuyes nicht ganz vorübergegangen. Die Kommi}fion ist „über die Bestimmung, welche die Regierungsvorlage empfiehlt, noch etwas hinausgegangen. Meine Freunde sind der Meinung, daß es dabei nicht sein Bewenden haben könne, sondern daß noch weiter gegangen werden müsse. Die in den Berichten der Kom- mission für Arbeiterstatistik niedergelegten Ziffern beweisen, daß über die Hälfte der Ladengeschäfte ihre Gehilfen 14 Stunden beschäftigen. Die daraus sih ergebenden Unzuträglichkeiten für die Gesunbheit \o- wohl als au für die geistige Ausbildung der Handlungsgehilfen liegen auf der Hand. Auch für die religiöse Ausbildung der Handlungs- gehilfen muß etwas gesehen können. Unser Antrag geht weiter als der der Sozialdemokraten, der sih nur auf die Regelung der Arbeits- zeit bezieht, während wir die ganze Arbeitershuß-Geseßgebung auf die Handlungsgehilsen angewendet, wissen wollen. Für große Magazine und Waarenhäuser wird man sogar eine Arbeitsordnung vorschreiben können. Eine große Ausbeutung wird oft in den kleinsten M geshäften getiieben, auf Kosten der langen Arbeitsz:it der jehilfen und Lehrlinge, Wir sind auch für die Erhaltung des Mittelstandes, au der kleinen Kaufleute; aber diese Erhaltung darf nicht geschehen auf Kosten der Gehilfen in diesen mittleren Geschäften.

Direktor im Reichsamt des Jnanern Dr. von Woedtke: Die Resolutionen sind insofern überholt, als man seitens der Reichs- verwaltung s{chon in Erwägung darüber eingetreten ist, wie weit Be- stimmungen der Gewerbeordnung auf das Handelsgewerbe gauß- gedehnt werden können. Die Vorbereitungen sind von der Kommission für Arbeiteistatistik bereits getroffen. Der Reichskanzler hat Veranlassung genommen, die Sache dem preußishen Staats- Ministerium zu unterbreiten; die Verhandlungen dort sind noch nicht ¿ beendet, werden aber binnen furzer Zeit zum Abschluß gelangen.

Wenn ein Eingreifen der Gesetzgebung für nothwendi ebalten wi so werden sih die verbündeten Regierungen dieser Aufcabe ntt a ziehen. Gegen die Resolutioa des Herrn von Hertling ad a habe ih nihts einzuwenden. Db ein Gesegentwurf vorgeleat werden wird, hängt von dem Ergebnisse der Ecwägungen ab. Die Resolution Dieg gebt aber zu weit.

Abg. Dr. von Frege (d. kons.): Nah den Ausführungen des Regierungbvertreters könnte die Resolution als überflüssig betrachtet werden, weil die Sachen \Œ@on in Fluß sind. Troßdem werden meine Freunde für den ersten Theil der Refolution von Hertling stimmen. Auch für die Handlungslehrlinge ist der Fortbildungsunterriht von großer Bedeutung und muß nach Möglichkeit gefördert werden, aber ohne shablonenhafte Gefeßgebung. Denn die Ausbeutung der jungen Leute ist in Süd- und Mitteldeutschland geringer als in den größeren, Städten des Nordens, welche sich so schnell entwickelt baben.

Abg. Bassermann (nl.): Meine Freunde werden den sozial» demokratishen Antrag ablehnen und den Antrag Hertling untér a, annehmen; ein Bedürfniß für den Antrag unter b liegt aber nah den Erklärungen der verbündeten Regierungen nicht vor. Dur die von der Kommission für Arbeiterstatistik angesteliten Untersu Hungen ift festgestellt, daß im Handel8gewerbe eine Lehrlingszüchterei im großen Maßstabe und eine übermäßige Arbeitszeit für die Gehilfen bestebt.

Abg. Lenzmann (fr. Volksp.) erklärt sich namens feiner politischen Freunde für den Antrag von Hertling. Das Handels- gefezbucch bringe einige sozialpolitische Fortschritte, indem es eine die Gesundheit gefährdende Ausdehnung der Arbeitszeit verbiete. (Es muß aber, fährt der Redner fort, die Gesetzgebung nunmehr eine feste Regelung der Arbeitszeit herbeiführen. Der Antrag Hertling soll überholt sein, weil bereits Grwägungen angestellt werden. Aber wenn Mißstände vorhanden sind, so genügen doch die Erwägungen nit, es muß ein Geseß vorgelegt werden. Deshalb ift das Haus vollständig berechtigt, den Antra Hertling in seinen beiden Theilen anzunehmen.

Abg. Gamp (Rp.): Wir werden dic Anträge aus denselben Gründen «ablehnen, aus denen wir fie in der Kommission bekämpft und abgelehnt haben. Wir müssen erst die Ergebnisse der Er- wägungen kennen lernen, von denen es abhängen wird, ob die Gesetze geändert werden müssen. Durch das Handelsgeseßbuch wird eine Ver= besserung der Lage der Handlungsgebilfen herbeigeführt : sie siad jegt dur das Gesey gefchügt. Dan muß erst abwarten, wie die neuen Bestimmungen wirken werden. Für die kaufmännishen Großbetriebe wird eine geseßliche Vorschrift niht nothwendig fein, denn dort {ft für regelmäßige und niht übermäßige Arbeitszeit mit den nöthigen Pausen gesorgt, abgesehen von der Zeit der Geshästshäufung zu Weib naten 2c. Eine vierzehnstündige Anwesenheit in einem Geschäft, wenn für genügende Sißgelegenheit getorgt ist . und die nöthigen Pausen gewährt werden, is noch keine übermäßige Anstrengung. Wenn diese aber darin erblickt werden sollte, so genügt die Vorschrift des § 61 des Handelsgesetzbuchs.

Abg. Röj ie (b. k. F.): Ih wundere mi, daß die Sozial-

demokraten dieëmal fo genügsam sind, daß sie nur eine zehnflündige Arbeitsruhe vorgeshlagen haben. Beim Handelsgewerbe ist eine solde schematische Regelung der Sache niht mögli, weil - die Arbeitszeit fih nicht na der Produktion, sondern nah den Bedürfnissen des Konsums regelt. Die Einführung einer Arbeitsordnung und auch einer gewissen Inspektion ist nothroendig; die Hamburger Nheder haben ja auch ihrerfeits eine folhe Inspektion für Hamburg vorgeschlagen. Ih werde auch für den Antrag von Hertling unter þ stimmen, _ Abg. Singer (Soz.): Unser Antrag ist durhaus nicht so be- scheiden. Wir halten an dem Achtstundentag grundsäßlich fest und machen au für das Handelsgewerbe keine Auénahme davon. Unser Antrag verlangt nit eine Negelung der Arbeitszeit, fondern der Ruhe: zeit. Wenn unser Aatrag abgelehnt werden sollte, so werden wir für ben Antrag von Hertling stimmen.

Abg. Dr. Hitze (Zentr.): Das Zentrum is mit feinem Antrage allerdings etwas später fertig geworden als die Sozialdemokraten, es ist aber dabei auch gründlicher vorgegangen ; denn der sozialdemokratische Antrag verlangt nur eine Regelung der Arbeitszeit, läßt aber die anderen Fragen außer Betracht.

__ Damit shließt die Diskussion. Unter Ablehnung der An- trâge der Sozialdemokraten gegen die Stimmen der letzteren wird der Antrag von Hertling unter a gegen die Stimnie des Abg. Freiherrn von Stumm (Np.), der Antrag unter h gegen die Stimmen der Konservativen angenommen.

Die zum Handelsgeseßbbuch eingegangenen Petitionen werden für erledigt erklärt.

Schluß 31/4 Uhr. Nächste Sißzung Dienstag, den 27. April, 1 Uhr. (Erste Lesung des Nachtrags-Etats, Rech- nungsvorlage und Auswanderungsgeseß.)

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 67. Sizung vom 7. April 1897.

H den ersten Theil der Sißung ist gestern berichtet IWorDEeNn.

Auf der Tagesordnung steht die Berathung von Petitionen.

Die Petition von Oberlehreru an der Albinusshule in Lauenburg um Einführung des Dienstalters - Etats an dieser Schule wird der Regierung als Material überwiesen.

.…_ Die Petition des Zeichenlehrers Unger in Berlin um anderweitige Festseßung seines Befoldungs - Dienstalters beantragt die Unterrichts- kommission der Regierung als ‘Material zu überweisen.

Abg. Dr. Kropats\ch{eck (kons.) kritisiert die Beamtenbesoldungs- Vorlage und meint, daß die Zeichenlehrer als qualifizierte Lehrer beffer gestellt werden müßten als tie übrigen scminaristisch gebildeten Lebrer. Er will aber um das Privzip der Festsezung dieser Besoldung nit streiten und empfiehlt nur in diesem einen Fall die Berücksichtigung der Petition, da dieser Lehrer sich durch eigene Anstrengungen weiter gebildet habe.

Abg. Dr. Sattler bedauert, daß der Vorredner nicht an der Besoldungs8vorlage in der Kommission mitgearbeitet habe, sonst bätte sie vielleicht anders gestaltet werden können.

Das Haus beschließt nah dem Kommissionsantrage.

Die Petition des Provinzial-Ausschusses der Pro- vinzSachsen, betreffend die Entlastung der klommunal- ständischen Jrrenanstalten von der Verpflichtung zur Aufnahme gesisteskranker Verbrecher, beantragt Dos der Regierung zur Erwägung zu über- weisen.

Abg. von Voß (fr. kons.) weist auf die Verhandlungen des Herrenhauses über dieselbe Petition hin und beantragt, die Petition der Regierung zur Berüksihrigung zu überweisen, um einen überein- stimmenden Beschluß beider Häuser des Landtages herbeizuführen. Die Frage sei cine außerordentlih s{chwierige. Die irren Verbrecher seien früher als Verbrecher behandelt worden, jeßt lediglich als Kranke. In der Irrenanstalt Nietleben seien 163 Männer, d. h. 27 9% der Gesammtzahl der Insassen, welche mit dem Strafgeseßzbuch in Kon- flift gekommen seien, darunter 113 Mörder, 4 Todtschläger, 15 wegen Unsittlichkeitsverbrehen, 31 wegen {werer Eigenthumsverbrehen Be- strafte. Das fei für die Anstalt eine überaus unangenehme Be- [laftung. Private wollten ihre kranken Angehörigen nicht in die An- g Fe d um sie niht mit diesen Merschen zusammenkommen zu lafsen.

Geheimer Ober-Regierungs-Rath von Philipsborn bemerft, daß über die Petition in der Kommission sehr eingehend verhandelt worden fei, und bittet, dem Komrmifsionsantrage gemäß zu beschließen.

Abg. Dr. Langerhans: Diesen Beschluß haben wir s{chou recht oft aiakt ohne daß die Regierung etroas gethan hat. Durch die Aufnahme von irren Verbrechern wird naturgemäß die Behandlung aller Kranken in der Anstalt eine ganz andere; ein Theil der sonstigen.

ibeit fällt auch für die übrigen Kranken fort, die Wärter sind go nissen anders feia als sonft. Die irren Verbrecher neigen zu Gemaltthätigkeiten. Es ist durchaus nöthig, daß diz Verbrecher tn besonderen Anstalten untergebraht werden. Wir haben {hon \o oft die Petition der Regierung überwiesen und dürfen uus von dieser nicht wieder Tis lassen. Ih empfehle die Ueberweisung der Petition

Berü gung. :

E Geheimer Ober-Regierungs-Rath Dr. Förster erkennt die wierigkciten an, welche aus der Unterbringung der irren Verbrecher in den Anstalten entstehen, bezweifelt aber, daß der Weg, den die Petition vorschlage, zum Ziele führen werde. Es handle \ih nicht allein um beftrafîte Verbrecher, sondern auch um folche Personen, die sih in Untersuchungshaft befinden. Wenn die Petition nur zur Er- wägung überwiesen werde, werde die Medizinalverwaltung mit dem- selben Eifer die Sache weiter prüfen. : e

Abg. Kirsch (Zentr.) empfiehlt die Ueberweisung der Petition zur Erwägung, ‘ta die Sache noch nicht genügend geklärt set.

Abg. von Voß: Die Sache spielt {on seit 12 Fahren und wird seit 12 Jahren immer bei der Negierurg erwogen; wir müssen deshalb einen etwas stärkeren Duuck ausüben und die Petition zur Berücksichtiguna überweisen. :

Abg. Dr. Langerhans: Die Negierung muß endlih einmal mit Versuchen vorgehen und wenigstens einen Theil der Uebelstände zu beseitigen streben. Wir können nicht nochmals 12 Jahre lang auf die Grledigung der Sache warten. : i

Das Haus beschließt die Ueberweisung zur Erwägung.

Mehrere Petitiozen- um Abstandnahme von der Rüdck- zahlung der Grundsteuer-Entshädigungen werden der Re- giecung als Material überwiesen. : /

Ueber die Petition des Schneidermeisiers Knoop in Frankfurt am Main um Aufhebung einiger das allgemeine Kommunalwahlre@t einshränkenden Bestimmungen des Gemeindeverfassungsgesetzes sür die Stadt Frankfurt a. M. und über die Petition des Bürgervorstebers Dankers in Stade u. Gen. um Abänderung mehrerer Paragraphen der Städteordnung für die Provinz Hannover geht das Haus zur Tagesordnung über.

Die Petition der Lehrerwittwe Stauß in Langendreer um Er- böbung der ihr bisher an Stelle eines Wittwengeldes gewährten jährlichen Unterstüßung von 75 4 bis auf 250 4 wird der Regierung zur Berücksichtigung überwiesen mit dem Ersuchen, Auskunft darüber zu geben, ob noch andere ähnliche Fälle, wie der vorliegende, zur amt? lihen Kenntniß gelangt sind. /

Die Petition des Lehrers Kaleshke in Insterburg um gefset- lihe Regelung der Besoldungsverhältnisse der Lehrer an N wird der Regierung zur Berücksichtigung über- wiesen.

Die Unterrichtskommission keantragt weiter, die Petition des Hof- besißers Steinhauer in Obermühle bei Köslin um anderweite Ver- theilung der Shulunterhaltungslasten zwishen Schul- bezirk und Landgemeinde, fsowcit sie die geseßlihe Regelung der Schulunterhaltungspflicbt fordert, durh die Resolution des Hauses vom 2, Februar 1897 bei Erledigung des Lehrerbesoldengsgeseßes für erledigt zu erklären, im übrigen aber über die Petition zur Tages- ordnung überzuzehen. | :

Das Wort erhält Abg. Nickert (Lachen und Nufe rets: Aha, Nordost !): Es ift doch merkwürdig, wie die Herren, die so vornehm sein wollen, nicht die gewöhnlihsten Anstandsregeln dem politischen Gegner gegenüber wahrnehmen und schon lachen, ebe man gesprochen hat! Lachen Sie immerzu, soviel Sie wollen, es i Ihnen nur unangenehm, daß ih rede. Der Beschluß vom 2. Februar forderte die Regelung der Schulunterhaltungépfliht im Rahmen eines allgemeinen Volksschulgeseßes. Dies entspriht niht unferen Anschauungen; dadur fan die Sache nur verzögert werden, wic wünschen die Regelung der Schulunterhaltungépfliht {on vor Erlaß eines solchen Geseues, dessen Zustandekommen fraglih is. Ich beantrage deshalb: die Petition, insoweit fie eine baldige geseßliche Regelung der Schulunterhaltungspflicht fordert, der Regierung zur Berücksichtigung zu überweisen.

Inter Ablehnung des Antrages Rickert beschließt das Haus nah dem Antrage der Kommission,

Eine Reihe von Petitionen lokalen oder persönlichen Inhalts werden obne Debatte erledigt.

Schluß nach 21/5 Uhr. 12 Uhr. «(Petitionen.)

Nächste Sißung Donnerstag

Statistik und Volkswirthschaft.

Aus dem Jahresbericht der Königlich bayerischen Fabriken- und Gewerbe-Inspektoren für das Jahr 1896.

Der kürzlih ershienene Jahresberiht der Königlich bayerischen Fabriken- und Gewerbe-Inspektoren für das Jahr 1896 bietet wiederum beachtenswerthes Material zur Beurtheilung der Entwickelung der gewerbliheza Arbeiterverhältnisse, das um so werthvoller ist, als auh die Kleingewerte in ihm eine verhältnißmäßig weitgehende Berück- sichtigung gefunden haben. :

Von den etwa 530 000 in Industrie und Handwerk haupt- beruflich beschäftigten Gesellen, Lehrlingen und Hilfsarbeitern, von dencn ca. 17% weiblihen Geshlechts waren, arbeiteten im Berichts- jahre in den zur Zeit der Aufficht unterstellten Anlagen 364 366 Arbeiter, darunter 73 014 weibliche. Wenn die Gewerbeaufsicht fo- nah bisher nur einen Theil der gewerblihen Arbeiterschaft umfaßt, so rührt dies nah dem einleitenden Bericht daher, daß mit Rücksicht auf die Zahl der Aufsichtsbeamten nicht das gesammte „Handwerk“ in die Inspektion einbezogen werden konnte, sondern in der Hauptsache nur die mit Motoren oder mit mehr als 5 Gehilfen arbeitenden Hand- werksbetriebe. Im Berichtsjahr waren 7505 (im Vorjahr 7272) Fabriken und 29959 (27085) Handwerksbetriebe der Auf- ficht unterstellt. Revidiert wurden 6593 Betriebe in zusammen 6779 Revisionen.

Von 100 der Aussicht Ln N wurden g IMARE:

1 Handwerks- Betriebe mit über Fabriken betriebe 5 Gehilfen

1894 .. 45,5 9,8 41,1

1899 ¿428 FUT 34,3

1896 407 LET 82,7 Der Bericht weist darauf hin, daß troß der von Jahr zu Jahr stei- genden Anzahl von Revisionen der Prozentsatz der tuspizierten Fa- briken und größeren Betriebe seit 1894 einen stetigen Nück - gang zeigt, herrührend von dem auf die Kleinbetriebe des Handwerks entfallenden ftärkeren Revi;ionsantheile. Lege man die Zahl der Revisionen von 1896 zu Grunde, fo kâme durh- shnittlich eine Fabrik alle 25 Jahr, ein Handwerksbetrieb alle 8 bis 9 Jahre und ein Betricb mit _ mehr als 2 Gebilfen alle 3 Jahre zur Revision. Allerdings ist im Verichtejahr das Aufsichtspersonal um fünf Assistenten vermehrt wor- den, sodaß jeyt mir Ausnahme von Niederbayern und Obetpfalz, wo voch feine Hilfsarbeiter, und Oberbayern, wo deren zwei vorhanden sind, jedec Bezirk außer dem Inspektor einen Assiftenten hat. Bei diesem Stand der Verhältnisse erahtet der Bericht eine vermehrte Rev i- fionsthätigkeit der Ortspolizeibehörden für nothwendig. ine Besserung in dieser Hinsicht sei indeß meist nur in einzeluen größeren Städten wahrnehmbar, im großen Ganzen lasse die Mit- wirkung der Ortspolizei „in dem Maße mehr zu wünschen übrig, als die Arbeitershußbestimmungen zahlreicher und komplizierter" würden.

Die Stellung der Aufsihtöbeamten zu den Arbeit- gebern war auh im Berichtsjahre eine vorwiegend befriedigende, die Veziebhungen zur Ar beiterschaft haben sih weiter gebessert.

Die wirtoschaftlihe Lage der Industrie war eine günstige". Auch das Handwerk scheint von dem wirthschaftlichen Aufschwung nicht unberührt geblieben zu sein, wenigstens ist die Zabl der Betriebe mit mehr als 5 Na in den Jahren 1894/96 von 3564 auf 4021 und 4355 gestiegen. Ebenso weist die Haus -

industrie, bezüglih deren u. a. aus Niederbayern, der Pfalz und Unterfranken eingehendere Erhebungen vorliegen, cine lebhafte Thâätig- feit auf, ja fie gewann fogar manhmal an Ausdehnung, weil, wie der Berit sagt, mitunter lieber die Zahl der Hausindustriellen ver- mehrt, als eine Erweiterung der Nf angen vorgenommen wird,

Die Gesammtarbeiter zahl ift in den beautsichtigten Betrieben e beträchtlich“ gestiegen, aber leider nur für die Fabriken ist die Zu- nahme ziffermäßig nahweisbar. Folgende Uebersicht giebt ein Bild biervon. Es waren beschäftigt in den Fabrifen nahftehender Gruppen :

s oder Abnahme (+, —)

4,9 %0 4,8 9/0 12,2 9% 19,5 9% 17,3 9% 3,8 9% 1,9 % 8,0 9% 2,4 9% 4,9 %

1895 1896

9 903 97 458 23 915

54 846

Steine, Erden 2. . 21 317

Metallverarbeitung Maschinen 2c 25 086 27714 Chemische Industrie. ,. 11774 13 814 E o O I 3 076 Textilindustrie 48 842 47 906 EREE E, TLODS 12 482 olz- und Schnißfstoffe . . 22360 21 820 Nahrungsmittel «. . .. 26562 27 855 Bekleidung und Neinigung 10 754 11 198 4,1 % Polygraphische Gewerbe . 7719 8 479 -+ 9,9% Sonstige Industriezweige . 1582 2 074 -+ 31,1 9%

Die Gesammtarbeiterzahl weist gegen das Vorjahr eine Zunahme von 5,1% auf. Dabei hat si in augenfälliger Weise die Zahl der jugendlichen Arbeiter vermehrt, nämlich um 12,20%/, während die der erwachsenen männlihen Arbeiter nur um 4,7 9%, die der er- wadhsenen weiblihen um 4/09/09 zugenommen hat. Der Bericht be- merkt dazu: „Man wird nicht jehlgehen, wenn man diese zum theil unverhältnißmäßige Vermehrung der sogenannten ges{üßten Personen mit dem ungenügenden Vollzuge der Shuzbestimmungen in Ver- bindung bringt.“ Die Zahl der Anlagen, in denen Uebertretungen derselben ermittelt worden sind, is erheblih gestiegen, dagegen sind keine Anzeichen dafür wahrgenommen worden, „daß sih die Kinder- und Frauenarbeit wesentlih neue Arbeitsgebiete erobert hätte.“

Die Arbeit8zeit der weiblichen Arbeiter bat eher ab- als zugenommen und bleibt bereits vielfa hinter der zulässigen Maximal- dauer zurück. Lange Arbeitszeiten kommen im Handwerk und in der Hausindustrie vor, nicht aur für weibliche, sondern au für jugendliche Arbeiter. Die Arbeitszeit der männlichen Arbeiter beträgt nach wie vor in den Fabriken vorwiegend 10 bis 11 Stunden, im Handwerk 11 bis 12 Stunden.

Zu Klagen giebt dem Berichterstatter in der Einleitung nament- li die Zunahme der Betriebsunfälle Veranlassung. Die Zahl ift gegen das Vorjahr von 6201 auf 7080 Unfallanzeigen ge- stiegen. Vieie Verfehlungen, viele Unterlassungen, oft auch der ein- fachîten und billigsten Schußvorkebrungen, seien nit nur im Hand- werk, sondern auch in häufig visitierten Fabrikbetrieben immer noch zu beklagen. In gewerbehygienischer Beziehung ist ein Ein- greifen der Auffichtsbeamten in fast doppelt fo vielen Fällen erfolgt, als im Vorjahre (1071 gegen 542).

Bezüglich der Lohnhöhe find wesentliße und durchgreifende Berändverungen nicht festgestellt worden. Das Einkommen der Arbeitec dürfte ih insofern vergrößert haben, als mehr Ueber- stunden gemacht und infolge der reihliheren Arbeitsgelegenheit durch- shnittlich mehr Personen beschäftigt worden seiea. Dabei sind die Lebens3mittelpreise im wesentlihen unverändert geblieben. Die Wohnungszustände follen häufig noch „mißlihe“ sein; dabei macht aber die Herstellung von Arbeiterwohnungen durch die Betriebs- unternehmer „beständig Fortschritte“ und sucht man die Gründung genofsenshaftliher Bauvereine zu fördern. Daß troßdem die „Arbeiter- wohnungéfrage für fämmtlihe hier zur Mitwirkung berufenen Faktoren* noch ein recht dankbares Arbeitsfeld biete, ist dem Bericht- erstatter ficher zu glauben. S

Bezüglich der „geistig-sittlichen Entwickelun g“ der Arbeiter- bevölkerung bemerkt der Berichterstatter, daß die wachsenden Ansprüche an die Leistungsfähigkeit von Industrie und Gewerbe, sowie die

Schwierigkeiten, wele sih heute mehr als je der Existenzsiherung entgegenstellten, au eine „forgfältigere und vielseitigere Erziehung des Arbeiters“ verlangten. Interessiert dieses Urtheil hon gegenüber der vielfah gehörten Behauptung, daß die moderne Produktionsweise die fog. gelernte Arbeit immer mehr zu beseitigen drohe, so ift die Fest- stellung niht minder erfreulich, h namentli seitens der größeren Fabriken diesem Bedürfniß nah b.sserer Ausbildung der Arbeiter Rech- nung getragen wird, unter anderem dadur, daß fie mehrfach dur Stipendien und dgl. die Weiterbildung tüchtiger und begabter junger Leute aus dem Arbeiterstande begünstigen. Auch der „Bildungsbestcebungen der Arbeiter im allgemeinen“ wird lobend gedacht. Als ein Beweis für die Werthschäßung des Familienlebens, bezw. für die Erkenntniß der Unverträglihkeit der Fabrifarbeit verheiratheter Frauen „mit den Pflichten einer Hauêsfrau und Mutter“ wird hervorgehoben, daß \ich die verheiratheten Arbeiterinnen in der unierfränkifchen Zigarren- industrie lieber hausindustriell als in der Fabrik beschäftigen wollen, nur um neben der Erwerbsarbeit wenigstens einigermaßen der Pflege ihrer Kinder und der Besorgung des Haushalts gereht zu werden.

Ohne auf die vielen hôöchst beahtenswerthen Details in den Be- rihten über die Verhältnisse in den einzelnen Bezirken hier einzu- gehen, sei noch duch einige kurze Mittheilungen auf die nament- lih au) das Kleingewerbe berührenden Ergebnisse der im Berichts- jahre oon den Aufsichtsbeamt-n vorgenommenen besonderen Er - hebungen über Arbeitszeit, Arbeitslohn und Lehrlings- wefen in Shlossereien und Buchdruckereien hingewiesen. Wir bcs{hränken uns dabei auf das Lehrlingswesen.

Die Zahl der Lehrlinge in den Shlossereibetrieben, auf welche sih die Erhebungen erstreckten, betrug ein Dritttheil aller Ar- beiter, fo daß im Gesammtdurhschnitt die Lehrlingszahl niht übermäßig genannt werden kann. Mißverhältnisse kommen aber in den einzelnen Betrieben vielfa vor: bis 8 Lehrlinge ohne Gesellen. Die Lehrzeit be- trägt meist 3 Jahre, s{hwarkt zwishzn 2 und 4 Jahren und dauert dann länger, wenn fein Lebrgeld gezahlt wird. Die Lehrgeldzablung findet häufig statt, namentlich wo der Lehrling beim Meister Ver- pflegung erhält, fowie überhaupt auf dem Lande. Der Betrag shwankt von 30 bis 400 A. Lohn erhalten die Lehr- linge in der Regel richt, zuweilen ein sog. Taschengeld von 0,50 bis 3 M für die Woche. Schriftlihe Lehrvecträge kommen in den Handwerksbetrieben häufiger vor als in Fabriken, auch wird im Handwerk mehr auf die geistige und sittlihe Ausbildung der Lehrlinge gehalten. Jnnungen und Gewerbevereine üben durch Aus- stellung von Lehrlingsarbeiten, Lehrlingsyrüfungen und Prämitierungen einen günstigen Einfluß aus. Der Berichterstatter bemerkt aber zum Schluß: „Im aligemeinen sind keine Fortschritte in der Lehrlings- ausbildung wahrnehmbar.

In den Buchdrucereien ist, soweit sie der Tarifgemeinschaft angehören, die Lehrling8zahl dur den deutschen Buchdruckertarif geregelt. In den übrigen Betrieben findet sich vielfah eine stärkere Lehrlingszahl. Die Lehrzeit hwankt zwischen 3 und 4} Jahren. Lehre verträge sind häufiger als in den Schlossereien, Lehrgeld ist selten. Dagegen bildet die Zahlung eines kleinen Wochenlohns, 1 bis 6 M, die Regel. | Fortschritte in der fachlichen Ausbildung sind nach dem Bericht auch hier niht wahrgenommen worden.

++1+1++++++

-

Literatur.

Das Reihs8-Börsengesey vom 22. Juni 1896 mit den Ausführungsbestimmungen und der Makler-Ordnung sowie der neuen Börsenordnung für Berlin, unter eingehender Berücksichtigung der Börsfenordnungen für Frankfurt a. M. und Hamburg erläutert von Dr. Hans Hoffmann, Rechtsanwalt und Notar in Berlin. Preis 4 6 Berlin, Haude u. Spener’sche Buchhandlung (F. Weidling). 1897. Mit und ohne Kommentar ist das Börsengeseß bereits in mehreren Ausgaben erschienen. Das vorliegende Buch hat den Vorzug einer forgfältigen und fachverständigen Kommentierung aller einzelnen

giiecntiden Bestimmungen. Der Verfasser hat die Ergebnisse der isherigen geshäftlichen Praxis unter dem neuen Gesey berückfichtiat und verarbeitet, auch die umfangreiche E in der Tages- und Fachpresse für und gegen die Bestimmungen des Geseßzes beahtet, namentlich die Einwentungen aus Geschästskreisen einer Prüfung unterzogen und vow juristishen Standpunkte eingehend be- gutahtet. Aus der Prt für die Praxis ges{hrieben, ift das Buch au deshalb für die Geschäftswelt werthvoll, weil darin nit nur die gesammten Ausführungébestimmungen, sondern au die Börsenordnungen von Berlin, Frankfurt a. M. und Hamburg Aufnahme gefunden haben. Für die praktische Brauchbarkeit des Werks kommt ferner in Betracht, daß bei jedem Geseßzesparagraphen die eins{chlägigen Be- stimmungen der Ausführungsgeseße und der Börsencrdnungen von Berlin, Frankfurt a. M. und Hamburg übersichtlich zusammenaestellt und sodann mit den eigenen erläuternden oder fritishen Bemerkungen des Verfassers versehen find, so daß alles Zusammengebörige stets an einer Stelle zusammengetragen is. Ein schr ausführlihßes Sach- register erleihtert die Benugung des Buches.

Gruchot’s Beiträge zur Erläuterung des deutschen Nechts, herausgegeben von Dr. Rassow, Reichsgerihtée-Rath, Dr. Künßel, Ober-Landesgerichts-Präsident, und Dr. Eccius, Ober- Landesgerichts-Präsident. V1. Folge, 1. Jahrgang, Heft 2/3. Berlin, Verlag von Franz Vahlen. Das vorliegende Doppelheft enthält folgende Abhandlungen: „Bemerkungen zur Ordnung der E versteigerung im Entwurf eines Reichêgeseßes über die Zwangs- versteigerung und Zwangsverwaltung“ von Dr. M. E. Eccius; „Die privatrechtlihen Beziehungen der Armenverbände zu dem Unterstüßten und zu dritten Perfonen nah Reichéreßt und preußischem Recht * von Landrichter Dr. Schaefer in Hamburg (Fortseßung und Schluß) ; „Die Vertretungspfliht des Verkäufers sür Grundstückslasten (zur Auêlegung der §§ 175 bis 184 1. 11 A. L-R.)“ von Rintelen, Präsidenten des LVber-Landeskulturgerihts in Berlin; „Die Rechts- verhältnisse bezüglich des Altentheils nah dem Bürgerlichen Geseßgz- bu“ von Notar a. D. Dr. Eugen Josef in Freiburg i. Breisgau : „Das Reichsrayongesez vom 21. Dezember 1871 in seiner Bedeutung für die Hypotheken- und Grundschuldgläubiger nah Landes- und Neihsreht“ von Amtsrichter Feldhahn in Regenwalde; „Zur Lehre von den Löschungsklagen aus dem Geseze zum Schuße der Waaren- bezeihnungen“ von Dr. jur. Biberfeid in Berlin; „Sind Maschinen ausgeschlossen vom Gebraußêmustershuy ?* von Ober-Landesgerihts- Nath Rudorff in Hamburg; „Darf die Vollstreckungéklausel unter einer gemäß § 702 Nr. 5 der Zivilprozeßordnung errichteten Urkunde gegen den Singularfuccessor des ursprünglißen Swuldners ertbeilt werden ?“ von Justiz-Rath Dr. Martinius in Erfurt. An diese Ab- handlungen schließen si zahlreiche Entscheidungen des Reichsgerichts mit ausführlichen Begründungen und literarishe Anzeigen an.

_ Von dem Prahtwerk „Deutsche Helden aus der Zeit Kaiser Wilhelm'sdes Großen, Ernstes und Heiteres aus der vater- ländishen Geschicte 1797—1897* von Hans Kraemer (Berlin W., Verlagéhaus Bong u. Co.), liegt die zweite Lieferung vor, die noch mehr als ihre Vorgängerin den durchaus eigenartigen Charakter des interessanten Werks zum Ausdruck bringt. Jn Wort und Bild werden darin die Thaten der deutschen Helden geschildert, die den Grundstéin zu dem stolzen Bau legten, den Wilhelm 1. und seine Paladine vollendeten, ebenso die weise Führung der Feldherren und die todesmuthige Kühnheit der Tapferen aus dem Volke in den Jahren der Befreiung vom Joche des koisishen Eroberers. Die Glanzpunkte des zweiten Heftes bilden die vorzüglichen MReproduktionen des bieher wenig bekannten, ergreifenden Bildes von Adolf Menzel „Victoria !“, einer im Jahre 1836 entstandenen, groß- artigen Darstellung des Abends nah der Völkershlaht, und des

adckenden, farbenreihen Zimmer’schen Gemäldes „Scharnhorst's leute Attaque bei Großgörshen“. Während der fesselnde und belehrende Text die Ereignisse des Jahres 1813 bis zur Flut Napoleons schildert, geben die zahlrcichen Bilder, Karikaturen und Fafsimiles darunter ein noch nit veröffentlihter Brief des Turnvaters Jahn ein charaftercistishes Bild der rubmvollen Zeit der Befreiungékriege.

Die Königin Hortense von Holland. Nach Aeuße- rungen ihrer Zeitgenossen von Joseph Turquan. Uebertragen und bearbeitet von Oscar Marschall von Bieberstein. Zwei Bände zu je 15 Bogen, 89%. Leipzig 1897, Verlag von Heinrih Schmidt u. Carl Günther. Pr. pro Band 3 46 60 F (geb. je 4 M 60 9). Um eine rein menshlich aufgefaßte IlUustration großer geschichtlicher Persönlichkeiten zu erhalten, wünsht der Geschichtsfreund sih auch über das Private leben dersclben zu unterrihten und namenilich die Urtheile der Zeits genossen zu hören und zu vergleihen. Er will die Wahrheit wissen, will die Gestalt befreit sehen von dem Nimbus, mit dem höfitche Etiquette und andece Rücksichten fie umgeben. Die geschihtlihe Wahrheitsliebe läßt es nicht zu, hier zu übertünchen, dort zu ver- \hönen, oder hier zu verringern, dort hinzuzuthun. Der Verfasser war in diesem Sinne bemüht, bei feiner Schilderung der Königin Vortenfe, der Mutter Napoleons IIL., ein auf Grund der überlieferten Berichte und Aeußerungen Mitlebender gezeihnetes treues Lebent- und G harakierbild herzustellen, welches, gleih den anderen Werfen des Verlages aus der Zeit des ersten Napoleon, auch über den Kreis der Fachh1storiker hinaus Interesse erwecken dürfte.

._— Von dem bereits erwähnten illustrierten Werke „Die Haupt - städte der Welt“ (Schlefishe Buchdruckerei, Kunst- und Verlags- anstalt von S. Scotilaender, Breslau) ‘liegt jeßt die 6. Lieferung vor. Dieselbe enthält den Schluß der Schilderung von Stocholm, die Beschreibung Kopenhagens von A. Michel und den Beginn der Schilderung Brüfsels von Camille Lemonnier. Das Heft is mit zahlreiten Texrtbildern und zwei großen Tafeln gesch{müdt, welche „Thiergartenbilder“ (Stotholm) und den „Kungsträdgärden“ (Königé- garten in Kopenhagen) verans{aulihen. Der Preis des Hefts beträgt nur 509 , das vollständige Werk wird 10 Æ kosten.

Das neueste Halbmonatsheft (Nr. 7, 21. Jahrgangs) vom 1. April 1897 der „Monats\chriftfür deutsheBeamte“ (Alleiniges Organ des Verbandes deutscher Beamtenvereine; Herausgeber: Fr. Caspar, Kaiserlicher Geheimer Ober-Regierungs - Rath und vortragender Rath im MReichsamt des Innern, Berlin; Haupt-Geschäftsftelle in Grünberg in Schlesien; Preis für das Vierteljahr 1.4 50 4) enthält u. a. folgende Abhandlungen und Nachrichten über Fragen des Be- amtenthums: Die Postbeamten-Laufbahn; Nachtrag zum Normal-Etat über die Besoldungen der Leiter und Lehrer an höheren Unterrihts- anstalten; Gehälter der Landrichter bei dem gemeinschaftlichen Lands geriht in Meiningen; Charakterverleihungen an Kreiösekretäre; Ge- haltsordnung für die württembergishen Beamten; Parlamentarische erde Reisekosten und Tagegelder der preußishen Staats- eamten.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- Maßregeln.

Aus den „Veröffentlihungen des Kaiserlihen Gesundheitsamts* Nr. 14 vom 7. April. S E Pest.

British-Ostindien. In der Stadt Bombay find, der „Bombay Government Gazette“ zufolge, in den 4 Wochen vom 10. Februar bis 9. März 845, 778, 692 und 590 Totesfälle infolge der Seuche gezählt worden. Einer Mittheilung vom 6. März zufolge hat die Krankheit in Poona zugenommen. Aus dem Punjab wurden weitere Erkrankungen gemeldet, und auch im Innern von Sind sollen einzelne Pestfälle bis nah Sukkur hin vor- gekommen fein.

Cholera.

Frankreich. Pioie dem „Bulletin hebdomad. de statist. municipale“ ift zu Paris in dem Stadtviertel Saint-Lambert laut Franfenhausärztliher Meldung cine Cholera-Erkrankung in der Woche vom 21. bis 27. März festgestellt worden. /

__ British-Ostindien. Kalkutta. Vom 21. bis 27. Februar ind 101 Personen an der Cholera, 6 an Pocken und 175 an iebern gestorben.