1897 / 95 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 23 Apr 1897 18:00:01 GMT) scan diff

In der Ersten Beilage gee heutigen Nummer des und Staats-Anzeigers“ wird eine Uebersicht der Haupt- Ard der Statistik der Krankenversiherung r ,

in der Zweiten Beilage werden die im Kaiserlichen Statistishen Amit zusammengestellten Nachrichten über den Saatenstand im Deutschen Reiche um dieMitte des Monats April veröffentlicht.

Sachsen.

Aus Anlaß des heutigen Geburtstages Seiner Majestät des Königs fanden gestern Vormittag von 111/, Uhr an im Könialichen Residenzschlosse die üblichen Gratulationscouren statt.

Zur Feier des Tages iragen heute alle öffentlihen und viele Privatgebäude Dresdens Flaggenschmuck. Mittags fand durch Seine Königliche Hoheit den Prinzen Georg große Paroleausgabe statt, während auf dem Altmarkt die Musik spielte. achmittags vereinigten sich die Spiyen der Behörden im Vereinshause, die Minifter, das diplo- Ca De Korps und die Ober: Hofchargen bei dem Staats- Minister von Mebsh zum Diner. Außerdem fanden in den Offizier-Kasinos Feltmable statt. Die Armen wurden öffentlich gespeist. Abends werden die öffentlihen Plätze fest- lih illuminiert werden.

Oesterreich-Ungarn.

Seine Mazestät der Kaiser Franz Joseph stattete heute früh dem italienishen Botschafter einen längeren Besuch ab und drückte ihm in warmen Worten die Glückwünsche an- läßlih der glücklihen Errettung des Königs aus.

Gestern Mittag 121/, Uhr erschien Seine Majestät der Kaiser Wilhelm in der Kapuzinergruft und legte persönlich einen Kranz am Sarge des verewigten Kronprinzen Rudolph nieder. Sodann begab Sich Seine Majestät in Begleitung des zum Ehrendienst kommandierten Feldzeugmeisters Vrinzen Lobkowiß und des Generals der Jnfanterie von Hahnke in die Kaserne des 7, Husaren-Negiments, wo Allerhöchstderselbe von dem Vrigade-Kommandeur Erzherzog Otto, dem Korps- Kommandanten Grafen Uexküll und dem Regiments- Kommandeur von Ströhr empfangen und alsbald in das V kasino geleitet wurde. Bei der Frühstlckstafel gab der Oberst von Ströhr dem Dank des Regiments für den Besuch Seiner Majestät“ des Deutschen Kaisers mit folgenden Worten Ausdrudck :

„Eure Majestät! Eine ter ältest2n Traditionen unferer Armee bringt es mit sich, daß jedes Negiment während eines bestimmten Zeitraums der Ehre theilhaftig wird, unter den Augen seines Aller- böchsten Kriegsherrn im Herzen der Monarchie dienen und hier seinen kriegerishen Werth erweisen zu können. Durch die Gnade Eurer Majestät erfreut sh unfer Negiment während der bedeutungsvollen Poriode der außergewöhnlichen, befonderen Ehre, von seinem Allerhöchsten Jnhaber zum wiederholten Male bei jenem mili- tärishen Feste geführt zu werden, das unser Ällerböchstexr Kriegöherr dur eine Besihtigung Seiner Soldaten auszuzeichnen geruht. Die hohe Ehre, die Gure Majestät hiermit dem Regiment zu erweisen die Gnade hatten, erfüllt uns Alle mit ehrfurchtsvollstem Dank, und ih rufe: Der Erhabene Inbaber der Siebener Husaren, der Erlauhte Verbündete unseres geliebten Monarchen, Kaiser Wil- helm, lebe hoh!"

Nach dem Ausklingen der begeisterten Hohrufe der An- wesenden erwiderte Seine Majestät der Kaiser Wilhelm, dem „W. T. B.“ zufolge:

„Mein lieber Herr Oberst! Sie und Ihr Offizierkorps können über die Worte, welhe Seine Majestät der Kaiser Franz Joseph Mir heute gelegentlih der Parade über Mein österreihisz-ungarishes nen im allgemeinen und über die Haltung und den

eist des BDffizierkorps im besonderen in anerkennender Weise mit- tbeilte, mit freudigem Stolz erfüllt sein. Das Regiment hat die berkömmliche Zeit von Jahren in unmittelbarster Nähe seines Erlauchten Kriegsherrn mit dem besten Erfolge gedient, und Ich kann nur aus auf- rihtigstem Gefühle versihern, daß Jh Seiner Majestät dem Kaiser immer aufs neue dankbar bin, Mir dieses Regiment verliehen zu baben, und daß Jh Mich ganz besonders gefreut habe, dasselbe auch heuer wieder in vorzüglihster Verfassung Seiner Majestät, Jhrem Allerhöchsten Kriegsherrn vorführen zu können. Das Regiment wird nun baid die Nesidenz verlassen und hat alle Urfache, seine hiesigen Dienstleistungen und die von seinem Allerhöchsten Kriezsherrn er- worbene Anerkennung für imwer in feinen Annalen festzuhalten. Mit nochmaligem Ausdruck Meiner Freude, daß es Mir durch die Gnade Seiner Majestät Jhres Allerhöchsten Kriegsherrn vergönnt war, bei Meinem Husaren-Regiment verweilen zu können, erhebe Jch Mein Glas und rufe freudigen Herzens: Mein Erlauchter WVer- bündeter, Ihr Allerhöchster Kriegsherr, Kaiser Franz Joseph lebe hoh, ho, boch! Hurrah! Hurrah! Hurrah!“

Alle Anwesenden stimmten begeistert ein. Seine Majestät zog sodann die Offiziere des Regiments in freundlichster Weise ins Gespräch und begab Sih um 23, Uhr mit dem Erzherzog Otto und der gesammten Begleitung in den Kasernen- hof auf die daselbst errichtete Tribüne, um den Reiter- produftionen des Regiments beizuwohnen. Am Schluß der- selben sprach Sich Seine Majestät außerordentlich s{chmeichel- haft über dic Leistungen der Mannschaft aus.

__Abends 6 Uhr fand in dem prachtvoll geshmückten N nau der Hofburg ein Galadiner statt. Die Majestäten saßen an der oberen Schmalseite in der Mitte der hufeisenförmigen Tafel. Der Kaiser Wilhelm saß zur Rechten des Kaisers Franz Joseph. Zur Rechten des Kaisers Wilhelm hatten ihre Pläße: die Erzherzogin Blanca, die Erzherzoge Otto, Joseph Ferdinand, Leopold Salvator, Friedrih, Rainer und die Gemahlin des deutshen Bot- schafters, Gräfin zu Eulenburg. Zur Linken des Kaisers Franz Joseph saßen: die Erzherzogin Marie Valerie, die Erzherzoge Ludwig Viktor, Peter Ferdinand, Franz Salvator und Eugen und der Kardinal Grusha. Ferner nahmen an dem Gala- diner 1heil: der deutsche Botschafter Graf zu Eulenburg, das Gefolge des Deutshen Kaisers, die obersten Hof- würdenträger, der Minister des Auswärtigen Graf Goluchowski, der Reichs-Kciege-Ministec von Krieghammer, der Neichz- inanz-Minister von Källay, der österreichische Minister-Präsident (Graf Badeni , der ungarishe Minister - Präsident Baron Banffy, die anderen österreichishen Minister, der Minister a latere Baron Jofica, der Admiral von Sterneck, die (Seneralität, der Statthalter Graf Kiclmanseag, der Bürger- meister Dr. Lueger und zahlrcihe Herren und Damen oer Aristokratie. Die Tafelmusik wurde von der Kapelle des Tiroler Kaiserjäger-Negiments ausgeführt.

Der König und die Königin von Rumänien sind heute in Abbvazia eingetroffen und feierlich empfangen worden. Nbbazia und Volosca sind festlih beflaggt.

Frankreich.

Der Präsident Faure, welhem die Nachricht von dem Attentat auf den König von Jtalien nah St. Nazaire tele- Bee wurde, hat dem König eine Glückwunschdepesche gesandt.

Unter dem Kommando des Generals Jeannerod be- ginnen am 27. d. M. Manöver an der elsässischen Grenze, an welchen die Garnisonen von Belfort, Montbéliard und Héricourt theilnehmen.

Vor der griechischen Gesandtschaft in Paris herrschte, wie „W. T. B.“ meldet, gestern cine gewisse Erregung. Etwa 50 Personen hatten sih vor derselben eingefunden und ver- langten, als Freiwillige nach Griechenland entsandt zu werden. Da der Gesandte indessen keinen hierauf bezüglichen Befehl erhalten hatte, so konnte er dem ihm ausgesprohenen Wunsche niht willfahren.

Rußland.

Der Kaiser und die Kaiserin sind, wie „W. T. B.“ meldet, mit der Großfürstin Olga Nikolajewna geflern Nach- mittag aus Zarsfoje Sselo in St. Petersburg eingetroffen. Die Kaiserin -Wittwe ist gestern von Kopenhagen nach St. Petersburg zurückgekehrt.

Einer Mittheilung des „Regierungsboten“ zufolge hat der Kaiser befohlen, daß der auf der St, Petersburger Admiralitätswerft im Bau befindlihe neue Kreuzer von 6630 Tons „Aurora“ zu benennen und der baltishen Flotte zuzuzählen sei.

Italien.

Als der König sih aestern Nachmittag 21/, Uhr mit

seinem Ersten Adjutanten, General Ponzio - Vaglia, zu dem Rennen nah Capannella begab, näherte sih, wie „W. T. B.“ meldet, außerhalb des Thores von San Giovanni, etwa 2 km von der Stadt, ein Mann schnell dem Königlihen Wagen und führte einen Dolchstoß gegen den König. Der Stoß ging glüdlicherweise fehl, denn der König wich mit be- wunderung3swürdiger Kaltblütigkeit aus, indem er sih im Wagen erhob. Der König sehte sodann die Fahrt nah dem Rennplay fort. Der Verbreher wazrf nach dem Stoße den Dolch weg und wurde sofort durch zwei Carabinieri und einen Polizei - Jnspektor verhaftet. Der Schuldige heißt Peter Acciariti, ist 24 Jahre alt, aus Artena gebürtia, Schmiedearbeiter und seit zwei Tagen ohne Arbeit. Er hat keine feste Wohnung und lebt in Feind- schaft mit seinem in Rom wohnenden Vater. Jm Augenbli der Festnahme wurde Acciariti von den anwesenden Personen u Boden geworfen und mit Fauslshlägen behan- elt. Der Verbrecher geberdete sih exaltiert; er scheint den Anschlag seit vorgestern geplant zu Haben, denn er äußerte, er werde am folgenden Tage eine hohe Persönlichkeit tödten. Seit vorgestern fudie ihn die Polizei, um ihn zu überwachen. Es scheint, daß Acciariti den Dolch selbst angefertigt hat: die Klinge desselben ist zweishneidia und 30 cm lang. Der Verbrecher hatte bei der Ausführung des Stoßes die Hand mit einem Taschentuch ummwickelt. Derselbe wurde nach seiner Verhaftung sofort nah dem Zentral- Our gebracht, woselbst ihn der Quästor einem Verhör unterwarf. Der König wurde bei seiner An- kunft auf dem Rennplay mit stürmishen Kundgebungen bc- grüßt. Die Königin traf ebendaselbst kurze Zeit na dem König ein, welcher sie sofort von dem Vorgange in Kenntniß eßte. Die Königin war lebhaft bewegt und drückte dem König innig die Hand. Als der König nach einigen Minuten die Tribüne bestiegen und sih die Nachricht von dem Attentat verbreitet haite, brahte die Menge Allerhöchst- demselben lang anhaltende Freudenkundgebungen dar. Die Diplomaten und die auf dem Rennplaße anwesenden hervorragenden Persönlichkeiten begaben sich alsbald auf die Königliche Tribüne und beglückwünschten den König. Der König und die Königin blieben mit dem Herzog und der Herzogin von Aosta bis zum SHluß des Derby-Rennens. Um 61/4 Uhr Abends trafen die Majestäten wieder im Quirinal ein; zahllose Wagen folgten ihnen vom Rennplag bis zum Palast. Aus allen Theilen der Stadt strömte cine ungeheure Menschenmenge auf der Piazza del Quirinale zusammen, die dem König eine stürmische Huldigung bereitete. Auf Verlangen wurde inmitten unbe- schreibliher Begeisterung von der Schloß-Sarde mehrere Male die Königshymne gespielt. Der König und die Königin erschienen, von der Huldigung der Bevölkerung tief gerührt, wiederholt auf dem Balkon und dankten unter fortwährenden allleitigen Hochrufea. Die VBotschaften, die öffentlihen und Privat- gebäude in der ganzen Hauptstadt waren beflaggt. Außer- ordentlih zahlreiche Personen schrieben sich in die im Palast ausgelegten Listen ein. Maueranschläge forderten die Bevölke- rung auf, um 9 Uhr Abends an einer Kundgebung zur Ehrung des Königs theilzunehmen. Dieselbe begann zur an- egebenen Zeit auf dem Colonna-Playe. An der Spige tanden die monarchischen Vereinigungen, welhe 12 Fahnen mit sih führten. Die Theilnehmer an dem Huldigungszuge bewegten sih unter fortdauerndem Enthusiasmus nah dem Quirinal, wo sie begeisterte Hohrufe auf den König aus- brachten. Die Mazjesläten erschienen mit dem Herzog und der Herzogin von Aosta sowie der Herzogin von Genua zweimal auf dem Balkon, um für die Huldigungen zu danken. Später empfing der König Deputationen der Theilnehmer an dem Huldigungszuge und sprach ihnen scinen Dank für die Kundgebung der Beoölkerung aus. Aus dem Julande wie aus dem Auslande sind zahlreihe Glükwunsh-Depeshen an den König cingetroffen. Depeschen aus der Provinz melden, daß überall, namentlich in den Theatern, Huldigungen für den König stattfanden; auch in Nom fanden in den Theatern Ergebenheitskundgebungen statt. Als die Theilnehmer an dem Huldigungszuge aus dem Quirinal zurückkehrten, veranstalteten sie eîne Kundgebung gegen das. fozialistishe Journal „Avanti“.

Der Prinz von Neapel is heute früh aus Florenz in Nom angekommen, um dem König persönlih seine Glück- wünsche darzubringen. Jn den Provinzen finden heute überall Kundgebungen zu Ehren des Königs und der Köaig- lichen Familie statt.

Spauien. Dle Konigin-Negentlil wird, dem „W. T. B. zus folge, heute ein Dekret unterzeihnen, durch welches die Cortes auf den 20. Mai einberufen werden.

Türkei. Aus Konstantinopel von gestern meldet das Wiener Telegr.-Korresp.-Bureau“, daß der Ghazi Osman Pascha

fich heute von Konstantinopel nach dcm Kriegsschauplaz be: geben werde. - S

Das französische Konsulat hat, wie „W. T. Y. meldet, begonnen, provisorishe Schußscheine an die katholischen Griechen auszuliefern. Die Kommission für die Ausweisung griehisher Unterthanen hielt heute im Polizei-Minisierium ihre erste Sißung ab. (s verlautet, daß die festgeseßte Frist von 15 Tagen nur für Kaufleute Geltung haben solle, daß jedoch alle anderen Griechen, die keine permanente Beschäftigung hätten, {on binnen 3 Tagen abreisen müßten. Se griehishe Firmen haben bereits die Geschäfte eingestellt. Viele erwarten aber daß eine Verlängerung des Termins eintreten werde. Ein griechishes Cabotage-Schiff ist mit Beschlag belegt worden.

Von den Dardanellen wird gemeldet, daß die zweite türfishe Flotten-Division, von Konstantinopel kommend fich mit der ersien Division in der Nagara-Bay ver: einigt habe.

Ucber die vorgestrigen Kämpfc im Meluna-Paß be- richtet das „Reuter sche Bureau“ von vorgestern 11 Uhr Vor: mittags: Seit Tagesanbruh tobt ein heftiger Kampf. Die Griechen versuchten die auf einem Hügel egenüber der Schlucht befindliche türkische Stellung stürmend zu nehnen, wurden aber mit {weren Verlusten zurücckgzeworfen. Der Kampf dauert noch immer fort. Die Türken haben starke Reserven in Bereitschaft, welche erforderlihenfalls in den Kampf eingreifen können. An demselben Ort fiel am Dienstag Dschelal Pascha, der Kommandeur einer zur Division Neschat Pascha gehörenden Brigade. i

Nach Angabe des Kriegs-Ministeriums befanden sit am Mittwoh 54 Bataillone, 2 Kavallcrie-Negimenter und 16 Batterien auf griechishem Gebiet. Jn Konstantinopel ein- getroffene Depeschen aus Elassona von gestern melden, dem Wiener „Telegr.-Korresp.-Bureau“ zufolge, daß die griechischen Truppen in panikartiger Flucht Kozkoy verlassen hätten und von türkishen Truppen verfolgt worden scien. Leßtere hätten Tschahissar (?) passiert und Berybermen (?) beseßt. Der Ge der 3. Division sei bis Revrenos und Musfsalar vor: gerückt.

Aus Larissa von gestern wird dem „Reuter'schen Bureau“ berichtet: Vicrhundert Angehörige der Fremden- legion sind am Dienstag unter begeisterten Kundgebungen der Menge hier angekommen und noch in derselben Nacht nach der Grenze abgegangen. Grißovali ist von den Griechen wiedergenommen worden, nachdem die Evzonen und eine Gebirgsbatterie die Berge östlih vom Kloster St. Georg beseßt und die Türken in der Flanke angegriffen hatten. Nach einem erbitterten mehrstündigen Gefecht ließen die Türken, welhe die Grichen von Mati und Ligaria weg- gedrängt hatten, 380 Mann von der cirkassischen Reiterci vor: gehen. Dieselben wurden aber unter starkên Verlusten durch die Artillerie und die Evzonen zurückgetrieben. Nachdem das Gefecht noch den ganzen Tag angedauert hatte, wurden die Türken schließlih durch die Jnfanterie und die Artillerie, welche in einem Halbkreise von Turnavo bis Karabali aufgestellt war, auf Ligaria zurückgeworfen. Es verlautet, die Türken befänden sich auf dem Nückzug über den Meluna-Paß nach Elassona. Die Wege nach Larissa sind mit Flüchtlingen von den Dörfern an der Grenze mit ihren Heerden, Schaf.n, Pferden und Eseln überfüllt, und in Larissa selbst ist alles beseßt. Die Nahrungs: mittel sind knapp, die Hospitäler gefüllt. Man verlangt dringend Pflegerinnen und Wundärzte, da fortwährend Ver- wundete eingebraht werden und die Operationen ohne Chloro- form ausgeführt werden müssen.

Nach eïnerM-ldung der „Times“ aus Athen vom gestrigen Tage dauerte das Gefeht am Reveni-Passe gestern fort. Die Angriffe der Türken seien indesscn augenscheinlih s{chwäcer, und man gewinne den Eindruck, daß die türkischen Be- wegungen nach di:ser Richtung nur den Zweck gehabt hätten, eine Diversion zu machen und die Absicht Edhem Pascha's, über Mati auf Larissa vorzudringen, zu verdecken.

Aus Larissa von heute meldet die „Agence Havas“, daß die griechishe Artillerie nah ihrer Verstärkung bemüht sei, die türkishen Batterien in Vigla zum Schweigen zu bringen, die den Vormarsch der Brigade Smolenski auf Damasst hin- derten. Die E:nnahme von Vigla würde die Vereinigung der Brigaden Smolenski und Demopulos in der Umgegend von Bughazi gestatten. Bei Turnavo und Mati tode eia heftiger Kampf. Die Brigade Calamanos habe die Grenze bei Nezero verlassen und sich auf Maurichori zu- rückgezogen, wo sie sih verschanzt habe.

Eine zweite Depesche meldet, daß die Türken ihren R ück- zug in der Richtung auf Pigadia forlsezten. 108 Verwundete jeien über Volo in Larissa eingetcoffen. Die Gesammtzahl der Verwundeten in allen bisherigen Kämpfen betrage 600 bis 700. Die Zahl der Getödteten sei unbekannt. Jn dem Kampfe bei Mati habe der Oberst Mastrapas einen Angriff der türkischen Kavallerie zurückgewiesen und derselben ernste Verluste beigebracht.

Nach einer in Athen eingetroffenen Depesche aus Arta von gestern früh 4 Uhr hat der Major Sußÿos mit 2 Eskadrons Kavallerie drei Dörfer bescht, welhe 2 türkische Bataillone inne hatten. Eine Eskadron beseßte das Fort Salagura, welches von den Türken geräumt war. Die Griechen fanden dort 3 Kanonen und Dynamit vor. Der Oberst Manos ha! h in Strivina festgeseßt.

Aus Athen von heute früh liegt die Meldung der „Agence Havas“ vor, daß das griehi)che Panzer-Geschwader Katerina bombardiert und dabei die öffentlichen Gebäude, darunter au das Zollamt, sowie die für das türkische weer bestimmtcn Niederlagen von Lebeasmitteln zerstört habe. Bie ariehishe Flotte habe sodann Scala de Letokhóri 2% schossen, das dabei in Brand gerathen sei. Edhem Pascha habe 8000 Mann nach der Küste entsandt, da er die Besorgniß hege, die Griechen könnten landen und ihm in den Rüden fallen. Das West-Geschwader habe Mourto, nördlich von Prevesa, beschossen. Ein türkischer Dampfer sei gekapert und nah Korfu gebracht wordcn.

Die „Times“ meldet aus Kanea von gestern: man hege dort Furcht vor einem Artillerieangriff der Aufständischen auf Kandia, wo sich jeyt 50 000 Mohamedaner bfänden, m! einer nur klcinen Garnison, der keine Feldgeshüße zur Dtt fügung ständen.

Griechenland, ;

Jn ciner dem griechischen Gesandten in Paris zugegangencl Depesche aus Athen wird erklärt : kein türkischer Unter? than werde aus Griechenland ausgewiesen werden, solangé sein Verhalten keinen Anlaß zu Klagen gebe.

i i Serbien.

Einer Meldung der „Politishen Korrespondenz“ aus Belgrad zufolge hat der i de A Gesandte in Konstan- tinopel neuerliche Schritte bei der Pforte unternommen behufs Regelung der Uesküber Metropolitenfrage. Der montenegrinishe Gesandte in Konstantinopel hat sih den Schritten des serbishen Gesandten angeschlossen.

Amerika.

Auf den Präsidenten von Uruguay isst, dem „Reuter'shen Bureau“ zufolge, am Mittwoch ein Pistolenshuß abgegeben worden. Der Schuß ging fehl, der Verbrecher wurde verhaftet.

Afrika.

Aus Lourençco Marques meldet das „Reuter’sche Bureau“, daß ein aus sechs Schiffen bestchendes britishes Geshwader in den Fluß eingelaufen sei. Zwei andere Schisfe seien auf der äußeren Rhede geblieben. Auf eine an die Admiralität gerichtete Anfrage über die Gründe der Anwesenheit des britishen Geschwaders in der Delagoa-Bay ist dem „Neuter'shen Bureau“ die Auskunft ertheilt worden, daß die unter dem Kommando des Admirals Rawson stehenden Schiffe lediglich den gewöhn- lihen Dienst der Station ausführten. Die nächste Be- stimmung des Geshwaders sei dem Ecmessen des Admirals Nawson überlassen, der Admiralität sei daher nihts darüber bekannt. Ein Fan E Kriegsschiff ist gestern gleihfalls- in Lourenço Marques eingetroffen. i Demselben Bureau wird aus Kapstadt berichtet, daß dic Wehrkommission der Kolonie die Errihtung einer lofalen Streitmacht von 11000 Mann, sowie die Ein- führung der militärischen Dienstpflicht für alle

Weißen männlichen Geschlechts im Alter von 18 bis 60 Jahren und eine bedeutende Vermehrung der in der Kapkolonie garnisonierenden Reichstruppen empfohlen habe.

Arbeiterbeweguug.

Aus M. - Gladbach wird den Blättern gemeldet, daß die Ziegelarbeiter der Ziegeleien in Odenkirchen in den Ausstand eingetreten sind; sie fordern Lohnerhöhung e

In Nieder-Schönweide bei Berlin haben, wie im „Vor- wärts“ mitgetheilt wird, 20 Tischler der Firma Schulz u. Co. die Arbeit niedergelegt.

Aus Gera wird gemeltet, daß der Verbandstag der deutschen Bäcker und Berufsgenossea (vgl. Nr. 93 d. Bl.) die Verschmelzung des Verbandes mit dem der Müller und Konditoren zu einem Ver- bande der Arbeiter ter Nahrungsmitt:l-Industrie mit 14 gegen 9 Stimmen beschlossen habe. E A /

Aus Elberfeld berichtet die «non Ztg.“, daß die Delegirten- Versammlung des Gesammtverbandes der evangelischen Arbeitervereine Deutschlands in ihrer zweiten Sihung folgende Resolutionen angenommen habe: Wir balten Instanzen für nötbig, welhe bestimmungsmäßig den Zwcck haben, Streitigkeiten zwiscken den Arbeitgebern und Arbeitnehmern durch Auz?gleich coder Schiedêgeriht beizulegen. Als Instanzen haben zu gelten: Berg- amt, G-werbegeriht, Arbteitsamt, Fabrikinspektorat und städtische Deputationen. Indbesondere erfennen wir zur Verhütung von Auë- ftänden es als nothwendig an, cinerseits die getrennten Berufs- organisationen, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, durch gefeß- lihe Anerkennung zu fördern, anderseits {hon jeßt cine gemein- \ckafilihe Organisation ins Auge zu fassen und durch geseßliche Bestimmungen Garantien dafür zu s{chafffen, daß erstens beide Theile stets in engster Fühlung bleiben und zweitens bei ausbrechenden Streitigkeiten Instanzen vorhanden find, die das Vertrauen beider Theile genießen und zu dem S nicht nur berechtigt, sondern au veipflihtet sind. Die Versammlung erklärt die Biltung eines Nehcs von Arbeitsnahweisiellen im Deutschen Reiche und die Herstellung einer geregelten Verbindung derselben unter einander jür durhaus wünschenéwerth und ritet an die Gemeinden fowie an alle Arbeiter- und gemeinnüßigen Vereine den Appell, mit der Organisation derselben vorzugehen. Der nächste Delegirtentag tagt 1895 in Cafjef, : |

In Bremen stellten am Dienttag gegen 100 Fein- \pinnerinnen der Iutespinnerei und Weberei Lremen die Spinn- stühle ab, um, wie der „Vorwärts* berichtet, eine Erhöhung der Accordlöhne durhz usühren, was au gelang.

In München ist der Ausstand der Schuhmacher (vgl. Nr. 89 d. Bl.) beendet ; die Forderungen der Gehilfen wurden, wie der „Vorwärts“ meldet, von 77 Meistern bewilligt.

In Göppingen haben einer Mittheilung desselben Blattes zufolge die Zimmerleute wegen Lohnfireits die Arbeit eingestellt.

Aus Prag meldet „W. T. B.°*: In einer Versammlung der Handlungsgehilfen kam es am Mittwoch zwischen nationalslavischen Sozialisten und Sozialdemokraten zu einem heftigen Zusammenstoß. Die Verfamnilung wurde aufgelöst, Beide Parteien geriethen ins Handgemenge. Biele sprangen aus den Fenstern. Drei Perfonen wurden {wer verleßt. Die Tumultuanten wurden durch die Wache zerstreut. Gin Wahmann erhielt einen Dolchstoß.- :

Aus St. Petersburg wird der „Köln. Ztg." telegraphiert : Unter den Arbeitern der hiesigen Fabriken geben Aufrufe “um, die zu einem allgemeinen Arbeii8aubstande vom 28. April ab auffordern. Unter dea ausständishen Arbeitern ter neuen Baumwollspinnerei sollen sich au ziemli viele Finnen befinden. (Vgl. Nr. 93 d. Bl)

Kunft und Wissenschaft.

Jahresbericht über die Herausgabe der Monumonta Germaniae historica.

Bon E. Dümmler.

Die 23. Plenarversammlung der Zentral-Direktion der Monumenta Germaniae historica wurde in diesem Jahre vom ò. bis 7. April in Berlin abgehalten. Durch eine Reise wurde Herr Geheimer Nath Brunner an der Theilnahme verhindert, Herr Gebeimer Rath von Hegel aus Erlangen durch Unwoblfein, Herr Hofrath Maaßen aus Innsbruck batte sich entjchuldigt. Anwesend waren die Herren Profefior Breßlau aus Straßburg, Pro- fessor Dove aus München, Gehetmer Rath Dümmler als Vorsipender, Professor Holder-Egger, Professor Mommsen, Professor Mühtbacher aus Wien, Professor Schcffer-Boicho:st und Geheimer Nath Watten- bah. Zu neuen Mitgliedern der Zextral-Direïtion wurden die Herren Professor Dr. Zeumer hier und Privatdozent Dr, Traube in München gewählt.

Im Laufe des Jahres 1896 /97 erschienen:

in der Abtbeilung Auctores antiquissimi: 1) Chronica minora saec. IV. V. VI. ed. Th. Mommsen 1M D Aga N, 8), : in der Abtheilung Seriptores : 2) Seriptores X XX, I, Folioausgabe. : 3) Scriptores rerum Merovingicarum ed. Irusch L. in der Abtheilung Leges :

4) Constitutiones et acta publica imperatorum et regum

« Scliwalm ITL in der Abtheilung Antiquitates: _ |

‘b) Poetae Latini aevi Carolini 1H, 2, 2 (Schlu5 de: 3. Bandes)

: Traube,

6) Von dem neuen Archiv der Sesellslaft Band XXI1I, keraut- gegeben von Breßlau. | Unter der Presse befinden sich 1 Folioband, 9 Quartbände und | Dktavband.

In der Sammlung der Auctores antiquissimi find die kleineren Chroniken mit der leßten Lieferung des 3. Bandes zum Abschluß gelangt. Das von Herrn Dr. Lucas entworfene ausführliche Register über alie drei Bände wird im nähsten Sommer der Presse übergeben werden. Der ron Herrn Mommsen bearbeitete älteste Theil des liber pontificalis bis 715 ist im Druck \{hon to weit vorgerüdckt, daß man etwa mit dem Ende des Jahres seiner Vollendung entgegen- sehen darf. Es soll den Anfang einer besonderen Unterabtheilung von Quellen zur Papstgeschichte bilden, für welhe der allgemeinere Titel Gesta pontisicum Romanorum gewählt worden ift.

In der Reibe der Scriptores konnte der 3. Band der Mero- wingischen Geschichtsshreiber ausgegeben werden, der nah einer An- zahl älterer, in die römische Zeit hinaufreichender Heiligenleben die fränkishen nebst einigen burgundishen und westgothishen bis zum Ausgange des 6. Jahrhunderts entbält und nit nur kritis gereinigte Texte, sondern au eindringende Untersuchungen über den historishen und literarischen Werth dieser viel umstrittenen Denkmäler bringt. Unter denen, weldhe dem Herausgeber ihre Unterstüßung lieben, ist besonders auch Herr P. Fidel Fita in Madrid zu nennen. Der folgende, demnächst in Angriff zu nehmende Band wird mit den Werken des Jenas von Bobbio eröffnet werden.

Der 3. Band der Schriften zum Jnvestiturstreit dürfte etwa bis Pfingsten vollendet werden. Nah Gerhoh und einigen anderen, auf die Kirchenspaltung unter Friedrich I. Einen Stücken, unter denen ein bisher ungedruckter, wahrscheinlich von Ragewin verfaßter, Dialog und eine sonderbare Pcophezeiung hervorragen, bietet er eine größere Zahl von theilweise biéher ungedruckten Nachträgen, besonders auch zu der Streitfrage über die Priesterehe und die Priestersöhne, und es baben auch fo manhe Gedichte Aufnahme gefunden, in denen si die Stimmungen der Zeitgenossen am lebhaftesten abspiegeln. Außer Herrn Dr. Sadur bat sih namentlich Herr Dr. H. Böhmer als Mitarbeiter um diese Partie verdient gemacht, wie ihm auch das Regifter des Bandes ¿bertragen is. Bei dez mehrfach nach England hinüberreihenden Beziehungen dieser Schristen war uns, wie früher {hon öfter in ähn- lien Fällen, die E des Herrn Professors Liebermann hier- felbft fehr werthvoll, während Herr Professor Heigel in München dur seine Beihilfe zur Wiederauffindung der vermißten Hs. des Wido von Ferrara si ein großes Verdient erwarb. Wenn wir diefe Unter- abtheilung hiermit schließen, bedauernd, daß einige Schreiben des P:trus Damianti, daß Benzo von Alba und Alzer von Lüttich darin niht mehr Plaß finden konnten, so ersheint unter der Vorausseßung weiterer Entdeckungen die Hinzufügung cines 4. Bandes in Zakunft nicht ganz ausgeschlofsen.

Bei dem großen Umfange, welchen der 30. und leßte von den Foliobänden der Scriptores anzunehmen drohte, und der langen Ver- zögerung des Druckes hat der Herausgeber, Herr Prof. Holder-Egger, es zweckmäßig erachtet, die erste Hälfte des Bandes vorläufig allein auszugeben, indem das Register der zweiten vorbehalten bleibt. Außer ihm felbst haben die Herren Sackur, Dieterich und Böhmer daran mit- gewirkt. In engem Zusammenhange mit den thüringischen Geschichts- quellen, deren fritisch überaus s{wierige Herstellung die wichtiafte Aufgabe dieses Bandes bildete, steht die von Herrn Love Sager veranstaltete Handausgabe der Monumenta Erphesfurtensia, bie, im Druck schon ziemlich weit fortgeschritten, auch die älteren Erfurter Annalen in verbesserter Gestalt bringen foll. Bei einer dur diefe Arbeiten v. ranlaßten Reife nach Erfurt erwies sih für di- Auffindung neuer Materialien die Gefälligkeit der Herren Stadtarhivar Bey:r und Pfarrer Feldkamm besonders dankenswerth. Die zweite Hälste des 30. Bandes wird die Nawträge für die Zeit der fähsishen und namentlich der fränkishen Kaiser bringen. Gleichzeitig aber befinden sich die italienischen Chroniken des s\taufishen Zeitalters in weiterer Vor- bereitung und haben dem seit dem August angestellten neuen Mit- arbeiter Dr Gberhard vorzugsweise Beschästizung geboten. Einige Beiträge, die Faventiner Chroniken des Tolojanus und Petrus Cantinelli, lieferte auch Herr Dr. Simonsfeld in München. Eine Neife nah Italien von sciten des Herauêgebers wird tafür im nächsien Früßbjahr erforderlih sein. Für eine Handaus8gabe des früher mit unter dem ai at E Frutolf hat Herr Profeffor Breßlau seine Vorstudien fortgeseßt. i

E dem 3. Bande der deutshen Chroniken, den Werken Enikel’s, die mit Einschluß des österreichischen Landbuchs vollständi gedruckt sind, wird Einleitung und Register tur Herrn Professor Strau in Halle in diesem Jahre nachfolgen. Füc den 6. Band gedenkt Herr Profcssor Seemüller die Chronik Hagens demnähst zum Abschluß zu bringen. Für die Sammlung der historischen Lieder und Sprüche unternahm Herr Dr. Meyer eize nit ganz unergicbige Forshungéreise an den Ober- rhein und nah Württemberg und wird în gleihem Sinne fortfahren. Der Freiherr Nohus von Liliercron überließ uns in dankenswerther Wrise marhe für eine historishen Volkêelieder der Deutfchen ge- fammelten Nachträge. | / S

íIn der Abtheilung Leges, bei welher Herr Dr. Werminghoff seit dem 1. Oktober als Mitarbeiter eingetreten ist, stellte es sich als das dringendste Bedürfniß heraus, den von Hertn Dr. Krause unvollendet hinterlassenen 2. Band der Kapitularien dur Fertigstellung des Ne- gisters und der Einleitung, die sich auf beide Bände beziehen, zu Ende zu führen. Die Thätigkeit des Heren Prof. Zeumer wurde hierdurch fo sta:k in Anspruch genommen, daß der {on im vortgen Jahre be- aksihtigte Druck der großen Ausgabe der Westgothifchen Gesetze und der damit zusammenhängenden Vorarbeiten eine Verzögerung erleiden mußte und erst in diesem Jahre anfangen kann, in welchem dagegen das Erscheinen der Kapitularien in sicherer Aussicht steht. :

Herr Prof. von Schwind in Innusbruck wird erst im nächsten Herbit die Reise nah Italien zur Vorbereitung der neuen Ausgabe des bayerischen Volksrehts antreten, für welche er bidher nur bayerische und österreichische Handschriften verglichen hat, Für die {on früher als wünschenswerth erklärte und durch Herrn Professor Hübner ein- geleitete Sammlung der fräukischen und langobardischen Gerichts- urkanden (placita) wurde als neue Kraft Herr Alfons Müller ge- wonnen, der theils hier, theils durh eine Reise nah Paris die Materialien für die merowingishe und karolingische Zeit vorbereiten fol. Herr Dr. Werminghoff hat scine Kraft nebenher den faro- lingishen Synoden gewidmet. E :

Für die Constitutiones et acta publica imperatorum ift Herr Dr. Sdbwalm nah dem Erscheinen des zweiten Bandes sofort an die Sammlung des sehr zerftreuten Stoffes zum dritten gegangen, wosUr er namentli im vorigen Sommer dur einen Aufenthalt in München, dem auch wichtige Funde tür das 13. Jahrhundert verdankt wurden, wefentlich vorgearbeitet hat. Der Druck des Bandes kann _ nach einer im nächsten Sommer auszuführenden zweiten Reise nad Süddeutsch- land vielleicht \chon in diejem Verwaltungejahr beginnen.

&Fn der Abtheilung Diplomata hat Herr Professor Breßlau, unter- flükt von den Mitarbeitern Bloch ud Meyer, den Druck der Urkunden Heinrich's 11. langsam doch stetig E Mancerlei für die Aus- gabe unentbehrlie Untersuchungen theilten die Kräfte der Heraus- geber, so die schon gedruckdte über den Bischof Leo vou Vercelli oder cine noch bevorfichende über die Fälshungen Grandidiers.

Für die von Herrn Professor Mühlbacher zu bearbeitenden Karolinger- Urkunden hat fein Mitarbeiter Dr. Dopsch, nachdem er im Frühling 1856 Venedig und Friaul besucht hatte, im Sommer eine große und an neuen Ergebnissen reihe Reise nah England, den Niederlanden, Belgien und Nordfranfreih unternommen. Zur Vervollständigung dieser um- fassenden Vorstudien bleiben demnah nur noch Südfrankreih und das nördlihe Spanien übrig, wohin Dr. Dopsch bereits unterwegs 1st. Für einige deutshe Archive wurden feine Forschungen durch den frühern Mitarbeiter, Professor Tangl in Marburg, ergänzt. Befondere Anerkennung verdient die Gefälligfeit des Antiguars L. Rosentbal in München, der cine in feinem Besige befindliche Originalurkunde Ludwig's des Kindes Herrn Profe or Mühlbacher zur Benußzung nah Wien übersandte. Der Miit- arbeiter Max Schedy in Wien wurde beauftragt, die Reichsregifster-

bücher der deutschen Kaiser des 15. und 16. Iahrhunderts zur Fest-

stellung der inserierten älteren Königsurkunden durchzusehen, doch war die Ausbeute keine sehr reihhaltige. :

In ter Abtheilung Epistolae foll der Duuck des 2. Bandes des Registrum Gregorii, von dem nur Register und Einleitung feblen, auf Grund der von Herrn Dr. Wenger gelieferten Vorarbeiten und mit Bei- bilfe desselben, nächstens wieder aufgenommen werden. Von dem 5. Bande der Briefe, der Fortseßung der karolingischen Zeit, find zwar umfangreiche Partien im wesentlichen längst vollendet, doch wurde der Abschluß dadur verzögert, daß der Mitarbeiter, Herr Dr. Hzmpe, längere Zeit mit den Früchten seiner erglishen Reise beshäftigt war und daß es nothwendig erschien, ihn in diesem Frühling abermals nah -Paris zu entsenden. Zu jenen gehörte eine Handschrift der größtentheils ungedruckten Briefsammlung des Ricardus de Pofis aus Durham, welhe von Hampe und Herrn Dr. Schaus hierselbst ab- geiTrteben wurde. Ja diefem Sommer foll der Druck des Bandes anheben.

In der Abtheilung Antiquitates förderte Herr Prof. Herzberg- Fränkel ia Czernowiß die Erläuterung der zablreihen Namen geiît- lier Würdenträger in den Salzburger Todtenbüchern durch Studien auf den Archiven von Wien, Graz, Klagenfurt, Salzburg, München. Mit Hilfe des Dr. Vancfa in Wien hofft derselbe in allernähster Zeit zum Druck des Registers schreiten zu können. Für die Be- arveteng der weiteren bayerishen Todtenbücher find cinleitende Schritte gesehen.

Der von Herrn Dr. Traube herausgegebene umfangreide 3. Band der kfarolingishen Dichter erreitte nunmebr feinen Abschluß mit den vielseitig interessanten Werken des Johannes Scotus und anderer irisher Dichter, des Milo von St. Amand und des Mönches Got- \halk. An dem Register betheiligte fh Herr Dr. Nef in München. Der Druck des 4. Bandes, der Herrn Dr. von W'nterfeld öbertragen ist, hat seit einigen Monaten begonnen und i über den Poeta Saxo zum Abbo fortgeschritten. Da er in zwei Hälften veröffentlicht werden soll, ist wenigstens im Laufe des Jahres 1898 die Bollendung der ersten zu gewärtigen.

Das „Neue Archiv“ unter der bewährten Leitung des Herrn Pro- fessors Breßlau leidet auch in seinem erweiterten Umfange von 50 Bogen niemals Mangel an anziehendem und werthvollem Stoffe, der es zu einer unentbehrli&en Ergänzung unserer Ausgaben macht.

Vergleichungen verdanken wir außer den {on genannten Herren besonders noch Herrn Lektègue in Paris, dem Konservator Petit in Brüssel, dem Bibliotbekar de Vries in Leiden, Herrn Rogers und Miß Bateson ia Cambridge, den Herren Parker und Poole in Oxford, Herrn Donati in Siena, I. Devolx in Madrid, den Herren Traube und Keinz in München, Arnold, Sackur und Sujta in Rom, von Heinemann und Köhler in Wolfenbüttel. Handschriften wurden uns, wie immer, von vielen Seiten anvertraut: außer dem ganz befonders unentbehrlichen Paris namentlih vom Prag, Leiden, Utreht, Bern, St. Gallen, Venedig, Trier, Ec- furt, München (auch von Herrn NReichsrath von Maffei daselbft), Bamberg, Wien u. f. w., wobei wir außer den Bibliotheksvorfländen sowohl dem Auswärtigen Amt als auh dec Königlichen Bibliothek hierselbst vielfahezn Dank s{huldig wurden.

Am 21. d. M. verstarb hierselbst der frühere Direktor des König- lihen Zeughauses, Geheime Regierungs-Rath, Professor Hermann Weiß, im Alter von 75 Jahren. Er war 1822 in Hamburg als Sohn des Schauspielers Karl Jakob Weiß geboren und widmete sich nah privater Vorbereitung auf der Akademie in Düsseldorf dem Studium der Malerei. Mit seiner künstlerishen Arbeit verband er wissenschaftlihe Studien, und nah größeren Studienreisen darch Frank- rei, Holland, Belgien und Over - Jtalien vertaushte er den Pinfel ganz mit der Feder. Besonders war es das damals noch wenig ve- baute Feld der Kostüm- und Sittengeshichte, das ihn zu eingehenden For- hungen anregte, deren Frucht seine weit bekannte und geshägte „Kostürm- kunde“ wurde. Im Jahre 1854 erhielt Weiß eine Anstellung als Lebrer der Kostümkunde an der Akademie zu Berlin, und 1855 wourde ihm der Pro- fessortitel verlichen. Von 1858 bis 1873 war er Direktorial-Assistent am Königlichen Kupferstih-Kabinet und von 1873 dessen Direktor, bis er 1879 zum technischen Direktor des Königlichen Zeughauses provifor:\ch berufen und als solher im Jahre 1830 definitiv angestellt wurd-. Tie Aufstellung und Ordnung der Waffenfsammlungen des Zeugbauses wurde nun feine Hauptaufgabe, die ec in glänzender und mustergültiger Weise löste. In Anerkennung seiner Verdienste ernannte thn Kaifer Wilhelm 1. bei scin-m Besuche des neu eröffaeten Zeughaufes zum Geheimen Regierungs-Rath. Jm Jahre 1895 trat er in den Naßhestand.

Die Königlich sächsische Akademie der bildenden Künste zu Dresden hat mit Genehmigung Seiner Majestät des Königs, wie „W. T. B.* berichtet, die Bildhauer van der Stappen und Meunier in Brüssel und die Maler Professor Dr. von Len bach in München und Dagnan- Bouveret in Paris zu Mitgliedern ernannt.

Ueber den 12. Deutschen Geographentag in Jena, dessen Eröffnung bereits gemeldet wurde, wird weiter berichtet : Unter großer Betheiligung begannen am Mittwoch, den 21. April, die Sitzungen des 12. Deutshen Geographentages in Anwesenheit Seiner Hoheit des Prinzen Bernhard H-incih von SaWhsen-Weimar. Professor Dr. Kükenthal, Chef des Departements des Kultus von Pawel, Procektor Loening und Ober-Bürgermeister Singer hielten Begrüßungsreden. Direktor Dr. Neumayer erstattete darauf Bericht über die Thätigkeit der vom 11. Geographen- tage in Bremen ernannten Kommission für Südpolar-Forschung. &s folgten die Vorträge: Dr. Hermann Meéyec-Leipzig sprach über seine Expedition nah Zentral-Brasilien, Dr. Heinrih Zimmerer-München über deutshe Forshung in Kleinasien, Professor Roman Dber- bummer jr.-München über seine Reise durch Syriea und Anatolien im Jahre 1896. Abends 7 Uhr fand im Theatersaal ein Festmahl statt. An Seine Königliche Hoheit den Großherzog wurde ein Haldigungs-Telegramm gesandt. Der Großherzog antwortete telegraphisch mit seinen besten Wünschen füc die Tyätigkeit dicfer ür die Wissenschaft so wichtigen Bereinigung sowie _mit dem Ledru tes tiefsten Bedauerns, daß er infolge des schweren Sdhidsals- schlages, der ihn getroffen, nicht persönlih an den Sißungen theil- nehmen und die Mitglieder empfangen fönne. Er habe feinen Enk21, den Prinzen Bernhard Heinrich, beauftragt, feine Anthetlnahme an den Verhandlungen und Bestrebungen der Vereinigung zum Ausdruck zu bringen. Als Tagungsort des Deutschen Geographentages für das Sabr 1899 wurde Breslau in Aussiht geaommen.

Aus Wien vom gestrigen Tage meldet die , Wiener Abend-Post* das Ableben des bekannten Kunstschriftstellers Professor Dr. von Lüßow. Karl von Lüßow war 1532 zu Göttingen geboren und \studierte dort sowie in München und în Berlin. Er betrieb mit größtem Eifer das Studium der klassischen Kunst-Archäologie und Philologie, war in München ein Lieblingsshüler von Thiersch, bereiste fobann mit Schnaase und Lübke Jtalien, wurde {on in jungen Jahren von Kugler zu verschiedenen gelehrten Arbeiten herangezogen und habilitierte si mit 26 Jahren (1868) an der Universität München als Dozent für Kanít- geshihte und Kuast-Archäologie. Im Jahre 1863 wurde von Lüßow zur Leitung der Rezensionen und Mittheilungen über bildende Kunst nach Wien berufen und gründete dort 186% die „Zettschrift für bildende Künste*. Ec habilitierte sih als Dozent an der Universität Wien, dozierte auh feit 1864 an der K. K. Akademie der * bildenden Künste, wurde 1866 Bibliothekar und Vorstand der Sammlungen an der genannten Kunst - Akademie, im gleichen Fahre Dozent an der K. K. Technischen Hochschule und 1867 Pro eor. Karl von Lützow entwickelte schon früh ctne rege literarische Thätig keit, sowohl als Kunstkritiker wie au als Fachgelehrter. Von seinen vielen Arbeiten seien, neben den mit Lübke gemeinfam bearbeiteten und weit verbreiteten „Denkmälern der Kunst“, den, «Meeres der Kirhenbaukunst“ und den „Kunstschäßen Italiens ,_ noch erwähnt : „Geschichte der Akademie der bildenden Künste“, „Die Kaiserliche

Gemälde-Galerie im Belvedere“ und „Wiener Neubauten“.