1897 / 99 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 28 Apr 1897 18:00:01 GMT) scan diff

(Finanz-Kommission, Wegebau: Kommission, Eingaben-Kom- mission, Rehnungs-Prüfungs-Kommission) durch Zuruf ge- wählt, und die Eingänge den Kommissionen zugetheilt.

Elsaß-Lothringen.

Der Landesaus\chuß hat in seiner gestrigen Bens das Geseh, betreffend die Stempelsteuer, in dritter Lesung mit dem von der Kommission beantragten Zuse angenommen, daß alle Vereine eine Stempelsteuer r die polizei- lihe Genehmigung, für die Genehmigung der Saßungen und für die Genehmigung jer Aenderung derselben zahlen müssen, und zwar Wohlthätigkeitsvereine und wissenschaftliche Vereine je 5 Á6, alle übrigen Vereine je 20

Großbritannien und Jrland.

Jn der gestrigen Sigung des Unterhauses theilte der Parlaments-Sekretär des Aeußern Curzon mit, daß kein Uebereinkommen über die Zurückziehung der türki- shen Truppen von der Jnsel Kreta getroffen worden sei. Die Mehrheit der Mächte sei der Ansicht, die griehishen Truppen sollten die Jnsel zuerst verlassen. Die Admirale berichteten, die Fortschaffung der türkishen Truppen sei eine ernste Frage und dürfe niht übereilt erfolgen. Die Mächte hätten nicht die Absicht, irgend einen Theil des griechishen Gebiets zu beschen und denselben für neutral zu erklären. Der ge e Gesandte habe am 21. April mitgetheilt, den griehishen Land- und Seestreitkräften seien Befehle emäß der Pariser Deklaration von 1856 ertheilt worden; tens der Türkei sei eine entsprehende Nin nicht ein- egangen. Dieselbe dürfte jedo die Deklaration beachten, a sie an derselben theilgenommen habe. Der Oberst Vassos habe dem italienishen Konsul am 20. April erklärt, er fürhte große Verwickelungen, aber er werde sein Bestes thun, dieselben zu verhindern. Die Führer der Aufständischen seien von den Grenzen des Militärkordons, den die Mächte gezogen hätten, vollkommen unterrichtet. Die Mächte verfolgten den Zweck, daß die ganze Znsel neutral sein solle: aber die christlichen Kreter griffen fortwährend die Stellungen um die von den Mächten beseßten Städte an; daher sei zur Sicherheit der europäischen Streitkräfte und der von ihnen geshüßten ung mitunter Widerstand nothwendig. Sodann verwarf das Haus ohne Abstimmung den Antrag Vincent zu Gunsten zehn- prozentiger Werthzölle auf die Einfuhr fertiger Waaren und fünfprozentiger Zölle auf theilweise fertige Waaren, der im Interesse der Arbeiter E war. Jm Laufe der Berathung bekämpfte der Erste Lord des Schaßes Balfour den Antrag, wobei er erklärte : Er hege vor der Einfuhr keine Furht. Aber der Umstand, daß England nicht länger das Uebergewicht unter den Weltfabrikanten habe, sei in gewissem Grade eine nationale Gefahr. Er fürchte die fremde Konkurrenz auf neutralen Märkten. Schußzölle würden den Absag der britischen Fabrikate nicht steigern, aber das jeßige Finanz system sei niht ohne Schwierigkeiten und Gefahren. ei, der

geringe Anzahl von Artikeln, die noch besteuert werden könnten,

ei es shwer, neue Einkünfte zu erzielen, und eine Abänderung ME Ronen dürfte in niht ferner Zeit erforderlich werden.

Frankreich.

Der Präsident Faure is heute Vormittag nah Paris zurückgekehrt.

Dem „Temps“ wird aus Toulon gemeldet, der Admiral Pottier habe die Entsendung von zwei kleinen Schiffen be- antragt, um den Dienst seiner Division vor Kreta aufrecht erhalten zu können. Diesem Gesuche entsprehend, solle heute der Torpedokreuzer „Vautour“ in See gehen, ein weiteres Schiff werde folgen.

Rußland.

Gestern Mittag fand, wie „W. T. B.“ aus St. Peters- burg berichtet, bei dem österreichish-ungarischen Botschafter Prinzen Liechtenstein ein Dejeuner statt, an welhem der österreihish - ungarishe Minister des Neußern Graf Goluchowsfki, der Sektions-Chef im österreichish-ungarishen Ministerium des Aeußern Freiherr von Zwiedinek und der Sektions-Rath in demselben Ministerium Merey von Kaposmére sowie der deutshe Geschäftsträger von T\chirschky theilnahmen. Nach dem Frühstück éidlen der russische Bot chafter in Wien Graf Kap nist auf der österreichisch- ungarischen Botschaft.

Der Kaiser Franz Joseph fuhr gestern Nachmittag um 2 Uhr mit dem Erzherzog Otto in Begleitung des General- diutanten Generals Tichertkow, des lügel-Adjutanten, Obersten Nepokoitschißky und des übrigen Gefolges nach der Kirche in der Perier « Paus - elung, wo Allerhöchstderselbe die Gräber der Kaiser Nikolaus 1., Alexander Il. und Alexander III. besuhte und Kränze an denselben nieder- legte. Ferner besichtigte der Kaiser die Gräber Peter's des Großen und Katharina's Il. Später machte Allerhöchst- derselbe Besuche bei den Mitgliedern des Kaiserlichen Hauses. Um 6 Uhr Äbends empfing der Kaiser Nikolaus den Grafen Goluhowsfi in Audienz. Leßterer hatte im Laufe des Nachmittags dem Minister des Auswärtigen Grafen Murawzjew, dem Finanz-Minister Witte sowie sämmtlichen Botschaftern Besuche abgestattet. Abends fand in dem reih geshmüdckten Nikolajewski-Saale des Winter-Palais ein Galadiner zu 223 Ge- decken statt. Die Tafel war hufeisenförmig aufgestellt; in der Mitte hatten die beiden Kaiser Plaß genommen, rets von dem Kaiser Franz Joseph saßen die Großfürstin Sergius, der Erzherzog Otto, die Großfürstin Xenia und der ras Wladimir, links von dem Kaiser Nikolaus saßen die Großfürstin Elisabeth Mawri- ena der i, N E D, die

roßfürstin Anastasia Nikolajewna. Beiden Kaisern gerer saß der Minister des Kaiserlihen Hauses Graf

oronzow-Daschkow, rets von diesem Graf Goluchowsfi und Graf Muramwjew, links der Botschafter Prinz Liechtenstein, der General-Adjutant Graf Heyden und der Feldzeugmeister Frei- herr von Beck. An den Enden der Tafel. saßen der Finanz-Minister Witte und der Justiz-Minister Murawjew einerseits und der Botschafter Graf Kapnist und der Minister für Dertiyrtwege Fürst Chilkow andererseits. Während des Diners brachte der Kaiser von Rußland, dem „W. T. B.“ zufolge, in französischer Sprache nachstehenden Trinkspruch auf den Kaiser Franz Joseph aus:

„Glücksich über die Anwesenheit Eurer Majestät unter uns ist es mir ein Bedürfniß, Ihnen für diesen neuen Beweis der aufrichti- gen Freundschaft, die uns umschließt, zu danken. Diese Freundschaft

ist durch eine Gemeinsamkeit der Ansichten und der Grundsäge be- festigt, ele unseren Völkern die Wohlthaten des Friedens zu sichern bezweckt. Gure Majestät kennen die herzlichen Gefühle, - von denen ich für Sie beseelt bin, und den ganz besonderen Werth, welchen ih auf eine vollkommene Solidarität unter uns lege. Im Hinblick auf das erhabene Ziel, das wir verfolgen, trinke ich auf die Gesundheit Eurer Majestät, Shrer Majestät der Kaiserin und der ganzen Kaiser- lichen Familie.“

Der Kaiser von Oesterreich erwiberte, ebenfalls in

französisher Sprache, mit folgendem Toast:

„Tief gerührt von dem herzlihen und innigen Empfang, den

Eure Majestät mir zu bereiten die Güte hatten, und von den viel- fachen Aufmerksamkeiten, von denen ih seit dem Augenblick, da ih die Grenzen Ihrer Staaten überschritten habe, umgeben worden bin, liegt es mir ganz besonders am Herzen, Eurer Majestät dafür meinen lebhaftesten und aufrihtigsten Dank auszusprehen. Ich sehe darin gern einen neuen Berwoeis der engen Freund die uns umschlingt, und die, estützt auf die Gefühle gegenseitiger Achtung und Loyalität, für unsere

ölfer eine feste und sichere Bürgschaft des Friedens und des Wohl-

standes bildet. werde ih mi stets glücklih s{chäßen,

Unershütterlich dem Siege dieser Sache hingegeben, zu diesem Zweck auf die kost-

bare Mitwirkung Eurer Majestät rechnen zu dürfen, und in der

Ueberzeugung, da gelder! ist, trinke ih auf die Gesundheit Eurer Majestät und der

a

ß der Erfolg unseren gemeinsamen Anstrengungen

iserlihen Familie“. Nach dem Diner wurde Cercle abgehalten, wobei der

Kaiser Nikolaus- den österreichisch - ungarischen Botschafter Prinzen Liechtenstein, den Grafen Goluchowsfi, den General- Adjutanten Grafen Paar und den Feldzeugmeister Freiherrn von Be in eine längere Konversation zog, während. der Kaiser Franz Joseph sich insbesondere mit dem Grafen Murawjew, den Ministern Goremykin und Fürst Chilkow sowie dem

un

früheren Aale in Konstantinopel Grafen Jgnatiew

terhielt. Abends war die Stadt glänzend erleuchtet. Der Kaiser von Oesterreich hat dem Großfürsten

Nikolaus Nikolajewitsch ein ungarishes Regiment, der

Kaiser

von Rußland dem Erzherzog Otto das

24. Ljubenski’she Dragoner-Regiment verliehen, dessen Jn- haber der Vater des Erzherzogs ebenfalls gewesen ist.

Gestern ist die erste Abordnung des russischen

Rothen Kreuzes von St. Petersburg nach dem grie chischen

Kriegsschauplaße abgegangen. zwei

Die Abordnung besteht aus

erzten und zwanzig barmherzigen Schwestern, welche

unter der Leitung eines Chirurgen stehen, und führt chirurgische

Jn

strumente, Verbandmittel und das übrige Zubehör zu einem

Lazareth von 50 Betten mit.

Ftalien. Der König empfing gestern früh die Präsidien des

Senats und der Deputirtenkammer, welche Allerhöchst- denselben zu seiner glücklichen Errettung beglückwünschten. Zahlreiche Senatoren und Deputirte hatten sich der Abordnung

angeschlossen. Ani für die Vertheidigung des Vaterlandes

Der Präsident des Senats sagte in seiner prache, der König dürfe für den Schuß der Gejellschaft und auf den Senat

rechnen. Der Präsident der Deputirtenkammer führte seiner Bg aus, jeßt würden alle sih noch dichter in

um den König als das Einheit und der freiheitlihen. Jnstitutionen haaren.

ymbol und die Bürgschaft der es er

König dankte den Abordnungen des Parlaments und ver- sicherte denselben, die Kundgebungen hätten ihn den Mord- anshlag vergessen machen und ihm neuen Antrieb gegeben, sich ganz der Zukunft des Vaterlandes zu widmen.

ungefähr 600

Wie die Blätter melden, schifften sih in der leßten Nacht reiwillige in Corneto Tarquinia troß

polizeiliher Ueberwahung an Bord des griechischen Dampfers „Samos“ nah Griechenland cin.

fi

Schweiz. Der Bundesrath hat der griehischen und der tür-

shen Regierung mitgetheilt, daß aus der Schweiz eine

Abtheilung des Rothen Kreuzes mit neun Aerzten auf den Kriegsschauplaß abgehen werde.

Türkei. Die Botschafter in Konstantinopel traten, wie „W. T. B.“

meldet, vorgestern zu einer Konferenz zusammen.

Wie die türkishen Blätter melden, seien das Thurmschiff

„Orkhanie“, die Korvette „Nedschem-i-Schefket“, der

Thurmmonitor „Peleukiderja“ und

„Hifzi-Rahman“, der

l Torpedojäger zwei

Torpedoboote nah den

Dardanellen ausgelaufen; der Rest des Geschwaders sei unter Dampf.

der

Aus Larissa meldet das „Reuter’sche Bureau““, daß in Stadt voliständige Ordnung herrshe. Türkische Soldaten

patrouillierten in den Straßen, Leben und Eigenthum sei völlig gesichert, einige Läden seien bereits wieder geöffnet. Es heiße,

bev

or die griechishen Truppen geflohen seien, habe der Kron-

prinz sie Pee zu bleiben und dem Feinde die Spitze zu

bieten, fie

ätten sih aber geweigert; es sei ein reguläres sauve

qui peut gefolgt. Die türkishe Kavallerie rekognosziere gegen Volestinos und Pharsala. Ote 05D

fta

ü

Dem Wiener „Telegr.-Korresp.-Bureau“ wird aus Kon- ntinopel von gestern berichtet, daß die aus Epirus ein-

E Nachrichten jeßt günstiger lauteten. Luros sei von den

rken wieder erobert worden. Die griechischen Truppen

hielten nur noch einige Punkte in der Ebene von Kampos

und Potamia besetzt.

Eine vom Norden des Bereichs des

ITI. Korps über Monastir nah Janina abgesandte Truppen- verstärkung habe sich mit N Bataillonen der ersten

epirotischen Division vereinigt,

15

odaß ihre Stärke nunmehr

Bataillone betrage, und rücke nah Süden vor; die Räu-

mung der von den Griechen beseßten Punkte sei sicher zu er- warten.

Aus Athen von gestern Abend meldet die „Agence Havas“,

daß, nach einer Depesche des Obersten Manos aus Arta von

gest

werde; der Ausgang des Kampfes sei noch unbekannt. D

ern, bei Pentepighadia seit dem Morgen dag de e

riechishen Truppen hätten die festesten Stellungen der

arshlinie beseßt.

Ein anderer Kampf a seit dem

Morgen bei Plafa ohne Entscheidung stattgefunden, da die

Türken ihre Stellungen festgehalten hätten ;

die

ortesi, wo fih die Türken konzentriert hätten, chaden verursaŸht.

indeß habe N und ‘ürken | chweren Die Türken hätten nicht versucht, die

riechische Artillerie in den Doörfern

Straße Philippiades—Janina zu forcieren, sondern seien, wie

sich

ur

man are ger e in Erfahrung gebracht habe, eifrig dabei,

in Janina zu- befestigen. Die Griechen hielten den Zugang Straße Philippiades— Janina beseßt. Die griechische Kavallerie

ei zu Aufklärungszwecken vorgegangen, E mit dem Feinde zu-

ammenzustoßen.

n

¿ cht Stunden von Philippiades entjernt habe eine feindlihe Truppenabtheilung von 300 Mann ge- ert, welhe auf die griehishe Artillerie Gewehrfeuer ge-

geben habe. Das ganze Thal dcs Luros und die Umgegend von Suli-Kamarina sei von Türken gänzlih verlassen. Die Bewohner dieser Orte strömten herbei und würden von den Griechen bewaffnet. Man hoffe, daß sie den griehishen Truppen noch sehr nüßlih merden könnten. Diese bewaffneten Banden hätten schon Zusammenstöße mit feindlichen türkischen Banden aus Prevesa gehabt. Die Nachrichten aus Prevesa lauteten ünstig; die Türken schienen entmuthigt zu sein. Die Be- aßung Prevesas beziffere sich auf 3000 Mann und sei durch Massendesertionen empfindlich geshwächt. Die Griechen hätten einige Verstärkungen, auch an Gebirgs-Artillerie, nöthig. Jn den von den Türken aufgegebenen Stellungen habe man rei- liche Munition, besonders Artilleriemunition, vorgefunden. Die in Salahoza von den Türken preisgegebenen Geshüße würden nach Geieczenländ gebracht werden.

Griechenland.

Jn einer Berathung, welche, wie „W. T. B.“ meldet, der König gestern mit den Deputirten Setiropulo, Ralli, Jimopulo, Skonlondis und Karapanos hatte, seßte Allerhöchstderselbe die Lage auseinander. Die Parteiführer erklärten, die Entscheidung über die zu ergreifenden Maßregeln sei Sache der Regierung. Nach längerer Berathung schlug der König die Einberufung der Kammern vor, die von den Parteiführern gutgeheißen wurde, da sie eine Klärung der Lage herbeiführen könne. :

Fn ciner Note der Zeitung „Skrip“, die als das Organ Ralli's gilt, heißt es: Ralli habe in einer Unterredung, welche er gestern mit den Ministern gehabt, die begangenen Fehler rger! und die Maßregeln angegeben, die nöthig seien, um der Gefahr zu begegnen. Ralli habe die sofortige Einberufung der Kammer empfohlen, damit diese im regel- rechten Geschäftsgange über die Lage berathe. Der Rath Ralli's sei dem Minister-Präsidenten Delyannis mitgetheilt und von leßterem als mit den Jnteressen des Landes im Einklang stehend befunden worden.

Die Deputirtenkammer wurde, der „Agence Havas“ zufolge, gestern Nachmittag zu einer außerordentlichen Sißung einberufen ; da sich aber eine beshlußfähige Zahl von Depu- tirten niht eingefunden hatte, wurde die Sizgung auf heute Vormittag 10 Uhr verschoben.

Die E u der Deputirten der Opposition hat ein Manifest erlassen, welches die Bevölkerung zur Ruhe auffordert.

Gestern Nachmittag fanden in Athen an verschiedenen Stellen der Stadt und auf dem Schloßplaze Ansammlungen von Menschen statt. Eine Gruppe von etwa 500 Freiwilligen nahm in cinigen Waffenläden Gewehre und Revolver an sich und zog sodann durh mehrere Straßen. Als der Jus am Hause des Deputirten Ralli vorbeikam, richtete eine An- jag! von Deputirten eine Ansprahe an die Menge, in der ie zur Ruhe aufforderten und mittheilten, daß die Führer der Opposition ins Palais berufen worden seien. Die Theil- nehmer an der Kundgebung zerstreuten sich sodann, ohne daß sih ein Zwischenfall ereignet hätte. Jn der Stadt herrschte große Bewegung. Auf dem Konstitutionsplaße stand fort- während eine große Menschenmenge. Einzelne Personen hielten Ansprachen.

Afrika.

Die geseßgebende Versammlung der Kapkolonie hat, dem „Reuter hen Bureau“ zufolge, mit 41 gegen 39 Stimmen die Resolution Dutoit zu Gunsten des Friedens mit einem Unterantrag Abrahamson ange- nommen, welcher sich gegen die Einmishung auswärtiger Mächte in irgendwelchen Streitfall zwischen der britischen Regierung und der Regierung der Südafrikanischen Republik ausspricht. Die Mitglieder der Regierung stimmten mit der Mehrheit, Cecil Rhodes mit der Minderheit.

Parlamentarische Nachrichten.

Die Berichte über die gestrigen Sißungen des Rei hs- tages und des Hauses der Abgeordneten befinden sch in der Ersten uno Zweiten Beilage.

In der heutigen (210.) Sißung des Reichstages, welcher der Staatssekretär des Jnnern, Staats - Minister Dr. von Boetticher beiwohnte, theilte der Präsident Frei- herr von Buol zunähst mit, daß dex für den 5. Wahlkreis des Regierungsbezirks Marienwerder neu- gewählte Abg. von Saß-Jaworski in das Haus ein-

etreten und daß als Vorlage der Entwurf eines Ge- fezes, betreffend den Servistarif und die Klassen- A eOEI der Orte, beim Bureau eingegangen sei.

luf der Tagesordnung stand die erste Berathung eines Jnvalidenversicherungsgeseßes in Verbindung mil a. der ersten Berathung des von den Abgg. von Ploeß (d. konf.) und Genossen eingebrachten Gesetzentwurfs, betreffend die In- validitätsversicherung, und b)des von den Abgg. Roes icke (b.k. F.) und Genossen eingebrachten Gelepenttnunts, betreffend die Ab- änderung des Jnvaliditäts- und Altersver icherungsgeseßes vom 92. Zuni 1889. Erster Redner in der Generaldiskussion war der Abg. von Ploeß.

Das Haus der Abgeordneten seßte in der heutigen (70.) Sigung, welcher der Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten D. Dr. Bosse beiwohnte, die zweite Berathung des Staatshaushalts-Etats für 1897/98 beim Etat des Ministeriums der geistlihen, Unter? rihts- und Medizinal-Angelegenheiten fort.

Bei den Einnahmen kommt 2

Abg. von Strombeck (Zentr.) auf die sogenannten Staaté- nebenfonds zurück. Im vorigen Jahre, führt er aus, wurde gewünscht, daß in diesem Etat Mittheilung gemaht würde über die Grundsäße, welche bei der Verwendung der Staatsnebenfonds von der Verwaltung befolgt werden, und über die Frage, welche Stiftungsfonds als Staats- fonds und welche als selbständige Stiftungsfonds zu betrachten sind. Der vorliegende Etat enthält aber leider keinerlei Mittheilung darüber. Für die Vorbereitung des Komptabilitätsgesezes ware es O die Ansichten der Regierung über diese Frage ¿1 erfahren. S

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse : Zwischen dem Herrn Finanz-Minister und mir is eine Einigung dahin erzle L daß die Staatsnebenfonds, soweit sie reines Staatseigenthum n und namentlih nit selbständige juristische Pes P en den Staatshaushalts - Etat aufzunehmen ind, daß aber Einnahmen der Zweckbestimmung gemäß zu verwenden soll und ‘daß sie von 1898/99 ab durch den Etat laufen Nin Hiernah werden im nächsten Jahre die Nebenfonds in den M cas gestellt werden. In einer Zusammenstellung werden Sie die

ür di be lihe Unterlage für die Beurtheilung der Frage erhalten, ob eim Fonds in den Etat gehört. Daß es nicht {on in diesem Zahre ge

schehen ift, bat seinen Grund darin, daß bei einer kleinen Anzahl von Fonds Zweifel bestanden. und wir die Frage dem Justiz-Minister zur Prüfung Vorge haben. Das wird in kurzer Zeit erledigt sein.

Abg. Dr. Sattler (nl.) bemerkt, daß er, entsprechend seinen vorjährigen Ausführungen, die Frage in der Budgetkommission wieder porgebrat habe. Da aber in der Kommission von dem Kommissar dieselbe Erklärung über die Vereinbarung zwischen dem Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten und dem Fiuanz - Minister abgegeben worden sei, werde wohl auch der Abg. von Strombeck die Frage bis ¡um nähsten Jahre verschieben wollen.

Abg. von Strombeck (Zentr.) erklärt, daß er nicht Mitglied der Kommission sei und seine Freunde dringend wünschten, daß die eigentlihen Stiftungsfonds, die uicht im unmittelbaren Staats- eigenthum ftéhen, selbständige juristische Persönlichkeit erbielten. Nah Art. 99 der Verfassung sollten alle Einnahmen und Ausgaben des Staates im Etat stehen, und deshalb sollten auch die Einnahmen der Fonds aufgeiührt werden. : i i

Minister der geistliden 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse: Diese Anregung is noch verfrüht, so lange nicht die Unterlagen dafür vor- liegen. ch meine, daß durch den Etat nur diejenigen Einnahmen laufen müssen, die als Einnahmen des Staats selbst anzusehen find. Bir werden aber auch in einer Beilage zum Etat die Stiftungsfonds mit selbständiger juristischer Persönlichkeit ersichtlich machen. Wir werden Ihnen in durhaus loyaler Weise die ganze Frage darlegen.

Abg. von Eynern (nl.) ist von der Erklärung des Ministers befriedigt und exfreut, daß dann au die rechtlihe Stellung des bergisden Schulfonds geklärt werden könne, aus dem das Gymnasium in Düsseldorf allein 33 000 _# erhalte, und den die Herren vom Zentrum als felbständigen Stiftungsfonds ansähen, während er dies bestreiten müsse.

Bei den Einnahmen aus den Bädern wünsht

Abg. Dr. Sattler eine bessere Klarlegung der Etatsverhältnisse diesex unter staatlicher Verwaltung stehenden Bâder und empfiehlt die Unterstelung einiger Bäder in Hannover unter die Medizinal- verwaltung. S

Die Einnahmen werden bewilligt.

Bei den Ausgaben für das Gehalt des Ministers

nimmt das Wort

Abg. Roeren (Zentr.): D versprochen, daß er bei berechtigten Beschwerden werde, foweit es das Interesse des Staats gestatte. nicht das Mindeste gesehen, um den Rest der Kulturkampfgeseße zu beseitigen. Die arößte Imparität herrsht immer noch auf dem Gebiet der konfessionellen Volksschule. In vielen Fällen müssen die Katholiken sich mit Privatschulen begnügen, auh wenn die Zahl der fatholishen Schüler eine hohe it, “over fie müssen ihre Rinder in die evangelischen Schulen s{hicken. In den meisten Fällen trifft die Schuld die Gemeinden, în vielen aber auch den Staat. Fn Westfalen sind evangelische Schulen gegründet worden mit einer Schülerzahl von 24 bis 30 evangelischen Kindern, katholische Eltern müssen ih mit Privatshulen begnügen, obgleih die Kinderzahl bis zu 120 beträgt. 43 000 katholische Kinder sind überhaupt ohne plan- mäßigen Religionsunterricht, weil es an Lehrern mangelt. Wenn fo Tausende von Kindern ohne Religionsunterriht aufwachsen, fo müssen sie das Material für diejenige Partei bilden, deren Anwachsen selbst die Allerhöchste Stelle veranlaßt hat, zum Kampf gegen dieselbe aufzufordern. Das katholische Gewissen muß sch empören über solche Zustände. Die Germanisierung in den östlichen Landestheilen bedeutet auch ein gut Stück Protestantisierung. Redner führt verschiedene Beispiele an, in welchen bei großen Mehrheiten von fatholishen Kindern Lehrer und Squlinspektor evangelisch seien. Der umgekehrte Fall dagegen komn:e nirgends vor. Sämmtliche Landräthe und die Kreissekretäre, bis auf einen, die Regierungs- Präsidenten und der Ober-Präsident in der Provinz Posen seien evangelisch. Im Kultus-Ministerium würden die katholischen Angelegenheiten von dem evangelischen Kultus-Minister und evangeli- {chen Ministerial-Räthen bearbeitet. Auc) in den Bezir*sregierungen überroiege die Zahl der evangelishen Beamten weit die der katholischen, die katholishe Rheinprovinz habe immer einen evangelishen Ober- Präsidenten gehabt. Von 900 Kreis-Schulinspektoren feien 850 evans- gelishe Geistlihe. Er verlange feine schematishe Parität, aber er verlange, daß feine Zurückseßung der katholishen Bevölke- rung staitfinde. Man begründet diese Imparität mit dem Rüld- gang des Prozentsayes der katholishen Studierenden. Was hat dieser Rückgang mit der Imparität in den Sculverhältnissen zu thun ? Der Kultus - Minister hat einmal gesagt, daß bei der Beseßung der höheren WBeamtenstellen nur auf die Tüchtigkeit, nicht auf die Konfession gesehen werde. Da M G doch wunderbar, daß nicht in einem einzigen evangelischen Regierungsbezirk einmal ein katholischer Präsident angestellt ift. Die fatbolische Abtheilung im Kultus-Ministerium wurde von Friedri Wilhelm 1V. und sie hat segensreich gewirkt.

Der Minister hat im vorigen Jahre Abhilfe schaffen Bis j bt ift aber

im Interesse des konfessionellen Friedens errihtet, Aber man hat sie aufgehoben und will sie niht wieder einführen, obwohl sich eine ähnliche Einrichtung in anderen Staaten findet, wie 3. B. in Bayern eine evangelishe Abtheilung. In katholischen Ländern ist man gegen die evangelishe Minorität toleranter als in Preußen gegen die fatholishe Minderheit. Ein einziger katholisWer Ministerial- Rath im Ministerium für die Vertretung der katholishen An- gelegenheiten genügt nicht. Das Klofterge|cß, das Leute, die nie dem Staat etwas gethan hatten, auswies, ist zwar in seinen Härten gemildert, aber die Beschrän» kungen der Orden sind geblieben. Ohne besondere Genehmigung fönnen die Klöster keine Niederlassung gründen. Db ein paar Kranken- \hwestern sih niederlafsen wollen, darüber müssen erst die beiden Ressort-Minister zu einer Berathung zusammentreten. Und sämmtliche Niederlassungen können von den Ministern plößlich wieder aufgehoben werden. Ein solches Verfahren entspriht niht den Interessen des firhlihen Lebens. Allerhand Vereine können ih ohne weiteres bilden, fowie aber fatholishe Männer oder Frauen zusammen- treten wöllen für firchlihe Zwee, müssen erst die ftaat- liéen Behörden zur Berathung zusammentreten, ob eine Ges- nehmigung ertheilt werden kann. Die fkatholishen Kranken- \chwestern sind do für die katholishe Bevölkerung da. Kümmern wir uns denn um die evangelischen Diakonissinnen? Jeder von uns Katholiken käme fch feige und verächtlih vor, wenn er an evangelischen Niederlassungen irgend welchen Anstoß nähme. Eine folhe ständige Fee ist für die Krankenpflege-Orden, die nun einmal eine inrihtung der katholishen Kirche sind, unerträglih. Die Staats- behörde kann überhaupt die Frage nicht entscheiden, ob ein kirh- liches Bedürfniß für eine Ordensniederlassung vorhanden ist oder niht. Diese Frage kann nur die Kirche felbst ent- heiden. Wir verlangen für unsere Klöster feine Exemption von den Staats- und Polizeigeseßen, wir verlangen aber, daß sie sih innerhalb der Geseße ebenso frei bewegen Tönnen wie jeder andere Verein. Unseren Schweslern wird fogar die Unterweisung im Handarbeitsunterriht untersagt. Namens meiner sämmtlichen Freunde kann ih sagen, daß wir alle bis auf den legten Mann dagegen wären, wenn dem evangelischen kirchlichen Leben ahnliche AO ränkungen auferlegt werden sollten. Auch über die Benach- theiligung der katholishen Pfarrer in Bezug auf die Alterszulagen, venentlih die Ausschließung der Missionspfarrer davon, sowie über den Falk’shen Schulerlaß, nah welhem sogar der Religionsunterricht dem Staate untersteht, haben wir immer wieder vergebens geklagt. Redner beschwert si über die Ausführungen auf dem Hamburger reneriage, Die Erfüllung der Wünsche der katholischen Bevôöl- terung \ei ein Mittel gegen die Umsturzpartei. Wenn diese Partei auh nit im Hause vertreten sei, so käme das nicht daher, daß sie niht vorhanden sei, sondern es liege nur an dem Dreiklafsen- wahlsystem. Die Regierung dürfe sich_ nicht in Gegensay mit der Mehrheit der Bevölkerung segen. Das Zentrum werde immer wieder mit seinen lgen kommen im Interesse der Wähler und der en Rechte. (Schluß des Blattes.)

Arbeiterbewe zung.

Aus Stettin berichtet die „Ostsee-Ztg.“ über einen Ausstand der dortigen Getreideträger, der gestern ausgebrohen ift: Nachdem den im Stettiner Hafen arbeitenden Getreideträgern im vorigen Herbst eine Erhöhung ihres Lohntarifs bis um 30 9/6 zu- gestanden worden it, haben sie anstandslos gearbeitet, bis ihnen jet durch das EGintreffen größerer Getreidezufuhren der Zeitpunkt zur weiteren Erhöhung ihrer Fordexuns gekommen zu sein {eint. Um die Arbeit nicht zu un*erbrechen, haben sich die Arbeitgeber in leßter Zeit vielfa zur Be- willigung der zum theil übertriebenen Löhne, die von Getreideträgern verlangt wurden, herbeigelassen ; doch {eint auch der Verdienst, der ih auf den Mann bis auf 25 #4 für den Tag belaufen hat, den An- sprüchen der Arbeitnehmer nicht genügt zu haben, und fo ift denn gestern von sämmtlichen Getreideträgern die Arbeit niedergelegt worden. Die Arbeit ruht aber niht gänzli, da die Empfänger so weit wie möglich mit ihren eigenen Leuten die Quas huld Schiffe fortseßen.

Aus Hamburg meldet „W. T. B.“: Der hiesige Arbeit- geber-Verband beschloß, die Arbeiter, die am 1. Mai auf Grund jozialdemokratisher Agitationen der Arbeit fern bleiben, vor dem 10. Mai nicht wieder einzustellen.

Aus Bremen wird der „Köln. Ztg.“ telegraphiert: In der Futespinnerei und -Weberei Bremen haben am Montag Abend von 1400 Arbeitern 800 die Arbeit eingestellt. Sie verlangen die Wiedereinstelung fünf entlassener Ausstandsführer und eine Lohn- erhöhung. E /

In Dessau haben einer Mittheilung der „Magdb. Ztg.* zufolge am Montag 31 Tischlergesellen, die meistens in kleineren Werk- stätten beshäftigt waren, die Arbeit eingestellt, weil ihnen von den Meistern die geforderte Lohnerhöhung nicht gewährt worden it, Tie Mehrzahl der in größeren Werkstätten arbeitenden Gesellen hat fich dem Ausstande niht angeschlossen. : | i

In Heilbronn haben, wie die „Frkf. tg.“ berichtet, die Malergehilfen heute mit einigen Ausnahmen die Arbeit niedergelegt, da ihre Forderungen auf Einführung einer zehnstündigen Arbeitszeit und Festseßung eines Mindeststundenlohnes von 36 S für Maler, die das 18. Lebensjahr zurückgelegt haben, niht bewilligt wurden.

Aus Trautena u meldet .W. T. B.“: Der Ausstand der Spinnereiarbeiter dehnt sih‘aus. Es find neuerdings die Ar- beiter vier weiterer Spinnereien in den Ausftand getreten.

Kunst und Wissenschaft.

Am 23. April beshloß das Kaiserliche Arhäologische Institut in Rom sein Winter-Semester mit der üblichen feierlichen Sißung, welcher von seiten der Kaiserlichen Botschaft Herr Legations-Rath Graf Pückler, von der Königlich italienischen Regierung der Herr Unterrihts-Minister Gianturco und Herr Barnabei beiwohnten. i

Nachdem der Vorsitzende der Theilnahme an dem, was in

diesen Tagen Rom bewegte, Ausdruck gegeben, auch Wohl- thätern der römischen Jnstituts-Bibliothek seinen Dank aus- esprochen hatte, nahm Herr Gamurrini das Wort zur Be- D reGiia archaïscher Bronzen aus umbrischem Fundgebiete. Nach ihm spra Herr Hartwig über ein E Verfahren der griehishen Vasenmaler. Zum Schluß berichtete der Vor- sißende, Herr Professor Petersen, über die in dem Buche von Dörpfeld-Neisch niedergelegte Lehre über die antike Bühnen- einrihtung.

Nachdem die Allerhöhsie Genehmigung zur Aufstellung der Denkmäler für Werner Siemens und Alfred Krupp vor der Technischen Hochschule zu Charlottenburg ertheilt worden ist, wird, der „Nat. Ztg.* zufolge, nunmehr seitens der die Denkmäler errih- tenden Körperschaften (, Verein deutsher Ingenieure“, Nordwestliche Gruppe des „Vereins deutsher Cisen- und Stahl-Judustrieller“ und „Verein deutscher Eisenhüttenleute“) ein beschränkter Wettbewerb ein- eleitet werden, zu dem fünf deutsche Künstler Einladungen erhalten. ie beiden Denkmäler sollen zu Beginn des Jahres 1899 fertig fein, um der Technischen Hochschule gelegentlich der Jahrhundertfeier ihres Bestehens als Geschenk übergeben zu werden.

Am 29. März d. I. hat, wie die „Goslarsche Ztg.“ berichtet, die Abnahme der Wandgemälde im Kaiferhause zu Goslar durch den Kommissar des Ministers der eistlichen 2c. Angelegen- heiten, Geheimen Ober - Regierungs - Rath 2 ¿üller aus Berlin, im Beisein des Professors Wislicenus und des Malers Weinack statt- gefunden. Als Vertreter der Königlichen Regierung in Hildesheim waren zugegen der Regierungs- und Geheime Baurath Hellwig aus Hildesheim und der Kreis - Bauinspektor von Behr aus Goslar. Mit diesem amtlihen Vorgange ist der förmlihe Abschluß der Thätigkeit des Schöpfers der Wandgemälde im Kaiserhause erfolgt. Bei dem Besuche Kaiser Wilhelm's 1. in Goslar, am 15. August 1875, wurde die malerische Aus\{chmückung des großen Saales zuerst ins Auge gefaßt. Am 11. Dezember 1876 erließ der damalige Minister der geistlihen 2c. Angelegenheiten Dr. Falk die Einladung an alle preußischen und in Preußen wohnhaften Künstler, Entwürfe für die Auss{chmückung ¿zum 19. August 1877 an die Königliche National-Galerie in Berlin einzusenden. Am 8. März 1878 wurde mit dem aus diesem Wettkampf als Sieger hervorgegangenen Pro- fessor und Historienmaler Wislicenus aus Düsseldorf der Vertrag abgeschlossen, in welhem ihm die Ausführung des gesammten Gemälde|chmucks im Reichssaale des Kaiserhauses übertragen wurde. Sm Sabre 1879 begannen bercits die Arbeiten im Saale, nachdem die Vorstudien und Kartons in Düsseldorf hergestellt worden waren. Zuerst entstanden die Dornröschenbilder an der Fensterwand, die im Jahre 1880 vollendet wurden. Als erstes Bild des großen Cyclus an der Hauptwand wurde in demselben Jahre das Mittelbild in Angriff genommen und 1882 vollendet. An dieses {loß sich das Hauptbild der südlichen Hälfte, „Kaiser Heinrichs III. Uebergan über die Alpen“, daran das entsprechende Hauptbild der nördlichen Hälfte, „Die Schlacht bei Jconium“, das 1884 beendigt wurde. 1885 wurden die Gemälde „Heinrichs 11. Krönung“ und die Scene zwischen Barba- rofsa und Heinrih dem Löwen angefangen, und mittlerweile waren außerdem die kleinen Zwischenbilder, welhe speziell das Kaiserhaus

_selbst berücksihtigen, zum theil hergestellt, wie auch die Predellen und

die sogen. Teppichbilder, welche in die dekorative Nahmenmaleret einge- shaltet sind, dem Fortschreiten. der großen Bilder entsprechend ent- standen, während die sehr umfangreichen Vorarbeiten und Kartons sowie die großen Bilder in Düsseldorf angefertigt wurden. Im Jahre 1890 war Professor Wislicenus an dem leßten großen Bilde der südlihen Hälfte, „Einzug Heinrih's 1V. in Mainz“, be- \chäftigt, während Weinack das entsprehende Bild der Nord- seite: „Der Hofstaat Friedrih?s IT. in Palermo“, anfing. Während dann nah Vollendung diefer 4 Bilder der Haupwan Professor MWislicenus mit Weinack's Hilfe die Vorarbeit für die figuren- reichen zwei Hauptbilder auf den Schmalwänden, „Karl der Große“ und „Luther“, in Düsseldorf machten, war der Historien- maler Dr. Wislicenus, der zweite Sohn des Professors (jeßt in Breslau), damit beschäftigt, die der Märchen- und Sagen- welt entnommenen Bilder: „Dornröshen's Geburt* und „Barbarossa?s Erwachen“, herzustellen. In den leßten drei Jahren sind sodann die zwei genannten Par E der Giebelwände: , eei der Jrmin- \äule dur Karl den Großen“ und „Karl V. und Luther auf dem Neichs- tage zu Worms“, gemalt und die Predellen unter allen Bildern der Giebel- wände vollendet worden. Es ist ein reicher Inhalt in diesem Gemälde- cyclús niedergelegt, der mit den Beziehungen und Gegenüberftellungen der

versiedenartigen Momente aus der Geschihte der deutschen Kaiser und der Kämpfe, welche sie zu bestehen hatken, immer von neuen den Beschauer anregt. Troy der Fülle und Vielseitigkeit des Dargestellten macht \ich aber, dank der geshickten Ab- ftufung der Darstellungsart , nirgends ein Zuviel geltend, noch drängen sh die Bilder dem Beschauer auf. Erft bet längerem Anschauen . und Betrachten - der Einzelheiten, indem das Auge und die Aufmerksamkeit von den Hauptbildern zu den Neben- bildern, dann zu den Zwischenbildern, den Predellen und zuleßt zu den Teppichbildern, welche gewissermaßen den leifen Uebergang zu dem rein schmüdckenden Rahmenwerk bilden, gelenkt wird, gewahrt man nah und nah den in dem Cyclus enthaltenen großen Reichthum an Gedanken und Empfindungen. Die Wandbilder im Kaiserhause zu Goslar sollen sein und sind in der That „Ein Denkmal der Dank- barkeit für die Vergangenheit und etne Mahnung zur Treue für die Gegenwart und die Zukunft“.

Bauten.

Zur Erlangung von Entwürfen für den Neubau ihres NRath- hauses hat die Stadt Charlottenburg einen allgemeinen Wettbewerb unter den Architekten deutscher Zunge er- öffnet. Das Amt der Preisrichter haben übernommen die

erren Geheimer Baurath Blankenstein-Berlin, Präsident der Akademie der Künste, Geheimer Regierungs-Rath, Professor Ende- Berlin, Professor Hauberrisser-München, Geheimer Regierungs-Rath, Professor Oten-Berlin, Geheimer Baurath Wallot-Dresden, Ober- Bürgermeister Fritsche, Stadtverordneten - Vorsteher, Fabrikbesiger Dr. Jaffs, Stadt-Baurath Bratring und Stadtverordneter, Negie- rungs-Baumeister Reimarus in Charlottenburg. Als Preise find fest- geseßt: ein erster Preis von 10 000 4, ein zweiter Preis von §000 M, ein dritter Preis von 4000 46, zwei vierte Preife von je 2500 Die Entwürfe sind bis zum 15. November dieses Jahres bei tem Magistrat von Charlottenburg einzuliefern.

Land- und Forstwirthschaft.

Saatenstand in den Vereinigten Staaten von Amerika.

Ueber den Stand der Saaten in den Staaten Indiana, Ken- tucky, Ohio und West-Virginia gehen uns folgende Nachrichten zu :

íInfolge ungünstiger Witteruna während des vergangenen Winters haben die Saaten beträchtlichen Schaden gelitten. In vielen Ge- genden sind diefelben, da fie während eines starken Froftes ohne Schneebedeckung waren, erfroren, in anderen haben fie durch Bildung von Eis, welches sie überzog, gelitten. : :

n einer Reihe von Grafschaften beträgt der derzeitige Stand der Wintersaaten nur 40 bis 5009/6 eines normalen Standes. Am \chlehtesten stehen die Wintersaaten, welche spät gesät wurden. Im allgemeinen is der Stand der Wintersaaten auf hoh gelegenen Ländereien befser, als auf tiefer gelegenen.

Die Aussaat von Hafer, welhe um diese Zeit im vollem Gange zu sein pflegt, is durch anhaltendes Regenwetter sehr aufgehalten worden.

Fm Februar haben Uebershwemmungen ungeheuren Schaden an- gerihtet. Fast alle Wasserläufe waren über ihre Ufer getreten und \hwemmten große Strecken fruhtbaren Ackerlandes fort. Am meisten litt der Staat Indiana dur Ueberschwemmung.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- Maßregeln.

Der Gesundheitsstand in Berlin blieb in der Woche vom 11. bis 17. April ein der Vorwoche ähnlich günstiger, und au die Sterb- lichkeit war nahezu die gleich niedrige wie in der Vorwoche; von je 1600 Einwohnern starben, aufs Jahr berehnet, 17,2 gegen 17,1 in der Vorwoche. Unter den Todesurfachen haben akute Entzüns» dungen der Athmungs8organe erheblih abgenommen und auch weniger Todesfälle veranlaßt. Erkrankungen an Influenza wur- den gleichfalls seltener beobachtet und auch nur noch 3 Sterbesälle infolge derselben zur Anzeige gebracht (gegen 5 der Vorwoche). Das Vorkommen von akuten Darmkrankheiten zeigte gleih- falls eine Abnahme, die Zahl der Todesfälle, ausshließlich Kinder im Alter unter 2 Jahren betreffend, ging auf 28 von 33 der Vor- woche herab. Die Betheiligung des Säuglingsalters an der Sterb- liGfeit war eine geringere als in der vorangegangenen Woche; von je 10 000 Lebenden starben, aufs Jahr berehnet, 44 Säuglinge. Das Vorkommen der Infektionskrankheiten blieb meist ein bes(ränktes. Erkrankungen an Unterleibstyphus kamen wenige. (7) zur Anzeige. Die Erkrankungen an Masern und Diphtherie zeigten eine kleine Zu-, die an Scharlah eine Abnahme. In nennens- werther Zahl kamen Masern nur aus der Oranienburger Vor- stadt zur Meldung, während Erkrankungen an Scharlach ‘und Diphtherie sich in keinem Stadttheile häufiger zeigten. Hervors- zuheben is auch, daß in diefer Woche nur 1 Todesfall an Diphtherie zur Anmeldung kam. Erkrankungen an Kindbettfieber wurden 2 bes fannt. Rosenartige Entzündungen des Zellgewebes der Haut gelangten gleichfalls seltener zur Behandlung. Auch Erkrankungen an Keuchhusten, die in 7 Fällen tödtlih endeten, wurden seltener beobaätet. Während rheumatishe Erkrankungen der Muskeln keine wesentliche Veränderung in ibrem Vorkommen aufwiesen, kamen akute Gelenfrheumatiêmen in gesteigerter Zahl zur ärztlichen Behandlung.

Theater und Musik.

Deutsches T heater.

Das Schauspiel „Die Unehrlichen“ von Gerolamo Ro- vetta, deutsh von Otto Eisenschiß, ging gestern Abend an dieser Kunststätte zum ersten Mal in Scene, obglei das Stü? schon bei einem Gastspiel Friedri Mitterwurzer's im hiesigen Neuen Theater eine sehr fühle Aufnahme gefunden hatte. Der italienische Verfasser hat hier ein Thesenstück nah französishem Muster geschrieben, in welhem er für die „Unehrlihen“ durch die Darlegung der Lebensumstände und der Triebfedern ihres Vergehens als Anwalt um Nachsicht und Mitgefühl plaidiert. Jn einer krafsen Scenenführung s{ildert er die äußeren Motive zur That, aber er hat sie nicht von Innen heraus zu durhleuhten und vers ständlih zu machen vermoht. Der Zuschauer begreift die Treulosig- keit der Frau nicht, die hier im Mittelpunkt der Handlung steht, und fast noch weniger wird die innere Nothwendigkeit begreiflich, daß der ehrenfeste Ghemann kein besseres Mittel zur Rettung finden folle als selbst unehrlich zu werden. Was Mitterwurzer's große Kunf niht vermochte: der unwahren Gestalt dieses Mannes wirkliches Leben einzuflößen, das konnte auch Herrn Sauer troy lebhaften und angestrengten Bemühens nicht gelingen. Des Darstellers Kunst blieb, wie die des Dichters, auf starke äußerliche Effekte beschränkt. räulein Lehmann spielte die junge Frau mit so viel thränenreiher Wehmuth und herzbewegender Innerlichkeit, daß die Unklarheit des Charakters noch stärker in die Augen fiel. Durch die humoristische Dari des Schwiegervaters, eines Gegenstücks zu Ibsen's Hjalmar Ekdal, brate Herr Hermann Müller eine heitere Seite in die düstere Familientragödie. Herr Nissen zeichnete arf und lebenswahr den alten Sigismondi, den Urheber allen Unheils, und Frau Schneider gab eine kecke Dienstmagd sehr erfreulih. Nah Rovetta's aufregendem und quälendem Schauspiel wirkte Marie von Ebner-Eschenbach!s kleine Scene „Am Ende“ besänftigend. Noch milder und wärmer als in der Mittagsvorstellung, in der die zierlihe dramatische Kleinigkeit neulich zum ersten Male gegeben wurde (vgl. Nr. 88 d. Bl.), klang gestern Abend nah der erkünstelten Verstandespoesie der weiche Herzenston aus der Rede der alten Fürstin, die im weißen Haar nah langer Trennung M ge | liebten Gatten wiedergewinnt. Fräul Ae und Herr gaben das alte Ehepaar mit gewohnter Meisterschaft. i