1897 / 99 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 28 Apr 1897 18:00:01 GMT) scan diff

eorg Nr. 108, Dr. Perthen, Dr. Meister, Dr. Seifert des 9. Inf. E 133, e Pr: Lts., eee Pr. Lt. n der Inf. _Sec.

1, Aufgebots des Landw. Bezirks Leipzig, zum Hauptm., Rentsch, von der Inf. 1. Aufgebots des Landw. Bezirks Dresden- Neust., Sacher, c. Lt. von der Inf. 1. Aufgebots des Landw. Bezirks 1 Chemnitz, zu Pr. Ls.,, Schulze, Pr. Lt. von der Kav. 1. Aufgebots des Landw. Bezirks Wurzen, zum NRittm., befördert. Schroeder, Pr. Lt. der Landw. Inf. a. D,, in dér Armee und zwar als Pr. Lt. der Landw. Inf. 2. een mit einem Patent vom S. ber 1887 beim Landw. Bezirk Wurzen wiederangestellt.

Abschiedsbewilligungen. Im aktiven Heere. 21. April. Erhr. v. dem Bus\he-Streit horst, Mäjor E el-Adjutant

ner Majestät des Königs, in Genehmigung feines bschiedögesuches mit Beton und der Etlaubniß zum ans der Uniform des Garde- Reiter-Regts. mit den vorgeshriebenen Abzeichen zur Disp. gestellt. Ehrig, Major aggreg. dem Schüßen- (Füs.) Regt. Prinz Georg Nr. 108, v. Arnswaldt, Hauptm. und Komp. Chef vom 9. Inf. Regt. Nr. 133, Heydenreih, Rittm. und Eskadr. Chef vom Karab. Regt., in Genehmigung ihrer Abschiedsgesuhe mit Pension und der Grlaubniß zum Forttragen der bisherigen Uniform mit den vor- geshriebenen Abzeichen, zur Disp. gestellt. Wehner, Sec. Lt. vom 2. Königin-Hus. Regt. Nr. 19, zu den Offizieren der Res. dieses Regts. übergeführt. v. Zezshwiß, charakteris. Oberst z. D., unter Enthebung von der Stellung als Kommandeur -des Landw. Bezirks Leipzig, Fortgewährung der gefeßlichen Pension und mit der Erlaubniß zum Tragen der Uniform des 1. Jäger-Bats. Nr. 12 mit den vorgeschriebe- nen Abzeichen, v. Diebitsch, charakteris. Oberst-Lt. z. D., zuleßt Kom- mandeur des vormal. 1. Bats. (Zwickau) 6. Landw. Regts. Nr. 105, Franke, charakteris. Major z. D., zulegt Adjutant beim vormal. 1. Bat. (Plauen) 5. Lantw. Regts. Nr. 104, unter Fortgewährung der geseßlichen Pension und mit der Grlaubniß zum Forttragen der bisheri n Ae joem mit den vorgeschriebenen Abzeichen, der Ab-

ewilligt.

Fm Beurlaubtenstande. 13. April. Hertel, Pr. Lt. m Ter Zuf. 1. Aufgebots des Landw. Bezirks Leipzig, der Abschied

ewilligt. :

21, April. Seyfert, Pr. Lt. von der Inf. 1. Aufgebots des Landw. Bezirks T Chemnig, mit der Erlaubniß zum Tragen der Landw. Armee-Uniform; den Pr. Lts. von der Inf. 2. Aufgebots: M ei ster des Landw. Bezirks Zittau, Volker des Landw. Bezirks Bauten, Schwedler, Koch des Landw. Bezirks Leipzig, Große des Landw. Bezirks T Chemnitz, Degner des Landw. Bezirks I1 Chemniß, Friedrich, Pr. Lt. von den Jägern 2. Aufgebots des Landw. Bezirks Schneeberg, Roßberg, Sec. Lt. von der Kav. 92. Aufgebots des Landw. Bezirks Meißen, Roft, Sec. Lt. von der u Ene 2. Aufgebots tes Landw. Bezirks 11 Chemniß, behufs

eberführung zum Landsturm 2. Aufgebots der Abschied bewilligt.

Fm Sanitäts - Korps. 21. April. Dr. Meurer, Unter- arzt der Res. des Landw. Bezirks Zwickau, zum Assist. Arzt 2. Kl.

befördert. : : Beamte der Militär-Verwaltung.

Durch Allerhöchften Beschluß. 9. April. Krah, Garn. Bauinsp., beauftragt mit Wahrnehmung der Geschäfte eines Intend. und MEUa ens bei der Korps - Intend., zum Intend. und Baurath ernannt.

17. April. Beyer, Mittelbach, Jes, Geheime Sekretäre vom Kriegs-Ministerium, Eggers, Geheimer Intend. Sekretär von der Korps-Intend., der Charakter als Rechnungs-Rath verliehen.

Durch Verfügung des Kriegs-Ministeriums. 30. März O Kupfersteher beim topographishen Bureau des General- tabes, unter dem 1. April 1897 zum tehnishen Inspektor bei ge- genanntem Bureau ernannt.

17. April. Lorenz, Intend. Sekretär von der Korps-Intend., zum Geheimen Intend. Sekretär, Reinhold, Sekretär vom Kriegs- zahlamt, Puschner, Sekretär vom Kriegs-Ministerium, zu Ge- heimen Sekretären im Kriegszahlamt bezw, im Kriegs-Ministerium, ernannt. Schindler, Militäranwärter, unter dem 1. Mai 1897 als Kasernen- Insp. bei der Garn. Verwalt. Dresden angestellt.

21. April. Klemm, Lehrer bei der Soldatenknaben-Er- ziehungsanstalt zu Kleinstruppen, der Titel als Oberlehrer verliehen.

Deutscher Reichstag.

909. Sißung vom 27. April 1897, 1 Uhr.

Ueber den Anfang der Sißung wurde in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet. :

Auf der Tagesordnung steht zunächst die erste Berathung des Nachtrags-Etats für 1897/98.

Abg. Bebel (Soz.): Der Reichstag scheint keine Neigung zu haben, eine größere Debatte zu beginnen, obgleich es sich um erheb- lihe Summen handelt. Aber bei der Stellung, die meine Freunde eingenommen haben zu allen diesen Forderungen, kann ih erklären, By wir zu dieser Vorlage dieselbe Stellung einnehmen. Durch die Zeitungen ist die Nachricht gegangen ih weiß nicht, ob fie wahr ist daß von einer gewissen Stelle aus von den „Vaterlands- losen“ gesprohen wurde, welhe dem Vaterlande die nöthigen Mittel versagt haben. Wir glauben dur die Ablehnung übertriebener Forderungen dem Vaterlande mehr gedient zu haben als durch die Bewilligung. Es sind Gelder genug bewilligt worden, und wohin sollen wir denn kommen, wenn es so weiter geht, daß Dußende von Millionen bewilligt werden für militärishe Zwecke, während bei Ausgaben von 100 000 A für Kulturzwecke der größte Widerstand bei der Regierung entsteht. Troy aller Rüstungen sind die Groß- mächte nicht im stande, im Orient die dortigen Wirren zu klären. Wenn wir noch keinen großen Krieg haben, so liegt das daran, daß die Großmächte selbst Angst haben vor den zerstörenden Folgen eines solchen Krieges. Diesen fortwährenden Rüstungen muß Einhalt ge- boten werden. Das Reich allein kann nicht vorgehen. Aber das Reich und der Deutshe Reichstag haben eine so gewichtige Stimme, daß sié wohl bei gutem Willen ein Ende machen können.

Abg. Richter (fr. Volkép.): Das abgelaufene Etatsjahr hat ja ein gutes Ergebniß gehabt. Um so bedauerlicher ist es, daß solche großen Forderungen nahträglih gestellt werden müssen. Wir werden die Forderungen einer eingehenden sahlichen Erwägung unterziehen müssen. Denn die Menge des Ersayes des Artilleriematerials ist eine sehr bedeutsame 4 ie Frage is von weit größerer Wichtig- Feit für die Wehrkraft als die Frage, ob ein paar Kreuzer früher oder später bewilligt werden. Die Sache ist aber au technish so kom- plizierter Natur, daß ih es niht für angezeigt halte, dabei Fragen allgemeinerer Natur zu bespre{hen. Wir freuen uns, daß im Hinblick auf diese Forderungen bereits bei dem Militär-Etat erhebliche Ab- strie vorgenommen worden sind.

Abg. Dr. Bachem (Zentr.): Wir wissen {ließlich niht mehr, wie wir die Deckungsmittel beschaffen sollen, wenn es mit den An- lang en der Militärverwaltung so weiter geht. Es gehört dazu

er volle Patriotismus aller Parteien des Reichstages, denn diese Ausgaben haben die Tendenz, immer rascher zu wahsen. Der Reichstag wird legen lber sich bis in das Detail hinein zu überzeugen haben, ob die Militärverwaltung die Nothwendigkeit der Forderungen be- weisen kann; wenn es möglich. ift, wird der Reichstag auch hieran zu streichen haben. / E

Die Vorlage wird der Budgetkommission überwiesen.

Die allgemeinen Rechnungen für die Jahre 1885/86 bis 1891/92, sowie die Rechnungen der Kasse der Ober- Rechnungskammer werdén dechargiert. Í

Der Bericht der Reihs-Schuldenkommission für 1895 wird durch Kenntnißnahme für erledigt ez klärt.

Bei der zweiten Berathung der Uebersichten der Ein- nahmen und Ausgaben der Schußgebicte für 1894/95

und 1895/96 kommt Abg. Bebel auf den gas Peters zurück und verwahrt \ich da- gegen, daß seine ersten Anschuldigungen gegen Peters als unwahr und

übertrieben dargestellt würden. Das einzig Unrichtige an meinen Mit- theilungen, führt er weiter aus, war, daß ein- Brief des Peters an Bischof Tuer existiert; die fonstigen von mir behaupteten That- fa d aber vom Geriht anerkannt wordèn, namentlich, die Hinrichtung des abruk aus sexuellen Gründen ersolgt sei. Die Gerichtsverhandlungen haben ergeben, daß \chon 1892 die Reichsbehörden Kenntniß hatten von den Anshuldi- gungen gegen Peters. Es is auffallend, daß man niht {hon da- mals Gelegenheit genommen hat, einzuschreiten, daß man nur die- jenigen Zeugen vernommen hat, die ftark betheiligt waren an dem Vorgehen des Herrn Peters Es kann nicht genug gebrandmarkt werden, daß die Kolonialverwaltung als ein SIRIBEE Kriegs- geriht das ansehen konnte, was Peters nah Belieben zusammen- ewürfelt hat, ohne die zuständigen Personen dabei in Anspruch zu nehmen. ie Akten des-Kriegsgerichts sollen verloren gegangen feitt, was jeden- falls ein glückliher Zufall gewesen wäre. Wenn diese Art von Kriegs- gerihten Mode werden sollte, fo hätten die Kolonialfreunde alle Ursache, dagegen zu protestieren. Es wird sih fragen, ob mit dem Urtheil des Gerichtshofs die Sache abgethan sein soll. Die Hin- richtung des Mabruk war ein Gewaltakt. Man bat in den Fällen Leist und Wehlan gemeint, daß das Reichs-Strafgeseßbuh für West- Afrika damals nit Geltung hatte. Aber für Ost-Asrika galt es für die Reichsbeamten; es muß also ein Strafverfahren troß des Diszi- linarverfahrens eingeleitet werden. Wenn es noch nicht geschehen ein sollte, so hege ih die Hoffnung, daß seitens der verbündeten Ne- gierungen das Strafverfahren eingeleitet wird: das liegt im Interesse des Ansehens des Reichs und der Reichsbehörden.

Staatssekretär des Jnnern, Staats-Minister Dr. von Boetticher:

Mir sind die Akten in dem Fall Peters niht bekannt geworden ; ih bin niemals amtlich mit diesem Fall beschäftigt gewesen und bin deshalb außer stande, dem Herrn Vorredner auf den materiellen Theil seiner Ausführungen eine Grwiderung zu geben. Darüber bin ich aber nicht im Zweifel und das glaube ih in be- stimmte Aussicht stellen zu können —, daß, wenn aus der gegenwärtigen Disziplinaruntersuhung, die ja, wie ich äußerlih erfahren habe, noch nicht beendigt ist, da der Angeschuldigte gegen das Urtheil der Disziplinarkammer die Berufung eingelegt hat, \sich das Material und die rechtlihe Zulässigkeit für eine \trafrehtlihe Verfolgung er- geben wird, daß auch die Staatsanwaltschaft ihre Pflicht nit ver- säumen, und daß von seiten der Reihsverwaltung am allerwenigsten irgend etwas unternommen werden wird, um die Gerechtigkeit daran zu hindern, daß sie ihren freien Lauf nimmt.

Abg. Graf von Arnim (Rp.): Ich habe im vorigen Jahre in dieser Sache das Wort ergriffen, um, wenn auch nit den Dr. Peters in Schuß zu nehmen, so doch das Haus zu bitten, abzuwarten, ob wohl die Beschuldigungen wegen des Briefes an den Bischof Tucker ih bewahrheiten würden. Es haben zwei Untersuchungen ge\{webt, Die erste Untersuhung hatte ein so günstiges Ergebniß, daß man Peters zum Reichs-Kommissar zu ernennen si entschlossen hatte. Da plöulih tauchte die Beschuldigung des Herrn Bebel auf, daß ein Brief bestehen folle, der fo finnlos lautete, daß es ausgeshlofsen war, a Peters einen folhen Brief geshrieben haben könne. Deshalb bat i das Haus, sein Urtheil aufzushieben, und es wurde eine neue Unter- \suchung eingeleitet. Es hat sich herausgestellt, daß ein solcher Brief, wie Herr Bebel behauptet, niht vorhanden war. Wenn sih heraus- gestellt hat, daß falshe Berichte erstattet sind, und daß Dinge vor- gekommen sind, die ih auf das Lebhafteste bedauere, so will ih das auf sich beruhen lassen, da ja von beiden Seiten Revision eingelegt worden ift.

Abg. Lenzmann (fr. Volksp.) : Daß der Fall Peters mit dem Urtheil nicht abgeschlossen ift, ift selbsiverständlih. Jch mag aber in ein noh s{chwebendes Verfahren nit eingreifen. Ich hätte jedenfalls die Ressortchefs benachrichtigt, daß ih die Sache vor- bringen würde. Aber da sie einmal angeregt ist, so möchte ih auf die Sache eingehen: Aus den Verhandlungen geht hervor, daß der Angeklagte nicht ein Mann ist, dessen Thaten man zu be- dauern hat, sondern die man sittlih verabsheut, ein Mann, dem jedes menshlihe Gefühl abgeht. Da die Verhandlungen genügendes Ma- terial ergeben haben, um ftrafrechtlich vorzugehen, fo muß vor allen Dingen dafür gesorgt werden, daß die Behörden sich des Inkulpaten versihern, damit er niht wie Leist ehappiert. Das Verbrecken Peter's wird nah den Gesehen aller auswärtigen Staaten bestraft; die deutshen Gerichte würden berehtigt sein, Anklage zu erheben gegen Peter’'s wegen Mordes. Der Justiz-Minister hat in einem anderen Falle ausgeführt, daß ein Verfahren nicht eingeleitet werde, weil der Nachweis des Dolus mangeln würde. Wir werden erft abwarten, ob das Schwurgericht Herrn Peters freisprehen wird. Peters hat einen falshen Bericht erstattet, weil er ih feines Unrechts felbst beroußt war. Das ist genügend, um den Dolus nachzuweisen.

Direktor im Auswärtigen Amt, Wirklicher Geheimer Nath Hellwig: Meine Herren, ih bin eben in das Haus getreten, als der Herr Vorredner feine Rede begann. Die Frage, ob gegen den Herrn Dr. Peters eine strafrechtlihe Untersuhung einzuleiten fein möchte, ist selbstverständlich pflihtgemäß seitens der zuständigen Neichs- behörden in die ernsteste M gezogen worden. Der Herr Vor- redner hat schon angeführt, daß eine im Auslande begangene Straf- that eines Deutschen nur verfolgt werden kann, wenn dieseStrasthat sowohl nah dem Reichs\trafgeseßbuch, als au nach den am Orte der That geltenden Gesetzen strafbar ist. Nun hat der Herr Vorredner gemeint, daß ein Mörder nah allen Gesetzen strafbar sei, nah den Geseßen aller Na- tionen, wie er si ausdrüdckte. Ja, ih muß sagen, diese Strafthat ist am Kilimandsharo begangen unter einer so zu sagen wilden Völkerschaft, bei der geschriebene Strafgeseße jedenfalls nicht bestehen. Und wenn nah der Ausfoge. eines Zeugen in dem Disziplinarverfahren. der Herr Reichs-Kommifsar Dr. Peters erklärt hat, daß der Dschaggahäuptling es ebenso gemacht haben würde in einem solchen Falle, fo hat die Reichsregierung a daß in diesem Falle dem Dr. Peters der geseßlich vorgeschriebene Beweis hinsichtlih der Strafbarkeit seiner Handlung am Orte der That ganz unmöglich zu führen ist. Nach Art. 4 des Strafgeseßbuchs aber muß in einem solchen Falle dem Angeschuldigten dieser Beweis geführt werden, daß die That, die begangen worden ist, an dem Orte, wo sie begangen ift, strafbar ist, Die Reichsbehörde hat gemeint, diesen Beweis nicht führen zu können, und deshalb ' hat fie sih zunächst 7 l dnn im Disziplinarverfahren gegen den Beamten ein- zuschreiten.

Abg. Bebel: Dieser Rechtsgrundsay der Regierung wird wohl allsetige Ueberrashung erregen. Herr Peters hat also nun die Gewißheit , daß er strafrechtlich nicht mehr belangt werden kann. Graf Arnim hat Peters heute niht mehr vertheidigt, aber er hat auch kein . Wort der Entrüstung über ihn gefunden. Gr hat mir wiéder vorgeworfen, daß ein Brief an Bischof Tucker nit vorhanden sei. Jh habe nur behauptet, daß dieser Brief abs gedruckt sein soll. Aber au ohne den Brief ist die Handlungsweise des Herrn Peters verwerflih genug. Herr Lieber hat damals den Eindruck derselben im Reichstage drastis geschildert. Da hätte Graf Arnim seine Vertheidigung sparen follen. Die verbündeten Negie- rungen sollten sich do überlegen, ob sie die Rechtsfrage niht anders beurtheilen, als vorhin der Vertreter des Bundesraths,

Staatssekretär des Jnnern, Staats - Minister Dr. von Boetticher:

Meine Herren! Obwohl ih wieder von vornherein betonen muß, daß ih über den Fall Peters nicht gründlih genug orientiert bin, um alle Ausführungen des Herrn Vorredners zu widerlegen, so kann ih doch nit umhin, noch eine Bemerkung über sein Schlußraisonnement zu machen. Ich bin ebensowenig in der Lage, die Bemerkungen die der Herr Vorredner über die Kolonial-Verwaltungen im allgemeinen und ins-

besondere über die Verwaltung des früheren Herrn Kolonial-Direktors Dr. Kayser gemacht hat, zu beleuhten, aber ich möchte glauben, daß es \sich für ihn empfohlen haben würde, lediglich fachlich vorzugehen und nicht solhe Vorwürfe, die einen ehrenyerleßenden Charakter haben, gegen ejnen Beamten zu s{hleudêrn, der doch imiüiethiri seinen großen Verdienste um das Deutsche Reich hat, und der heute niht zur Stelle ist, um si vertheidigen zu können. Wenn das Maß. der Entrüstung über das Vorgehen des Dr. Peters, für die Beurtheilung der Frage, ob gegen ihn strafrechtlich einzuschreiten fei, entscheidend wäre, \o glaube ih, würden wir absolut keine Veranlassung haben, uns hier- über noch zu unterhalten. Dann würde bei der Reichsverwaltung wenigstens kann ich das von mir versihern —, das Mäß dér Ent- rüstung niht durch das Maß der Entrüstung des Herrn Bebel über- troffen werden können, und die Reichsverwaltung würde zweifellos vorgegangen sein. Der Fall und insbesondere die Rechtsfrage liegt aber in der That nicht so einfa, wie der Herr Vorredner meint; denn wenn Sie \sich den § 4 des Strafgeseßbuchs näher ansehen, \o ift der Zweifel durhaus berechtigt, ob es mögli ist, mit Aussicht auf Erfolg auf \trafrehtlihem Wege gegen Dr. Peters einzuschreiten. Der 8 4 lautet nämlich:

Wegen der im Auslande begangenen Verbrehen und Vergehen

findet in der Regel keine Verfolgung statt. E

Nun is} unzweifelhaft, daß das Gebiet, auf welhem sih die in- friminierten Handlungen des Herrn Dr. Peters vollzogen haben, zur Zeit der That zum Ausland gehörte; es war nicht deutshes Gebiet. Es ist also in der Regel, wie das Strafgeseßbuch sagt, wegen der Handlungen, die auf diesem außerdeutshen Gebiet begangen sind, eine \trafre{chtlihe Verfolgung nicht zulässig. Nun kommen im weiteren die Ausnahmen. Das Strafgeseßbuh schreibt in § 4 vor:

SFedoh kann nah den Strafgesezen des Deutschen Reiches ver- folgt werden: - und da kommt für den vorliegenden Fall die Nummer 3 in Betracht : ein Deutscher, welher im Auslande eine Handlung begangen hat, die nah den Geseßen des Deutschen Reiches als Verbrechen oder Vergehen anzusehen und durch die Geseße des Ortes, an welchem sie begangen wurde, mit Strafe bedroht ift.

Es ist also ganz \elbstverständlih, daß, wenn der Staatsanwalt gegen Herrn Peters mit Aussicht auf Erfolg einschreiten will, er den Nachweis zu führen hat, daß an dem Ort, wo die zu verfolgende Handlung begangen worden ift, die dort geltenden Strafgesetze diese Handlung als eine strafbare hinstellen. (Heiterkeit.) Darüber kommen wir einmal nit weg. Ich kann in diesem Moment niht übersehen, ob bei den wilden Völkerschaften, in deren Gebiet Dr. Peters die ihm zur Last fallenden Handlungen verübt hat, die Strafgeseßze so geartet sind, daß sie diese Handlung mit Strafe bedrohen. Das weiß ih nit; das aker weiß ih, daß eine Verfolgung nah der Wort- fassung unseres Strafgeseßbuchs nicht ohne weiteres zulässig ist, daß Dr. Peters vielmehr wegen einer im Ausland begangenen Handlung nicht verfolgt werden kann, wenn dort die Handlung mit Strafe felbst nicht bedroht ift.

Also, meine Herren, ih komme darauf zurück: wir sind sämmtlich entrüstet über die Handlungsweise des Dr. Peters, fofern sie und daran ift ja leider kaum noch ein Zweifel gestattet that\ächlih begründet ist; die Frage der \trafrechtlichen Verfolgung liegt aber nicht so einfa, wie einige der Herren Vorredner annehmen. Und wenn nun Herr Abg. Bebel am S@luß seiner Bemerkungen die Annahme ausgesprochen hat, daß nunmehr, nach der heutigen Ver- handlung, ih die Reichsregièrung die Sache wohl noch einmal über- legen werde, so kann ich ihm zwar verspreheu, daß ih den gegen- wärtigen Herrn Kolonial-Direktor darauf aufmerksam zu machen bereit bin, daß es sich empfehlen werde, die Frage noch einmal gründlich zu prüfen. Zu welchen Entschließungen aber die neu anzustéllenden Erwägungen führen werden, das kann ih selbstverständlich niht im Voraus sagen. Jch bitte aber, so lange die Reichsregierung ein Vorwurf darin nicht trifft, daß sie ohne gute Gründe ihre Entschließung gefaßt habe, solche Vorwürfe au hier zu unterlassen.

Abg. Dr. Bachem: Wir erwarten von den zuständigen Be- hörden eine eingehende Untersuchung darüber, ob nit eine \trafrecht- lie Verfolgung möglich ist. Die Beweisführung des Staatssekretärs von Boetticher is doch eine sehr formalistishe gewesen. Jn den Amtsblättern gedruckte Geseße werden dort zwar nicht vorhanden sein, aber wenn die Wilden Herrn Peters damals in die Hände gekriegt hätten, so hätten sie ibn gelynGt. Das wäre der Ausdruck eines berechtigten Rechtsgefühls gewesen. Der ganze Neichêtag und das ganze Volk wird darüber einig sein, daß es eine große Genugthuung ist, daß wir diesen Mann endlich los ge- worden find. Eine folche Kolonisationsmetbode wie die der Herren Leist, Wehlan und Peters können wir niht gebrauhen. Jch will dem früheren Kolonial-Direktor nit ale Schuld zuschreiben, aber “hätte er die Sache so energisch untersuht, wie es jegt geschehen ist, dann wäre die Verurtheilung {hon früher erfolgt. Die afrikanischen Anschauungen känn der Reichstag nicht als berehtigt anerkennen. Die deutshen Beamten follen in christlihem und zivilisatorishem Sinne wirken. In diesem Sinne muß das Gewissen der Beamten geschärft werden durch die Kritik im Reichstage, damit nit das Ansehen des Reichs gesädigt werde durch das Vorgehen solcher Herren.

Abg. Graf von Arnim: In der Erregung darüber, daß i ihm eine falshe Behauptung nachgewiesen habe, hat Herr Bebel einen logishen Denkfehler gemacht, indem er mir vorwarf, daß ich Herrn Peters vertheidigte. Ih habe mich damals auf den Standpunkt gestellt: audiatur et altera pars, und ih war dazu vollständig berechtigt. Ich habe nicht bedauert, daß diese Dinge herausgekommen find, sondern nur, daß sie geschehen sind. Ich bin der letzte, der solhe Dinge beschönigen will. Aber daß in Afrika der Maßstab des preußishen Strafrehts nicht anzuwenden ist, das wird Jedermann zugeben, denn sonst würde man zu horriblen Zuständen kommen. Ich will nur auf den einen Punkt hinweisen, daß der Uebergang vom Kindesalter zum Alter der Erwachsenen ein anderer ist als in Deutschland.

Abg. Lenzmann: Ich bedauere, daß der preußische Justiz- Minister niht anwesend ist. Ich meine, daß die \trafrehtlihe Ver- folgung mögli ist und daß die Strafe eine solhe ist, daß Peters, der weltbewanderte Mann, als fluhtverdächtig erscheinen kann. das Gebiet, auf welhem sih damals Peters befand, hon annektiert war, lasse ich dahingestellt, ebenso ob nicht das Kriegsterrain als Inland zu betrachten ist, Ein Häuptling würde als princops lege golutus fein und nit bestraft werden. Aber Peters ist fein princeps. Würde er au straflos sein, wenn niht ein armer S{hwarzer, Tondern Herr von Pehmann das Opfer des Mordes ge wesen wäre? - Es unterliegt außerdem keinem Zweifel, daß eters ein Reichsbeamter war und in dieser Eigenschaft seine Handlungen begangen hat. Diese Handlungen werden nah § 140, Z anwendung nah § 143 des Strafaesepbuchs \{chwer bestraft,

Frage der Verhaftung des Herrn Peters hat Herr von Boettich moret er ist au nit dazu berufen. Aber in anderen F

#st man in Deutschland shnell mit der Verhaftung bei der Hand. Der {wer verleßten Gerechtigkeit muß die Satisfaktion verschafft werden, die ein gesittetes Volk zu verlangen berechtigt ist.

“vollständig aus, um

Abg. Bebel: Wir” müssen verlangen, daß. Deutsche, namentli

deutshe Beamte, ih als ‘Kulturträger, als zivilifierte Menschen benehmen, und gegen us\chreitungen “müssen wir die heimathlichen Geseze anwenden, ‘damit es nicht heißt : der Deutsche in den Kolonien ift ein Barbar, ein Wilder. Die Bestimmung über die Bestrafung ycn Beamten wegen Vergehen und Verbrechen im Auslande reiht eters auf Grund des Reihs-Strafgeseßbuchs rafrechtlich zu verfolgen Die Hinridtung des Mabruk und des Prädchens waren Amtshandlungen des Peters, Sollten die Regie- rungen keinen Anlaß nehmen, strafrechtlich einzuschreiten, so werden wir darauf zurückommen. :

Abg. Dr. Förster -Neustettin (Neformp.): Herr Bebel sollte nicht immer alles in Deutschland s{lechter finden, als im Auslande. Es ist durchaus bei uns besser. Sehen Sie sich do die Behandlung des Falles Jameson und Rhodes in England an; von Gerechtigkeit ist da keine Rede; es entscheidet ledigli der egoistifche Krämer-

standpunkt._ i ; Damit \ch{ließt die Debatte; entsprehend den Anträgen

der Rechnungskommission werden die nahgewiesenen Etats- übershreungen und außeretatsmäßigen Ausgaben nachträglich enehmigft.

N Es folgt die erste Berathung des Gesezentwurfs wegen anderweiter Bemessung der Wittwen- und MWaisengelder.

Abg. Stadthagen (Soz.): Die Mindestpension einer Wittwe wird ja allerdings von 120 4 auf 216 #4 erhöht, aber das reit nit aus; ebenso wenig genügen die Säße, welhe für eine Waise gezahlt werden follen. So niedrige Beiträge sind kaum als Almosen ausreihend, um so weniger, als man bei dem Maximum der Pensionen einen Sprung von 1600 auf 3000 4 machen will. Ih bitte, die Anträze, mit denen die Sozialdemokraten kommen werden, mit ufiefängenbait zu prüfen.

Abg. Freiherr von Stumm (Rp.): Wenn der Vorredner die Maisen der verunglückten Arbeiter denen der Reichsbeamten gleih- stellen will, dann sollte er doch glei weiter gehen und allen Waisen aller Arbeiter, au derjenigen, die nicht verunglücken, eine Rente ge- währen. Wenn die Kinder der Arbeiter mit dem 14. Lebentjahr ihrerseits in Arbeit treten, so braucht man ihnen die Waisenrente nit bis zum 16. Lebentjahre zu gewähren.

Staatssekretär des Reihs-Schaßgamts Dr. Graf von Posadowsky-Wehner:

Meine Herren! Ich will mih zu der Frage fehr kurz äußern, da ih wohl annehmen kann, daß allgemeines Wohlwollen für den Geseßz- entwurf im hohen Hause herrsckcht.

Einer der Herren Vorredner hat Gelegenheit genommen, die Debatte über dieses Gesetz zu verbinden mit den Verhandlungen über die weitere Ausdehnung der Unfallversicherungsgeseßgebung. Ich glaube, das sind ganz verschiedene Gebiete: die Stellung des Arbeit- nehmers zum Arbeitgeber und die Stellung des Beamten zum Staat. Icch möchte auh darauf hinweisen, daß seine Deduktionen nicht richtig sind, wenn er sagt: die unterste Stufe derjenigen Beamtenwittwen, die Wittwenpensionen bekommen, is nur um etwa 39 %% erhöht, während die Pensionen der Wittwen der höhsten Beamten um so viel mehr erhöht werden. Ich bitte, nit zu vergessen, daß das Prinzip des Reliktengeseßes darauf beruht, daß die Wittwension eine Quote bildet der Pension, die dem Manne zugestanden hätte, wenn er an seinem Todestage pensioniert worden wäre. Während die Wittwen der unteren und mittleren Beamtenklassen aber die volle geseßliche Quote der Pension des Mannes erhalten, is sie für Wittwen der höheren Beamtenklassen wesentlich gekürzt worden, und der Gesetz- entwurf bezweckt nur, diese Kürzung etwas zu vermindern.

Meine Herren, wenn man überhaupt zugestehen will, daß ver- schiedene Bildung, verschiedener Stand auch verschiedene Lebens- bedürfnisse hervorrufen, so muß man zugeben, daß eine Wittwen- pension, die selbs für die Wittwen der höchsten Beamten gegenwärtig nur 1600 M beträgt, eine außerordentli dürftige und ungenügende ist; in einer großen Zahl deutsher Staaten besteht entweder gar keine solhe Grenze, oder sie ist eine wesentlih höhere.

Dann hat der Herr Abgeordnete den Wunsch ausgesprochen , die Minimalpension zu erhöhen gegenüber dem Vorschlage des Entwurfs. Ich glaube, {hon aus finanziellen Gründen wird diesem Wunsche niht Rechnung getragen werden können. Ich erinnere zunächst daran, daß in Deutschland in großem Umfange folhe Dienstverrihtungen von Beamten ausgeführt werden, die in anderen Staaten nur von Personen im Arbeiterverhältniß verrihtet zu werden pflegen. Und namentli in den leßten Jahren ich erinnere nur an den Post- Etat sind in erheblihem Umfange Personen, die bisher im Ver- tragsverhältniß standen, in etatsmäßige Stellungen übergeführt. Darin liegt hon ein ganz erheblihes Benefizium für die unteren Beamten- Tassen.

Aber, meine Herren, ih glaube, der Wunsch des Herrn Vor- redners wird au finanziell niht durchführbar sein; wir sollten des- halb bei diesem Gese nicht weiter gehen als die Vorschläge der ver- bündeten Regierungen. Ich gestatte mir, vorbehaltlich der weiteren Erörterung, sei es in der Kommission, sei es in der zweiten Lesung, einige Zahlen anzuführen.

Für die Beamtenbesoldung sind mehr erforderlich, wenn der Nahtrags-Etat angenommen, über 10 Millionen Mark; die Penfions- last würde sh infolge dessen steigern, nach einer allerdings nur über- \hlägigen Berechnung, um etwa 24 Millionen ; ferner würde, wenn das Reliktengesez in der vorliegenden Form vom hohen Hause angenommen wird, im Beharrungszustande ein Mehrbedarf von 6 Millionen erforderlich fein. Als wir seiner Zeit die Neliktengeseßze von 1881 und 1887/88 erließen, wurde angenommen, daß nach deren Ausführung im Beharrungszustande 17 Millionen Mark noth- wendig wären ; auf diese 17 Millionen sind nech rund 9 Millionen rüdständig. Wie \chnell hier der Bedarf steigt, mag sich daraus ‘ergeben, daß nach dem Etat von 1887/88 im Ganzen erforderli waren zur Deckung des Bedarfs für die Relikten etwas über 2 Millionen, während nah dem Etat für 1897/98 son über 83 Millionen erforderlich sind. Also die Ansprüche für die Relikten- versorgung sind in dem Zeitraum von 10 Jahren um 320 °/ gestiegen. Jh brauhe niht darauf hinzuweisen, daß z, B. auh unsere Pensionslast vom Jahre 1880/81 bis zur Gegenwart um 50 Millionen, d. h. um 229 9% ge- stiegen ist. Wir haben uns vom finanziellen Standpunkt aus sehr genau überlegt, ob wir zu Gunsten der Wittwen, denen ja jeder billig denkende Mensch wohl will, weiter gehen sollen, haben uns aber \hließlih do gesagt, daß, nahdem zuerst der Staat die Wittwen- versorgung überhaupt übernommen hat, nahdem dann der Staat verzichtet hat auf die Beiträge der Beamten, und nachdem jeßt erhöhte Säße sowohl“ für die: Minimal- wie für die Maximalpension vor- geshlagen sind, wir im Interesse der Finanzen weitere Forderungen an den hohen Reichstag nit stellen können. Wir bitten Sie deshalb, meine Herren, die angekündigten Anträge eventuell abzulehnen.

Æ

__ Abg. Stadthagen bleibt dabei, daß eine Musbefserun der niedrigsten Pensions\äße nothwendiger fei als eine folhe der b n Sätze, und bâlt es für gerecht, daß die Hinterbliebenen der ver- unglüdckten Arbeiter ebenso lange Waisengeld beziehen - sollten wie die der Beamten. Die Industrie erfordere mehr Arbeiterleben in einem Fahre, als im ganzen französischen Kriege an Offizieren gefallen seien.

Siaatssekretär des Reihs-Schhazamts Dr. Graf von Posadowsky-Wehner:

Meine Herren! Der Abg. Stadthagen is wieder auf die Be- hauptung zurückgekommen, daß die Pensionen der Wittwen der oberen Beamten in größerem Maße erhöht würden, als die Pensionen der unteren Beamten. Das Verhältniß is aber doch \o, daß die Wittwen der höheren Beamtèn nicht die Pensionen bekommen, die ibnen nach dem allgemeinen Grundsaß des Reliktengesezes zustehen, sondern daß diese Wittwenpensionen ganz außerordentli} gekürzt sind. Die höckste Pension, die im Reih und in Preußen gezahlt wird, beträgt 18000 Æ, nah dem Prinzip des Ge- seßes beträgt die Wittwenpension ein Drittel der Pension des Mannes; also die Persion der Wittwen der höchsten Beamten müßte 6000 M betragen; thatsächlich beträgt sie aber nur 1600 4, also um den ungeheuren Betrag von 4400 ift dur die jeßige Gesetzgebung die Pension der Wittwen der höchsten Beamten gekürzt, die ihnen eigentli nach dem allgemeinen Prinzip des Geseßes zustände, nach dem Prinzip, nah dem alle anderen Beamtenwittwen ihre Wittwen- pension erhalten. Das vorliegende Geseß bezweckt also nicht eine grundsäßlihe Erhöhung an und für fi, fondern nur eine Milderung der viel zu starken Kürzung der Höchstpension für die höheren Be- amtenwittwen.

Wenn der Herr Abg. Stadthagen ferner die Kinder der Arbeiter vergleicht mit den Kindern der Beamten, fo thut er doh den that- \ächlihen Verhältnissen Unreht; denn der Wunsch der meisten Beamten sie find zum großen Theil auch dazu gezwungen ift, ihre Kinder wieder ähnlichen Stellungen zuzuführen, wie die, in denen sie sih selbst befinden. Aber jede Beamtenstellung erfordert eine längere Vorbereitung mechanischer oder wissenschaftliher Art, als die- jenige Vorbereitung, die nothwendig ist, um im Arbeitsverhältniß {ih sein Brot zu erwerben. Meine Herren, so lange wir Beamte haben und im Staate brauchen, ist es auch erwünscht, daß die Kinder der Beamten wieder der Beamtenlaufbahn zugeführt werden; dann können wir aber nicht dieselben Grundsäße auf die Versorgung und Erziehung der Beaatenkinder anwenden, wie auf die Versorgung und Erziehung der Arbeiterkinder; es sind eben völlig verschiedene thatsächliche Verkhälinifse.

Abg. Freiherr von Stumm: Der Abg. Stadthagen ift nit im stande, den Unterschied zu verstehen, der zwishen Wittwen und Waisen der Beamten und der Arbeiter besteht. Nur die Hinter- bliebenen der verunglückten Arbeiter erhalten eine Pension. Dies ist der Pal der Haftpflicht, nicht des Arbeitsverhältnisses an sich.

Abg. Stadthagen: Die Ausdruckeweise des Vorredners zeigt ein folGes Uebermaß von Werthshäßung seiner felbst und feines hervorragenden Maßes von Kenntnissen, daß es wirklich überflüssig ift, mit ihm zu diéfkutieren.

Die Ueberweisung der Vorlage an eine Kommission wird abgelehnt. f

Schluß 41/4 Uhr. Nächste Sizung Mittwoh 2 Uhr. (Erste Berathung der Vorlage, betr. die JInvalidenversicherung und der denselben Gegenstand betreffenden Anträge von Ploeß und Roesicke.)

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

69. Sizung vom 27. April 1897.

Auf der Tagesordnung steht die Berathung des von den beiden konservativen Parteien, der nationalliberalen Partei und dem Zentrum unterstüßten Antrages des Abg. Grafen von und zu Hoensbroech (Zentr. ):

die Regierung zu ersuchen, dieselbe wolle ihren Einfluß im Bundesrathe dabin geltend machen, daß derselbe dem vom Reichstage angenommenen Antrage, betreffend die Aufhebung der Zollkredite bei der Einfuhr von Getreide 2c., seine Zustimmung ertheile und die zur Dur(führung dieses Antrages erforderlichen Anordnungen sobald als mögli treffe.

Ueber den Beginn der worden.

Abg. Broemel (fr. Vgg.): Ich freue mich der konstitutionellen Anschauung, daß die Regierung Beschlüsse der Parlamente ausführen foll: Ich bedauere nur, daß die Herren in anderen Dingen diese An- \chauung nicht bethätigen. Die Herren lassen si von einem Mißtrauen gegen den Handeléstand leiten, das den Interessen der Landwirthschaft icht förderlich ist. Die Errichtung der Privattransitlager hat gerade gezeigt, daß man nicht einseitig von den Interessen des Handels aus- gegangen ift, die Landwirthschast ist selbst an der Erleichterung unseres Exporthandels interessiert; man wollte durch die Privattransitlager die Leistungsfähigkeit unserer Exporthandelspläße in dem Maße aufrecht erkalten, daß auch die Landwirthschaft davon Nutzen habe. Wird der Zollkredit aufgehoben, so wird nur ein kleiner Theil der Händler, der fapitalkräftig genug ist, sein Gesäft aufrecht erhalten können, und diese Beschränkung des Händlerkreises würde erft recht nicht zu Gunsten der Landwirtb [haft aus\hlagen. In den achtziger Jahren, als wir noch feine Mühlenkonten hatten, waren unsere großen Mühlen vom aus- ländishen Markt fast ganz ausges{lossen, und sie machten daher auf dem inländishen Markt den kleinen Müllern solche Konkurrenz, daß diese verlangten, daß man den großen Mühlen ihren Absaß nah dem Auslande erleichtern solle. Die ostpreußishen Müller haben anerkannt, daß die Aufhebung der Zolkredite ihnen die Konkurrenz mit den großen Gxportmühlen nicht erleihtern, sondern ‘fie \chädigen würde. Die Aufhebung des Jdentitätsnachwei]es hat bewiesen, E der Auf- \chwung des Bandels diejenige Preissteigerung gebraht hat, welche man davon erwartete. Der Werth der gemischten Privattransitlager liegt eben darin, daß sie die ausländische mit der inländischen Waare vermiscken können, ohne nachweisen zu müssen, ob sie dieses oder jenes Quantum nah dem Auslande oder dem Inlande verkaufen. Die Seestädte würden durch die Aufhebung der Zollkredite ceschâdigt werden. Ich hoffe daher, daß die Regierung dem Antrage keine Folge geben wird.

Finanz-Minister Dr. von Miquel:

Meine Herren! Ich halte es für nothwendig, dem hohen Hause den Grund anzugeben, aus welchem die beiden anwefenden Minister außer stande sind (Rufe: Lauter !), zu dem materiellen Inhalt des Antrages eine bestimmte Stellung der Staatsregierung zu bezeihnen. Es ist die hier vorliegende Frage ja seit längerer Zeit, im Neichstage namentli, angeregt worden, und die Staatsregierung hät darauf Ver- anlassung genommen, alle die Fragen, die mit diesem Antrage zu- fammenhängen die Frage der Beibehaltung oder Verringerung der gemischten Transitläger, der Einwirkung der Aufhebung des Fdentitätsnahweises auf die gemischten Transitläger und ihre Be- deutung, die Frage der Aufhebung des Zollkredits in sehr eingehende

Debatte ist gestern berichtet

gründlihe Erwägung zu nehmen. Es sind alle Ermittelungen an- geftellt, die in dieser Beziehung angestellt werden können. Es sind die großen Interessenvertretungen gehört worden, sowohl die Handels- j kammern haben \ich zur Sache geäußert als die Laniwirthschafts- kammern. Es find Sachverständige vernommen, und es haben sich au, namentlich au neuerdings, diese Ermittelungen erstreckt auf die Feststellung der Ausbeutungsverhältnisse beim Export von Mebl und auf die Rückwirkung der Feststellung dieses Rendements- verhältnisses auf die vershiedenen großen und kleinen Mühlen —; mit einem Wort: die Frage ist nach allen Richtungen hin in aus- giebiger Weise erörtert und klargestellt worden. Es haben jeßt die betreffenden Ressort-Minister zur Sache votiert, eine Berathung und Entscheidung des Staats-Ministeriums hat aber in dieser Beziehung noch nit stattgefunden. Daher sind wir heute nicht in der Lage, diesem Antrag gegenüber eine bestimmte Stellung einzunehmen. (Be- wegung.)

Meine Herren, ich möchte nur doch zur Aufklärung der Sache Einiges sagen, weil die Frage der Aufrehterhaltung der gemischten Transitläger mit der Frage der Aufhebung des Zollkredits gewifser- maßen hier durcheinander geworfen wird.

Man hat ja gesagt: Die Aufhebung des Jdentitätsnahweises läßt die völlige Aufhebung der gemischten Transitläger zu, weil alle Vortheile, die mit den gemishten Transitlägern verbunden find, für den Handel--für den freien Verkehr, au für die Mishungen nunmehr erreicht sind durch die Aufhebung des Identitätsnachweises. Jch will nur bemerken ganz thatsählich, ih habe hier keine Meinung zu äußern —, daß dies allerdings ein Irrthum ist. Denn einmal erstreckt {ih die Aufhebung des Identitätsnachweises der eingeführten und aus- geführten Waaren bisher nicht auf alle Getreidearten; dann aber muß bei Anwendung der Bestimmungen über die Auf- hebung des TIdentitätsnahweises vorher ein Export statt- gefunden haben ; auf Grund des thatsählich stattgehabten Exports werden die Einfuhrscheine ers wieder gewährt, während bei dem gemis{chten Transitlager der Import von ausländishem Getreide voll- kommen zollfrei auf das gemishte Transitlager geht (sehr rihtig!) und eine Verzollung ers dann und soweit eintritt, als hinterher von dem gemischten Transitlager ein Ausgehen von Getreide in den freten Verkehr des Inlandes statifindet. Dann braucht also die Verzollung erst stattzufinden in dem Augenklick, wo von dem gemischten Transitlager indas Inland importiert wird ich gebrauche ausdrücklich den Ausdruck „importiert", weil nach'zolltechnishen Begriffen das gemischte Transitlager als Ausland angesehen wird (sehr richtig!), felglih das Getreide erst zur Verzollung kommt, wenn es von diesem künstlich geshaffenen Aus- land ins Inland \sich begiebt ¿zum inländishen Konsum. (Sehr rihtig !)

Es ift also klar, daß, selbst wenn der Antrag des Herrn Grafen Schwerin von den verbündeten Regierungen angenommen würde, dennoch immer ein wesent1lihes Interesse bestehen bleiben kann, die gemis{hten Transitläger an sich aufrecht zu erhalten für die Inhaber desselben und für den Handel. Ich verstehe jeßt den Antrag dahin, daß man diese Frage z. Z. nicht in Angriff nehmen will (fehr richtig! rechts), sondern sich lediglich auf die Aufhebung des Zollkredits beschränkt (sehr richtig! rechts), sodaß in Zukunft diejenigen Handelsstädte, die sehr entsheidendes Gewicht auf die Beibehaltung dieser gemischten Transitläger legen, doch noch den Vortheil behalten könnten, daß {ie das Getreide niht an der Grenze zu verzollen brauen, sondern daß das Getreide als transitierendes Getreide angesehen wird bis zum Wiederausgang in das Ausland oder bis zur Einlagerung was dasselbe ist in die gemischten Transitläger. Ich seße das so aus- führlih auseinander, weil man ih in diese Fragen hineindenken muß, was für einen Laien nicht ganz leiht ift.

Meine Herren, was nun die gemischten Transitlager betrifft, so ist das bisherige Verfahren mit denselben folgendes gewesen. Sie hatten ja den Zweck, dem Importeur die Möglichkeit zu geben, das Getreide zollfrei ins Aulsand zu bringen oder nah seiner Wakhl und der Konjunktur von dem gemischten Getreidelager in das &Fnland. Nun hatte sich aber herausgestellt, daß eine sehr erhebliche Anzahl von Transitlägern überhaupt nicht in das Ausland exportieren. (Hört! Hört!) Dann gestaltet sih die Sache aber als nihts weiter als ein Kreditprivilegium, d. h. thatsählich als eine unbere{htigte Be- günstigung des Imports von ausländischem Getreide. (Zuruf.) Ih fprehe niht von allen Waaren, sondern zur Zeit von Getreide. Infolge dessen hat der Bundesrath beschlossen, daß die gemischten Transitläger dieser Art, die thatsählich überhaupt gar keinen Verkehr mit dem Auslande haben, nit berechtigt seien, nah dem Sinne und der Tendenz, für welhe überhaupt diese gemischten Transitläger eingeführt sind, daß \sich da ein Mißbrauch herausgestellt habe, und es wurden nun Ermittelungen angestellt über die Geschäftsgebahrung in den einzelnen gemischten Trarisitlägern. Diejenigen, bei denen sich von vornherein klar herausstellte, daß fie einen Verkehr mit dem Auslande überhaupt nicht hatten, wurden bereits 1895 aufgehoben ; bei anderen, bei denen ein kleiner Verkehr mit dem Auslande nahgewiesen wurde, wollte man noch etwas Zeit lassen und noch ein Jahr die Ermittelungen weiter fortseßen. Da hat fich weiter herausgestellt, daß auch bei den 1895 bestehen gebliebenen Transitlägern eine erheblihe Anzahl übrig geblieben war, welche unter die erstbezeichnete Klasse fielen, und da ist wiederum der Antrag von der preußischen Staatsregierung gestellt, diese gemishten Transitläger au einzuziehen, sodaß, wenn ih nit irre, in Preußen eigentlich nur noch die Seestädte stehen geblieben waren, die anderen gemischten Transitläger aufgehoben wurden (Zuruf) auch an den Rheinhäfer. Nun ging dieser Antrag an den Bundesrath. Der preußishe Antrag erstreckte ih aber auch auf eine Reihe von Lagerhäusern in anderen preußischen Städten, und infolgedessen kommen natürli die Verhandlungen mit diefen verbündeten Staaten in Betracht. JInzwishèn kam ein neuer Antrag an den Bundesrath, der etwa entsprechGend dem Antrage des Hérrn Grafen Schwerin den Zollkredik überhaupt aufheben wollte. Daß dies natürlich für die Entscheidung “über den Bestand der ge- mischten Transitläger beziehungsweise über die Zahl und die Voraus- feßung der Aufhebung einzelner Transitläger von Bedeutung war, braude id Ihnen ‘nicht weiter auseinanderzuseßzen. Jüfolgedessen ist eine Entscheidung über den Antrag, betreffend die gemischten Transit- läger im Bundesrath noh nicht eingetreten; vielmehr haben sich nun die Ermittelungen auf die jezt hier durch den Antrag des Herrn Grafen Schwerin angeregte Frage erstreckt, wie ih vorhér bereits gezeigt habe. Eine Entscheidung des Staats-Ministeriums ist noch nit getroffen, ich kann also in dieser Beziehung keine Stellung

nehmen, wie die Herren verstehén werden ; es wird aber dieser Antrag