1897 / 100 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 29 Apr 1897 18:00:01 GMT) scan diff

‘untersten Lohnklasse noch weiter herabschen und dadur Einnahmen Oftpreußens um 10% herabsegen. Eber Tô: man daran denken, die Beiträge der höheren Lohnklafsen Pi ueden. Die Vorlage bedarf der gründlihsten Prüfung, und bei der Geschäftslage des Hauses wird es unmöglich sein, dieselbe : n SesSluy zu bringen, au wenn sie einer besonderen Kommission é iesen werden wird. Es erscheint überaus wünshenswerth, daß wir ti dag en Bestimmungen annehmen, über welche eine Meinungs- nheit niht besteht. ee Absicht entspciht mein Antrag, welcher die in der Vorlage enthaltenen Erleichterungen bezügli der nition der Erwerbsunfähigkeit und bezüglih des Markenklebens umfaßt und sih als eine Art Nothgeseß darstellt, welhes man ohne Kommissionsberalhung sofort in zweiter Lesung im Plenum erledigen könnte. Sollte eine Kommissionsberathung beliebt werden, J Jollte man die Kommission beauftragen, diesen Antrag vorweg zu then und vorab darüber Bericht zu erstatten. Durch dieses t Sgelep ade der Bevölkerung Deutschlands ein wirklicher Dienst geleistet werden. Direktor im Reichsamt des Innern von Woedtke: Der s ndrag des Herrn von Ploey sowohl wie der Antrag Noesicke scheinen mir nicht annehmbar zu sein. Die finanziellen Bedenken gegen den Antrag von Ploey find von dem Vorredner sehr eingehend und treffend dargelegt worden, sodaß ih darauf einzugehen verzihten kann. Der Antrag von Plocß will von dem Markenkleben absehen und eine Mente gewähren, wenn eine Arbeitsbesheinigung beigebracht wird. Der Gedanke ist ganz schön, aber es wird dadurch niht etwas Besseres erreiht, als durch das bestehende Gesez. In der Praxis wird es ns nit bewähren, Arbeitsbescheinigungen beizubringen. Während der Margan gen hat si dieses Verfahren niht gut bewährt und hat zur starken Belästigung der Arbeitgeber geführt, namentli foweit unfständige Arbeiter in Frage gekommen. Der Arbeitgeber muß die Bescheinigungen mindestens vier Jahre aufheben. Die Antragsteller des Antrages von Ploeyz haben die finanzielle Tragweite ihres An- Îrages nit übersehen, fie haben viel niedrigere Renten vorgeschlagen, als das bestehende Geseß gewährt. Der Antrag Roeside enthält inige gute Körnchen aus der Vorlage, der Rest soll ad calendas Graecas vertagt werden. Ein Nothgeseß ist das nicht; denn es Handelt si tabei niht um eine Abwendung von Gefahren. Bei einer Materie wie die Invalidenversiherung, welche bei der Bevölkerung nit auf dasjenige Maß von Woblwollen gestoßen ist, die sie ver- dient, kann man nit jeßt ein Stückchen ändern und im nächsten Jahre wieder. Der Ausgleih zwischen den einzelnen Versicherungsanstalten viel dringender nothwendig als die Aenderungen, welhe Herr oeside durchdrücken will. In Ostpreußen ist ein rechnungsmäßiges Defizit vorhanden, welhes \sich von Jahr zu Jahr vermehrt. Bis 1900, wo die erste Nechnungéperiode abläuft, muß die Sache ge- zTegelt werden; um das Defizit auszugleichen, müßte die arme Provinz Ostpreußen ihre Lasten erhöhen. Herr Roesicke legt auf die Ausführungen der Denkschrift, welhe gegen seine Ausführungen Aprelen, ein viel zu geringes Gewicht. Es mag sein, daß nicht alle Beträge in Ostpreußen entrichtet worden sind. Aber das reiht nicht aus zur Erklärung der kolossalen Verschiedenheiten mit den anderen Provinzen. Bis zum 31. Dezember 1896 war an Renten bewilligt auf 1000 De naa dBge im ganzen Reich 45,1, in Ostpreußen aber 78,8, in Schleswig-Holstein 62,8, in Schlesien 59,4 u. #. w. Die Ausgleichung der verschiedenartigen Belastung kann ja dur die Zusammenlegung mehrerer Anstalten erfolgen, z. B. dur die Zu- Jammenlegung aller norddeutshen Anstalten. Dadurch würde aber eine große Anzahl von Anstalten ihrer Selbständigkeit beraubt, wäh- rend die Vorlage die Anstalten aufrecht erhält und für die Zukunft Ihnen au ihre Vermögensbestände beläßt bei anderweitiger Berthei- Lung der Rentenlast. Abg. Gamp (Rp.): Auch ich hege die Befürchtung, daß bei der Geschäftslage die Vorlage niht mehr verabschiedet werden kann; aber ih halte es nicht für richtig, einzelne Bestimmungen herauê®- zugreifen. Da wären andere Vorschriften dringender. Die Erledigung der von Herrn Roesicke berausgegriffenen Bestimmungen würde on an

die Neigung abshwächen, das bestehende Gefeß zu air digt Jollte deshalb eingehend erwägen, ob nit eine Vereinfachung und

Verschmelzung der verschiedenen Versicherungen mögli sei. Herr Moesicke meinte, von vornherein hätte man eine solhe Verschmelzung vornehmen sollen. Da würde es dringend nothwendig fein, jeßt daran zu gehen; denn je länger man wartet, desto {wieriger wird die Verschmelzung. Leider sind die Vorschläge des Präsidenten MBödiker nit veröffentliht worden; man sollte gerade hierbei die Oeffentlichkeit zur Mitwirkung heranziehen. Ich stehe den Vor- Jagen des Herrn Bödiker durhaus wohlwollend gegenüber. Man t die Unfallversicherung besonders organisiert. Man follte sie aber nickt weiter ausdehnen, sondern follte die Unfallfürsorge, soweit sie noch nit besteht, in die Invalidenfürsorge aufgehen lassen und den verunglückten Leuten eine höhere Rente gewähren. In Ofipreußen Haben wir fast gar keine Industrie. Man könnte dort die Unfall- organisation und die JInvalidenanstalten versuhéweise vereinigen. Die Verhältnisse in Oslpreußen sind niht vorübergehend. Es waren 1891 in Ostpreußen über 12 000 Altersrentner vorhanden, in Berlin nur ctwas über 1000. Glauben Sie, daß in Zukunft die jungen Leute aus Berlin nah Oftpreußen wandern werden ? Daran ist nit zu denken. Menn 1891 die Fnvalidenversicherungsanstalt Ostpreußen in ihrem Be- ridt sagt, daß der Versuch gemacht sei, Renten zu erlangen, fo ift da- mit gesagt, daß dieser Versuch zurückgewiesen worden ist. (Wider- e des Abg. Noeside: Sie haben ja den Bericht nit gelesen !) Ich habe ihn gelesen. (Abg. Roesicke legt den Bericht auf den Tisch des Hauses nieder.) Daß vielleicht bei dem Nachweis der Beschäftigung Ân Zweifelsfällen tas menschliche Mitgefühl zur wohlwollenden Aus- Legung geführt hat, kommt bei allen Versiherungsarstalten vor. Herr Mocside und auch der Negierungsvertreter haben den Antrag von Ploey sehr abfällig beurtheilt. Sie verkennen die gxoße foztial- politische Bedeutung desselten; denn er geht davon aus, die Versicherung auszudehnen auf Alle, die sich in einer unterstüßungsbedürftigen Lage befinden, ob sie Arbciter oder Arbeitgeber sind, Jett wird für den gut- bezahlten Arbeiter gesorgt, aber für den kleinen Bauer uud Hand- werker, der den Beitrag für seine Arbeiter bezahlen muß, wird nicht esorgt. Für die Armenpflege zahlen die Steuerzahler na ihrer Leistungs- ähigfeit, warum soll das nicht auf die Invalidenversiherung über- Îragen werden, welche die Armenpflege ihrer entehrenden Élgenfébaten entfleiden soll. Herr Noesicke hat den Antrag des Herrn von Ploch Ee leihifertig behandelt. Er meinte, taß die kleinen Leute davon nen Vortheil hätten, während sie danach versierungépflihtig werden et soweit sie nicht mehr als 2000 4 Einkommen haben. Die andwirthschaft is besonders belastet, weil die landwirthschaftlichen Arbeiter nit solche Werthe erzeugen wie die Jndustriearbeiter, welche mit Maschinen arbeiten. Nach dem Antrag von Ploey soll die Rentenlast vertheilt werden nah Art der Matrikularbeiträge, und die O geren Elemente sollen dazu herangezogen werden, r Noeside und seine Freunde haben ja auch einmal die ichseinkommensteuer vorgeshlagen zur Abwehr der Bier- feuer. Die Nothlage der landwirthschaftlihen Versicherungs- anstalten besteht hauptsählich darin, daß nicht der DVer- rungéwerth der Beiträge zur Vertheilung der Renten zu Grunde

T wird; ferner sind die Uebergangsbestimmungen die Ursache für die Nothlage, denn die Alterêrenten belasten namen!:lich die ländlichen Bezike. Die Einführung der einheitlihen Rente dur den Antrag von Ploey kommt den Wünschen des Zentrums entgegen, welhes nur die Industriearbeiter versiern will, denn für diese sieht der An- trag von Ploeß eine Erhöhung der einheitlißhen Rente vor. Œine Ausgleihung könnte ja gefunden werden dur Zusammenlegung aller preußischen Anstalten ; dadur würde die O fierung gefördert werden. Man könnte ja auch vielleilt eine Reichsanstalt einrichten, „Wenn eine Verständigung nit erzielt wird, bietet das gegenwärtige Gesetz die Mittel, leistungsunfäbige Verbände zu beseitigen, und die preußische Regierung hat nah § 66 das Recht, eine Zusammenlegun allec preußischen Anstalten zu beantragen. Ih glaube aber doch, daf die weitere vg taag h dieses Gegenstandes zur Klärung der Ansichten Führen wird. Gegen die Ueberweisung an eine Kommission habe ih ‘Feine Bedenken; die Kommission wird sich aber darauf beschränken

‘die wir dem Staatshaushalts. Etat beifügen,

müssen, die allgemeinen Fragen u erörtern und der Regierung für die Aenderungen ein ausgiebigeres Material zur Verfügung zu ftellen.

Gegen 6 Uhr wird nach einigen persönlihen Bemerkungen die weitere Berathung bis Donnerstag 2 Uhr vertagt.

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Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 70. Sißzung vom 28. April 1897.

Eingegangen ist ein Geseßentwurf, betre end die Ent- Bing ls Verluste durch Schweinekrankheiten in der Provinz Schlesien.

Auf der Tagesordnung steht die zweite Berathung des Staatshaushalts-Etats für 1897/98, und zwar des Etats des Ministeriums der geistlihen, Unter- rihts- und Medizinal-Angelegenheiten.

Bei den Einnahmen erwidert, wie bereits gestern kurz berichtet worden ist, auf eine Anfrage des Abg. von Strom- beck (Zentr.) der

Minister der geistlichen, Angelegenheiten D. Dr. Bosse:

Meine Herren! Ich glaube, daß ih im stande bin, die Diskusfion

über die von dem Herrn Abg. von Strombeck aufs neue angeregte Frage wesentlih dadurch abzukürzen, daß ih Jhnen die Erklärung wieder- bole, die mein Herr Kommissar in der Budgetkommission in dieser ‘Beziehung abgegeben hat. Sie geht dahin, daß zwischen dem Herrn Finanz-Minister und mir nah eingehenden Verhandlungen eine Einigung und Uebereinstimmung dahin erzielt worden ist, daß die Staatsnebenfonds der Kultus-Verwaltung, soweit fie reines Staats- eigenthum sind und namentlih nicht selbständige juriftische Persönlich- keit haben, in den Staatéhaushalts-Etat aufzunehmen sind, daß ihre Einnahmen jedoch selbstverständliß nur den Zwecktbestimmungen der Fonds gemäß zu verwenden sind und daß fie vom Jahre 1898/99 an dur den Staatshaushalts-Etat laufen sollen. Auf Grund dieser Einigung werden also im nächsten Jahre die betreffenden Fonds in den Staatshaushalts-Etats eingestellt werden, und es wird Ihnen bei dieser Gelegenheit eine Zusammenstellung aller rechtlihen Unterlagen für die Beurtheilung der Frage, ob ein Fonds in den Staatshaushalts-Etat gehört oter niht, vorgelegt werden. Daß das nit {hon in diesem Jahre geschehen ist, hat seinen Grund darin, daß bei einer Reihe von Fonds noch Zweifel bestanden und daß der Herr Finanz-Minister und ih uns dahin geeinigt haben, diese Zw eifel dem Herrn Justiz-Minister zu einer gutahtlichen Aeußerung vorzu» legen, ein Weg, den wahrscheinliß das hohe Haus als vollständig be- rechtigt anerkennen wird. Das wird in kurzer Zeit erledigt sein, und dann werden im nähsten Jahre die Fonds im Staatshaushalts-Etat erscheinen, und tas hohe Haus wird in der Lage sein, zu prüfen, ob wir in jedem Falle das Richtige getroffen haben. Ich glaube, daß mit dieser Erklärung die Sache als erledigt anzusehen ift.

Abg. von Strombeck (Zentr.) wünscht, daß die eigentlihen Stiftungsfonds, die nicht unmittelbares Staatseigenthum seien, juristishe Persönlichkeit erhielten.

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Ob die Einnahmen aus Nebenfonds als Ein- nahmem bezw. Ausgaben des Staats anzusehen sind und ob fie des- halb dur den* Staatshaushalts - Etat laufen müssen, das wird sich ergeben, wenn dem hohen Hause die Zusammenstellung dieser Fonds vorgelegt wird. Ich glaube, daß die von dem Herrn Abg. von Strombeck jeßt angeregte Frage einigermaßen verfrüht ist. Jh bin der Meinung, daß tur den Staatshaushalts-Etat nur diejenigen Einnahmen laufen, die als Einnahmen des Staats anzusehen sind. Dagegen glaube ich allerdings, daß wir nur dann dem Hause den vollen Einblick und die volle klare Darlegung dieser Verhältnisse gewähren können, wenn wir au diejenigen Staatsnebenfonds, die wir als Stiftungsfonds mit selbständiger juristisher Persönlichkeit ansehen, in der bisherigen Weise in einer mehr oder weniger ausführlichen Zusammenstellung, ersihtlich machen. Das if} unsere Absicht, und ich kann versichern, daß wir ganz loyal auf diesem Gebiet vorgehen wollen. Die Sache ist aber, wie sich bei dem Angriff im cinzelnen berausgesiellt, nicht immer ganz einfa. Wir sind auf gewisse Zweifel gestoßen, die noch nit voll- ständig erledigt sind. Jch bin aber sicher, und glaube das mit voller Bestimmtheit in Aussicht stellen zu können, daß im nächsten Staats- haushalts-Etat diese Frage ihre vollkommen klare und gründliche Erledigung finden wird.

Bei den Ausgaben für das Gehalt des Ministers nimmt nach der bereits mitgetheilten Rede des Abg. Noeren (Zentr.) das Wort

Abg. von Eynern (nl.): Hoffentilih wird sih das Zentrum bei den nächsten Wahlen den übrigen Ordnungsparteien im Kampfe gegen die Sozialdemokratie anschließen. Das ist bis jeßt nicht immer der Fall gewesen. Es sind Sozialdemokraten mit Hilfe des Zentrums gane worden. (Rufe im Zentrum: Wo?) In Dortmund! Die

eußerung auf dem- Hamburger Lehrertage wird sih niemand von uns aneignen. Der Redner hat sie selbst zu vertreten. Die Klage über die Imparität bei der Anstellung von Beamten haben wir be- reits im vorigen Jahre sehr eingehend als unberechtigt zurückweisen können. Sogar die Evangelischen dürften sh nach ten Mit- theilungen des Ministers în Bezug auf die höheren Beamten- stellen über Zurücksezung Hinter die Kätholiken beshweren. Herr Roeren hêtte also mit dieser Klage niht wieder kommen sollen. Die Klöster sind allerdings gewissen Beschränkungen unterworfen worden, und die Minister müssen diese geseßlichen Bestimmungen anwenden. Aber der Minister hat im vorigen Jahre nachgewiesen, daß von 1891—93 die Zahl der Ordensniederlassungen fich von 1094 auf 1215 und die Zahl der Ordensmitglieder sich von 12 052 auf 14044 vermehrt hat. Solche Einrichtungen wie in Belgien wollen wir aber nicht haben, weil das nicht im allgemeinen Interesse liegt. Das Kloster Maria- aas ist mit der Zeit sehr stark gewachsen und beginnt s{on, den ganzen Bauernstand der Umgegend aufzusaugen. Manche Benachtheiligung der Katholiken in den Kommunen mag ja vorkommen. Wir sind bereit, zur Abstellung dieser Miß- stände in aber wir wünschten, daß dann auh die Klagen der Beshwerdekommission der Nationalliberalen über Zurückseßung der Evangelischen berüdcksihtigt werden. Kaisers8werth z. B., dessen Bürger der Abg. Dauzenberg ist, und wo von 2300 Einwohnern F evangelisch und F Fatholis sind, hat 13 fatholische Gemeinde- vertreter und nur einen evangelishen. Herr Dauzenbecrg hät dort C Einfluß, und das nennt er also wohl Parität. Ein Katholik at einmal gesagt: Wo Ihr in der Majorität seid, ver- langen wir Toleranz nach Eueren Grundsäßen; wo wir die Majorität haben, unterdrücken wir Euch nach unseren Grundsätzen. o der Rheinprovinz macht sich das Prozessionswesen der katholischen ire immerimnehr bemerkbar. Namentlich in konfessionell gemischten

Unterrichts- und Medizinal-

Bezirken nimmt es immer mehr Raum für \sich lin Anspru und hindert den Verkehr. Jch glaube niht, daß die Proze Honea eine Sperrung der Straßen für sih beanspruchen können. Es giebt Ver- ordnungen, daß nur „hergebrahte Prozessionen in der hergebrahten Weise“ stattfinden dürfen. N dieser Verordnungen lafsen ih die Mißbräuche beseitigen. In Frankrei sind die Prozessionen da verboten, wo Kirchen verschiedener Konfessionen vorhanden \ind.

Durch eine solche Bestimmung könnten manche Exzesse bei uns vers

mieden werden, Die Katholiken verlangen, daß die Pafsanten vor dem Sanktissimum den Hut abziehen oder gar niederknien ; da dies Anders« ae nit thun, so haben sich oft E daraus entwickelt. Redner führt einige Beispiele dafür an, bei denen Bestrafung der Vebelthäter eingetreten set, zie pa anten geschlagen haben, weil diese nicht den Hut abzogen.) Die Regierung möge dahin wirken, daß das Prozessionswesen geseßlih eingeshränkt werde. Ich möchte ferner den Minister fragen, wie es mit der Geseßgebung bezügli des Charfreitags steht, für die [hon vershiedene Vorshläge gemacht sind. Herr Dauzenberg

ist im vorigen Jahre damit einverstanden gewesen, daß der Charfreitag mit Nücksicht auf die evangelische Kirche zum geseßlichen Feiertag gemacht werde. Redner bemängelte weiter, daß in Ehrenfeld bei Köln ein neues Gymnasium errichtet werde unter geistlicher Leitung; die Schule müsse so eingerihtet werden, daß sie auch von Protestanten besucht werdcn könne. Man müsse verhindecn, daß sich ein Schulwesen bilde, welhes rein katholishen Charakter habe.

Minister der geistlihen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Was die Anfrage des Herrn Abg. von Eynern betrifft, so bemerke ih, daß die Charfreitagsvorlage von mir in An- regung gebracht ist, daß darüber die Provinzialbehörden gehört worden sind, und daß si die Sache selbs noch in der Verhandlung zwischen den verschiedenen betheiligten Ressorts befindet. Ob es mögli sein wird, noch im Laufe dieser Session die Vorlage einzubringen, muß; ih dahingestellt sein lassen. Ih hatte alles Mögliche gethan, um sie womöglih vor dem leßten Charfreitag vorzulegen, das ift mir aber nicht gelungen.

Ueber die katholishe Schule in Ehrenfeld will mich zunächst nit weiter verbreiten, weil ich von der Sache bisher nihts ge- bört habe. Jch habe nur den Eindruck aus den Ausführungen des Herrn Abgeordneten, daß bis jeßt die Sache da vollständig in Ordnung ist (Heiterkeit); und wenn später etwas niht in Ordnung sein sollte, werden gewiß die staatlichen Behörden die Augen auf- machen und Remedur schaffen, soweit das nöthig ist.

Nun glaube ih, meine Herren, dem Herrn Abg. Roeren einige Worte der Erwiderung \ch{uldig zu scin. Jch muß zunächst mit dem Herrn Abg. von Eynern meine - große Befriedigung darüber aus- sprechen, daß diese großen, . {weren Fragen von ihm in einem jo ruhigen, friedlihen und sachlichen Tone besprochen worden find. Ja, meine. Herren, es sind das die allerswersten Fragen, die bei der Kultusverwaltung in allen ihren Zweigen überhaupt bestehen. Sie find zurückzuführen auf den großen konfessionellen Zwiespalt, der nun einmal in unserem Volke besteht, und es ift gewiß, daß die Hoffnung, in staatlichen Dingen gemeinsam nüßlich zu wirken, nur dann realisiert werten fann und um so mehr realisiert werden wird, je mehr wir uns be- mühen, diese Dinge ruhig und sahlich hier mit einander zu erörtern.

J bin auch noch in einem anderen Punkt mit dem Herrn Abg. Noeren vollkommen einverstanden. Meine Herren, die Ueberwindung der großen feindseligen Mächte der Zeit ist auch nach meiner Meinung nur möglih auf dem Boden der christlichen Religion und der christ- lihen Schule und Jugenderziehung, und so viel an mir ist, werde ih, fo lange ich auf diesem Playe stehe, nichts. unterlassen, um dieses Mittel des Widerstandes gegen die falshen Mächte der Zeit zu fördern und zu pflegen auf dem gesunden Boden, der in unserer- preußischen Verfassung vorgezeichnet ift.

Nun, meine Herren, die Einwendur.gen und Klagen im einzelnen, die der Abg. Roeren vorgebracht hat, sind ja nicht neu; die meisten von ihnen haben wir früher {on gehört und hier miteinander er- örtert. Jch bemerke zunächst zu den Beschwerden, daß die Regierung die für katholishe Minoritäten verwendeten konfessionellen Privat- \chulen nit mit demjenigen Eifer als öffentlißhe Schulen anerkannie und zu öffentlicen Schulen umwandelte, wie es zu wünschen wäre: daß wir das nicht können. Diese Privatschulen der konfessionellen Minderheiten bilden sich zunächst auf die private Jnitiative einzelner Mitglieder hin, die für ihre Kinder ein besonderes Schulbedürfniß haken. Dann aber, wenn die Schule so anwächst, daß es sich darum handelt, ob sie eine öffentlihe werden soll oder nicht, muß sie ent- weder von der Gemeinde übernommen oder es muß eine besondere Squlsozietät gebildet werden. Nun kann ich versihern, daß überall, wo auf Juitiative der Betheiligten derartige Anträge gestellt werden und an mein Ressort gelangen, ich sie mit aller Sorgfalt instruiert und behandelt habe. Es ist aber nicht immer möglih, s{chon wegen der Leistungê-

«fähigkeit der Betheiligten, diese Schule ohne weiteres auf die Ges

meinde zu übernehmen oder eine öffentlihe Schulsozietät zu bilden ; und wir sind \{ließlich in der Beshwerdeinstanz machtlos. Denn in diesen Fragen haben die Selbstverwaltungs- und die Beschlußbehörden zu entsheiden, und deren Entscheidung müssen wir uns einstweilen fügen. Wir helfen aber diesen Minoritäten nah Möglichkeit dur staatlihe Unterstüßung. Nun irrt sih darin der Herr Abgeordnete ganz entschieden, wenn er glaubt, daß wir dabei die Eyangelischen bevorzugten und die Katholiken zurückseßten. (Bewegung im Zentrum.) Gerade das Gegentheil ist der Fall, gerade das Gegentßeil! Wir haben drei Gruppen solcher kleinen Schulen: solde mit weniger als 20 Kindern, folhe mit weniger als 30 Kindern und solche mit wentger als 40 Kindern. Nan will ih Ihnen vorlesen, mit welchem Prozentsaß die evangelischen Schulen und die katholishen Schulen dieser Art bei den Unterstüßungen seitens des Staats betheiligt sind. Wir haben aufgewendet bei den Schulen der Gruppe A, die unter 20 Kinder baben, für die evangelischen 47,22 9/6 der Gesammtausgaben der Schulen, für die katholishen 54,88 %/9. (Hört! hört! rets und bei den Nationalliberalen.) Wir haben aufgewendet in der Gruppe B- die mehr als 20, aber weniger als 30 Kinder enthält, für die evan- gelishen 46,92 9/6, für die katholischen 47,51 %o; endlih in der. Gruppe C, die mehr als 30, aber weniger als 40 Kinder in sih schließt, für die evangelishen 46,11 0/6 und für die katholischen 59,50 9/9. (Hört! hört! rechts und bei den Nationalliberalen.) I kann beim besten Willen niht anerkennen, daß das eine imparitätische Behandlung ist. (Sehr richtig! rechts und bei den National- liberalen.) Wenn sie aber imparitätish is, dann geht die Imparität zum Nachtheil der Evangelischen und zu Gunsten der Katholiken. (Sehr rihtig! rechts und bei den Nationalliberalen.) Nein, meine Herren, das sind ungerechte Vorwürfe, und

es mir nicht verübeln, wenn ih sie auf Grund meines amtlichen terials hier zurückweise. (Bravo ! rechts und bei den Nationalliberalen.) Meine Herren, ih muß auf das Allerbestimmteste bestreiten, daß wir

in der Provinz Posen germanisierende Tendenzen unter Schädigung fatholisher Kinder in ihrer Religion betrieben. Das is “in keiner Meise wahr. Das Einzige, was man in der Provinz Posen allenfal's zugeben kann, ja was ich in der Provinz Posen -auh zugeben muß, ist, daß wir dort zeitweise einen Mangel an katholishen Lehrern ge- habt haben. Glüdliherweise und auf Grund unserer Bemühuagen sind wir jeßt in der Lage, diesen Mangel allmählich zu über- winden. Die Zahl der fkatholishen Seminaristen in der Pro- vinz Posen is neuerdings wesentlich gewahfen. Wir haben gegenwärtig 228 evangelishe und 332 katholische Seminaristen in der Provinz Posen, und au in den Präparanden-Anstalten wächst das fkatholische Element. Es sind gegenwärtig in Posen 115 evan- gelishe und 200 katholische Präparanden vorhanden. Also der Mangel an fatholishen Lehrern in der Provinz Posen wird fehr bald über- wunden sein. An uns hat es nicht gelegen, daß vorübergehend Mangel war. Wir haben_ alles Mögliche aufgeboten, um diesen Mangel zu beseitigen. Es liegt uns daran, an katholischen Schulen auch katholische Lehrer zu haben.

Jch will hier gleich noch einen Punkt erledigen, d. i. der auf- fallende Umstand, der von dem Herrn Abgeordneten auch erwähnt worden ist, daß es wohl vorkommt, daß an einer konfessionellen Squle ein Lehrer der anderen Konfession angestellt wird. Ja, meine Herren, das kommt namentlich in den östlihen Provinzen vor. Wir haben da stiftungsmäßig evangelische Schulen, an denen allerdings auch katholische Lehrer angestellt sind, und zwar lediglich mit Rück- siht auf die inzwischen angewahsene Zahl der katholischen Kinder. Liegen die Dinge so, daß wir da besondere katholische Schulen ein- rihten können, so thun wir es. Aber das geht nicht * immer; vor allen Dingen müssen wir das Unterrichtsbedürfniß befriedigen; wir können die Kinder nicht ohne Unterricht lassen. Sind nun aber die Leistungsverhältnisse der Gemeinde niht so, daß sich eine besondere Sgule gründen läßt, dann müssen wir uns fo gut behelfen, wie es eben geht, und dadur kemmen in der That zuweilen ganz auffällige Erscheinungen, daß an einer Schule, die stiftungsmäßig und urkundlich evangelisch ist, ein katholischer Lehrer erscheint, daß in solchen Schulen ciner evangelishen Minorität eine katholische Majorität gegenüber- steht, während das natürlich bei der Gründung der Schule anders gewesen ist, da waren nur evangelische Kinder vorhanden. Das umgekehrte Verhältniß, daß wir katholische Schulen mit eyan- gelishen Lehrern besegen, kommt, soviel i weiß, überhaupt nicht vor, wenn es vorkommt,ganz selten, denn sonst hätte mir das im Laufe der Verwaltung auffallen müssen.

JIch will dann zu diesen kleinen Schulen nur no bemerken, daß die ganzen Verhältnisse, die Schwierigkeiten, die Eigenthümlichkeiten ibrer Verwaltung sehr gründlich auseinandergeseßt sind in unserer Volksshul-Statistik vom Jahre 1891 im Theil T auf S. 142 ff., und ih gebe dem Herrn Abg. Roeren und den Herren, die sich dafür interessieren, anheim, \ih dort die Dinge einmal nachzulesen ; es würde zu weit führen, darauf hier weiter einzugehen.

Nun, meine Herren, an diesem Bestreben, die katholische Be- völkerung gerecht za behandeln und ihren Bedürfnissen gerecht zu werden, würde garnihts geändert werden, wenn nach dem Wunsche des Herrn Abg. Roeren im Ministerium eine andere Zusammenseßung der Beamten nach Konfessionen einträte. Ih habe mich hier in früheren Jahren einmal sehr ausführlich darüber ausgesprohen, aus welchen Gründen ih nicht beabsihtige, ja, im Gegentheil Widerstand leiste, im Ministerium wiederum eine katholische Abtheilung her- zustellen. Meine Herren, so lange ih Kultus-Minister bin, wird keine fntholishe Abtheilung im Ministerium eingerichtet! (Bravo! bei den Nationalliberalen.) Das geschieht nicht aus Feindschaft oder Miß- trauen gegen die katholishe Kirhe das liegt mir ganz ferne, damit habe ich nichts zu thun; ich bin verfassungsmäßig ver- pflichtet, gegen die katholishe Kirhe im reten Sinne ebenfo gerecht zu sein, wie gegen die evangelishe, und ih bin mir dieser Verpflichtung sehr wohl bewußt. Und dennoch, meine Herren, ja vielleiht gerade deshalb, werde ih niht die Hand dazu bieten, die katholische Abtheilung im Ministerium wieder aufleben zu lassen. Meine Herren, ih habe aus den Akten der katholischen Abtheilung gesehen, ‘daß fie vit günstig, in vielen Fällen niht günstig gewirkt hat. Bei der jeßigen Einrihtung haben wir vier katholishe Räthe im Ministerium, die ich immer zusammennehme bei irgend einer wichtigen fkatholishen Angelegenheit wenigstens sehr häufig —, und ih habe außerdem, um Ihnen au das zu sage, einen Hilfs arbeiter berufen, bei dem ih gar keinen Grund hatte, nach der Kon- fession zu fragen, der Katholik ist. Ich habe ihn einberufen, weil es ein tühtiger Mann war, der mir entgegengetreten ist als eine tüchtige Kraft, die im Ministerium zu verwerthen war. Kein Mensch au hier im Abgeordnetenhause hätte ein Wort sagen können, wenn ih einen evangelischen Mann genommen hätte. Meine Herren, wir wählen bei diesen Dingen überhaupt nit nah Konfessionen, son- dern wir wählen ausf{ließlich nah der Sache, und das ist auch das einzig Richtige. Dabei haben wir uns sehr gut gestanden. Ich will hier nicht ein- gehen auf die Ober-Präsidenten Sie haben ja einen katholischen Ober-Präsidenten in einer Provinz, die doch nur sehr wenig mehr Iatholishe Einwohner hat als evangelishe; Sie haben einen katholi- hen Regierungs-Präsidenten; Sie haben mehrere katholische Ober- Regierungs-Räthe und zahlrei@e katholische Kreis-Schulinspektoren

im Hauptamt (Zuruf) ja, meine Herren, das . sind katholische -

Kreis-Schulinspektoren im Hauptamt !

Meine Herxen , der ganze Vorwurf in Bezug auf die Befeßung von Stellen geht aus von dem Begriff einer falshen , mecha- nischen, fkalkulatorisGea Parität oder Imparität. Mit diesem Begriff is nicht zu rehnen. Damit werden Sie in Preußen nicht durchkommen; denn die ganze preußische Tradition und Geschichte \priht dagegen. Und, meine Herren, das ist au nicht nöthig! Es ist eine vollkommen gerechte und sahgemäße Behandlung au der katholischen Bevölkerung zu gewährleisten, ohne daß man si auf diese mehanishe Parität in der Beseßung der Be- amtenstellen einläßt.

Es ift darüber geklagt worden, daß wir weniger katholishe Geist- liche als Kreis-Schulinspektoren im Nebenamt haben. Das ist ritig; das hängt damit zusammen, daß wir in den wesentli katholischen Gegenden in Posen, Westfalen und am Rhein eine große Zahl haupt- amtliher Kreis-Sulinspektionen bcsißen. Dieser ganze Zug nah den hauptamtlichen Kreis-Schulinspektionen hat seinen Grund darin, daß der Kreis-Schulinspektor im Hauptamt als Fachmann in der Regel ch den Geschäften der Kreis-Schulinspektion sehr viel mehr widmen fkann, als der Kreis-Schulinspektor im

Nebenamt. Das liegt doch in der Natur der Sahe. Ih denke garnicht daran, die geistlihen Kreis-Schulinspektionen im Nebenamt mit einem S{hlage zu beseitigen; das würden wir überhaupt garnicht können, {on aus finanziellen Gründen nicht. Ih kann auch nicht sagen, daß meine Neigung dahin stände. Darauf ist allerdings mein Bestreben gerihtet, da, wo die Verwaltung der Schulinspektion besonders s{chwierig is oder der Schulinspektor im Nebenamt an der vollen ordnungsmäßigen Wahrnehmung der Geschäfte durch die Pflichten seines Hauptamtes außer stande geseßt wird, eine Kreis- Squlinspektion im Hauptamt einzurihten, Dabei werde ich selbstverständlih im Großen und Ganzen dén konfessionellen Ver- hältnissen des Bezirks, um den es sich handelt, Rehnung tragen, wie ih das auch bisher gethan habe.

Was nun den Religionsunterriht anlangt, den wir an konfessio- nelle Minderheiten ertheilen lassen, und zwär unter sehr starker Auf- wendung staatliher Mittel denn das s{heint mir die rechte Auf- gabe des Staats zu sein, da, wo diese Minderheiten niht im stande sind, den Kindern einen konfessionell religiösen Unterricht zu gewähren, mit seinen Mitteln einzutreten —, so {sind die Katholiken im Vortheil, die Evangelischen im Nachtheil. Meine Herren, an konfessionelle Minderheiten ist mit staatliher Beihilfe in den Jahren 1893/94 Religionsunterricht ertheilt worden in 1075 Schulverbänden, und zwar an 5229 evangelishe Kinder in 330 Stationen und an 9796 katholische Kinder in 339 Stationen. Also wiederum haben wir unsere Fürsorge den fkatholisGen Kindern vorzugsweise zugewendet, nicht aus einer besonderen Vorliebe für die katholishen Kinder, sondern weil uns da das größere Bedürfniß entgegengetreten ist. Aber so viel sehen Sie daraus, daß es uns ganz fern liegt, in tendenziöser Weise die katho- lischen Kinder zu benahtheiligen. Das wäre eine Grausamkeit, die wir in keiner Weise verantworten könnten. Ebenso hat ih die Zahl in dem Jahre 1895/96 gestaltet. Dort ist an konfessionelle Minder- beiten Religionsuntierriht ertheilt für 4648 evangelishe Kinder in 332 Stationen und für 972 katholische in 343 Stationen.

Ih habe früher einmal ausgeführt, daß im Großen und Ganzen die chwächere Vertretung katholisher Beamten wohl darauf zurück- zuführen sei, daß sch der Nahwuchs der katholishen Bevölkerung weniger dem Studium der Fächer zuwendet, aus denen die Beamten bervorzugehen pflegen. Ih bin auch heute noch dieser Meinung. Ich bin darin bestärkt durch Vorgänge in München im vorigen Jahre, wo von sehr autoritativer katholisher Seite unter Bezugnahme auf meine Aeußerung dies ausdrücklich anerkannt worden ist. Ja, ih habe hier in Berlin mit Herren der Zentrumsfraktion aus dem Reichs- tage über diese Dinge mich ganz friedsam und freundlih unterhalten, und man hat mir zugestanden, daß die Sache so ist. Und wenn Sie sich eins der allerneuesten Produkte in der katholischen Literatur an- sehen wollen und die neueste Broshüre des Professors Shöll in Würzburg durchlesen, so werden Sie au da finden, daß er genau daéfelbe sagt und die katholishe Bevölkerung ermahnt, doch mehr und mehr dahin zu streben, wissenschaftlihe Berufe für ihre Kinder zur Geltung zu bringen.

Nun will ich damit das Schulgebiet verlassen und nur ganz kurz mich zu der Beshwerde über die Verwaltung auf dem Gebiete des Ordenswesens wenden, eine alte katholishe Beschwerde. Ja, meine Herren, die Verfügungen auf diesem Gebiet sind nihts weniger als bequem für uns; viel bequemer wäre es uns, wir kümmerten uns um die Sache garnicht und ließen Niederlassungen in beliebiger Zahl zu. Aber,- meine Herren, das dürfen wir niht; denn wir sind dur die Gesezgebung gebunden, und diese Gesehgebung, dieses Ordensgeseß ist gemacht auf Grund einer Vereinbarung. Wenn die Herren, nadh- dem die Sache jegt mehr als 10 Jahre alt geworden ist, das ver- gefsen haben, so kann ih ihnen nur anheimstellen, sich doch wieder die Ver- handlungen von damals dur{hzulesen ; da werden sie finden, wie damals diese Dinge vereinbart sind, und ih darf noch hinzuseßen : sie find verein- bart unter schr hoher katholisher Autorität. Meine Herren, davon kann und darf ich nit einseitig abweihen. Das sind \taatlihe Vor- sihtsmaßregeln gewesen, die man bei diefer Vereinbarung zum Abschluß des Kulturkampfes von staatliher Seite geltend gemacht und in dieser Gesetzgebung aufrecht erhalten hat. Deshalb kann ih nicht anerkennen, daß der Staatsregierung die Verpflichtung obliege, zur Beseitigung der sogenannten Kulturkampfsrefte die Initiative zu ergreifen. Sind da noch wirklich Dinge, die etwa im Laufe der Zeit \{chwerer und unerträgliher geworden sind, als fie es früber gewesen, so muß die Junitiative zur Beseitigung von fatho- lisher Seite ausgehen. Wir können nur dann die Initiative ergreifen, wenn ein f\taatliGes Bedürfniß vorliegt; wenn im Staat und bei der Staatsverwaltung uns Momente entgegen- treten, die uns diese Zustände unerträglih erscheinen lassen. So liegt die Sache aber keineswegs; im Gegentheil, ih glaube, daß doch auch in diesen Bestimmungen sehr viel Verftändiges ist. Ich {ließe das daraus, daß cs überhaupt in der Welt keinen Staat in der Welt ist vielleiht zu viel gesagt, aber in Europa, in Deutschland ganz gewiß keinen Staat giebt, in dem die Ordenskongregationen und ordensähnlihen Gemeinschaften und Genossenschaften der katholischen Kirche nicht gewissen Beschränkungen unterworfen wären, und ih glaube mit freiem. Muth behaupten zu dürfen: die katholische Kirche in ihrer Gesammiheit es is mir das oft von Katholiken bestätigt wird in - keinem Staate der Welt, au in keinem katholischen Staate, besser behandelt als in Preußen. (Bewegung im Zentrum.)

Nun is uns gesagt worden, es sei do ganz seltsam, daß man einen fo großen Unterschied mache zwishen den evangelischen Diakonissenanstalten und den katholishen Shwestern. Ja, soweit die katholishen Schwestern wirklihe Ordensshwestern sind, müssen wir den Unterschied machen; das steht im Geseß, dazu sind wir ver- vflihtet, und wir dürfen niht das Gesey verlegen. Soweit fie fich aber mit Werken der christlihen Liebesthätigkeit befassen, ohne einem Orden anzugehören z. B. die katholischen Schwestern vom Rothen Kreuz —, so werden ihnen genau so wenig Hindernisse in den Weg gelegt wie den evangelishen Diakonissinnen. Wir haben hier cinen ganzen Verein gehabt, sie nannten si, glaube ih, Maria- Schwestern, welhe ganz unbehelligt gewesen sind, ganz frei gewirthschaftet baben; erst später wurden fie, und zwar auf ihren Wuns und unter Zustimmung ihres zuständigen Bischofs, in eine wirkliche ordensähnlihe Genossenschaft vereinigt und auf den An- trag des Bischofs zugelassen, und find nun natürlich auch dem Ordenêgeseß unterworfen wie jeder andere Orden. Das ist aber die Initiative dieser Schwestern gewesen. Es liegt eben in dem strammen Zusammenschlusse der Orden doch ein wichtiges Moment, welches diese Thätigkeit von der freien Thätigkeit unterscheidet, Ich

brauche das Herrn Roeren nicht auseinanderzusezen, der uns sagte

unsere Shwestern können ‘auch austreten, sind ganz frei, können ohne

jeden Nachtheil zurücktreten in den bürgerlihen Stand. Ja, meine

Herren, das können sie aber in der Regel wohl nur unter Bru ihres Gelübdes —-das ist doch ein gewaltiger Unterschied, und die Stellung der geistliGen Oberen, namentlich der Ordensoberen ist doch eine andere bei den Orden und bei den

einfachen Vereinen, wie sie unsere Diakonifsen bilden. Nein, meine

Herren, das hat doch seiner Zeit seine guten Gründe gehabt! Nun

können aber doch die Herrén von der fkatholishen Seite, wenn sie

einige Gerechtigkeit gegen die Staatsregierung wollen walten lassen,

unmögli behaupten, daß wir, der Herr Minister des Innern und

ih, in Bezug auf die Zulaffung der Ordensniederlassungen zu abweisend

oder zu engherzig wären. Meine Herren, wir haben allein in der Diözese

Münster 218 Niederlafsungen (hört, Hört ! bei den Nationalliberalen), 1417 Krankens{chwestern, 666 erzichende Schwestern und 36 Patres in der Seelsorge, und es ist von Katholiken in der Diözese Münster, von Geistlichen, gesagt worden: wir können es uns niht besser wünschen in dieser Beziehung, es ist und es wird den Bedürfnissen bei uns im wesentlichen genügt. |

Fa, meine Herren, und wie hat sch dies geändert? Im Jahre 1872 waren in Preußen 8795 Ordensmitglieder; im Jahre 1886 7248, die Zahl ift gestiegen im Jahre 1890 auf 11 717 und im Sahre 1893 auf 14 044. (Hört! hört! links.) Das, meine Herren, ist doch kein Widerstand; das ist doch keine tendenzióse Behandlung und Einschränkung! Ich würde das auch für falsch halten. Die Be- völkerung hat \sich auch vermehrt. Die Bedürfnisse find größer ge- worden. Aber daß wir das Bedürfniß prüfen, können Sie uns niht verargen, das ist uns vorgeschrieben. Wir prüfen es unter Anhörung aller Instanzen und jedesmal auch unter Anhörung der geistlihen Oberen, und unsere besten Informationen bekommen wir von kirhliher Seite und nicht von \staatliher. Das ift eine reine Legende, wenn Ste annehmen, wir seßen uns über den Kopf der kirchlichen Instanzen hinweg. Nein, wir seßen uns mit ihnen in Verbindung! Schließlich müssen wir aber die Entscheidung treffen, und wir treffen sie im vollen Gefühl unserer Verantwortung.

Was die Niederlafsungen anlangt, fo waren im Jahre 1872 vor- handen 914, im Jahre 1886 746, im Jahre 1890 1027 und im Jahre 1893 1215. Ja, meine Herren, ih glaube wirklich allen Grund zu haben zu der Behauptung, daß von unserer Seite nah diefer Richtung hin eine tendenzióse Handhabung des Ordensgeseßes nicht geschieht.

Nun is von Herrn Abg. Roeren darüber geklagt worden, daß die Ordensniederlassungen der katholishen Schwestern, vor denen Sie ja großen Nespekt und zu denen Sie ja ganz gewiß eine große Liebe haben die wir übrigens theilen ; - ich theile durhaus den Respekt vor den fkrankenpflegenden katholishen Schwestern ; sie leisten auss gezeihnetes, ja sie sind Vorbilder auf diesem Gebiet ; das erkenne ich irn vollsten Maße an —, es ist darüber geklagt worden: diese Nicderlafsungen könnten jederzeit aufgelöst wecden. Ja, meine Herren, so einfa ist die Sache nit; sie können niht ad libitum der beiden Minister aufgelöst wercken; es gehört dazu eine Königliche Verordnung. Im übrigen ist aber, scitdem die ganze Ordensgesecßs gebung besteht, noch niemals au nur cine einzige Auflösung erfolgt. Also woher soll da der Grund zur Beschwerde kommen ?

Meine Herren, der große konfessionelle Zwiespalt in unserm Volke nöthigt uns, mit einander zusammenzuleben, und nöthigt uns, um den Ausdruck eines- hervorragenden süddeutschen Katholiken, mit dem ih neulich über diese Dinge gesprohen habe, zu gebrauchen, uns mit einander einzurihten. Das geht aber nur auf thatsählihem Gebiet. Es giebt gewisse prinzipielle Forderungen der katholischen Kirche, von denen sie nit läßt, und zur Zeit auch wohl nicht lassen kann ih wage das als Protestant niht zu entsheiden —, und es giebt ebenso gewisse prinzipielle Forderungen, von denen wir als Evangelische, als Söhne der Reformation nicht lassen können und, wie heutzutage die Sache steht, auch niht lassen wollen. Deshalb bleibt uns nichts Anderes übrig: wir . müssen uns auf einen thatsädhlihen modus vivendi mit einander einrihten; da können wir die Prinzipien offen lassen, die mögen auf dem geists liden und geistigen Gebiet mit den Waffen des Geistes ausgekämpft werden. Dieser Kampf muß bleiben, den können wir nicht hindern, und wenn wir noch fo friedsam gesinnt sind, eine Konfession gegen die andere. Aber wir müssen uns mit einander einrihten. Zu diesem Einrichten gehören zwei Vorausseßungen ih habe das im vorigen Jahre gesagt —. Einmal und ih bin überzeugt, daß auch die Mehrzahl der Herren die Respektierung unserer staatlichen Hoheitsrehte will —, ih kann einem kirchlihen Anspru gegenüber nie und unter keinen Umständen ein staatlihes Hoheitsreht preisgeben. Das ihue ih au nit, ich würde lieber von meinem Amte weggehen, ehe id das thäte; ih würde darin eine Unmöglihhkeit erblicken, weiter freudig meines Amtes zu walten. Das is also unmöglich. Die andere Voraussetzung ist: wir können nicht die Kultusverwaltung beider Konfessionen so führen, als wenn nur eine Konfession im Staat vor- handen wäre; wir können weder die kfatholishen Kultusangelegenheiten so verwalten, als wenn es ¿nur Evangelische gäbe, noch können wir die evangelischen Kultusangelegenheiten so verwalten, als wenn es nur Katholiken gäbe, oder gar nach katholishem Prinzip. Das können wir nit. Wir müssen gegenseitig Rücksicht nehmen, wir müssen auß Rücksicht nehmen auf die Eindrücke der Bevölkerung. Gewiß sagen Sié, warum gewährt Ihr uns denn nicht einen Orden an einem Orte, wo die Bevölkerung es wünscht! Wie aber, wenn der andere Theil der Bevölkerung daran Anstoß nimmt? Unter Umständen liegt die Sache so, daß die Gründung einer Ordens- niederlassung den konfessionellen Streit in einer Weise entfacht, die nit zu verantworten ist, oder daß den Uebelständen, denen dur die Niederlassung abgeholfen werden soll, auf eine andere Weise besser ab- geholfen werden kann, wenn wir nur niht hier den Kampf anfangen. Das, meine Herren, werde ich niht thun; ih werde niht Oel ins Feuer gießen bei diesem konfessionellen Kampf. Soll überhaupt die Sche zu einer ruhigen, ftetigen, gedeihlihen Entwickelung geführt werden, zu einer sachlihen Verständigung aller patriotischen Leute, die ihr Vaterland und ihr Volk lieben, fo kann das nur gesehen, wenn jeder an seinem Theile die Hand dazu bietet, den konfessionellen Frieden der Bevölkerung zu wahren. Nun, meine Herren, das habe ih mir vom ersten Anfang meiner Amtsführung zur Aufgabe gemaht, meines s{weren und verantwortungsvollen Amtes; ih habe das bis jeßt nah besten Kräften geübt, vielleiht niht immer mit vollem Erfolge, aber wenigstens ehrlih und redlich, und dabei werde ih au

bleiben. (Lebhaftes Bravo!) /