1882 / 10 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 12 Jan 1882 18:00:01 GMT) scan diff

so sGauderhaft zurückgegangen sein, wie dies jeht der Fall sei, Hätte Fürst Bismarck sich crnsilih an die Spiße einer wahrhaft hristlih:konservativen Reformbewegung stellen wollen, fo würde ihm die Majorität nicht fehlen. Denn die Mehrheit im Volke sei sür eine solhe, und das Centrum würde ihn darin unterstüßen. Aber das sage er auch bestimmt: Eine Regierungspartei sans phrase könne und dürfe die Centrums: Fraktion nie und nimmer werden. Zu ciner folchen Reform gehöre aber vor Allem die Beendigung des Kultuxkampfes und die Aufhebung dieses Gesehes. Wenn die besten Kräfte ur Lösung der sozialen Aufgaben gelähmt seien, dann fei an eine solhe Reform nicht zu denken. Deshalb richte er an den Reichskanzler und den Reichstag die Bitte, dieses Ge- seß aufzuheben und dem Antrage des Centrums beizustiimmen. Um zu einem exrsprießlichen Zusammenwirken zu kommen, dazu gehöre aber vor Allem die Aufhebung der Maigeseßye und zunächst dieses Gesezes. Die Härte dieses Geseßes sei cine solche, daß selbst die Sozialdemokraten und ausländische Vagabunden dagegen noch mit Glaceehandshuhen angefaßt würden. Außerdem hätten die Nationalliberalen durch ihr Votum für das Geseh eines der wichtigsten Verfassungsrechte preisgegeben. Der Abg. von Bennigsen sei noch immer der roße Staatsmann und Kulturkämpfer, und seit Anfang dieser Session säßen ja die Abgg. von Bennigsen und Dr, Falk als stillschweigende Bekenner des "Kulturkampfs nebeneinander. Man habe dem großen Fabier nachgerühmt : cunctando restituit rem, Die nationalliberale Partei und ihr Führer schienen dem Grundsaße zu folgen: concedendo restituit rem. Gr habe den Nationalliberalen damals gesagt: Am Kulturkampse wür- den dieselben zu Grunde gehen; die Thatsachen hätten dies, wenigstens etwas, bewahrheitet. Ex freue sih, daß heute au auf liberaler Seite dem Centrum Aussicht auf Beendigung des Kulturkampfes gemacht werde, um so mehr, als er auf der anderen Seite die Energie und Entschlossenheit ver- misse, auf die seine Partei wohl hätte rehnen können. Man sollte keine Gelegenheit versäumen, diesen Kampf zu beseitigen, Die Liberalen sollten si freuen, wenn der ganze Kulturkampf beseitigt würde, ehe sie an die Regierung kommen würden. Und wenn die Liberalen an die Regierung kommen würden, dann möchte er denselben diesen Nath geben: dann den Kultur- kampf nicht wieder anzufangen und daran zu denken: „Ge- branntes Kind scheue das Feuer.“ Wenn der Abg. von Ben- nigsen noch weiter in dieser Weise Zukunftsmusik mache, könne ihm ja die Erreichung jenes Ziels nicht {wer fallen. Er schließe, indem er das Haus bitte, für den Centrumsantra zu stimmen und damit ein Gesch zu beseitigen, welhes au namentlich nah der politishen Seite hin als durhaus ver- werslich anerkannt werden müsse; man zeige damit den katholishen Mitbürgern, daß man den Schmerz der Katholiken lindern und den Kulturkampf beendigen wolle, aber niht mit Worten, sondern mit der That.

Der Abg. Hobrecht bemerkte, daß die Gegner des Gesehes vom Mai 1874 in dem Moment, in dem sie Aussicht auf Erfolg zu haben glaubten, den Versuch machen würden, es aus der Welt zu schaffen, könne Niemanden A Aber die Parteien, mit deren Zustimmung es damals zu Stande gekommen sei, hätten die Pflicht, ernst zu prüfen, ob eine G vorliege, die dazu drängen könne, die damalige Diskussion über die Nothwendigkeit, Zweämäßigkeit und Gerechtigkeit des Gesehes zu erneuern. Er sei in die heutige Berathung mit einer gewissen unruhigen Neugier und der Erwartung eingetreten, daß die Antragsteller dem Hause ein Bild des Nothstandes geben würden, welches das Mitgefühl erregen und seine Bedenken

egen die Berathung des Antrages des Centrums in die- em Augenblicke beseitigen würde. Aber ex habe nur gehört, daß das Geseh vom 4, Mai 1874 in der Een Zeit vielfah angewendet sei, daß die Anwendung sehr rasch nachgelassen habe und in den leßten Fahren ganz auf- gehört habe ; außerdem eine Reihe von Scherzen und Wigen, U. A. auch über die Partei, der er anzugehören die Ehre habe, als eine reduzirte und eine solche, welhe Ausficht habe, an die Negierung zu kommen ; dazu noch andere Scherze, welche umgekehrt gerade den Eindruckd machten, daß die Stinnmung des Unterdrückten, der sih in der Lage schwieriger Vertheidigung befinde, bei den Antragstellern nicht vorhanden sei. Mithin würde die Aufhebung des Geseßes direkt von sehr geringer Wirkung sein, desto bedeutcnder in prinzipieller Beziehung. Fm Fahre 1874 habe der Abg. Windthorst als s{werwiegendsten Grund gegen das Gesey ausge- führt, daß das Reich kein Necht habe, das Verhältniß der einzelnen staatlichen Negierungen zur Kirche vor sein Forum zu ziehen, Derselbe habe damals an das nteresse Bayerns und der anderen Staaten appellirt, die thnen von der Reichsverfassung gelassene Selbständigkeit gerade auf diesem Punkt zu vertheidigen ; es sei ganz unmögli dem Gese zuzuslimmen, wenn man nicht die Maigesetze, die ganze kirhenpolitische Geseßgebung Preußèns auch Seitens des Neilps- tags prüfe und sie seien dem Reichstage niht einmal zur Genehmigung vorgelegt; die Vorlage sei ein Versuch, den Einzelstaaten von Preußen aus das Kirchenrecht zu diktiren. Er wolle die Bedeutung dieser Einwendungen jeßt nicht unter- suchen. Thatsache sei, daß die preußische Regierung die Mai- geseße dem Reichstage niht vorgelegt habe, daß sie ihren An- trag auf ene Neihe besonderer Fälle des Widerstandes gestüßt habe, in denen sie, wieauch heut noch, niht ohne Grund ausgefürt habe, daßdie von ihr empfohlenen Zwangsmaßregeln nicht nux die wirksameren, sondern auch die milderen seien, Thatsache sei au, daß damals eine große Zahl derer, die dem Gesetze u- gestimmt hätten, sih dagegen verwahrt hätten, als wollten sie damit die preußischen kirchenpolitishen Geseßze ohne Weiteres in Bausch und Bogen genehmigen, Wenn man aber jeßt ohne den Antrieb besonderer Ae Uebelstände als Ausflüsse des Gescßes dasselbe aufheben solle, dann seße ein . Jolher Beschluß voraus, daß demselben eine Prüfung der preußischen kirchenpolitishen Geseße zu Grunde gelegt werden müßte, und derselbe würde eine prinzipielle Verurtheilung der ganzen bisherigen preußischen Kirchenpolitik enthalten. Diese prinzipielle Bedeutung der Annahme des Antrags Windthorst würde noch dur die augenbli@älichen Verhältnisse geschärft. Die preußische Regierung sei schon seit Jahren und besonders jeßt bemüht, die Schärfe des Konsflikts zu mildern, sie stehe in Unterhandlungen, um Mittel und Wege zur Herbeiführung eines friedlicheren Verhältnisses zwishen Kirche und Staat zu finden.* Jn wenigen Tagen werde der preußische Landtag Je dessen eine Hauptaufgabe die Berathung und Be- y R eer die tirchenpolitishen Fragen sein werde, griffen Un vielrei Fer aus das Geseß vom Be 1874 ange- nere Geseßgebten „aufgehoben werde, so grisse man in die ein, wie es noch Hit preußischen Staates in einem Maße geschehen, und gerade der Abg. Windt-

orst habe damals im Gegensaß zur heutigen Behauptung des

E as Schorlemer-Alsstt mit vollem Recht ausgeführt, daß das Geseß vom Jahre 1874 sih gar niht trennen lasse von der gesammten firchenpolitishen Geseßgebung. Möge die Stellung der Regierung in dieser Frage jein, welche sie wolle er hätte gewünscht, sie hätte eine Erklärung in dieser Be- ziehung abgegeben erx würde es in keinem Falle für rittig halten, unmittelbar vor Beginn des preußischen Landtages in eine Diskussion dieser Frage einzutreten. Seiner politischen Anschauung liege es fern, dem Versuch einer Ausdehnung der Kompetenz des Reiches in irgend einer Weise mit Mißtrauen zu folgen, aber es gebe ein Gebiet, auf welhem man die innere Gesetzgebung des Einzelstaates intakt lassen solle, so sei es das des Kultus, und dazu habe man im vorliegenden Falle bei der Lage der preußischen Gesetzgebung doppelte Veranlassung. Er und seine politishen Freunde würden daher gegen den Antrag Windthorst stimmen.

Der Abg. Dr. von Jazdzewski erklärte, er habe nah den Ausführungen des Abg. Windthorst geglaubt, daß si alle Parteien sür die Beseitigung des Gefeßes einigen müßten, aber die Ausführungen des Vorredners hätten das Gegentheil bewiesen. Der Kriea, der durch dieses Geseß inscenirt fei, solle zum Frieden führen. Dieser Friede sei aber der eines Kirchhofs, denn die gesammte Christlichkeit wäre bei größter Schärfe der Anwendung des Geseßes demselben anheimgefallen. Das Geseh vom 4, Mai 1874 sei in der Provinz Posen in ahtundachtzig Fällen zur Anwendung gekommen, und zwar

in zwei Fällen die FJnternirung, Die Ausweisung aus Deutschland sei allerdings niht vorgekommen. Jn erster - Linie sei das Opfer dieses Geseyes der Erzbishof Ledochowski gewesen. Sein ganzes Ver-

brechen habe darin bestanden, daß derselbe die Anzeigepflicht, wie sie die Maigeseße vorgeschrieben, nicht erfüllt habe. Da- für sei derselbe auf zwei Jahre im Gesängniß zu Ostrowo eingeschlossen und nachher aus Posen ausgewiesen worden. Weitere Opfer des Gesetzes seien die Weihbischöfe von Posen und Gnesen gewesen, weil sie am Gründonnerstage die heili- gen Oele geweiht hätten. Eine solhe Ausführung des Ge- seßes sei die härteste, die man sich überhaupt denken könne. Darüber habe ein Gericht, das aus Protestanten und vielleicht aus Juden bestehe, doch nicht zu befinden, was cin Kirchenfürst in seiner Amtssphäre zu thun oder zu lassen habe. Sodann seien verschiedene Kuratgeistliche bestraft, weil sie angebli unrecht- mäßige Amtshandlungen sich zu Schulden hätten kommen lassen. Weil nun die katholische Geistlichkeit in die Möglich: keit verseßt werden könne, daß das Geseß mit derselben Schärfe wie früher wieder gehandhabt werden könne, sei es in der Ordnung, daß das Centrum den Wunsch nach dessen Aufhebung aussprehe. Das Gesey sei in der Praxis obsolet geworden; was liege den Parteien daran, es noch weiter zu konserviren? Als das Geseß vom 14, Juli 1880 in das Abgeordnetenhaus eingebracht sei, habe die konservative Partei der Regierung einstimmig die Fakultäten geben wollen. Hier liege auch ein Ge- seß vor, das der Regierung eine diskretionäâre Gewalt in die Hand gebe, aber eine Gewalt, um die katholishe Kirche zu vernihten. Die konservative Partei werde wohl der NReglie- rung kaum zumuthen, das Geseß noch weiter anzuwenden, deshalb verstche er nicht, warum die Konservativen niht den Standpunkt der Antragsteller theilten.

Der Abg. Pr. Virchow erklärte, die große Mehrzahl seiner politishen Freunde sei entschlossen, mit dem Centrum für die Aufhebung dieses Geseßes zu stimmen, und es werde ihn fehr freuen, wenn dieser Gegenstand des Streites zwischen den Parteien begraben sein follte. Jhm persönlih werde dieser Standpunkt nicht schwer, er habe sih 1874, als er noch nicht Mitglied dieses Hauses gewesen sei, öffentlich gegen die Exilirung von Deutschen ausgesprochen. Schwieriger sei natürlich die Sachlage für seine Freunde gewesen, namentlich für diejenigen, welche mit für dieses Geseßz votirt hätten. Auch der Abg. von Saucken habe für dasselbe als für ein Kampfgeseß gestimmt, aber ausdrücklich bemerkt, er halte cs für ein provisorishes Geseß, d. h. es werde die Nothwendigkeit der Anwendung fallen. Diese Vor- ausseßzung habe sich ja auch wesentlih bestätigt; denn was die Herren angeführt hätten, seien Reminiscenzen aus den alten eiten des Kulturkampfes. Wenn man aber jeßt, wo die Ne- gierung den Frieden mit der Kirche herstellen wolle, ein Gesey aufrecht erhalten wolle, welches als Kampfgeseß und als weiter nichts gegeben worden sei, so würde man vielleiht mehr an- streben, als die Regierung überhaupt zu thun beabsichtige, man würde der Negierung gewissermaßen eine Waffe an die Wand hängen, damit sie von Zeit zu Zeit sehen könne, ob sie nicht rostig und schartig geworden sei. Sonder- bar sei s nun, daß in dieser wichtigen Sache keiner der hier ‘anwesenden leitenden Staatsmänner irgend ein Wort verliere, um den Reilhstag über die Auf- fassung der Regierung“ zu verständigen. Der Reichskanzler habe das Haus allerdings s{chon daran gewöhnt, daß derartige einseitige Unterhaltungen auch als parlamentarische Aufgaben betrachtet würden, aber dann habe man den Reichstag doch wenigstens allein gelassen, heute habe man die sonderbare Er- scheinung, daß in Anwesenheit der Vertreter der Negierung diese wihtige Materie behandelt werde, ohne daß au nur der leiseste Ansaß gemacht werde, belehrend einzuwirken. Wer sei nun in dieser Kirchenangelegenheit die entscheidende Autorität? Von allen Seiten, auch von den Konservativen, werde die Beendigung des Kulturkampfes gefordert, Wer gele ihn denn gemacht, die Liberalen doch nicht, sondern die

tegierung, Jeßt thue man so, als wenn nur die zwei Männer, welche nebeneinander auf den vordersten Sißen der linken Seite sich befänden (die Abgg. Dr. Falk und von Bennigsen), die Schuld trügen. Es sei höchst sonderbar, daß man nit einmal eine Ahnung habe: was denke nun wohl eigentlich der hohe Staatsmann, der die Geschicke des Reiches leite, über dieje Angelegenheit? Kein Mensch wisse etwas davon. Habe au der Neichskanzlèr bisher über Me Angelegenheit Stillschweigen beobachtet, so sei es doch lehrrei, von der reten Seite exklären zu hören, daß es mit der Ertheilung diskretionärer Gewalten do nichts sei. Ja, wenn der Reichs- kanzler die ganze Gewalt, die ganze Macht in seine Hand allein gelegt sehen wolle, dann brauche derselbe eben feine Volksvertretung! Als dies Geseß vom 4. Mai 1874 dem Reichstage zur Berathung vorgelegt sei, sei ev (Nedner) es gewesen, der vor der Annahme gewarnt, und es offen aus- gesprochen habe, wie dieser Weg nicht zum Ziel führen könne. Man habe seinen Auseinanderseßungen kein Gehör gegeben und geglaubt, die Regierung unterstüßen zu müssen, weil man die ihr durch die Maigeseßgebung eingeräumte Gewalt nicht für ausreichend gehalten habe. Die Folgen dieser Auffassung

schienen \ich jeßt bitter rächen zu sollen. Nachdem die Ne- gierung aber zu früh umgekehrt sei, könne feiner Partei an. diskretionären Gewalten erst recht nichts liegen. Die Auf- hebung des Gesehes von 1874 sei sciner Partei aber um so unbedenkliher, als schon das Geseß vom 14. Juli 1880 die Jnternirungsbestimmung völlig hinfällig gemacht habe. Eine gewisse Reserve müsse er aber bei seinem Votum aussprechen: die Haltung seiner Partei zu diesem Gesetze folle die Haltung derselben gegenüber der etwaigen Nevision der librigen Maigeseße nicht präjudiziren. Bei keinem einzigen der E tone würde eine analoge Operation statthaft sein; keins könne so wie das Expatriirungsgeseß einfa preisgegeben werden. Aber die polizeilihe Seite des Kulturkampfes zu verewigen, könne seine artei nit beabsihtigen; allmählich sei ja aus dem, was man unter Kulturkampf verstanden habe, unter den Händen der Polizei - Organe etwas geworden, für das man s{ch auszusprehen fast Bedenken tragen müsse. Den Kampf aber gegen die organisirte katholishe Kirche werde aber weder Fürst Bismarck® noch ein anderer Kanzler beseitigen, auch wenn er noch so viel Konzessionen mache. Darum vertrete exr wie immer den Grundsaß, daß der Staat dur seine Geseß2 seinen Bürgern Frieden \{ha|ffen müsse. So viel über die negative Seite des Kulturkampss. Positiv- habe er stets für eine Geseßgebung plädirt, welhe jeder Reli- gionsgesellschaft ihre Grenzen ziehe. Gegen den Abg. Hobredzt müsse er hervorheben, daß die Aufhebung dieses Geseßes au für seine Partei niht ein prinzipielles Verlassen der Geseßz- gebung des selbständigen Staats bedeute, sondern nur eine: Beseitigung von Auswüchsen, die die Praxis aus dem Geseße von 1874 herbeigeführt habe. Seine Partei“ habe damals. gerade geglaubt, die Jauternirung sei das kleinere Uebel gegen- über dem Gefängniß. Allerdings wisse man ja gar nicht, wie {nell der Reichskanzler hier eine Konversion seiner Anschauungen erleben könne. Der Reichskanzler habe erst !neulih zum all: gemeinen Erstaunen erklärt, daß er von einer Session zur andern eine Konversion seiner Ansichten durchgemacht habe, wenn sih das nun fortseße auf alle Gebiete, da komme der Reichstag in die allershwierigste Lage. Darnach lasse si keine Politik machen, sondern das seien Einfälle, welche auf unvollstän- digen Vorstudien beruhten, und welche eben aus unvollklommener Kenntniß der Sache hervorgingen. Diesem gegenüber müsse seine Partei ihre bessere Sachkenntniß entgegenstellen und. müsse mit dieser besseren Sachkenntniß und mit der sicheren Ueberzeugung diesem ewigen Wechsel und Schaukeln in der deutschen Politik endlih ein Ende machen. Dazu gehöre, daß man solche Dinge wegwerse, die blos Kampsmittel gewesen seien. Mache man eine ehrliche, regelrehte Geseßgebung, die zu aller Zeit anwendbar sei, dann glaube er, werde das Deutsche Reich bestehen und groß und stark werden.

Hierauf ergriff der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Staats-Minister von Boetticher das Wort:

Meine Herren! Der Herr Vorredner hat im Eingange sein Vortrags eine Provokation an den Bundesrathstisch gerichtet, er möge aus der Neserve heraustreten, die er {ih bisher bei der Debatte auferlegt hat. Wenn ih auf eine frühere Anregung, es möge die Stellung der Regierung zu dem vorliegenden Antrage von hier aus kundgegeben werden, nit geantwortet habe, so habe ih geglaubt, daß die Praxis, wie sie bisher in den Verhandlungen zwischen dem R und dem Reichstage beobachtet worden ist, nicht unbekannt - ein würde.

Meine Herren, ich bin gar nicht in der Lage, aus der Reserve, die wir uns auferlegt haben, herauszutreten, dent Mio Reserve ist für uns eine zwingende. Es handelt W. um die Aus- Les eines Gesetzes; die Anregung dazu ist von einem Theile dieses

ohen Q gegeben, und erst, wenn sich das Haus über den vor- liegenden Antrag \{lüssig gemacht haben wird, und wenn dieser Be-

{luß ein dem Antrage zustimmender gewesen sein wird, werden die verbündeten Regierungen in die Lage kommen, threrseits \ch die Frage vorzulegen, ob auch sie zu der Aufhebung des Ge- seßes vom 4, Mai - 1874 ihre Zustimmung geben sollen. Ja, meine Herren, Sie mögen dies belächeln oder nicht, denn es ist dics die Stellung, die verfassungsmäßig gegeben ist. Jch bin gar nicht in der Lage, Ihnen heute zu fagen, was die Königlich bayerische Negierung, die Großherzoglich hessische Regierung, die hamburgische Regierung, ja ih bin nicht einmal in der Lage, Ihnen zu sagen, was die Königlich preußische Regierung darüber denkt, denn alle diese Regierungen werden erst in die Lage kommen, Me mit der Materie zu beschästigen, wenn dieses hohe Haus darüber beschlossen haben wird.

Ich könnte mit dieser Erläuterung unserer Haltung {ließen und könnte nur noch dem Herrn Abg. Virchow, der seinerseits wohl

hon an diese Auffassung gedacht hat und deshalb gesagt hat, „wenn -

diese Auffassung etwa für die Haltung des Bundesrathstisches die entscheidende gewesen sein sollte, so begreife er niht, weshalb die Herren überhaupt hier erscheinen; wenn sie erscheinen, so könne man erwirken, daß sie wie er sich ausdrückte belehrend auf das Haus einwirken“ die Erklärung geben, daß wir hier erschienen O gerade um Belehrung zu fuhen für unsere künftige Beschluß- nahme.

Der Herr Abg. Virhow hat aber im weiteren Verlauf seiner Rede, und das Ie {ih nicht blos auf den vorliegenden Gegen- stand, sondern ift allgemeiner Natur von der kirhenpolitischen eb und den Plänen, die etwa der Herr Reichskanzler auf diesem Gebiete verfolgen könnte, gesprohen. Ér hat gesagt, „wenn der Herr Reichskanzler Vollmachten haben will, daß er thun und lassen kann, was er will, so braucht er kein Parlament. Ich erwidere ibm darauf, daß die Regierung in diesem Falle wird es wahr- sccinlih die preußishe Staatsregierung sein, da ja hier von dex verbündeten Regierungen Vollmachten auf tirchenpolitishem Gebiete nit begehrt werden Vollmathten erbittet, so geschieht das nit um einer Grweiterung ihrer Macht willen, fondern es geschieht um des Friedens zwischen Kirche und Staat willen, und ges{hieht um des Wohles des Vaterlandes willen.

Wenn ferner der Hr. Abg. Virchow gemeint hat, daf man nicht mehr wisse, wie man daran sei, denn der Herr Reichskanzler habe neulih aus fozialpolitishem Gebiete neue Ideen ausgesprochen, die den früher von ihm vertretenen \{chnurstrack8s entgegenstehen, so möchte ih erwidern, daß „der Widerspruh \o \{chrofff doch nicht war, und daß es ih dabei um ein Gebiet handelt, auf welchem wir Alle fortgeseßt lernen können und müssen. Ich behaupte dreist, wer da meint, er sei auf diesem Gebiet sertig, daß der n o ch garnicht anges fangen hat, zu lernen, Und, meine Herren, wie ist es denn mit den wirthschaftlichen Gesetzen? Hat nicht die Fortschrittspartei im vorigen Jahre sihch darauf gesteift, einfa die Ausdehnung des Hasftpflicht- geseßes zu verlangen und jeßt {ließt sie sih einem Antrage an, der

den Versicherungszwang annimmt und den Zielen der Regierung, die

sie im vorigen Jahre verfolgt hat, wesentli näherkommt.

Meine Herren! Sie werden lernen und wir werden lernen, und i bitte Sie dringend, lassen Sie die Vorwürfe darüber, da wir klüger geworden sind, dann werden wir Ihnen auch gönnen, da Sie Se El Bub e / ießlih habe ich noch cin Wort zu sagen. Mit der Wendung in den Anschauungen des Herrn Reichskanzlers hat der Hr. Abg. Virchow auch den Namen Sr. Majestät des Kaisers verknüpft, Nun meine Bei wenn Se. Majestät der Kaiser in diesem Jahre zu der Ueberzeugung gekommen ist, daß es noch besser für das Wohl des Landes und des Volkes sei, cin System zu adoptiren, an welches man im vorigen Jahre nicht gedacht hat, so ist dies etwas, was mit Chr- furcht und Dank aufgenommen werden muß.

Or L N E E E e t D O L U

iz O 1 I E

2A r 2 Sd) R D R

M D E.

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