1871 / 193 p. 8 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 12 Dec 1871 18:00:01 GMT) scan diff

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Landtags- Angelegenhbeiteu.

Berlin, 12. Dezember. Jn der gestrigen Sißung des Hauses der Abgeordneten nahm in der Vorberathung des

Staat8haushalts-Etats für das Jahr 1872 der Finanz-Minister

Camphausen nach dem Abg. v. Benda das Wort:

Meine Herren! Verschiedene Herren Redner, die in der heutigen Debatte das Wort ergriffen haben, haben es für nothwendig erachtet, darauf hinzuweisen, daß die gegenwärtige Finanzlage nicht das Ver- dienst des gegenwärtigen Finanz-Ministers tei. T stimme mit dieser Auffassung volifommen überein: die gs deren sih Preußen erfreut, hat es allerdings zum großen Theile den Erfolgen des Krieges mit zu danken. Weit wickßtiger ist die alte Tradition, die in der preußischen Finanzverwaltung geherrscht hat, dex kräftige, willige Beamtenstand, die Opferfreudigkeit des Landes und die Regelmäßigkeit in der Verwaltung, die wir zu allen Zeiten festzuhalten gewußt haben. Kein Finanz - Minister, mag er zehnmal befser die Sache verstehen, als wie ich mich dessen rühmen kann, wird für sich einen solhen Ruhm in Anspru nehraen dürfen , er hat ihn zu theilcn mit den zahlreichen Männern , die an seiner Seite sichen und die im Lande ihm hilfreid entgegenkommen. Vor allen Dingen aber, meine Herren, ist er abhängig von einer höheren Macht. Wenn s\{leckdte Ernten kommen, wie im Jahre 18567, dann kann der beste Finanz-Minister sich dagegen niht {üßen, und wenn gesegnete Ernten kemmen, wenn die Jndusirie in Aufshwuug geräth, fo is es nicht das Verdienst des jeweiligen Finanz-Ministers. Jch@ bin sehr weit davon enifernt, meinen Antheil an der gegenwärtigen Lage irgend wie übershäßen zu wollen. Wenn nvn cin Redner auch Anlaß çcenommen hat, mich mit meinem Bmts§vorgänger aus- einanderzuseßen oder zu identifiziren, wenn er hier hbe- hauptet hat eine Bebauptung, die auch sonst &#on vorgekommen ist daß ich mit der Denkschrift des Herrn Finanz - Ministers v. d. Heydt vom 18. Mai 1869 einverstanden gewesen wäre; so sollte ih denken, daß der Herr Nbgeordnete, der sich ja so sehr viel Mühe giebt, die früheren Neden nachzulesen, auch wohl fich die Müde hätte geben können, daran zu denken, wie ic in diesem Hause gleich zu An- fang meiner amtlichen Thätigkeit Jhnea die Erklärung abgegeben habe, daß ih die Denkse®rift vom 18. Mai 1869 nicht als einen inte- grirenden Theil des Nachlasses ansebe, den ich übernommen hätte, daß ich da mein Amt nur cum benelicio inventarii übernommen habe. Wenn der Herr Lbgeordnete aber aus dem Umstande, daß ih ais Mitglied des Neichstages im Mai 1869 diese Denkichrift nit be- fämpft habe, den Schluß zieht, daß i sie gebilligt hätte, so ist dieser Schluß eben ein irriger. Jh licbe es im Allgemeinen nit; mit meiner unbedeutenden Person das Hohe Haus zu bedéeligen und näher darzulegen den Zusammenhang der Aeußerungen, die ih zu verschiedenen Zeiten gethan habe. Das aber bin ih mir selbst \s{chuldig, die Herren daran zu erinnern, daß ih im Reichstage ira Frübjabr 1869 über die Nothrwoendig- keit, die Mittel des Reiches oder des Norddeutschen Bundes, wie wir uns damals auszudrücken batten, aus eigenen Einnahmen zu stärken, ausgesprochen habe, und zivar in ciner Sißung, in der i noch gar feine Ahnung davon hatte, daß eine solche Denkschrift kommen würde, und daf ich meine Auffassung damals dahin kund gegeben habe, daß es die Pslicót der Versammlung sci, für den Betrag von 4 Millionen Thalern, um welche die Einnabmen des Norddeutshen Bun- des dur die eigenen Beshlüsse der Versammlung verringert waren, um einen ähnlichen Betrag wieder zu stärken. Ader nachdem der Minister v. d Heydt diese Denkschrift vom 18. Mai 1869 eingebracht hatte, habe ich an der Diskussion über diese Frage nicht Theil genom- men. Gegner, meine Herren, hatte diese Dentschrift damals genug ; ih fand mich nicht berufen, idre Zahl zu vermehren. Wenn aber dann aus dem Umstande, daß ih für verschiedene der Stcuerprojekte mein Votum in der Eigenschaft als Abgeordneter abgegebene habe, der Schluß gezogen wird, daß ih alle diese Steuerprejekte gleichzeitig Hätte billigen wollen, so is auch dieser Schluß wiederum cin irriger. Jch habe für die Branntweinsteuer gestimmt und nahchdem sie abgelehnt war, für die zweite Steuer, und nachdem die zweite abgelebnt war, für die dritte, niemals aber gleichzeitig; und wenn ih in die Lage gebracht worden wäre, wie der geehrte Herr Abgeordnete sich ausgedrückt hat, für alle diese Steuerprojekte gleichzcitig zu stimmen , dann würde ih auch damals Nein gesagt haben. Dies in Bezug auf die Ver- gangenheit. Jch glaube, auch später damit nicht etwa in ein wider- \pruchsvolles Benehmen getreten zu sein , denn der erste Vorschlag, den ich dem preußischen Landtage in meiner Eigenschaft als Finanz- Minister gemat habe, hat ebenfalls dazu geführt, die Ausgaben des Staates um den Betrag von nahezu vier Millionen zu vermindern. Es \{eint mir demnach, daß ih wohl eine gewisse Konscquenz bei meinen Ansichten in Anspruch nehmen dürfte.

Nun, meine Herren, erlauben Sie, daß ih einige Worte wegen der vermeintlich etwas späten Vorlage der Steuerreforunen und we- gen des Umstandes hinzufüge, daß dadur die Berathung des Geseßes

Das habe ih bekanntlich vor einigen Tagen getkba diese Vorlage stimmt mit der Ankündigung voU ständi überein, F 4 das hat der Herr Abg. Richter mit vollem Recht hervorgehoben a ja auch nah der umfassenderen Maßregel, die Jhnen vorgelegt wid, der Erlaß, der auf das Jahr 1872 fallen wird, \ich ungefähr guf den Betrag von einer Million berechnet, nämlich auf 1,150,000 A abgesehen von einzelnen Steuernachlässen, die noch bei den seat vorgelegten Geseßentwürfen einmal lber - die Gewerbesteuer d aweitens über die Gefindedienftbücher in Aussicht genommen înd Ic möchte Sie nun bei dieser Gelegenheit bitten, eins ni@t zu vergessen. Ml Gan e alle Bn gs M E A quer Pag behandelt

1 als 0 ex alle Swveige der Staatsverwaltun ständi seiner Dip ostion habe T g g vollständig zu y eine Herren! J bin nit in dieser Lage ; der Finanz-Minz ifi nit einmal befugt, Jhnen Steuerreformen d E wie.er fe _vielleiht wünschen mö@Gte, sondern es versteßt sich von selbst, daß über solche wichtige Fragen zunächst das Staats - Ministe, rium befindet und daß si dasselbe dann mit der Krone zu verstän, digen hat. Wenn Sie also von allen Zweigen der Staatsverwal. tung reden und dann für jeden einzelnen Akt den Finanz, minister allein verantwortlich mackchen, dann muß ich Jhnen fagen daß ein sol@es Gewicht von Verantwortlichkeit mich niederdrücken würde; für den Theil, den ih dabei wirflih mit zu tragen babe will id) die Verantwortlichkeit {Gon schr gern Übernehmen. E

Was nun die ganze Finanzlage betrifft, so habe ich Übertwiegend nur Stimmen gehört, die sie theilweise no® günLiger auffassen als wie sie Jhnen dargestellt wurde, theilweise Bedenken dagegen pl heben. Zu den Leßteren hat insbesondere der Herr Abg. von Gott: derg gehört. Er hat Jhnen die Betrachtung vorgeführt, daß wir do toesentlich die freiere Bewegungç, der wie uns jeßt erfreuen, nur dem Umstande zu danken hättcn, daß die Konsolidations - Makßregel noch§ nicht zu Ende geführt sei und daß wir deshalb in den Etat pro 1872 noch über eine Einnahme voa 4,003,000 ver- fügen könnten, die in Zukunft uns niht mehr zu Theil werden würde Der geedrte Herr Abgeordnete hat dabei nur Eines vollständig über- sehen, daß; wenn die Konfolidationsmaßregel vollendet ift, zwar dieser Einnahmeposten fallen wird, aber au@ dite korrespondirenden Aus- gaben, daß alsdann das Budget dauernd um diesen Betrag ecicichtert werden wird.

In der Diskussion find demnätßst {hon jeßt cine große Zahl ven Bemerkungen Brahe worden in Bezug auf das vorgelegte Stezuer- projekt. Sie werden es natürli) finden, meine Herren, wenn ich es mir versage, heute auf diese Bemerkungen einzugehen. Es fann ja nicht fehlen, daß wir na) einiger Zeit eine Geueral-Disfusfion über diese Steuerreformen haben werden, und dann scheint mir der ritigere Zeit- E de Sina sein, um auf die verschiedenen Bedenken, die in Bezug auf die Steuerreform erhoben sind, näher einzugehen. Wollte ich das beute thun, so, glaube i, würden wir nur eine doppelte Diskussion haben. HinsichtliG der Beamtenbesoldungen is von den verschieden-

slen Seiten geltend gemacht worden, daß hier doch eigentli nur ein .

Minimum gewährt werde. Nun, meine Herren, es wird mi {r freuen, wenn die Vors@läge, die Jhnen die Staatsregierung empfohlen hat; bei dencn sie in der That glaubt; den Wünschen des Beamienstandes in einer Weise entgegen zu kommen, woran er bisher nidt gewöhnt war wenn diese die volle Zustimmung des Hauses finden werden. Davor möchte ich warnen, in derselben Augenblicke, wo diese Beamtenhesoldungen \o erheblih verbessert wer- den, nun auch {on wiederum mit neuen Klagen zu beginnen, daß nit genug geschehen sei.

Ich meine, so sehr die Staatsregierung bemüßt sein muß, das Loos der Beamten zu verbessern, so sehr muß sie andrerseits auch darauf rechnen, daß die Wünsche des Beamtenstandes ih mag nicht gern den. Ausdruck gedrauchen , den ein Abgeordneter vorhin angt- wendet hat, wo er von dem »begehrlichen Beamtenproletariat« spra aber den Wunsch möchte ich wohl äußern, daß der Beamtenstand sih auch bescheiden mit dem Zufrieden gebe, was ihm nach den Mit- teln des Staates zu Theil werden kann, und daß der Beamtensiand niemals vergessen möge, daß sein Lohn nicht lediglih in dem Gelde eini sondern auch in der Ehre, einem großen Staatsiwesen zu

enen.

Meine Herren! Es is dann von dem Finanzminister gewünscht worden, daß er eine Erklärung darüber abgebe, was die Regierung vorhabe in Bezug auf die Landwehrmänner und Reservisten, und was sie vorhabe in Bezug auf den Ersaß, der den Gemeinden für die in Folge der Geseße von 1850 und 1851 gewährten Auslagen geleistet werden möchte. Da kann ich Jhnen nur sagen, daß über diese Frage die definitive Beshlußnahme noch nicht stattgefunden hat daß aber, wie mir scheint, die Anforderungen in dieser Beziehung, wenn sie weit über die Srenzen hinausgehen sollten, die im Reichstage gezogen roorden find, doch wohl vor allcn Dingen hätten im Reichs- tage erhoben werden müssen. l

Qu meinen Notizen gehört dann noch ferner, daß ih hingedrängt worden bin, mich Über verschiedene weitere Steuerreformen auszu- sprechen. Eincr der geehrten Redner hat eigentlich sogar die ganze

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gráftigung der Landesvertretung, wenn die Landesvertretung von ihrer Macht den rihtigen Gebrau macht. Müssen Sie nicht aner- ennen, daß in der Vorlage , die die Staatsregierung Jhnen gemacht hat, überall gesucht worden is , den Wünschen der Landesvertretung entgegen zu kommen? Daß übrrall das ins Auge gefaßt worden ifi: as will das Land? Was haben seine Vertzeter in dieser Bezichung uns für eine Willensmeinung zu erkennen gegeben? und daß wir weilt, daß damit auch auf den rihtigen Weg hingedeutet worden sci, anz bereitwillig dem entgegen gekommen sind? J Menn darauf hingedeutet worden i}, wie ja diese und jene teuer wohl noch zu ändern sein möchte, wenn beijpielswpeise auf die Salzsteuer bingeroiesen worden ist, nun, meine Herren, dann bin ih sehr gern bereit , an den preußischen Bunde8bevollmächtigten beim Reiche den Wunsch zu richten und zu unterstüßen, daß darauf Bedacht genommen werden möge, die Salzsteuer zu ändern, wenn es die Ver- páltnisse des Reichs gestatten. Jh bin allerdings der Ansiht , daß wir in dieser ait eine Steuer haben, deren ewige Beivehaltung

nit wUn]che. is Dusselbe würde ich von der Zeitungs2steuer sagen ïönnen, ich kann nit der Ansicht scin, daß Preußen diese Steuer steis beibehalten wird. Die Frag:1 die uns heute vorliegt, ist aber die: Wo hat die Staats- regierung die dringendste Verpflichtung , indem sie mit den Steuer- erleichterungen vorgehen fann, die Steuererleichterungen eintreten zu lassen? Diese dringendste Verpflihtung haben wir erkannt, indem wir dem seit Decennien von der Landesvertretung auLgedrückten Vunsche wegen Aufhebung der Mahl- und Schlachtsteuer die Wege hahnen, uud indem wir in Beziehung auf die Klassensteuer diejenigen Uebelfiände sofort beseitigen, die als die dringendsten anzuerkennen snd. Daß dieser erste Schritt ein leßter sei, ist niht ausgesproen ; daß ich aber heute schon sagen sollte, welches der zweite und weitere Sritt sein wird, das bitte ich nicht von mir zu verlangen.

Es ist nun mehrfach darauf hingewiesen woorden, daß ebenfalls

yóllig unbeleuchtet geblieben sei das Wünschen8werthe oder selbst die

L Nothwendigkeit, für die andere Einrichtung der Kommunal-, der

Kreis-, der Provinzialverwaltung Mittel auszuseßen, daß es noth- wendig scin werde, vielleiht einen Theil der Grundsteuer zu solchen Zwecken zu bestimmen, vielleicht auf anderem Wege aus Staais- mitteln Beihülfen zu leisten, um diese wünshen8werthe Organisatign ins Leben rufen zu können. Meine Herren! Sie können auch hier den Finanz-Ministex nicht als den alleinigen Repräsentanten für diese Fragen in Anspruch nehmen. Soll ih mi darüber äußern, wie ih selbst zu dieser Frage stehe, #\o will ih durchaus kein Hehl daraus machen, daß id ein Freund der Decentralisation bin, daß ih wünsche, lebenôkräftige, unsern Verhältnissen angepaßte Organe dafür ins Leben zu rufen, und daß, wenn - diese Schöpfungen be- dingen, mehr oder weniger erhebliche Beiträge aus Staatsmitteln ihnen zuzuwenden, ich dem in keiner Weise entgegen sein würde. Meine Herren! Wszu verwaltet man die Finanzen des Landes, wozu hält man die Gelder beisammen, als lediglih dazu, um den bderehtigten Wünschen der Nation entsprechen zu können? sobald die Landedvertretung in dem Falle if, für einen berehtigten Wunsch das heißt, für cinen Wunsch, der nicht allein von ihr, der auch von der Staatsregierung als ein berechtigter anerkannt wird —, die Mittel zu gewähren, #0 wird es stets die Aufgabe des Finanz- Ninisters sein, diese Mittel bereit zu stellen. E Meine Herren! Durch diese Bemerkung glaube ich diejenigen der heute angeregten Fragen, auf welche eine unmittelbare Antwort er- wünscht sein mochte, berührt zu haben. Auf die Mehrzahl dieser Fragen wird, wie ih glaube, zurücgekommen werden be? der spe- zielen Diskussion der einzelnen Etats, und ich werde dort mchr als heute in der Lage sein, auf Einzelheiten einzugehen. Jch würde solhe Einzelheiten mir insbesondere auch vorbehalien, wenn wir an die vielfa ventilirte Frage kommen, roas in Bezug auf die flassifizirte Einkommensteuer für Umgestaliungen erforderlich werden möchten. Jch würde dann nit unterlassen, mit statistischem Material versehen, doch manche der Auffassungen etwas zu berichti- ger/ die in Bezug auf diese Steuer vielfach geäußert worden sind. Th würde, wenn wir an diese nähere Erörterung kämen, mich auch dagegen {ühen müssen, daß aus einzelnen Aeußerungen, die von meiner Seite gefallen sind, nicht zu weit gehende Schlüsse gezogen werden. Jch weiß nicht, ob ih ganz genau der Rede des Herrn Abg. Lasker gefolgt bin er hat, wie ich meine, in Bezug auf indirekte teuern mich einen Ausspruch thun lassen, der wenigstens niÎt in meiner Absicht gelegen hat. J habe bei der Verathung am vorgestrigen Tage gegenübergestelt auf der einen Seite den Umstand, daß die Mahl- und Schlachtsteuer also indirefte Steuern überall beseitigt werde, daß an deren Stelle

| tine direkte Steuer tritt, und daß bei dieser direkten Steuer zuglei

auf Verbesserung derselben Bedacht genommen wird. Einen allge- meinen Ausspruch ‘über direkte und indirekte Steuern und über deren relative Vorzüge habe ih damit nicht gethan , wenigstens nicht thun wollen, denn diese Aeußerung würde cingeshränkt werden durch die mit vollem Rechte ebenfalls aus einer früheren Rede von mir vom Abgeordneten Richter citirte Aeußerung, daß, wenn bei unserein gegen-

n überall , wenn die Staatsregierung ihrerseits die Ueberzeugung

Die dem Hause der Abgeordneten vorliegenden Geseßz- entwürfe lauten:

Entwurf eines Geseßes, betreffend einige Abänderungen der Gesche vom 30. Mai 1820 und 19. Juli 1861 wegen i L der Gewerbesteuer.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen 2c. verordnen mit Zustimmung beider Häuser des Landtages Unserer Monarchie, was folgt :

§. 1. Die Veranlagung der Gewerbesteuer für das Müller- gewerbe erfolgt fortan niht mehr nach den in der Beilage B. zu dem Geseße wegen Entrichtung der Gewerbesteuer vom 30. Mai 1820 (Gescßsjammlung S. 147) unter I enthaltenen Vorschriften. Dagegen ist das Mülergewerbe bei cinem Betriebe von bedeutendem Umfange mit der Gewerbesteuer vom Handel in der Klasse A, 1. (F. 2 zu 2 des Geseßes vora 19. Juli - 1861, Gesez-Sammlung S. 697) und bei cinem Betriebe von mittlerem Umfange mit der Gewerbe- sleiter vom Handel in dex Klasse A. M, (49.2 WM-1 0 a. D) unter den Übrigen Fabriî- und Handels - Unternehmungen zu veranlagen. Das Müllergewerbe, welches lediglich oder weit überwiegend gegen Vohn, oder sons in gecingem Umfange betrieben wird, unterliegt der Gewerbesteuer vom Handwerk (Beilage B, zum Geseße vom 30. Mai 1820 unter U). Dasselbe ist gemein- \shasilich mit , den Übrigen Handwerken des Steuervezirks zu veran- lagen; die im §F. 12 des Geseßes vom 30. Mai 1820 dem Handwerke eingeräumte Steuerfreiheit findet jedoch auf das MüUergewerbe keine Wüniwendung

Bei den Vorschriften der §§. 14 und 15 des Gesehes vom 30. Mai 1820 behält es sein Bewenden.

2. Solche Handwerker, welhen auf Grund des §. 21 unter 2 des Gescßes rom 19, Juli 1861 der Betrieb des Gewerbes steuerfrei gestattet wird, sind bei der Berechnung der Handwerkssteuer des Steuerbezirks mit Mittelsäßen nicht in Ansaß zu bringen.

ÿ. 3. Das gegenwärtige Geseß, zu dessen Ausführung der Finanz- Minister das Erforderliche anzuordnen hat, kommt zuerst bei der Veranlagung der Gewerbesteuer für das Jahr 1873 in Anwendung.

ürtundlich 2c.

Entwurf einesGesezes, betreffend eineZusaßbestimmun g zum Artikel 74 der Verfassungs-Urkunde vom31.Januar 1850 und zur Verordnung wegen Bildung der Ersten Kammer vom 12. Oktober 1854.

Wir Wilhelm , von Gottes Gnaden König von Preußen 2c. P g Veo mit Zustimmung beider Häuser des Landtages der Monarchie, was folgt:

Einziger Artikel. Dem Actifel 74 der Verfassungs - Urkunde vom 31, Januar 1850 und der Verordnung wegen Bildung der Ersten Kammer vom 12. Oktober 1854 tritt folgender Zusaß hinzu:

Von der Mitgliedschaft im Herrenhause sowie von der Wählbarkeit zum Hause der Abgeordneten sind der Präsident und die Mitgtieder der Ober-Rechnunzskammer ausgeschlossen.

Urkundlich 2c.

Entwurf eines Geseßes, betreffend die Ueberweisung einer Summe von jährlih 142,000 Thalern und eines Kapitals von 46,380 Thalern an den kommunalständi-

\schen Verband des Regierungsbezirks Wiesbaden.

Wir Wilhelm von Gottes Gnaden König von Preußen 2c. verordnen mit Zustimmung beider Häuser des Landtages der Mo- narchie, was folgt: :

F. 1. Dem kommunalständishen Verbande des RNegierungs- bezirks Wiesbaden wird zur cignen Verwaltung und Verwendung für folgende Zwecke und zwar: 1) zur Bestreitung der Kosten des Neubaues chaussirter Verbindungsftraßen mit Auss{chluß der auf Kosten des Staats bereits zur Ausführung genehmigten Straßen- bauten im Kreise Biedenkopf: a) von Haßfeld bis zur Biedenkopf-Batten- berger-Straße, b) von Battenberg bis zur Frankenberg-Marburger Straße und c) von Niederscheld Über Lixfeld nah Breitenbacy und Mornshausen oder Dautphe, sowie zur Unterstüßung des Gemeindewegebaues und 2) zur Fürsorge für die Jrren und Taubstummen, insbesondere zur Unterhaitung der mit ihrem gesammten Vermögen in die Verwaltung des fommunalständischen Verbandes Übergehenden Jrren-, Heil- und Pflege-Anstalt zu Eichberg und des Taubstummecn-Jnstituts zu Cam- berg. die Summe von jährli 142,000 Thlrn. vom 1. Januar 1872 ab aus den Staatshaushalts-Einnahmen eigenthümlih Überwiesen und is diese TUauge Up fortan auf das Ordinarium des Staats-

aushalts-Etats zu seßen. :

O V. h oldt Weise wird dem fkommunalständishen Ver- bande des Regierungsbezirks Wiesbaden der Darlehnsfonds für un- bemittelte Gemeinden in dem Gebiete des ehemaligen Herzogthums Nassau, sowie der Rest des Homburger Kautionsfonds in einem Ge- sammtbetrage von 46,380 Thlrn. zur Gründung einer kommunal- ständischen Hülsskasse nah dem Vorbilde der in den älteren Provinzen bestehenden derartigen Jnstitute eigenthümlich Überwiesen.

Aus dieser Hülfskasse Ä pa insbesondere auch Darlehen zur Aus- führung gemeinnüßiger Wegebauten und Landesmeliorationen zu

gewähren,

Über den Staatss{aß behindert worden wäre. Was die Steuer- | Liste aller Steuern vorgenommen, und er ist mit diesen so zu Werke

Ç. 3 Verwendungen der dem kommunalständishen Verbande

reformen betrifft, so habe i in der ersten Sißung dieses Jahres Ihnen sofort erklärt ich werde mir {hon crlauben müssen , den Passus zu verlesen —:

Meine Herren! Nahdem wir nun im Ordinarium für alle diese Zwecke gesorgt haben , die Sie später bei der Berathung des Etats näher kennen lernen werden , haven wir noch eive Summe von 1,000,000 Thaler reservirt für Steuerreformen. Die Bera- thungen über diese wichtige Frage find noch nicht zu einem defini- tiven Abschlusse gelangt, ih werde heute auf diese Angelegenheit niht näher eingehen , sondern in einer späteren Sißung um die Erlaubniß bitten, mich ausführlicher damit zu beschäftigen.

gegangen, daß ih mich dabei gefragt habe: Was troird nun zulegt für dcn Staat übrig bleiben?

So weit find nun meine Pläne nicht gerichtet. Jh glaube daß wir grade nach den Erfahrungen , die wir in den Jahren 1867 und 1868 gemacht haben , eins nit vergessen sollen: daß roir wünschen D Allem, ias wir thun, einen völlig sicheren Boden unter uns zu haben. A

Eine günstige Finanzlage ist nicht blos eine Kräftigung für die Staatsregierung; ich erkenne das unumwunden an : die Staats- regierung is in einec unendlich besseren Lage , wenn sie eine günstige Finanzlage vor sich hat; aber, meine Herren , cs ist auch einé

wärtigen Finanzsystem die Nothwendigkeit eintreten sollte, die Staats- tinnahmen zu erhöhen, eine Nothwendigkeit , die glücklicherweise niht eingetreten i|, ih dann der Vermehrung der indirekten Steuern oder der Ertragsteigerung von indirekten Steuern den Vor- Ug geben würde. Bei dieser Auffassung bleibe ih heute ebenso stehen, wie ih dies vor einem Jahre gethan habe. |

Nun, meine Herren, ich wiederhole, ih glaube heute die Haupt- junkte erôrtert zu haben , die vorgebracht worden find und die eine ofortige Antwort erheischen. Jh behalte mir vor, bei der späteren

Einzelne gehenden Berathung auf einige Punkte zurückkommen IU dûrfen,

nah §. 1 überwiesenen Summe zu anderen, als den bezeichneten Qwedcken, können E dem Ea Ra mit landedherrlicher Genehmigung beschlossen werden. i G E Sl wat die überwiesene Summe nicht ausreiht, sind die Kosten der im §. 1 gedachten Einrichtungen und Anlagen von dem fommunalständishen Verbande nah Mafigabe der Verordnung vom %. September 1867, betreffend die Einrichtung einer kommunalstän- dischen Verfassung im Regierungsbezirk Wiesbaden, mit Ausschluß des Stadtikreises Frankfurt a. M. aufzubringen. : Urkundlich 2c.