1871 / 203 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 23 Dec 1871 18:00:01 GMT) scan diff

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F. 1 Vom 1. Januar 1872 ab gebt die Verwaltung der durch die Nassauiswe Brandassekuranz-O:dnung vom 17. Januar 1806, (Nassauische Edikten-Sammlung Vand ?. S. 168. f.) gegründeten und èucch die Verordnung rom 14, September 1867. (Ges. S2mmil. S. 1551.) erweiterten nassauishen Brandversibkerungs-Anstalt als eines fortan kommunalständiscen Jnstituts auf den Kommunal-Land- tag des Regierungsbezirks Wiesbaden und dessen Organe über.

F. 2 Der Kommunal-Landtag beschließt über die Einrichtungen der Anftalt und erläßt" mit Königlicher Genehmigung die zu diescm Behufe ‘erforderlichen reglemenrarischen Bestimmungen.

Durch leßtere“ dürfen jedo die Vorschriften der Brandasseku- ranz-Ordnung vom 17. Januar 1806 und der dazu ergangenen ergän- E und abändernden Verordnungen nur insoweit abgeändert wer-

en, als si dicse Vorschriften auf die Organisation, die Verwaltungs- grundsäße und die Formen des Geschäftsbetriebes der Brandversiche- rungs-Anstalt beziehen. 7

Urkundlih unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Königlichen Jnsiegel.

Gegeben Berclin, den 21. Dezember 1871.

i (L. S.) Wilhe Fürst v. Bismarc. Gr. v. Roon. Gr. v. Jßenp v. Selhow. Gr. zu Eulenburg. Leonhardt.

I m. liß. v. Mühler. Camphausen.

Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten.

Dem Kaufmann C. F. Wappenhbans8 zu Berlin ist unter dem 20. Dezember d. J. ein Patent auf eine Vorrichtung zum selbstthätigen Anspannen und Qu- führen des Oberfadens an Nähmaschinen in der durch ZJeich- nung und Beschreibung nachgewiesenen Jusammenseßung und ohne Jemand in Anwendung bekannter Theile derselben zu beschränken, auf drei Jahre , von jenem Tage an gerechnet, und für den Umfang des preußischen Staats ertheilt worden.

VBelanntmaMuUn a, betreffend die Allerhöchste Genehmigung des revidirten Statuts der Korporation der Kaufmannschäift zu Memel vom 22. August 1871.

Des Königs Majestät haben mittelst Allerböchsten Erlasses vom 16. d. M. das am 22. August d. I. beschlossene revidirte Statut der Korporation der Kaufmannschaft zu Memel zu genehmigen geruht. Der Allerhöchste Erlaß nebst dem revidir- ten Statute wird durch das Amtsblatt der Königlichen Regie- rung zu Königsberg bekannt gemacht werden.

Berlin, den 20. Dezember 1871. /

Der Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten. Ju Auftrage: Moser.

Ministerium der geistlihen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten.

Dem Seminar-Direktor Dobroschke ist die Direktion des Tatholishen Schullehrer-Seminars in Habelschwerdt übertragen worden.

Der Uebung®8lehrer Hermann Rauhut beim katholischen Schullehrer-Seminar in Bre8lau is als Seminar-Lehrer am Tatholishen Schullehrer-Seminar zu Habelschwerdt angestellt worden.

Finanz-Ministerium.

Die Ziehung der 1. Klasse 145. Königlicher Klassen-Lotterie wird nah planmäßiger Bestimmung am 3. Januar k. I. früh 8 Uhr ihren Anfang nehmen , das Einzählen der sämmtlichen 95,000 Loose - Nummern nebst den 4000 Gewinnen gedachter 1. Klasse wird schon am 2. Januar k. J., Nachmittags 2 Uhr, durch die Königlichen Ziehungs - Kommissarien im Beisein der dazu besonders aufgeforderten Lotterie - Einnehmer Herren Hemptenmacher, Günther und Typke von hier, öffentlich im N des Lotterie-Gebäudes stattfinden.

erlin, den 23. Dezember 181 Königliche General-Lotterie-Direktion.

Preußische Bank.

Bei der Preußischen Bank sind ernannt: die Buchhalterei- Assistenten Zimmermann in Danzig, Vogel und Froelich in Berlin, Stoelger in Düsseldorf, Hampf, Bohm und Fickert in Berlin zu Bank-Buchhaltern; die Buchhalterei- Assistenten Mayni in Magdeburg, Krug in Berlin, Brü- ning in Cöln, Fischer in Königsberg zu Bank-Kassirern; der Buchhalterei - Assistent Esser in Stolp zum Bank-Ren- danten; der Unter-Kalkulator Kunisch in Königsberg zum Bank-Kalkulator; die Unter - Kalkulatoren und Kanzlisten Sander in Stettin, Heyer in Königsberg und Mielke in Danzig zu Kanzlei - Sekretären; Steyer in Berlin zum Geheimen Kanzlei-Sekretär.

der Kanzlei - Assistent

Angekommen: Se. Excellenz der General - Lieutcnant

und Commandcur der 2, Garde - Infanterie - Division , von f

Bu drißki, von St. Petersburg.

A G U Bckanntmachung.

Es wird hiermit zur allgemeinen Kenntniß gebra J gemäß Verordnung der Kaiserlichen Normal-Aichungs.g. 0

mission der Präflufivtermin für die Umaichung der älteren

Medizinalgewichte und eisernen Gewichte von 5 Pfund an ! ergeht

aufwärts bis zum 1. Juli 1872 verlängert wird , und in Folge dessen an das betheiligte Publikum die Aufforderung die Umaichung der Gewichte von bezeichneter Schwere innerhalb dieser Frist weiter bewirken zu lassen.

Berlin, den 21. Dezembèr 1871.

Der Königliche Aihungs-Jnspektor für die Provinz Brandenburg. :

Dr. KoS8mann, Königlicher Bergassefsor.

Lichtamtliches. Deutsches Neis.

Preußen. Berlin, 23. Dezember. der Kaiser und König empfingen Se. den Prinzen Albrecht Sohn, Höchstwelcher den heutigen Tag auf der Durchreise von Hannover nach Schwerin hier zubringt, und nahmen Vorträge an von dem

Geheimen Civil-Kabinet.

Ihre Majestät die Kaiserin-Königin ertheilte | gestern dem Kaiserlih Königlich österreichish- ungarischen Bot- |

schafter Grafen Karolyi die nachgesuchte Antritts-Audienz.

Ihre Majestät empfing den Besuch Sr. Hoheit des Herzogs F Palais | Ihre Majestät besuchte Jhre

Georg von Mecklenburg - Streliz,. Im Königlichen fand ein größeres Diner statt. Maje#ktät die verwittwete Königin in Charlottenburg.

| Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronpring empfing gestern Vormittags die Meldung des Seconde - Lieutenants von Arnim vom Kürassier - Regiment Königin und licß Sich darauf vom Géheimen Regierungd-Rath Persius einen längeren Vortrag halten. Um 3 Uhr Nachmit tags fiattete Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit Sr. Hoheit

dem Herzog Georg von Mecklenburg-Streliß einen Gegenbesuh j ad. Um 4 Uhr wurde der Kaiserlich Königlich österreichisch] ungari\we Botschafter Graf Karolgi von Jhren Kaiserlichen und |

Königlichen Hoheiten dem Kronprinzen und der Kronprin- zcifin ina besonderer Audienz empfangen. wohnte Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der General-Ver-

fammlung des Central-Komites8 der Victoria-National-Jnya- |

lider-Stiftung im Englischen Hause bei. Der Herzog Georg von Meccklenburg-Streliß

it gestern mit dem Nachtzuge nah St. Petersburg zurüd-

gereist.

In Ausführung des Gesetzes, betr. den Ersatz der den be |

dürftigen Familien zum Diensie eiriberufener MReserve-

Mannschaften gewährten gesetzlichen Unterstüßungen, hat der f

Bundesrath in der Sißung vom 8. d. M. dem Antrage des Ausschusses für Handel und Verkehr gemäß, folgenden Beschluß gefaßt: Die nach dem bezeichneten Gesetze zu erstattenden Unier- {tüßungsbeträge sind für jeden Bundesstaat von dessen Regit- rung festzustellen, welche sodann den Gesammtbetrag bei dem Reich8kanzler-Amt zu liquidiren und zugleich zu bescheinigen hat, daß dieser Betrag auf Grund der Gesche vom 27. gebs 1850 und 8. April 1868 wirkli aus8gczahlt, dabei auch nirgend höhere, als die in §. 5, des erstgedachten Geseßes bestimmten Minimalsäte in Ansaß gebracht worden find. Die Liquida! hat zunächst für den Zeitraum bis 1. Dezember 1871 un weiterhin allvierteljährlih zu erfolgen. die Auf die Anträge Württembergs und Badens , betr, di Prüfung der Aerzte 2c., hat der Bundesrath in der Sur vom 8. d, M. nah Anhörung des Nussc{Wzusses für Handel 0 Verkehr nachstehende Beschlüsse gefaßt: 1) Die. ¿ustantn Ministerien Württembergs und Badens sind zur Erthetlung der Approbation für Aerzte, Zahnärzte und Apotheker befu 2a) Die Ertheilung dec Approbation an diejentgen E daten der Medizin, welche vor dem 1, Januar 1872 in E temberg bereits- eine theoretishe Prüfung bestanden Ma darf bis zum 31. Juni 1872 noch auf Grund der nach_ h gabe der bisherigen württembergischen Vorschriften vors menden Prüfungen stattfinden; b) im Laufe des ersten Lie jahres 1872 darf noch eine Prüfung sür Wundärzte 2. A 7 lung und Geburtshelfer behufs ihrer Zulassung

Se. Majestät | Königliche Ta ]

e al 1 Militär-Kabinet, dem f Chef der Abtheilung für die Personalien der Armee und dem

Abends 6 Uhr |

raxis in Württemberg nah Maßgabe der dort bisher x Geltung gewesenen Vorschriften stattfinden. 3) Aerztlich, und zahnärztlihe Kandidaten aus Baden, welche vor dem 1. Oktober 1873, und Pm ageutische Kandidaten aus Baden, welche vor dem 1. April 1873, und thierärztliche Kandidaten aus Baden , welche vor dem 1. April 1872 zur Prüfung sch melden , haben nur diejenigen Nachweise beizubringen, welche nach den badischen Vorschriften Behufs Zulassung zur ärztlichen oder zahnärztlichen , beziehungsweise pharmazeuti- schen und thierärztlihen Staatsprüfung erfordert werden. 4) Zur thierärztlihen Prüfung find auch solche Kandidaten zuzulassen, welhe nachweisen, daß sie während eines mindestens dreijährigen Besuches der Thierarzneischulen in Stuttgart oder München sämmtliche Disziplinen des thierärztlichen Studiums absolvirt haben.

Aus Veranlassung weitergehender Anträge Württemberas und Badens wurde vom Bundesrath ferner beschlossen, den Reichs- fanzler zu ersuchen, die Frage, ob und unter welchen Vorau®s- sezungen der Vesuch der polytechnischen Schulen zu Stuttgart und Karlsruhe dem Besuche einex Universität im Sinne der Vorschriften für die Prüfung der Apotkeker gleihgeachtet woer- den solle, einer näheren Erwägung zu unterstellen.

Ueber die Braunsberger Angelegenheit enthält die »National- Jeitung« vom 23, d. M. (beut) folgenden be- merkenswerthen Artikel :

Der katholische Religionslehrer am Gymnasium zu Brauns- berg, Dr. Wollmann, erkennt die Unfehlbarkeit des Papstes nicht an und unterwirft sich dem Dogma nicht. Der fatholische Bischof seines Sprengels hat ihn deshalb exkommunizirt und fordert seine Entfernung von dem Lehramt cines Religions- lehrers; die preußische Regierung weist die Forderung zurück, weil das Dogma der Unfehlbarkeit das Verhältniß des Staates zur Tfatholishen Kirche nicht berühre, die An- erkennung oder Abweisung des Dogmas die Rechte eines Preußishen Bürgers nicht bestimme und auf das Amtsverhältniß eines preußischen Beamten ohne Einfluß sei, Nunmehr verlangt der Bischof, und viele fatholische Väter unterstüßen das Gesuch, daß ihre Kinder, welche das Gymnasium besuchen, von dem Qwang der Theilnahme an dem Religions - Unterricht entbunden werden. Nuch dieses Gesuch lehnt die Regierung ab. Der Zwang entspringe aus den preußischen Geseßen, als einzige Ausnahme lasse die maß- gebende Vorschrift das Landreht gelten, daß » Kinder, welche in einer anderen Religion, als welche in der öffentlihen Schule gelehrt werden , erzogen werden sollen«, nicht angehalten werden dürfen , dem Reli- gions-Untkterricht beizuwohnen; die Eltern aber find latho- lish, der Religions-Unterriht am Gymnasium Braunsberg sei gleichfalls katholis, folglih treffe die in dem Geseße gestattete Ausnahme nicht zu und die Regel der Qwangstheilnahme gelte, natürli nur mit der Folge, daß die Zulassung zu dem ge- sammten Unterricht des Gymnasiums von der Theilnahme an dem Religionsunterricht abhänge. Dieser Vorgang hat eine ungewöhnlich große Aktion hervorgerufen; sämmtliche preußis{e Bischöfe haben ihn benußt zu einem feierlichen Protest bei dem Kaiser gegen T gaealtgung der katholischen Kirche und gegen Verleßung der Gewissensfreiheit, welche doch in Preußen durch Gese zugesichert und durch geschichtlihes Herkommen verbürgt sei; nichts8 Geringeres8 leitete dieses merkwürdige Aktenstück aus der Verfügung der Regierung her, als daß Preußen die verfassungsmäßige Selbständigkeit der katholischen Kirche verlekge und die katholishen Bürger in ihrem Gewissen beunruhige. Qum großen Nachtheil der Bischöfe wurde ihr Protest gleichzeitig mit der Antwort des Kaisers veuöffentlicht. Die Kraft und Würde des fkaiserlihen Schreibens ließ die un- gezUgelte Parteischrift in tiefem Schatten erscheinen; die Ant- wort wies den gehässigen Ton in der Form des Protestes und die Uebertreibung im Inhalt zurück und übergab die Beschwerde zur Entscheidung an die zuständige Behörde. Die Regierung hielt ihren früheren Bescheid aufrecht. Jeßt ruft die ultramon- lane Partei den Beistand des Abgeordnetenhauses an. Sie fordert dasselbe auf, die Erwartung auszusprechen, daß die Re- glerung die abweichende Verfügung des Kultus-Ministers auf- heben und die tfatholischen Schüler des Gymnasiums zu Brauns- berg von. dem Zwange entbinden werde, dem Religionsunter- ri&jle »eines aus dem Kirchenverbande ausLgeschlossenen Religions8- lehrer8« beizuwohnen.

Die jeßige Art des Vorgehens ist unzweifelhaft richtig ge-

wählt, und indem wir den Antrag von jeder Veimischung des

beftigen Religionsstreites befreica und lediglich von seinex all- gtmeinen Seite auffassen, geben wir ihm unseren vollen Bei- fall. Väter fühlen sich beschwert, weil die Regierung \ie vor die Entscheidung stellt, ihre Kinder entweder an cinem ihnen Uunliebsamen Religion®Lunterricht Theil nehmen oder den Unter- idi im Gymnasium ganz entbehren zu lassen. Sie bieten den

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Nachiveis an, daß ihre Kinder anderweitig Unterricht in der Religion empfangen und wünschen entbunden zu werden von dem Gewissenszwang, welchen ein ihnen verwerflich s{heinender Religionsunterricht auferlegt. Für diesen Anspruch haben wir volle Sympathie. Wenn die ultcamontane Partei ohne Zusaß nur dics fordern und bereit sein möchte zu verallgemeinern, was ihr in ihrem eigenen Falle gerecht erscheint , so dürfte fie auf die aufrichtige Unterstüßung der gesammten liberalen Partei renen. Nicht von heute und gestern, sondern seit lange {on haben wir für unerträglich erklärt, daß Eltern gezwungen wer- den, ihre Kinder an einem ihnen nicht zusagenden Religions- unkerricht Theil nehmen zu lassen; von jeher sahen wir hierin mindestens die Annäherung zur Beunruhigung der Gewissen. Die dialektische Abwehr des Kultus - Ministeriums können wir nicht gelten lassen, daß ein eigentlicher Zwang nicht vorliege, weil jeder Vater seinen Sohn aus dem Gymnasium entfernen könne; das Bedürfniß na einer tüchtigen Ausbildung des Kindes in Verbindung mit den Bermögen®8verhßältnissen , oder mit der lobenswerthen Lust, den Sohn im eigenen Hause zu erziehen, übt thatsächlih einen erheblichen Dru aus. Mancher Bater entschließt sih gegen seinen Willen, das Kind auf dem bestimmten Gymnasium zu lafsen,-weil er die Wohlthat einer hoheren Bildung ihm nit entziehen will und die Kosten für den au8wärtigen Gymnasialbesuch nit bestreiten kann. Wollen die ultramontanen Katholiken diesem Uebelstand allgemein ab- helfen, so werden sie die Mitwirkung der Liberalen finden. Diese kommen ihnen mit dem Antrage entgegen, daß minde- stens an den höheren Schulen allgemein der obligatorische Re- ligionsunterricht aufgehoben werde. Steht, wie der Kultus- ministec behauptet, jeßt noch das Gese entgegen, so möge die Geseÿgebung helfen und den Zwang aufheben. Der Vorgang in Braunsberg zeigt, wohin die Engherzigkeit führt, daß der vermeintlie Schuß der Religion dem Frieden nicht zuträglich, auch den Jnteressen der orthodoxen und herrschenden Religions- rihtung nicht immer dienlich und mit der Gleichheit der Rechte niemals vereinbar ist. Will die ultramontane Partei Gleich- heit der Rechte, strebt die Regierung den religiösen Frieden an, so läßt sich der bessere Zustand leicht herstellen.

__ Greilih zum einseitigen Schuß gewisser unduldsamer Reli- gionsrihtungen wird das Abgeordnetenhaus seine Mitwirkung versagen. So lange im Allgemeinen die Zwangstheilnahme am Religiöónsunterricht anerkannt wird, kann das Abgeordneten- haus nicht eine Anordnung tadeln, welche die Ultramontanen mit gleichem Maße bedenft, wie die Vertreter anderer religiösen Richtungen. Die ultramontane Partei hat ibren Antrag da- durch entstellt, daß sie in den Text derselben die Exkommuni- tation de8Dr. Wollmann als rechtfertigende Ursache aufgenommen hat. Die beigefügten Gründe betonen mit Nachdruck die Beschwerde darüber , daß der Staat die Ex?!ommunikation der kirchlichen Organe und die nach katholischen Begriffen gerechtfertigten Folgen der Exfommunikation nicht anerkenne. Dies if ein Versuch, das Abgeordnetenhaus in einen Streit über Rechtgläubigkeit hineinzuziehen. Der Bischof beschuldigt den Dr. Wollmann, daß er fein rehtgläubiger Katholik sei, weil er das Dogma der Unfehlbarkeit zurückweist; Dr. Wollmann beshuldigt den Bischof, daß er die altkatholishe Lehre verlassen habe, seit ex das Dogma der Unfehlbarkeit anerkennt. Das UAbgeordneten- haus fann diesen Streit nicht prüfen und nicht {lichten ; eben- ¡owenig Tann es die Wirkung der Exkfommunikation untersuchen, deren die eine Partei als Waffe gegen die andere si bedient. Die Volksvertretung hat es nur mit dem Landedrecht zu thun; strenge Gleichhcit des Rechtes ist der Boden, auf welchem die Gegensäye sih aus8gleichen lassen. Die Unabhängigkeit der fatholischen Kirche“ verbietet, gegen cinen Beamten eine Dis8ziplinar-Untersuchung einzuleiten wegen des Vorwurfs, daß er nicht rechtgläubig sei; ohne Disziplinar - Untersuchung darf lein Beamter entfernt, auch nicht in den Befugnissen und Pflichten des Amtes eingeschränkt werden. Die Unabhängigkeit der katholischen Kirche verbietet das Einschreiten des Staates gegen den Dr. Wollmann wegen einer angeblichen Jrrlehre, ebenso wie der Staat sich enthalten muß, infallibilistische Reli- gionslehrer wegen mangelnder Rechtgläubigkeit aus dem Amte zu entfernen. Daraus folgt, daß die Regierung geréchtfer- tigt ist, wenn sie den Braunk®berger Fall nah den allge- meinen Grundsäßen und nicht wie eine Ausnahme behandelt ; daraus folgt aber auch, daß die Abhülfe nur auf alUge- meiner Grundlage: gewährt werden kann. Es liegt ein beil- sames Beispiel vor, wie shädlich auch für die anspruch8volle Rechtgläubigkeit der Zwangs8unterricht in der Religion außs- schlägt. An diesem Beispiel belehrt, werden die Ultramontanen fortan Über den Nuyen fkonfessioneller Lehranstalten anders denken, als bisher ; sie werden sich nicht der Einsicht verschließen fönnen, daß auch vom orthodoxen Standpunkte aus die Gabe von äußerst zweifelhaftem Werthe ist. Es hat wirkli nicht der Mühe gelohnt, dieser zweifelhaften Gabe zu Liebe den re-