1897 / 106 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 06 May 1897 18:00:01 GMT) scan diff

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„Urania“, eine interessante Sammlung von eigenen photographischen Aufnahmen von Vordergründen vorlegen. Der Beginn des Vortrags ist auf 9 Uhr angeseßt. Freunde der Kunft sind willkommen.

__ Die Vorarbeiten für die Verbreiterung der Potsdamer- straße find nunmehr in Angriff genommen worden, und zwar handelt es fih zunälhst um die Verlegung der Kanalifationsrohre, welte durch die Verbreiterung nothwendig geworden ist. Zwischen der otsdamer Brücke und dem Potsdamer Play sind bereits die Bau- uden der städtishen Kanalisationtwerke errihtet. Mit den Kanalisationsarbeiten selbs is zunächst auf der Süd-Offseite der Straße und zwar zwischen Link- und Cichbornstraße begonnen worden. Nah Beendigung der Kanalisationsarbeiten wird man dann mit dem GElen der großen Bäume beginnen, während die tleineren Bäume ereits vor einiger Zeit herau8genommen und nach den \tädtischen Parkanlagen verseßt worden find.

Die Noßstraßen-Brücke wird, laut Bekanntmachung des Polizei - Präsidiums, behufs Erneuerung des Klappenbelages vom 7. d. M. ab bis auf weiteres für Fubrwerke und Reiter gesperrt. Die Schillings-Brüccke wird behufs Umpflasterung von morgen ab bis auf weiteres für Fuhrwerke und Reiter, auch in der Richtung von Süden nach Norden, gesperrt.

Infolge des außerordentlich regen Interesses, welches sowohl die Fachkreise wie das Publikum der Gartenbau-Ausstellung im Treptower Park entgegenbringen, bat das Comité beschloffen, die Ausftellung um drei Tage, bis zum 12. Mai, zu verlängern. Die Blumenbindereien, welhe im Pavillon der Stadt Berlin ausgestellt haben, werden ihre (Frzeugnifse durch frische Arrangements ersetzen, sodaß auch dieser Theil der Ausftelung seine Anziehungskraft be- halten wird.

Der am Dienstag in Anwesenheit Seiner Majestät des Kaisers und Königs auf der Werft des „Vulcan“ in Bredow bei Stettin vom Stapel gelassene neue Schnelldampfer des Nord- deutschen Lloyd „Kaiser Wilhelm der Große“ übertrifft, wie {on fürzlid erwähnt wurde, in seinen Dimenfionen bei weitem alle bisher in Fahrt befindlihen Schiffe der Gegenwart und dürfte nah seiner Fertigstellung auch in seiner Schnelligkeit allen Dampfern der Jettzeit überlegen sein. Das Schiff ist, nah der Beschreibung, welche die „Weser-Zeitung“. davon giebt, 648 Fuß über Deck lang, besißt eine Breite von 66 Fuß und vom Hauptdeck (ohne Deckbaus) bis zum Kiel eine Tiefe von 43 Fuß. Sein Inhalt beläuft fich auf nahezu 14000 Reg. -Tons, die Wasserverdrängung ftellt fich auf 20 000 Tonnen. Die große Länge des Schiffs und das Versehen desfelben mit sogenannten Schlingerkielen, mit welhen der Nord- deutshe Lloyd bei seinen Dampfern der „Barbarossa*® - Klafse hin- sihtlich der Verminderung des Rollens vorzügliße Erfahrungen gemaht hat, lassen erwarten, daß auch bei dem neuen Schnell- dampfer die fo lästigen Stampf- und Schlingerbewegungen auf ein Minimum beschränkt bleiben werden. Die heftigen Vibrationen, wie sie sih bei vielen Shnelldampfern mit großer Maschinenkraft ge- zeigt haben, werden bei diesem Schiffe, welches nah den Vorschriften des Germanischen Lloyd für die höchste Klafse als Vierdeckschiff} mit ausgedehnten Extraverstärkungen und mit besonderer Sorgfalt erbaut worden ist, niht auftreten, da die Maschinen nah dem Schlick*schen Svstem derartig auébalanciert sind, daß Schwingungen der mächtigen, auf und nieder arbeitenden Massen auf den Shiffskörper niht über- tragen werden. Das Schiff is durch 16 ohne Auênahme bis zum Oberdeck reichende, nah den neuesten Vorschriften des Germanischen Lloyd und der Seeberufsgenosser schaft besonders gut verstärkte Quer- \hotte und ein Längsschott im Maschinenraum in_18 waffserdite Ab- theilungen getheilt, deren Abmessungen fo getroffen find, daß felbst das Volllaufen von drei Abtheilungen das Schiff nit zum Sinken bringen kann. Befonderer Werth ist auch darauf gelegt, daß die vier Kesselgrupven jede in einer für sich abges{lossenen wasserdihien Ab- theilung untergebraht worden sind, sodaß bei einer Kollision niemals der Fall eintreten kann, daß das Schiff ohne Dampf zum Betrieb der Hauptmaschinen oder Pumpen bleibt. Die Pumpen sind insbefondere so angeordnet, daß auch beim etwaigen Volllaufen des Maschinenraums in allen Räumen des Schiffs mit Dampfpumpen gepumpt werden kann. Außer- dem ist ein Doppelboden vorhanden, der, wieder in 22 Unterabthei- lungen getheilt, fih über die ganze Länge des Schiffes erstreckt und so einen wesentlihen Shuß gegen Be|hädigungen im Schiffébotea bietet. Troß aller dieser Sicherheitémaßregeln is der Dampfer noch mit 24 großen, auf dem Sonnendeck zum sofortigen Gebrauch fertig aufgestellten Rettungeböten versehen. Zu erwähnen ist noch, daß das Stif in Uebereinstimmung mit den Anforderungen der Kaiserlich deutschen Véarine erbaut worden ift, um im Kriegsfalle, mit einer aroßen Anzahl Geschüßen ausgestattet, als Kreuzer Verwendung zu finden. Ein gewaltiges Deckhaus überragt in einer Länge von 400 Fuß

den Mitteltheil des Dampfers. Die gesammten Pafßsagier-

Norden, kühl;

om 6. Mai, Gewitter

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Memel hatte geftern Nachmittag

einrihtungen für die erfte Klasse sind fat aus\{ließlich auf dem Ober- und dem Promenadendeck untergebracht. Diese Einrichtung trägt insofern zur Sicherheit des Schiffs bei, als die sämmtlich unter Deck gelegenen Schottenthücen bei Naht und ftürmishem Weiter ge- {lossen gehalten werden können, ohne daß der Pafsagierverkebr darunter leidet. Für die erste Klasse stehen 200 Kabinen zur Verfügung, welche für 400 Passagiere eingerihtet sind. Die zweite Klasse enthält 100 Kabinen mit etwa 350 Betten, die dritte Klasse is für 800 Passagiere eingerihtet. Die besonders großen und eleganten Ge- fellshaftsräume, inégefammt deutshe Arbeit und aus deutschem Material, werden als Meisterwerke des deutschen Kunstgewerbes ausgeftaltet; der erîte Salon wird in italienisher Frührenaifsance bergeftelt und erbält einen bellen Grundton mit l[eichter Ver- goldung und sehr behem, weitem Lihtiswaht. In den Füllungen der Brüstung sind Gemälde der Kaiser-Residenzen von alter Zeit her bis zur Gegenwart dargestellt. An den ersten Salon {ließen fich zu beiden Seiten je zwei fleinere Gesellshaftisräume: das Königin Luise-, Kaiserin Augusta-, sowie das Biemarck- und Moltke-Zimmer an. Die übrigen Schiffsräume zeigen theils Rococostil, tbeils eben- falls italienis@e Frührenaifsance und Queen-Anne-Stil. Außer ten Gesellshaftsräumen sind Lesezimmer, Musikzimmer, Raubzimmer U. {. w. vorgesehen. Die Kabinen fassen kis zu drei Personen. Außerdem werden einige Staatskabinen für besondere Zwecke eingerichtet. Wesentliche Verbefserungen zeigen auch die Zwischendecksräume sowobl dur ihre Lage, als aub durch die Höbe und Einrichtung derselben. Als besondere Annechmlichkeit ift das nahezu 400 Fuß lange, dur cin festes, bis an die Schiffsseiten reihendes Sonnendeck ges{chüßte und an den Seiten ofene Promenadendeck zu betraten. Die Besaßung des Schiffs wird aus 450 Köpfen bestehen. Die Maschinenanlage, ebenfalls vom „Vulcan“ in Stettin erbaut, bestebt aus zwei dreifahen Expansions- maschinen, jede mit vier Kurbeln und vier hintereinander liegenden Dampfzylindern, welhe zur Erzielung eines ruhigen Ganges mit Masfsenausbalancierung nach dem betannten S(hlick’shen Syftem konstruiert sind. Die Durhmefser der Zylinder find folgende: Hochdruczylinder 52 Zoll, Mitteldruck;ylinder 894 Zoll, die beiden Niederdruckzylinder 964 Zoll. Beide Maschinen find zur Vermehrung der Sicherheit durch ein wasserdihtes Längss{chott von einander ge- trennt. Die beiden dreiflügligen Propeller haben einen Durhmesser bon 22 Fuß 32 Zoll und eine Steigung von 32 Fuß 10 Zoll; sie sind aus Bronze hergestellt und wiegen jeder zirka 26 Tons. Die Kurbel fowie die Schraubenwellen, welche einen Durhmefser von 24 Zoll besigen, find aus bestem Nidckelftaßbl von der Firma Krupp in Efsen, einem Material, das sih bekanntlih durch ganz ungewöbn- liche Fefiigkeit auszeichnet, bergeftelt. Das Gewicht der Kurbel jeder Maschine beträgt 40 Tons. Die Länge der Wellenleitung beträgt 198 Fuß. Die beiden Kondenfatoren haben eine Kühlflähe von 35 5922 Quadratfuß, die Zahl der Rohre in denfelben beträgt 11 069, welche voreinander gelegt eine Länge von 65 km abgeben würden. Für die verschiedensten Zwecke werden ia den Masc@inen- und den Kefselräumen eine Anzahl Dampfpumpen und andere Hilfs- maschinen, im Ganzen 47 Stück, aufgestellt, darunter vier große Dynamomaschinen, ¿wei Luftpumpen-Maschinen, vier große Zentri- fugalvumpen, eine Kaltluftmaschine und andere mehr. Die Gefammt- zabl der Überhaupt auf diefem Dampfer befindlichen Maschinen beträgt niht weniger als 68 mit zusammen 124 Dampfzylinderu. FaUs es erforderlich werden follte, in das Schiff eingedrungenes Wasser zu . berältigen, so find für diesen Zweck 4 Zentrifugalpumpen, 2 Maschinenlenzpumpen und 6 Duplerpumpen eingerichtet, welche zu- sammen pro Stunde 3600 Tons Wasser über Bord befördern können. Die Kesselräume werden auf natürlichem und auc künstlihem Wege dur 16 kräftige Ventilationsmaschinen in auêreihender Weise ventiliert. Die Kessel sind in 4 Gruppen angeordnet, und dem- entsprehend sind 4 mähtige Schornsteine vorhanden, welce bei einem Durchmefser von 12 Fuß 2 Zoll eine Höhe von 106 Fuß über Kiel besien. Der Sÿnelldampfer „Kaiser Wilhelm der Große® wird nit nur den größten, sondern zweifellos au den s{önsten aller gegenwärtig den Ozean befahrenden Dampfer darstellen. Ganz ähnliche Einrichtungen wird au der auf der Werft der Firma F. Schichau in Danzig im Bau befindli%e neue große Doppelschrauben-S{nell- dampfer „Kaiser Friedri" erhalten.

Von „Kießling's Berliner Verkeh r“, WestentasWen-Kursbuch \ämmilicher Berliner Verkehrêmittel, erschien soeben dieSommer-Ausgabe (Pr. 30 5). Die darin enthaltenen, nach den Bahnen übersichtlich geordneten Eisenbahnfahrpläne sind derartig erweitert, daß sie nicht nur für Touren in der Mark Brandenburg, fontern auch für den Antritt weiterer Reisen ausreichen ; die Fahrpläne der Pferdebahnen, Omnibukie, Dampfstraßen-, elektrishen Bahren und Dampfschiffe weisen auf einer großen Zahl von Linien wesentlihe Kurs- und Tarif-Aenderungen auf. Auch der Stundenplan der Sebentöwürdigkeiten Berlins ift dem praktishen Bütlein wieder einverleibt worden. Gleichzeitig ersGien als willkommene Ergänzung dazu „Kießling?s Taschenplan von Berlin“ (kleine Ausgabe 29 &, große Ausgabe 36 s).

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Stationen.

in 9% Celsius 5C. =4%9R.

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Uebersicht der Witterung.

Das barometrische Minimum, das gestern nördli von Schottland lag, ist ostwärts nah der norwegi-

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Teßlaff. Anfang 74 Uhr.

1/vedeckt Abonnement B. 2\bedeckt 4\woltig

amburg . winemünde | 756 Neufahrwafser| 755 Meinel... | 756

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schen Küste fortgeschritten und entsendet einen Aus- N Zum ersten Male: Deborah. Anfang i Sonnabend: Renaifsauce.

läufer nach dem südlichen Osiseegebiet. Ein baro- metrisches Marimum lagert auf dem Ozean vorm Kanal. Bei mäßiger, meist westlicher Luftbewegung

ist das Wetter in Deutschland, wo fast überall Regen | Bühne. Abends 74 Uhr: Renaifsauce.

gefallen ift, meist trübe und, außer im äußersten

Königliche Schauspiele. haus. 111. Vorftellung. Undine. Romantische Zauber-Oper in 4 Akten von Albert Lorßzing. Text nach Fouqué’s Erzählung frei bearbeitet. Tanz 1 Emil Graeb. In Scene geseßzt vom Ober-Negifsseur Dekorative Einrichtung c H : Inspektor Brandt. Dirigent : Kapellmeister Dr. Muck. | 1 Akt von Emil Berté und

1\wolkenlos Scauspielbaus. 122. Vorstellung.

um Nichts. Lustspiel in 5 Aufzügen von William Shakespeare, übersezt ven August Wilhelm von Schlegel und Ludwig Tieck. In Scene gefeßt vom Ober-NRegifseur Max Grube. Anfang 7F Uhr. Sonnabend: Opernhaus.112.Vorstellung.Haschisch. Oper in 1 Aufzuge. Dichtung von Axel Delmar.

(Pagliacci.) Oper in 2 Alten und einem Prolog. Musik und Dichtung von R. Leoncavallo, deuts von Ludwig Hartmann. Anfang Uhr. Schauspielhaus. 123. Vorstellung. Neu ein- studiert: Coriolan. Historishes Drama in 5 Auf- aen ren C E Le B ai Cte Schlegel und Lte. a er Vußbnenetnrichtung Sa d von Wilbelm Oechelhäuser. Anfang 74 Uhr. Der G’wifsenswurm,

Deutsches Theater. Freitag: Die versunkene Be: Sg h g

Sonnavend: Hamlet, Zoologif ten.

Sonntag, Nachmittags 25 Uhr: Die Weber. hof ZoMtogilher Vary) Abends 77 Uhr: Einsame Menschen.

Theater.

Freitag: Opern-

Anfang 7+ Uhr. Sonder-

18. Vorstellung. Viel Lärmen | Reisebekanntschaft, Venes Theater.

Uhr. Sonnabend: Triiby.

wurm.

M Neif-Neiflingen. Son

Bräfig.

Lessing - Theater. Freitag: : ter den : oder: Eine japanische Theehaus-Geschichte. | Direktion: Julius Frißche. Freitag: Gastspiel Operette in 3 Akten von Owen Hall. Musik von | des Fräuleins Annie Dirkens vom Theater an der Deutsch von C. M Roebr und | Wien in Wien. Zum ersten Male: Der Wunder- Julius Freund. (Ferenczy-Ensemble.) Anfang 73 Ubr. :

Sonnabend: Die Geisha. (Ferenczy-Easemble.) | berg und Leo Stein. Musik von C. von Taund.

Sonntag: Die GeiFza. (Ferenczy-Ensemble.)

Tanz von | burg. Freitag: Vaterfreuden. ckn ; 3 Akten von P. Hirshberger und G. Klitsher. vom Ober- | Vorher: Eine Reisebekauntschaft. Schwa A, Mi. Willner. Freitag :

Sdifftauerdamm 4a. / 5, | ins E A: Sa A Ea L r ILE piel des Herrn Willem Royaards vom Königli E ; 2 i Niederländishen Theater in Amsterdam. Triiby. Vereheliht: Hr. Prem.-Lieut. urt von Was z : x Schauspiel in 4 Akten nach George Maurier und dorf mit Erika Freiîn Bachoff von Eht (Do- Musik von Oscar von Chelius. Bajazzi. Ë: Potter, deutsch von Emanuel Lederer. In

Scene geseßzt von Sigmund Lautenburg, Anfang

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Sonnabend, Abends 8 Ubr: Der G'’wifseus-

Theater des Westens. Kantstraße 12. (Babn- Freitag: t des Königlih württembergishen Hofschauspielers August Junkermann und des Herrn Hans nkermann vom Berliner Thalia-Theater. Zum ersten Male: Onkel Bräfig von Friß Reuter.

Berliner Theater. Freitag (34. Abonnements- | Anfang 7 Uhr. Sonnabend: Gastspiel des Herrn Gustav Kadel-

ntag, Nachmittags 3 Uhr : Bei halben Preisen : Sonntag, Nachmittags 24 Uhr: Kinder der | Wilhelm Tell, Abends 7ck Uhr: Onkel

Leipzig, 4. Mai. Die Versendung der Einladungen und dez auéführlihen Arbeité- und Vergnügurgs-Programms zu dem vom 7. bis 11. Juni hier stattfindenden V. allgemeinen deutschen Journaliften- und Sóriftstellertage wird Mitte Mai er, folgen. Nach den biéherigen Festftellungen wird derselbe eröffnet dur einen Begrüßung8abend im Kryftall-Palaft (7. Juni), der ein reih- haltiges Tünstlerishes Programm aufweist. Am 8. Juni findet die feierlihe Eröffnung und die erfte öffentlihe Sißung statt, der ein gemein- \haftlihes Frübftück folgt. Der Nahmittag ift der Besibtigung der Sähsish-Thüringischen Ausstellung yewidmet, für den Abend ist eine Fest- vorstellung angeseßt. Am 9. Juni wird Vormittags die M A un der Pensionsanfstalt deutsher Journalisten und Schriftsteller und dana die zweite öffentlihe Sißung abgehalten ; Festmahl und festlihe Ver- anftaltungen in der Auéstellung füllen den Reft des Tages aus. Der 10. Juni is ten Delegirtersißungen des Verbandes deutscher Journaliften- und S{hriftsteller-Vereine gewidmet; Befsichtigungen von Sehenétwürdigkeiten und Ausftellungsbesuch dürften die übrigen Theilnehmer beschäftigen. Am 11. Juni foll ein Auëflug nah Dresden den Iournalistentag beschließen.

Paris, 6. Mai. Zu dem s{chweren Brandunglück im Wohl- thätigkeitsbazar (f. Nr. 105 d. Bl.) berihtet ,W. T. B.“ vom gestrigen Tage weiter: Die gane Umgebung der Unglüdéftätte ift von aroßen Menichenmengen belagert. Die nah und nah aufgebobenen Leichen werden zum Zwedcke der Nekognoscierung im Industrie-Palast aus- gestellt, wo die sämmtliche Straßen beseßt haltenden Massen fortwährend anwachsen uñd die zahlreiden Leilenwagen umdrängen, welche beftändig kommen und geben, um die Opfer der Katastrophe binweg zu bringen. Vor dem Haupteingange des Palastes find ungefähr 100 Särge in drei- faŒer Reihe aufgestellt, um die verkohlten Leichenüberreste aufzu- nehmen; im Palaste seibst berrscht cine fürchterlide Atmosphäre, denn die s{chreckiich zugericzteten Leichen verbreiten einen unerträglichen Pesthauh. Unanterbrohen spielen sih hberzzerreißende Scenen ab, immer und immer wieder sieht man die aufs hêchfte erregten Angebörigen unter lauten Schmerzens8auëbrüchen fh über die von ihnen rekognoscierten Todten werfen. Im Industrie-Palast dauert die Untersuhung der Leichen auf ibre Identität immer noch fort, denn in der bereits theilweise niedergerissenen Halle des- felben liegen noch über 30 Verunglückte, deren Persönlichkeit wobl niemals festgestellt werden dürfte; derart sind dieselben zu einer form- losen Maffe verbrannt. Um Mitternacht umfaßte die offizielle Todtenliste 117 Namen. Die Gesamm'ziffer der Vermißten, die bei der Polizei-Präfektur seit Ausbruch der Katastrophe angemeldet wurden, be- trägt 146 Indessen ift biéher nicht festgestellt, ob alle diese auch that\ächlich zu den Opfern des Brandes gehören. Die Leiche der Herzogin von Alençon ift gestern Mittag von zwei Dienern und dem Zahn- arzt der Herzogin erkannt worden. Der Agnoëcierung wobnten u. A. der Ober-Staatsanwalt, der Polizei-Präfekt und zwei Aerzte bei. Der Leichnam wurde aufs genaueste untersucht. Der rechte Arm fehlte gänzlich, und der ganze Leichnam war gleihsam mumifiziert. Nur der Hals war vom Feuer unversehrt ge- blieber. Das Gesiht war unkenntlich und zeigte nur noch die Knowen. Auf Befragen erklärte der Zahnarzt Dr. Daven- port auf das allerbestimmteste, daß er vor dem Leichnam der Herzogin von Alençon steh-, und füate hinzu, cewisse von ibm neuerdings an dem oberen Gebisse auëgeführte Operationen, die er nur dur ein- gehende Untersuchung diefes Theils wiever wahrnehmen konnte, ließen feinen Zweifel mehr darüber befteheu. Am Abend fand im Elysée ein Ministerrath statt, welher sih mit den Maßnahmen be- scäftigte, die arläßlih der Katastrophe zu treffen sind. Der Präsident Faure theilte die Telegramme mit, welhe ihm von den fremden Staatéoberhäuptern zugegangen find, sowie die Antwortzn auf die- selben. Der Minister des Auswärtigen Hanotaux machte die Mittheilung, daß sämmtliche Botschafter ißm die tiefe Theilnabme ibrec Regierungen anläßlich der Katastrophe ausgedrückt haben. Der Ministerrath tes{bloß, daß am Sonnabend in der Notre-Dame- Kirche ein Trauergottesdien\t für die nicht rekognoëcierten Personen sowie für diejenigen bei dem Brande umgekommenen Perfonen stat! finden folle, deren Familien den Wunsch ausfpredben würden, an dem Gottes- dienst theilzunebmen. Der Präsident Faure wird dem Trauergottes- dienst beiwohnen. Auf dem Play vor der Kirhe wird im Namen der Regierung eine Rede gehalten werden.

Nach Schluß der Redaktion. eingegangene Depes chen.

Paris, 6. Mai. (W. T. B.) Der deutshe Botschafter Graf zu Münster übermittelte gestern dem Herzog von Alençon das Beileid Seiner Majestät des Kaisers Wilhelm.

(Fortsezung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

Die Geisha, | Theater Unter den Linden. Behrenstr. 55/57.

Enabe. Operctte in 3 Aften von Alexander Landes- Regie: Herr Glesinger. Dirigent: Herr Kapellmeister

Korolanyi. Anfang Uhr. A : Sonnabend: Gastspiel des Fräuleins Annie

Residenz-Theater. Direstion: SiamundLauten- | Dirkens. Der Wunderknabe.

SäÄ#wank in l [i | Thalia-Theater (vorm. Adolph Ernft-Theater). Schwank in | Dresdenerstraße 72/73. Direktion: W. Hasemann. Gafispiel der Frau Julie Kopaczy- Karczag. Die schöne Helena. Operette in 3 Akten

Sonnabend: Vaterfreuden. Vorher: Eine | yon Offenba. Anfang 7+ Uhr.

Sonnabeud und folgende Tage: Gastspiel der Frau Julie Kopaczy-Karczag. Die schöne Selena.

Freitag: Gaft- ¿amilien-Nachrichten. bitshen). Hr. Regierungs - Affefsor Bernd

Hoffmann (Neugersdorf, Sachsen). Geboren: Ein Sohn:

Nath Gertraud Sadck,

Rath Muehlig-Cofmann (Hildesheim).

Gastspiel ' Major Ernft Malte (Königsberg i. Pr.).

Verantwortlicher Redakteur: Siemenroth in Berlin.

Verlag der Expedition (Scholz) in Berlin.

Anstalt Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32. Sechs Beilagen (einschließli4 Börsen-Beilage).

Erste Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger,

./¿ 106.

Berlin, Donnerstag, den 6. Mai

Verichte von deutschen Fruchtmärkten.

Frbr. von Lüdinghausen-Wolff mit Frl. Martba

Hrn. Prem. - Lieut. Madlung (Königéberg i. Pr.). Hrn. Major s von Lar e r es v f Tochter: Hrn.

itler-T . Freitag, Abends 8 Uhr: Frit von Zepelin auédorf). ;

SO Seater O Gt rben: Hr. Rittergutsbefißer Carl Biedenweg (Dorschen). Hr. Okerst-Lieut. z. D. Adolf von Hinüber (Hannover). Fr. Ober-Regierungé-

geb. von Selchow

(Halle a. S.) Hr. Lieut. Franz von Lucadou

(Straßburg î. E.) Hr. Regierungs- und Forsl-

Druck der Norddeutshen Buchdruckterei und Verlags

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Bemerkungen. Die verkaufte Menge wird auf volle Deppelzentner und der Verkaufäwerth auf volle Mark aktgeruntet mitgetheilt. Der Dur(h-

\hnittspreis wird aus den unabgerundeten Zablen berechnet.

Ein liegender Strich (—) in den Spalten für Preise bat die Bedeutung, daß der betreffende Preis nit vorgek ist: ei Punkt ( .) in den lchßten sech8 Spalten, daß entsprechender Bericht feblt. 9 A Ee : rgetommen ist; ein

Deutscher Reichstag. 215. Sigung vom 5. Mai 1897, 2 Uhr.

_Auf der Tagesordnung steht die zweite Berathung des Geseßentwurfs über das Auswanderungswesen.

Nach S 1 bedarf derjenige, welher die Beförderung von Auswanderern unternehmen will, der Erlaubniß.

Abg. Lenzmann (fr. Volktp.): Meine Freunde balten auch die Avéführung des Art. 4 der Reichéverfassung bezügli der Auswan- derungé-Gefctgebung für nothwendig, aber die Vorlage der verbündeten Regierungen trägt o sehr den Stempel der Polizeigeseßgebung an der Stirn, daß wir uns mit derselben niht befreunden können, weil sie jedes freibeitliden Charakters entbehrt. Die Kommission hat die Arbeit überhastet, und augenscheinlich hofft man, auch mit der zweiten Lesung im Plenum schnell fertig zu sein. Hoffentlih täuscht man sich darin. Die Tendenz der Vorlage is nicht der Pangermanismus, sondern der Gedanke, daß die Deutschen im Auêlanre ein Alldeutshland bilden, aub wenn sie auf- gehört haben, deutsche Reichéangehöcige zu jein. Der Zusammenhang zwischen den Auswanderern und dem Vaterlande kann nur ein mora- lischer sein, fein rechtlicher. Das Interesse Deutshlands liegt in der Rhederei, in der Bedeutung des Schiffbaues für den Wehstand. Dieses Interesse darf niht geschädigt werden wegen einer bloßen

hrafe des nationalen Gedankens. Bon seiten der Landwirthschaft macht si das egoistishe Interesse derjenigen geltend, welche die Auswanderung verhizdern woüen durch polizeilihe Maßregeln. Da- durch wird man aber nur das Au8wanderungsgeschäft in die Hände anderer Nationen leiten und wird es der Garantien entkleiden, welche die Gesetze der Einzelstaaten bisher gewährt haben. Bei keiner Nation findet man eine Konzefsionierung der Auswanderungéunternehmungen dur eine einzelne Perfon. Das von der Heydt’she Verbot der Auswanderung nah Süd-Amerika zeigt, wohin die falsche Meinung eines einzelnen Mannes führen kann. Wenn einem folhen Unternehmer die Be- rechtigung zur Perfonenbeförderung entzogen wird, dann kann er nicht zur Güterbeförderung „übergehen. Welche Bedeutung aber das Vor- hanudensfein großer Schiffe hat, weiß Jeder, der dem Stapellauf eines großen Scbiffes beigewohnt hat. Die Werthshäßung der Marine ift groß, au bei denen, welche die Marineforderungen dicêmal abgelehnt haben. Wir wollen die internationale Freizügigkeit nicht stören, aber wir wollen auch ein gutes Auswanderungs8gesey.

Direktor im Auswärtigen Amt, Wirklicher Geheimer Rath Reichardt: Meine Herren, der Herr Vorredner hat zu § 1 ganz naturgemäß, und ih glaube, mit einer gewissen Nothwendigkeit über- gegriffen auf einzelne spätere Paragraphen. Das hohe Haus twoird mir deshalb gestatten, wenn ih mit aller Mäßigung ein Gleiches thue; denn cs wird das nur der Atkürzung der Sache zum Vortheil gereiden, es wird ermöglichen, unnüße Wiederholungen von dieser Stelle wenigstens zn vermeiden. Meine Herren, nabdem die Ziele 20 Gesetzentwurfs und die Wege, die nah der Auffassung der ver-

Undeten Regierungen ¿u diesem Ziele führen köanen, sowohl in den Motiven als au in den bei erfter Lesung abgegebenen Erklärungen und ganz besonders in Ibrer Kommission eingehend dargelegt worden sind, und zwar mit

er Wirkung, daß die Kommiision in ihrer überwiegenden Majorität ch zu dem amendierten Gefegentwurf, wie er Ihnen jet vorliegt, ekannt hat, da” meine ih, könnte wohl erwartet werden, daß man nicht ohne den Versuch der Widerlegüng jener Erklärungen die alten

reckbilder hier nochmals aufrollen würde, wie fie der ere Vor- redner aufgerollt hat und wie fie während der leßten Wochen in einem Theile der deutshen Presse auch den Lesern zum Besten

gegeben worden sind. _Wir find also am Negierungstisch in der Lage, in der sich ein Verklagter befindet, auf dessen Aus- übrungen der Kläger niht mit einer Replik geantwortet bat, jondern mit Wiederholungen des Inkbalts der Klage; das drängt den Verklagten cuch zu Wiederholunxen. Wir werden es uns aber verjagen und versagen müssen, das hohe Haus mit Wieder- bolungen zu belästigen, hon aus dem praktishen Grunde, weil viele der bauptsählichsten unferer Erklärungen, die wir in der Kommission abgegeben haben, garniht geeignet find, im Plenum wiederholt zu werden. Wir appellieren an die Mitglieder der Kommission, zu kon- statieren, daß in den betreffenden Punkten und dazu gehören im wesentlichen die Punkte, die der Herr Vorredner theils behandelt, theils geftreift hat die Kommission dur tie ihr zu theil gewor- denen Erflärungen sih hat überzeugen lassen von der Stichhatigkeit des Stantpunktes, den wir cingenommen haben. Seit der Kom- missionsberathuyg is nun in gewissen Thcilen der deutschen Presse versuht worden, mit Superlatiren und argen Uebertreibungen si, um es milde auszudrücken, über den flarca Wortlaut der Motive und den klaren Inhalt der abgegebenen Erklärung und zum theil au üter die kiare Sadlaze einfa hiowegzuseßen. Es hat dabet der „güne Tisch“ cine große Nolle gespielt, und wenn je, so glaube i, kann man diesmal auf diesen Einwand erwivern, daß doch die Argumente, oder do viele Argumente der Gegner und auch diejenigen Argumente, die ter Herr Vorredner vertreten kat, von cinem Tische herrühren, dessen Farbe, nämli die graue Farbe der Theorie, nit mehrwerthiger ift, als die Farbe des grünen Tisches. Meine Herren, der Kampf gegen das Gefeß wird von einem Faftor unseres Wirth- fchaftslebens geführt, von dem wir sonst gewohnt sind, daß er nch bereitwillig iz den Dienst nationaler Bestrebungen stellt ; von einem Faltor, der andererseits gewobnt ist, und verdientermaßen gewohnt ist, sich der Sympatkie niht nur der Regierungen, sondern auh der ganzen Nation zu erfreuen. Die öffentliche Meinung in der Auswanderungéfrage i seit einem halben FJahr- hundert dieselbe geblieben; gewechselt hat die Meinung der Hamburçer Rhederkreise. Denn als wir das Geseg im Jahre 1892 beriethen, weldhes in den vcn dem Herrn Vorredner zur Sprache gebra@ten Punkten ganz auf demselben Standpunkte stand, da haben sih die Vertreter der hanseatishen Rhederkreise und ganz speziell auch die Vertreter der großen Schiffahrtéliaie aufs Ent- schiedenste für den Geseßentwurf und seinen Standpunkt aus- gesprochen. Jch fagte, der Gesetzentwurf is dazu bestimmt, die Forderung der ôffentlichen Meinung zu realisfieren. Da können Sie nun in den „Grenzboten“ in einem Artikel, der den Geseßentwurf behandelt, lesen: Alle Achtung vor der öffentlißen Meinung; aber die eigene Meinung der Regierung kennen zu lernen, wäre uns lieber gewesen. Ja, darauf ist einfach zu erwidern, daß die verbündeten Negierungen und die Kommissionen dieses hohen Hauses sich eben zu der öffentlihen Meinung in dieser Sace bekannt haben. Typisch für die ganzen Argumente der Gegner und die Kampfeswcise ist einmal der Inhalt der Hamburger Petition, die dem hohen Hause vorliegt und dann die Art, wie diefer Petition von gewissen deutsd)en Zeitungen und so auch von dem Herrn Vorredner, der zum theil ipsissìima verba wiederholt bat, scTundiert wird. Für die Stellung- nahme zu dem Geseßentwurfe kommt es einzig und allein darauf an, zwei Fragen zu beantworten : soll zu einer nationalen Auswanderungs- politik übergegangen werden? urxd im tejabenden Falle: ist der Weg, den die Vorlage erstrebt, ter rihtige und, weil gefahrlose, der einzig gangbare? Vie verbündeten Negierungen und die Mehrheit R Kommission haben beide Fragen mit Ja beantwortet. Die

mburger Nhederkreise, denen der Weg, den wir gehen wollen, un-

| fragt man sich: wie soll

1897.

bequem is meine Herren, nur unbequem, alles Andere ift Ueber- treibung —, und da fie nihi in der Lage sind, uns einen besseren Weg zu weisen, verneinen die Hauptfrage, und so erklärt fich das s{einbar Unerklärlihe. Es wird aber den Herren der Vorwurf niht erspart bleiben, der dem 92er Entwurf mit Un- ret gemadt worden ift mit Unret, weil er eben dieselben Ziele anfirebte, wie der j-8ige —, nämlich der Vorwurf, daß an ibnen die Bewegung, die seit einem balben Jahrhundert in Deutschland, und zwar immer nach derselben Richtung fich geltend gemaht kat, spurlos voruber gegangen sei. Meine Herren, bört man Darlegungen, wie sie der Herr Vorredner Shnen hier gebracht bat, dann sr n man überhauvt künftig nationale Sragen Losen, wenn man in einer Frage von dieser Wichtigkeit, tie leit 60 Jahren die deutsce Nation bewegt, gegenüber einem fo maßvollen Versu, wie er in diesem Gesetzentwurf angestellt wird, folhen Aeußerungen begegner, wie sie theils der Herr Vorredner, theils die Prefse für angebrackt erachtet bat? Meine Herren, wenn Sie lesen: Nationale Auzwanderungépolitik ist brutal Der Gesetz- entwurf will die Willkür s{affen Die nationale Auswanderungs- Politik ist eine Erfindung der Jetztzeit Die Regierung sckeint fich als PäŸterin des nationalen Sinnes aufzuthun Der Auswanderer foll sih in der Fremde gerade asfimilieren Die ganze Idee ist Phantasterei! wenn Sie in eirer in Hamburg von einem sach- kundigen Manne gehaltenen Rede lesen können: der Gesetzentwurf ver- leße das allgemeine Mens chenreht der Frei:ügigkeit, er teklassiere die deutsche Nation gegenüber anderen Nationen, und wenn sie dann den Refrain lefen, der au heute wieder seine Andeutung gefunden bat, dur den Entwurf werde der Schiffsverkehr, der deutshe Schiffsbau und das ist die leyte Leistung, die ih gelesen habe die Tüchtig- keit der deutshen Kriegsmarine gefährdet Ja, dann frage ic: wie soll man nationale Fragen lösen, wenn man auf den ersten Versuch solhe Antworten bekommt? Welches sind denn nun die Argumente, die gegen den Geseßentwurf geltend gemacht werden? In der erwähnten Hamburger Petition wird im wesentlichen i unterlasse es jeßt, auf das Detail einzugehen: spätere Para- graphen werden dazu Gelegenheit bieten der Saß vertreten, den die »Weser-Zeitung* mit dürren Worten ausgesprochen und der Herr Vor- redner wiederholt bat: die Verbindung von Waarenbeförderung und Aut wandererbeförderung ist unlösbar. Meine Herren, von Ihrer Kom- mission oder wenigstens von Mitgliedern Ibrer Kommission ist auf das allerenergischste gegen diesen Standpunkt Widersprech erhoben worden, und ih glaube mit Reckt ; denn u diefen Standpunkt werden die Auêswander-r, die man soaft acwohnt ist, gerade auß den betreffender Kreisen als Pfatfinder und Pioniere des deutschen Handels bezeihnen ¿u hôren, Herabgedrüdt auf das Niveau eins Appendir des Waaren- verkehrs. Dieser Stantpunkt {ührt in seinen Konscquenzen dahin und dieser Standpunkt wird thatsählih auch vertreten: das für die deutschen Auswanderer geeignete Ziel ist dasjenige Ziel, wohin die Kor junkturen des Exports die deutsche Flagge weisen. Und wohin führt dies in seinen weiteren Konsequenzen? Wenn einmal die Gegner bewegen sich auf theoretischem Gebiet, ih folge ihnen auf diesem Ge- biet wenn einmal der deuts(e Waarenverkehr von einem Lande, wie fie es hier im Auge haben, plößlih abgeschnitten werden sollte, und dann die deutschen Dampferlinien mit doppeltem Dampf Kehrt machen und ra Osten fahren sollten, sollen dann die deutschen Aus- wanderer etwa auch nah Ost-Asien befördert werden ? Das wäre doch die natürliche Konsequenz der Untrennbarkeit des Auswanderer- und Waaren- verkebr8. In einigen Blättern, und zwar gleihlautend mit besonderm Nachdruck, 1ft darauf hingewiesen worden, daß die Petition die Unter- schrift eines ruhigen Politikers und in folonialen Dingen viel- bewanderten Mannes, des Herrn Woermann, trage. Nun, die Kolonial- politif hat mit dieser Sache nichts zu thun, im übrigen aber ist der Hinweis nicht glücklih und nicht ecnst zu nehmen. Es liegt die An- nahme nahe, daß Herr Woermann in seiner Eigenschaft als Vor- llhendcr des Vereins die Petition unterschrieben hat, ohne sich dadur nothwendig mit ihrem Inhalt Saz für Say zu identifizieren. Denn wenn auf einen Satz hingewiesen wird, worin die Petition \sih ganz entschieden gegen Subventionen für die Shiffahrt verwahrt, so glaube ih nit, daß Herr Woermann sih zu diesem Saße bekennt. Es könnte der ganze Angriff gegen den Geseßzentwurf und zwar gerade unter dem Gesichtspunkt, den ter Herr Vorredner vertreten hat, sehr kurz abgethan werden durh den Hinweis, für den Jhnen der Nach- weis wabrsceinlih noch von anderer Stelle erbraht werden wird, daß im Großen und Ganzen, was das Konzessionierungswesen betrifft, durch die Befugnisse, die dem Herrn Reichskanzler in dem Gesety- entwurf zugedacht sind, an der jeßigen RNechtslage garnichts geändert wird. Denn in der weitaus gréften Mehrzahl aller deutswen Staaten, mit Ausnahme von Hamburg und Bremen, besteht schon jeßt für die Konzessionierung das volle freie Ermessen und die volle Befugniß zum lederzeitigen Widerruf, es besteht fogar, und dies inklusive Hamburg, eine gewisse Art von Spezialisierungtprinzip, von dem nur bisher noch kein genügender Gebrauh gemacht ist. Nachdem sich die ver- bündeten Megierungen zu der Aufgabe bekannt haben, die Aus- wanderungs-Politik in wirthschaftliÞ rationelle Wege zu leiten, würden sie ja an der Hand der partikularen Geseßgebungen s{hlimmften Falls in der Lage sein, die Ziele zu verfolgen, auf die der Gesetz- entwurf binzielt, und sie würden das natürli nur thun können im gegenseitigen Einvernehmen. Jh gebe dem Herrn Vorredner zu be- denten, ob es im Interesse der deutshen Schiffahrtsgesell schaften bezw. im Interesse der Wahrung der von ihm vertretenen Prinzipien liegen würde, wenn von etwa 20 Zentralstellen aus das Lia und in die Wege geleitet würde, was nah dem Gesetzentwurf von der einheitlichen Zentralstelle des Reichs aus geschehen soll. Jch verspare mir auf einen späteren Paragraphen, Ihnen praktisch noÞ darzulegen, wie schr die Gefahren, die von dem Gesetzentwurf au settens des Herrn Vorredners befürchtet werden, gleih Null sind. Ich möchte nur, da er von unerhörten Auswanderungsverboten ge- fprohen hat das soll darin bestehen, daß die deutshen Auswanderer von ungeeigneten Zielen ferngehalten werden —, auf einen vitiosen Zirkel hinweisen, in dem man si bewegt, wenn man und das hat er wieder felbst gethan als oberstes Pittel der Lenkung des Aus- Tunft8wesens hinstellt und daun dafür eintritt, daß die deutschen Schiffahrtslinien einen Anspru) darauf haben sollen, deut che Aus- wanderer auch dann und dahin zu befördern, wenn und wobin eine gewisfenkafte Autkunft ihnen abrathen mußte, zu gehen. Das ist ein absoluter Widerspruh. Er hat dann darauf hingewiesen, daß dur das Gefeß und das ift die Wiedergabe einer Stimme, die fih auch anderweit hat vernehmen lassen eine Verleßzung des allgemeinen Menschenrechts, der Freizügigkeit geshehen würde. Woran soll denn der Freizügler nach dem Gese verhindert werden? Er foll daran verhindert werden, sich durch in Deutschland konzessionierte Mittelpersonen in sein Verderben zu begeben. Ein Recht darauf, doch dahin befördert zu werden oder zu befördern, hat kein Auswanderer und keine Schiffahrtsgesell- saft. Die volle Freiheit des Einzelnen, dahin zu gehen, wohin er will, bleibt gewahrt ; es werden ihm Beförderungsgelegenheiten nah allen geeigneten Zielen geboten, nach ungeeigneten niht. Die große Masse unserer deutshen Auswanderer, die ebenso zu- änglih, wie sie allerdings für Verführung is, auch für Be- ehrung ift, wird mit Dank von der Schranke Gebrauch machen, die nah dem Geseße gezogen werden soll. Und wenn diejenigen, welche es nicht thun wollen, dennoch fremde Einschiffungshäfen

wählen, so mögen sie es thun, wir können sie niht halten. Be-

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