1897 / 107 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 07 May 1897 18:00:01 GMT) scan diff

Verichte von deutschen Fruchtmärkten.

Qualität

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gering | mittel gut

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(100 kg)

Gezahlter Preis für 1 Doppelzentner | Menge für

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rankfurt a. O. . | 15,50 |

ano . , «1 1410| 14208 55 Aschersleben . . 12,90 | 12,80 | 13,35 | 14,00 Nai . : « «4 1530| 15301 1590 | 16,30 a _— 14,60 | Biillai. 4 46501 1500 1: 15950 N «4 10301 1030| 10/80

Natibor | | 11,40 1125 | |

Aschersleben . j | L | 10,80 | 11,30 Dobeli . - + » —- | 11,10 | Dri . «T 1090 1 1110 E20 j 11,50 Neuß S | 10,80 | 11,30

Franffurt a. O. . | 11,50 | 11,50 | 11,65 | 11,80

Matibor. ., 5 4 1000 | 1180] 1190| | Aschersleben . . | 10,55 | 11,20 | 11,40 | | 12,60 A 10,00 | 11,00 | 12,50 | I 13,50

Ha amn D: 14,00 | 14,00 | 14,60 | 15,00

E 11,80 12,90 ! | 13,40 Aschersleben . . | 12,30 | 12,55 | | 13,30

E | 11,80 D l Dla . . « 1 1200| 12400} | 13,40 M _— _— | 11,80

Weizen. A | i 15,80 | 16,00 é s 15,60 N x é 16,80 1020 5.59. | 16,20 | 16,50 16,30 | 16,80 Roggen.

Gerste.

f éx.

1611| 6.5. 11,80 : 11/60 Í : 11,80 ; 11,58

11,70 Í 11,80

16,00 14/50

15,00 . . 13,60 s . . 13,70 L Z : s 12,80 18 221 12,28 | 12,48

13,50 s ! Í s 12/80 2% 315 | 1260 | 12,28

Bemerkungen. ' : Die verkaufte Menge wird auf volle Doppelzentner und der Verkaufswerth auf volle Mark abgerundet mitgetheilt. Der DurW-

Tchnittspreis wird aus den unabgerundeten Zahlen berechnet.

Ein liegender Strich C2 in den Spalten für Preise hat die Bedeutung, daß der betreffende Preis niht vorgekommen ift; ein Sp

Punkt (, ) in den letzten \sech8

alten, daß entsprechender Bericht fehlt.

Deutscher Reichstag.

216. Sißung vom 6. Mai 1897, 1 Uhr.

Die zweite Berathung des Entwurfs eines Gescßes über das Auswanderungswesen wird fortgeseßt bei der ver- einigten Diskussion über die § 3 (Ertheilung der Erlaubniß nur an Inländer), S8 6 (Spezialisierung der Erlaubniß) und 8 11 (Widerruf der Erlaubniß) nebft den dazu gestellten An- trägen des Zentrums zu § 3 wegen Mitwirkung des Bundes- vuils bei der Erlaubnißertheilung und zu S 6 wegen der Spezialisierung der Erlaubniß nur für die Einschiffungshäfen, nicht für bestimmte Länder.

Abg. Freiherr von Hodenberg (b. k. F.) empfiehlt seinen An- trag zu § 6, der mit dem des Zentrums gleihlautend fei; es könne nit die ganze Vollmacht in die Hände des Reichskanzlers gelegt werden, sondern nur so viele Befugnisse, wie fie zur Beaufsichtigung in den Einschiffungshäfen nothwendig feien.

Abg. Bebel (Soz.): Einem Auswanderungsgeseß an ih widerstreben wir niht, es kommt nur auf die Tendenz des\elben an. Handelt es fsich darum, die Auswanderer vor Schäden und Ueber- vortheilung zu bewahren, dann sind wir vollsiändig damit einver- Ftanden. Wir als Vertreter einer Arbeiterpartei find an den Schutz- geseßen um so mehr interessiert, als die Mehrzahl der Auêëwanderer aus Proletarierz. aus Arbeitern bestebt; die woblbabenden Klassen bedürfen in dieser Beziehung des Schußes nit. Ein solcher Schuß if aber in dem vorliegenden Entwurf nit in ausreihendem Maße zu finden; die volle Tragweite des Gesetzes kann man gar nicht übersehen. Die Vorlage will die Auswanderung nah Möglich- keit ers{weren und Katastrcophen verhindern, denen die Ausês- wanderer anheimfallen könnten. Die Vorschriften des Gesetzes shweben aber vollftändig in der Luft. Ich möchte die Herren vom Zentrum auf die politishen Konsequenzen des Gesetzes aufmerk- sam machen. Wenn die Auêwanderung so gelenkt wird, daß die jeßigen Auëwanterungs-Unternehmungen nicht mebr aufrecht erhalten werden ören, dann wird die Handelêmarine und damit auch die Kriegêmarine geschädigt. Die Kolsnisationspolitik, wel&e inauguriert werden soll, ift cin Stück der Weltmachtépolitik. Wir warnen Sie in [leßter Stunde vor der Annahme des ganzen Gesetzes, dessen Trag- weite ih erfi nah genauerem Stutium erfarnt babe. Lehnen Sie mindestens die SS 3, 6 und 11, insbesondere aber den § 6 ab.

Geheimer Regierungs-Rath im Reichsamt des Innern Dr. Richter: Ich habe nur um das Wort gebeten, um eine ganz kurze Bemerkung rein persönlicher Natur zu maten. Der geehrte Herr Vorredner, sowie gestern der Herr Abg. Gerisch, hat behauptet, daß ih gewissermaßen und zwar wie ter Herr Abg. Bebel fich ausdrückte unter Händeringen das Hobe Haus darum gebeten bätte, die Motive zu dem Geseß nicht zu beatzn, sondern sie fallen laffen zu wollen. Ich muß dem durchaus widerspreten. Ich habe von einem Häpnteringen meinerseiis nichts gemertt, ih habe vielmehr in ganz ruhiger Weise gebeten, auf kurze Zeit ctwas die Motive zu verlaffen und das Gesetz selbt nah scirem faStidhen Snhalt zu prüfen. Das habe ih lediglich deëwegen gethan, um nabzuwweisen, daß die Bestimmungen des & 6 ganz genau den seit mehr alé 40 Jahren in Uzbung bestehenden Bestimmungen in Preußen und den seit mehr alé 10 Jahren in den Hansestädten geltenden Be- immungen extipreden. Weiter batte meine Bitte keinen Zweck. Ich bin dann auf die materiellen Bestimmungen des Spezialifierungs- prinzips eingegangen und babe, weil ih sab, daß von verscietenen Rednern des bohen Hauses in dieses Prinzip eiwas ganz An- deres hineingelegt wurte, als sfich die verbündeten Regierungen und die Koemmissicn, wel@cee den Geseßertwurf ausgearbeitet hat, getad hatien, eirice Sâte der Motive aus- drüdlih hier vorgetragen. Ih konnte garniht gegen die Motive sein, weil gerade die Säße der Motive, die ih angefäért Fabe, zum großen Theil aué meiner eigenen Feder geflofien sind. Ih habe dann weiter darum gebeten, tas Spezialisicrungéprinzip nicht mit den Angen ju betraten, wie s die meislen der Herrrn Redner thun, sondern sih überzeugt ju halten, daß es in rubigster Weise gehandhabt werden wird bei s{honenèster Röctsfihtrahme auf alle bestehenden Ver- hältnisse. Fh hakte dann weiter noch und ih mödte das zum Séhluß erwäßnen gesagt, daß, weun das hoße Haus das Gesch ableknzn würde, die preußische Regierung auf S1und der dort geltenden gleidhartigen Bestimmungen es immer in der Hand hätte, in An- leimeung an die Motive des Gesetzentwurfs das gauze Spezialisierungs- rinr veno0h anzuwenden.

Dirficr im Autwärtizgen Awt, Wirklicher Geheimer Kath Veidhardi: Jh werde mih bei der Erwiterong auf die beutigen erren Révrex derjenigen Kürze befleißigen, die für bie pweite Lesurg, azu fe e Srejaltebatle, meiner Axfihi nah

die Pflicht auch der MNRegierungsrertreter ist. Dem Herrn Abg. Bebel habe ich Folgendes zu erwidern. Er findet, daß einer der Grundgedanken des Geseges darin bestehe, die Aus- wanderung möglihst zu erschweren, womöglich zu verhindern. Wenn er mir einen Paragraphen oder die Stelle der Motive angegeben haben wird, wo er diesen Grundgedanken auêgesprohen oder auch nur versteckt findet, werde ih fo frei sein, ihm darauf zu antworten. Der Herr Abg. Bebel sagt, wir wollten eine Kolonisationépolitik inaugurieren, die {ließli nur den Zweck habe, den kapitalistischen Unternehmern zu ersprießlihen Spekulationen und kolossalem Ver- mögen zu verhelfen? JIch verweise den Herrn Abg. Bebel auf die Stelle der Motive, die gerade die solide Seite derjenigen Koloni- sationsgesellshaften betont, an die wir bei dem Entwurf gedacht haben. Der Herr Abg. Bebel hat dur seinen Hinweis auf Argen- tinien und die ihm räthselhafte Thatsache, daß die rechte Seite dieses Hauses für das Geseß \timmt, ein Hinweis, der wahrscheinlich noch von anderer Seite beantwortet werden wird, nah meiner Ansicht den besten Gegenbeweis für die gestern von der linken Seite aufgestellte Behauptung geführt, daß in dem Entwurf unter dem Deckmantel der Fürforge für die Auswanderer nur agrarisher Egoismus fi vei steckt. Der Herr Abg. Bebel hat ferner einerseits als den Zweck des Gescßes bie Unterdrückung der Aus- wanderung bezeihnet und dann, indem er die Gefahren des Gesetzes für dessen Förderer, die rechte Seite des Hauses, demonstrieren wollte, gerechnet mit Ziffern von 100 000 und 200 000 Auëwandercrn. Das ist ein Widerspruch. Das Auswanderungsgesetz ist das möchte ih weiter dem Herrn Abg. Bebel auf seine Warnung erwidern fo gedat, daß die Möglichkeit einer Friktion mit irgend einer fremden Regierung von vornherein ausges{lofsen ift. Endlich darüber, welche Stelle in der Serie der Affektionen der Herr Abg. Bebel dem Vater- lande einräumt, will ich mit ihm nit streiten. Die Regierung steht auf dem Standpunkt, der in dem Kommissionsberit niedergelegt ist. Nun komme ih zu § 3. Die Herren Abgg. Frese und Dr. Barth haben zu § 3 einen Antrag gejtellt, der darauf abzielt, unter gewiffen Vorausseßungen ein Ret auf Konzessionierung festzu- stellen. Das i}, wie {on in den Motiven dargelegt, mit dem Zweck des Gesehes unvereinkar, weil bei diesem Geste nicht nur die versönlide Qualifikation des Unternehmers, sondern auch die sachlickche Qualifikation des Auêwanderungszieles mit in Betracht kcmmt. Die Spezialisierung, wie wir sie uns denkcn, ift mit tem freien Ermessen des Reichékanzlers, was die Regierungen befürworten, oder dem freien Ermessen des Reichskanzlers unter Zustimmung des Bundes- raths, wie es die gestrige Majorität wünscht, eng verbunden. Ich möchte Sie verweisen auf den bisher unverändert gebliebenen § 6 der deutschen Gewerbeordnung. Jch glaube au, die linke Seite des Hauses, die ja fo sebr gencigt ift, in den Bestrebungen der verbündeten Regierungen bei diesem Gesehentwurf einen Bruch mit dem Rechtsstaat zu sehen, wird wohl einen gleihen Vorwurf gegen diejenigen geseggebenden Faktoren, von denen die Gewerbe- ordnung von 1869 ausgegangen ist, nicht erheben wollen. Nun, die Gewerbeordnung im § 6 hat das Konzessionswesen für Auswan- derungévermittler von vornherein aus ihrem Geltungsbereich aus- geshlofien. Warum? Es giebt gar keinen vernünftigen andecen Sinn für diefen Aués{luß als den, weil sie mit Recht der Ansicht war, diefes Gewerbe is so geartet, daß dabei die verwaltungs- geridtliden Garantien, welche für die Konz-ssionierung anderer Ge- werbe vorgesehen find, nit in Betracht kommen fönnen. Man hat geftern und auch s{chon in den Zeitungen ten Gedanken in die Debatte geworfen: kein zivilifiertes Land der Welt würde es wagen, vor eine Landeévertretung mit einem Geseß zu treten, welches das Prinzip des freien Ermessens einer einzelnen Person sanktioniert. Jch will auf die fremdländishen Geseßgebungen nicht eingehen. Die Aus- wanderung ift eine so hoch nationale Sache, taß fremdländische Seseße hochstens den Werth, wenn auch sehr s{hägbaren Materials baben. Ih will aber nur in Erwiderung auf den gestrigen Einwand darauf himveisen, daß im freien England die Fricdendtlébtes die Konzessionierun des Auswanderungéunternehmers nah freiem Grmefien ausfprehen. Man hat gestern mir entgegengehalten, als bâttie ich tie hohe Sacverständigenkompetenz der Ham- burger und Brewer NHhederkreise bestreiten wollen. Das i mir nit in den Sinn gekommen, Sie sind gewiß die ersten Sach- verfiändigen îa dieser Frage, aber sie sind in dieser Frage zuglei Satversländige in ter Es Sache, und dadur ee ia sie Gefahr, die Befürchtungen zu überschäßen, die sie gegen die Kon equenzen dieses Seïeges hegen. Auch sehr sachrerständig scheinen mir Männer wie Sellin, Jarnasch, Philippowitsh, Dieselben gehören zu einem Fünf- männer-(Comité, bie sich mit vem 1892er Entwurf und wit dem jetzigen Entwurf befaßt haben, und keiner von ihnen ist qu den Gebanfken gefommen, raß bas freie Ermessen oder das Spezia eerungpeineip oldje Folgen Haken fönnte, wie fie von anderer Seite beflirhtet werden,

Der Geheime Rath Riditer hat gesterr,

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nur um eine ganz maßvolle Anwendung dieses

könne. Ueber Sekt, der mögliherweise und vernünftiger, weise durch die Anwendung des Spezialisierungsprinzips zu Tage treten kann, wird man am befien flar werden, wenn man ein eine Konzessionsurkunde von heute und eine Me

sie nah dem Geseßentwurf lauten würde, in

habe hier die Konzeffionsurkunte, die die Hamburg-Amerik

Jahre 1886 erhalten hat, und die geht dahin, „daß dem antrag, stellenden Direktor unter Vorbehalt des Widerrufs die Erlaubniß er, theilt würde, das Geschäft der Beförderung von Auswanderern nag Australien und Amerika mit Ausnahme von Brasilien zu betreiben*, Und dann heißt es nahher: Die Erlaukniß ift jede an die Bedingung geknüpft, daß Verträge mit Auswanderern, welche auf der Leistung von Vorschüssen u. \. w. beruhen, obne Ausnahme ausgeschloffen bleiben. Heutzutage würde es statt ter Worte : „mit Ausnahme von Brasilien?*, lauten müssen: „mit Ausnahme von Nordbrasilien“. Meine Herren, was wird nun künftig sein? Künftig werden wir in der Konzessions- urkunde niht von Amerika, nicht von Nord- und Süd-Amerika \preben; wir werden sagen: er hat die Erlaubniß zu bzfördern nah den Ver- einigten Staaten von Amerika, er bat die Erlaubniß zu befördern nach Canada, vielleiht wenn es fich um ländlihe Arbeiter handelt, unter Beschränkung auf gewisse Provinzen; von Mexiko werden wir niht sprechen, bis der Antrag an uns herantritt, und wenn der An- trag an uns herantritt, dann wird allerdings im äußersten Sinne des Wortes das A pen am Plage fein; dann wird es weiter niht heißen: „Süd-Amerika*, es wird heißen : „Argentinien*, vielleiht früher oder fväter: der und der Theil von Argentinien, es wird heißen: Südbrasilien, es wird lauten können: Paraguay unter ewifssen Umständen u. s. w. Und nun komme ih auf die Be- ürhtungen, die im superlativsten Sinn heute und s{chon früber in der Presse geäußert sind. Meine Herren, es ift denkbar, daß in Süd- brasilien oder in Argentinien bezüglich einer vorhandenen deutschen Anfsiedlung oder einer künftig daselbft entstehenden Ausiedlung und Unternehmungen dieser Art find ja im Gange unter Umständen es unerläßlich werden könnte, durch Spezialisierung, sei es. von vornherein, sei «s durch nachhträglihen partielen Wider- ruf, dem Unternehmer zu sagen: nah diesem Terrain darfst Du nur fo und so viel Köpfe per Jahr befördern dieses darum, weil wir von maßgebender, sachverständiger Seite davor gewarnt worden sind, nit massenweise und nit in höherer Zahl als der an- gegebenen nach solchem Terrain deutshe Ansiedler zu s{chicken, um Katastrophen zu vermeiden. Das sind die Katastrophen, die wir verhindern wollen, und die wir {on vermieden haben; und das, glaube ich, wird auch im Sinne der überwiegenden Mehr- zahl diefes hohen S sein. Daß es die Pflicht der deutshen Ne- gierung ist, im Falle der nationalen Aus8wanderungspolitik, wenn sie gewarnt ist von ihrem eigenen Vertreter, und wenn diese Warnung auf sachverständigen Untersuchungen beruht, daß sie nicht geshehez läßt, daß nah einzelnen deutihen Ansiedlungen durch ein Uebermaß von neuen Ankömmlingen die Existenz der übrigen gefährdet wird. Also das ist die ganze Gefahr einer Spezialisierung im engeren Sinne des Wortes, die nur dann in Frage kommen kann, wenn eben drin- gende Verhältnisse dazu führen. Meine Herren, ist nun durch diefes Spezialisierungéprinzip das Schicksal der großen Dampfecrlinien ge- fährdet ? Haben diefe einen Anspruch darauf, die Konzession, die sie be- kommen haben wir wollen einmal sagen, bekommen haben für Süd- brasilien —, auch bezüglich eines ganz speziellen kleinen Terrains voll aus8zunüßen, wenn wir in der Lage sind, zu sagen: für so und so viel Jahre müßt Jhr Gu auf so und so viel Köpfe per Jahr beschränken? Jh glaube, diesen An- \spruch baben sie nicht, und sfolcken rwägüungen gegenüber kann auch nicht die Grêße des zur Zeit der Ueberproduktion an Aus- wanderung konstruierten Zwischendeck8 entscheiden. Was bedeutet denn eine folhe Beschränkung geçcenüber dem Nückgang, den die deuts&en Schiffahrtsgefells(aftcn haben binnehmen müssen, und den sie er- tragen haben, ih meine den Rückgang der deutschen Auswanderer von 220 000 auf 32 000 Köpfe? Ich erinnere ferner daran: es bleiben ihnen die Durchwanterer, auf die das Spezialisierungsprinzip das können Sie in den Motiven auch lesen nicht oder nur in ganz beshränktem Maße Anwendung finden kann. Wird hierdurch Deutschlands Weliverkehr oder der deutshe Schiffbau oder die deutsche Kriegsmarine gefährdet? Es Tann im Laufe der Jahre zu kleinen Verschiebungen im Kalkül der großen Schiffahrtsgesellschaften kommen, aber nur dann, wenn die Interessen des großen Ganzen es erfordern; in folhem Falle follen und werden sie sich gegenwärtig halten, daß sie eine Konzession haben, die für das ganze Reich wirk- fam ist, daß sie den greifbaren unmittelbaren Vortheil, der sh aus der Auswanderung ergiebt, beziehen und daß die Kehrseite, die mit jeder Auswanderung, wie man auch darüber denken mag, verbunden ist, von dem übrigen Deutschland getragen wird. Ich habe hier ein amtlides Dokument aus den leßten Tagen. Da wird uns kerichtet, daß das Staatsoberhaupt eines überseeischen Gebietes eines Ge- bietcs, wohin, wenn überbaupt jemals, Deutsche nur unter \trenger Anwendung des Spezialisierungéprinzips geleitet werden könnten ich bemerke, es ist nicht Südbrasilien, daß das Staats- oberhaupt gegenüber der dortigen gefeßgebenden Versammlung sein Bedauern darüber ausgesprcchen hat : daß in fast allen Staaten des Deutschen Reiches ncch das einshränkende System der Kon- zefsionen vorherrschend ist, ohne welche die Auswanderunçs- Agenturen nicht funktionieren dürfen, ausgenommen in den Hanfestädten, welche, ohne Auswanderer zu liefern, doch mit ihrer mächtigen Handels- marine an der Veförderung derselben interessiert, ein mebr liberales System angenommen haben. Das is} eine unerwünscte und un- verdiente Deutung des Standpunktes unserer Hansastädtekreise. Wir

alle wiffen, daß in den Direktionen der beiden großen Linien Mänxer-

fißen, deren Namen einen fo guten Klang haben, daß es von vorn- herein ausgeschlossen erscheint, daß der kalte Interessenstandpunkt jemals ihre Handlung wirklih beeinflussen wird, oder daß, weil, wie ih mich gestern ausgedrückt Habe, ihnen die nationale Aué- wanderungépolitik unbequem is, sie diesen ihren Standpunkt jemals in die That umseßen werten. Wir, die wir etwas Weng pessimistisch find, find au überzeugt, daß die Direktionen der Schiffahrtslinien im nähsten Jahrhundert auf demselben Stand- punkt fliehen werden. Es würde zu wünschen sein, daß man. voa dort her dieses Vertrauen erwidert und auch dem Reichskanzler. künstiger

Epochen tas Vertrauen s{henkt, welches allerdings nöthig ist, um das Prinzip des freien Ermessens, daß der Geseßentwurf in Aussicht nimmt, anzuerkennen. Um mich nicht zu wiederholen, stelle ih noch einmal und zwar gleichzeitig bezüglih des § 11 an dos hohe Haus die Bitte, Abstand von den Anträgen zu nehmen, die dauauf abzielen, dieses freie Ermessen zu beschränken und dieses Vertrauen, welches Sie au für die gram für viel s{chwerwiegendere und für viel größere Fragen dem Inhaber der Zentralstelle entgegen- bringen müssen, dieser Zentralstelle auch auf dem Gebiete der Hand- habung des Auswanderungsgeseßes zu gewähren.

__ Abg. Dr. Barth (fr. Vgg.): Bald hören wir, daß die Vorlage eine grofe nationale Bedeutung hat, bald heißt es wieder, daß § 6 eigentli) gar ni@ts Neues bringt, und dann soll das ganze Gese wieder eine ganz neue Aera bedeuten. Wenn, die Hamburger allein die Spezialisierung vornehmen sollen, dann bin ih beruhigt; aber wenn die Spezialisierung von einer Behörde mit vorgefaßter Meinun gehandhabt werden foll, dann fann sie aefährlid werden. Es ift- nur gut, daß die Regierung die Spezialisierung garniht durch- führen kann, denn der menshliche Verkehr 4 sih heute von feiner Regierung mehr seine Bahnen varschreiben. Neben der ständigen Be- förderung von Auêwanderern giebt es au solhe Unternehmungen, die nur zeitweise nd damit befassen, Wie will der Reichskanzler prüfen, ob in solhen Fällen bas betreffende Land ih für die Auswanderung eignet? Van sollte die Auswanderer dorthin gehen lassen, wo sie ihre

As zu finden hoffen, und sie nur während der Ueberfahrt shügen. Man solle sie sich selbst überlassen, weil man sonst die Interessen der Auswanterer s{chädigen würde.

Dr. Lieber : Ih weiß nit, was Herrn Bebel hat, meinen Serien Freunden seine ige Belehrung zu laffen. Unsere Eta Jes ncch e bart, die Anträge Zu Dentruos erge son, daß wir nicht der Belezaung des Herrn Bebel bedurft haben, um uns die Wichtig- feit der Vorlage zu En TrGgey: Die Mehrheit des Zentrums meinte, daß die Mitwir des Bundesraths bei der Erlaubniß- ertbeilung ausreidend sei. S bin dieser Ds nit; ih halte es für g, daß das Spezialisierungsprinzip nur bezüglih der Ein- shiffungshäfen eingeführt wird. Wir hoffen auf eine ruhige Hand- habung des Geseyzes seitens der gegenwärtigen Reichsregierung. Aber wir ma das Gesey nit für den gegenwärtigen Reichskanzler und seinen Ministerial. Direktor, sondern au für die Zeit über sie binaus. Alles Vertrauen zu Personen in Ehren, wir machen ein Geseß nah fachlichen Gründen! Was Herr Bebel übertreibend gesagt hat, ist die Folge von Aeußerungen von der rehten Seite. enn unsere Anträge zu §S 6 und 11 angenommen werden, dann ift der Antrag Frese überflüssig. Jch erkläre aber, daß ih niht im Namen aller meiner politischen Freunde gesprochen habe.

Aba. Graf von Arnim : Ich begreife niht, wie Herr Barth die Sache in die Hand Hamburgs legen will, aber nicht in die Hand des Bundesraths und des Reichskanzlers. Herr Barth bezeichnete das Geseß als unwirksam und wenige Minuten dana als {ädlich. Eines kann do nur richtig sein; wir hoffen, daß der Reichskanzler das Geseß ruhig und bedächtiig ausfübren wird. Wir betraten das Geseß nicht als Agrarier, sondern vom nationalen Standpunkt ; denn daß in Argentinien und Brasilien auch Getreide gebaut werden wird, haben wir niemals bezweifelt. Unsere s entsteht hauptsählich dadurch, daß wir den Schuß der nationalen Arbeit niht ausgiebig genug haben fördern fönnen. Wenn Herr Bebel für die Arbeiter etwas thun wollte, dann hätte er bei der Interpellation, über die wir neulih verhandelt haben, unsere Ansichten unterstüßen sollen. Jn England und Irland, wo der Schuß der nationalen Arbeit am geringen ist, ift die AuEwanderung noch größer als in Deutschland. Der Antrag zu § 6 würde die Regierung in eine unangenehme Lage bringen. Das Speztalisierungsverfabren ift nichts Neues, es besteht in den hamburgishen Geseßen. Die Er- laubniß nur auf bestimmte Einschiffungsbäfen zu beschränken, ist eine so untergeordnete Bestimmung, daß sie gar keinen Zweck hat. Es muß dafür gesorgt werden, daß die Deutschen im Auslande ihre Be- ziehungen zur Heimath aufreht erhalten. Daß es aber einen Bundes- rath oder Reichskanzler geben fellte, welher den großen bestehenden A Ian Schwierigkeiten bereiten würde, kann ih nit annehmen.

Abg. Dr. Spahn (Zentr.): Wenn § 6 geändert wird, werden alle preußischen und hamburgishen Bestimmungen, welche zum Schutz der Auswanderer erlassen find, aufgehoben werden. Das würde nie- mand wollen. England hat in seinem Auswanderungéamt eine Be- hörde, welhe die Auswanterung nah den englisheù Kolonien lenkt. Die Auswanderung wird durch staatlichen Einfluß nicht abgelenkt. Die Auswanderer, welche nicht in die Länder gehen wollen, für die die Konzession ertheilt ist, finden andere G-:legenheiten, Aber die Auswanderung ganz und gar der freien Unternehmung preiszugeben, das ift nit möglih. Deshalb muß § 6 angenommen werden.

Geheimer Regierungs:Rath Dr. Richter: Die Hamburger Rheder bezeichnen es als unerträglich, daß Konzessionen für cine jede Auswande- rungsrihtung nahgesudt werden müssen. Jeßt muß der Norddeutsche L oyd eine Konzession in Preußen nahsuchen, die auf ein Jabr gilt und dann erlischt, wenn der preußishe Handels-Minister sie nicht till\{chweigend verlängert. Für Bayern und die anderen Einz:lstaaten müssen eben- falls Konzessionen nachgesucht werden, also für Deutschland vielleicht 15 mal. Bis 1887 hat die Hamburger Gesetzgebung eine Bestimmung wie § 6 nicht enthalten, seitdem ist diese Bestimmung aber eingefügt worden. Herr Barth verwies auf das von der Heydt’sche Nescript, welWhes auf den Parzerie-Vezrträgen beruhte. Durch diese Verträge würden die Leute an die Scholle gefesselt. Seitdem haben sch die Ver- hältnisse gebessert, wenigstens für Süd-Brasilien. Der Lloyd und die

amburg-Amerikanishe Packetfahrt-Gescllshaft würden, nach meiner nsiht, alle Konzessionen bekommen, welcke sie bisher hatten. Mit Annahme der Antrages Nadbyl würden wir erheblih zurückgehen gegenüber der preußisden und Hamburgischen Gescßgebung.

Abg. Lenzmann (fx, Volïsp,); Die bedenklichste Vorschrift des anzen Gesetzes ist die Konzessionterung. Allerdings haben wir in reußen und den Einzelstaaten die Konzessionierung. Aber wenn sie

sih nicht bewährt hat, dann müssen wir sie bet einem Reichsgeseß beseitigen, und wenn es jeßt nit möglich ist, die rihtice ‘ra dafür zu finden, dann müssen wir die Vorlage an die Kommission zurück- überweisen, um eine besondere Konzessionierungsbehörde zu schaffen. Wenn das nicht möglich sein sollte, dann müßte wenigstens die Be- rufung vom Reichskanzler an den Bundesrath oder an den zu shaffenden Beirath eingeführt werden. Denn font könnte die Auswanderung durh Verweigerung der Konzession verhindert werden. Das wollen wir vermeiden und deéhalb womöglich Normativbesümmungen in das Gesey hineinbringen. Ich {lage darum vor, das Gese an die Kom- mission zurückzuverweisen.

Ein Schlußantrag wird abgelehnt.

Abg. Dr. von Cuny (nl.): Der Willkür ist ein Riegel vor- geshoben dur den Beschluß, betreffend die Zustimmung des Bundes- raths. § 6 enthält ledigli das son bestehende Recht, wie es in Hamburg gilt; dieselbe Bestimmung entspriht auch den Beschlüssen einer früheren Reicstagetkommission. Herr Bebel spra davon, daß die Auswanderer nach Argentinien oder nach Südbrasilien, speziell nah der Provinz Nio grande do ful, sich wenden und von tort der deutscen Landwirthschast Konkurrenz machen würden. Das können sie au von Nord- Amerika aus thun, dessen Getreide auh auf unseren Markt kommt.

Abg. Dr. Förster- Neu-Stettin (Reformp.): Was Herr Lenz- mann vorschlägt, ist ja ganz annehmbar; aber das Bessere ist der Feind des Guten; wir werden jeßt keine Behörde für die Konzessio- eus u. \. w. erreichen können. Deshalb wollen wir bei der Bor- lage bleiben, die doch etwas Besseres haft, als was jett besteht.

Abg. Dr. Hahn (b. k. F.): Daß Herr Lenzmann die Interessen der Bremer Rheder als identisch mit denen Deutschlands betrachtet, beweist, daß er immer noch auf dem Standpunkt des reinsten Idea- lismus steht. Eia Bewcis dafür ift auch seine Feindschaft gegen die Ost-Elbier. :

Damit {ließt die Debatte. i:

Die F 3 und 6 werden unter Ablehnung aller Anträge nah den Beschlüssen der Kommission angenommen; § 11 findet nah einem Antrag Bachem-Schädler in folgender Form Annahme:

„Die von den Vnternehmern ertheilte Erlaubniß kann unter Zustimmung des Bundesraths vom Reichskanzler jeder Zeit beschränkt oder widerrufen werden. Die Genehmigung der Bestellung eines Stellvertreters kann vom Reichskanzler jederzeit widerrufen werden.“

Zu 8 5, welcher bestimmt, daß der die Erlaubniß Nach- suchende 1) eine Sicherheit im Mindestbetrage von 50 000 6 stellen und 2) den Nachweis führen muß, daß er über gecignete eigene Schiffe verfügt, beantragt

Abg. Dr. Bachem (Zentr.): 1) eine Si@erheit bis zu 50 000 46 und 2) den Nachweis, daß er Rheder ist, zu veclangen im Interesse agen M Naen, welche sih zum Zweck der Auswandererbeförderung

n iff chartern.

Direktor im Auswärtigen Amt, Wirklicher Geheimer Nath Reichardt vertritt die Regierun svorlage; der von dem Vorredner angeführte Fall komme für § 5 as in Betracht.

8 5 wird mit dem zweiten Antrage des Abg. Dr. Bachem angenommen. :

i R 8 7 wird die Bestimmung, welche in Ausnahmefällen die Mitwirkung des Bundesraths zulassen will, gestrichen, da

der Bundesrath allgemein mitzuwirken hat.

u 8 14, welcher die Agenten betrifst, beantragen die

S ozialdemokralen, entgegen dem Wortlaut der Vorlage, die bestimme, in welchen die Erlaubniß ertheilt werden dürfe, zu bestimmen, da sie nicht verweigert werden dürfe, wenn nmcht Thatsachen vorlägen, welhe die Unzuverlässigkeit des Nachsuchenden in Beziehung auf den beabsichtigten Ge- äftsbetrieb darthäten.

…_ Ferner solle keine Beschränkung der Zahl der Agenten eintreten und die ertheilte E-laubniß nur dann zurückgenommen werden können, wenn den geseßlichen Erfordernissen nicht mehr ee würde.

achdem Abg. ATeager» Damburg (Soz.) den Antrag empfohlen, wird derselbe abgelehnt und § 14 sowie die übrigen Be mange über die Agenten unverändert angenommen.

Zu §8 23 hat die Ler einen Zusaß beschlossen, wonach den Auswanderern nit die Verpflichtung Eee werden dürfe, den Beförderungspreis oder einen Theil des- selben oder ihnen geleistete Vorshüsse nach ihrer Ankunft am Bestimmungsorte zurückzuzahlen oder durch Arbeit abzu- verdienen; ebensowenig dürfe die Wahl des Aufenthaltsorts oder der Beschäftigung beschränkt werden.

Abg. Freiherr von Hodenber g beantragt, daß solhe Verträge vom Reichékanzler genehmigt werden müßten ; darin liege eine Er- leihterung für die Auswanderer, die ihre Ueberfahrt nicht voll be- zahlen könnten.

Abg. Dr. Förster - Neustettin i mit diesem Antrage einver- standen, während

Abg. Dr. Barth solhe Verträge aus\{ließen will, weil fich die Siedelungêgesellshaften leiht einer großen Gunst beim Reichtkanzler erfreuen könnten. Solche Verträge sollte man überbaupt nicht ermöglien.

bg. Dr. Bachem schließt sich diesen Ausführungen an.

Abg. Gerisch (Soz.) bâlt den Antrag ebenfalls für eine Ver- \{lechterung, da der Reichskanzler nicht in der Lage sei, den Mißbrauch mit folchen Verträgen zu prüfen.

S 23 wird unverändert angenommen.

Nach 8 24 ist verboten die Beförderung von Personen, deren Verhaftung oder Festnahme von einer Gerichts- oder Polizeibehörde angeordnet ist.

Die Abgg. Geri ch und Genossen (Soz.) beantragen zu sagen : Von Personen, deren Verhaftung oder Festnahme wegen eines \traf- baren Vergehens oder Verbredens von ciner Gerichtsbehöcde an- geordnet ift.

Geheimer Ober-Regierungs-Rath im Reichs-Justizamt Dr. von Tishendorf hält das Streichen der Polizeibehörde für bedenklich, weil dadurch die Festnahme bei Gefahr im Verzuge verhindert werden könne.

Der Antrag wird gele.

__ Nach § 37 soll der Bundesrath Vorschriften erlassen über die Beschaffenheit, Einrichtung, Ausrüstung und Verprovian- tierung der Auswandererschiffe 2c.

Abg. Metzger (Soz.) empfiehlt den fozialdemokratischen Antrags, daß diese Vorschriften im „Reichs-Geseyblatt“ zu veröffentlihen und dem Reichêtage bei feinem nächsten Zusammensein zur Kenntnißnahme vorzulegen seien.

Nachdem der Direktor im Auswärtigen Amt, Wirkliche Geheime Rath Reichardt erklärt hat, daß er gegen den Antrag nichts einzuwenden habe, wird dérseite angenommen.

Nach H 39 soll ein sachverständiger Beirath gebildet werden ur Mitwirkung bei Ausübung der dem Reichskanzler zu- Vehinden Befugnisse; derselbe soll aus einem Vorsißenden und mindestens 14 Mitgliedern bestehen, welhe lehteren vom Bundesrath gewählt werden, während Seine Majestät der Kaiser den Vorsißenden ernennt.

Abg. Dr. Bachem “will die Hälfte der Mitglieder vom Neiche- tage wählen lassen, und zwar nicht auf zwei Jahre, wie die Vorlage will, sondern für die Legislaturperiode des Reichstages, weil font leiht nur Bureauktaten in den Beirath hineinkommen könnten.

Direktor im Auswärtigen Amt, Wirklicher Geheimer Rath Reichardt hält dieses Bedenken für nicht maßgebend; die Dauer einer Legislaturperiode sci cine viel zu lange fär die Wahl zum \ad)- verständigen Beirath. |

Abg. Dr. von Cuny (nl.) widerspriht dem Antrage des Abg. Ba&Gem. Die im Bundesrath vertretenen Einzelregierungen verfügten über eine viel größere Personalkenntniß als der Reichstag.

Abg. Dr. Barth hät es für unmögli, daß der Reichstag Personen in den Beirath wähle, die thm nit selber angehörten.

Abg. Graf von Arnim empfiehlt ebenfalls die Ablehnung des Antrages. ;

Abg. Singer (Soz.) erklärt sih namens seiner Partei für den Antrag.

Der Antrag Bachem wird abgelehnt. U

Hinter § 48 beantragt Abg. Graf von Kaniß (d. kons.) cinen besonderen Paragraphen folgenden Jnhalts einzuschalten:

«Wer weiblihe Personen zum Zwccke der Prostitution unter Verbergung diescs Zweckes zur Auswanderung verleitet, wird mit Zuchtbaus bis zu 10 Jabren bestraft.“ /

Abg. Dr. Förster-Neusteitin beantragt hinzuzufügen:

„Außerdem kann auf Verlangen der verleiteten Personen neben der Strafe auf eine an dieselben zu erlegende Buße bis zum Betrage von 6000 Æ erkannt werden.“ S

Abg. Bebel will auch diejenigen Personen bestraft wissen, welche dabci Vorschub leisten. : 4

bg. Graf von Kaniß weist auf den stark grassierenden

Mädchenhandel hin, der von einer Gaunerbande betrieben werde. Ein foles shamloses Gewerbe könne niht hart genug bestraft werden.

Geheimer Ober-Regierungs-Rath Dr, von Lischendorf bittet, den Antrag in dieses Gese nicht aufzunehmen, da die Sache mit dem Geseß nur in sehr losem Zusammenhang stehe. Auf diese Thätigkeit finde die Bestimmung des Strafgeseßes über die Kuppelei An- wendung. Schon die Einbringurg der beiden Ergänzungsanträge beweise, daß die Sache noch nicht ganz spruchreif R :

Abg. Bebel: Allerdings aehört die Materie eigentlich in das Strafgeseßbuh; aber wir haben keine Aussicht, jeßt solhe einzelnen Aenderungen zu erreichen. Oesterrei-Ungarn ausgenommen, werden aus feinem Lante der Welt so viele junge Mädchen zu Prostitutians- zwicken nah dem Auslande gebracht, wie aus Deutschland. Die strengere Bestrafung der Hilfspersonen muß natürlich au herbei- geführt werten. Der Gedanke, daß eine Buße und vielleiht au ein O Le Zain Frauensperfon zugebilligt werden kann, ist durhaus bere Í | Ditttor im Muéwärtigen Amt, Wirkliher Geheimer Rath Reichardt: Der Antrag begegnet der vollen Sympathie der Reichs- regierung, die ihre Vertreter im Ausland mit der striktesten Weisung versehen hat, sih folcher armen Mädchen anzunehmen. Aber es empfiehlt sih nicht, diese Bestimmung in das vorliegende Geseh auf- unehmen. | / M Dr. Förster- Neustettin weist darauf hin, daß der Richter eine Buße zusprehen könne; natürli) werde er das nit thun, wenn er bemerft habe, daß die betreffende Frauensperson selbst die Hand geboten habe zu einem bedenklichen Handel.

Abg. Dr. Bachem: Dem Grafen Kaniß und Herrn Bebel möchte ih sagen : L sei, gewährt mir die Bitte, tin Eurem Bunde der Dritte.“ Der Äntrag gehört wohl zur Auswanderungsvorlage. Fch bin aber gegen den Antrag Förster. j

Nachdem noch Abg. Dr. Vielhaben den Antrag Förster vertheidigt hat, wird der Antrag Kaniß mit dem Zusaßantrag

Bebel einstimmig angenommen.

Damit is die zweite Lesung der Vorlage erledigt. Die von der Kommisfion und von dem Abg. Förster-Neuftettin be- antragten Resolutionen sowie die Petition werden in dritter Lesung berathen werden.

Schluß nach 61/, Uhr. Nächste Sißung Freitag 2 Uhr. (Antrag Colbus, betreffend die Wahlen m T E UbLE von Elsaß-Lothringen, Margarineantrag, Antrag Auer wegen Aufhebung der Mazestätsbeleidigungs-Paragraphen, Antrag des Zentrums, sog. lex Heinze.)

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 77. Sißung vom 6. Mai 1897.

Auf der Tagesordnung steht die Fortsezung der zweiten Berathung des Etats des Ministeriums der geist- lihen, Unterrihts- und Medizinal - Angelegen- heiten bei dem Kapitel „Elementarunterrihtswesen.“

Ueber den ersten Theil der Debatte ist gestern berichtet worden.

Abg. Spahn (Zentr.) bringt, wie hier kurz wiederholt sei, den Ministerial-Erlaß vom 4. Dezember 1896 über die Seminarien zur Sprache, der, nah seiner Auffafsung in verfassungswidriger Weise, im Auslande ausgebildete preußishe Ordensshwestern von der Lebrerinnenprüfung ausschließt. Das sei um so härter, als dfe Schwestern seiner Zeit durch das Ordensgeseß gezwungen worden seien, ihre Töchtershulen in das Ausland zu verlegen, die nunmehr dort als Trägerinnen deutscher Kultur walteten.

Minister der geistlihen 2c. Angelegenheiten D. Dr. Bosse:

Meine Herren! So tragis{ch, wie der Herr Abg. Dr. Spahn die Sache aufgefaßt hat, liegt sie nicht.

Wenn er zunächst behauptet hat, daß die Maßregeln, die ih gegen die Zulassung von Lehramts8aspirantinnen, die im Auslande vor- gebildet sind, getroffen habe, verfassungéwidrig seien, so muß ih ihm darin ganz entshiedez widersprechen. Er bat gefragt, ob denn der Staat auch Juristen oder Angehörige anderer Berufszweige daran hinderte, ihre Vorbildung im Auskande zu suchen. Diese Frage ist zu bejahen: auch die Juristen müssen eine Zeit lang wenigstens, die ausdrücklich vorgeschrieben ist, im Inlande ihre Vorbildung gefunden haben, sonst werden fie zur Prüfung nit zugelassen.

Was dann die Befugniß des Ministers anlangt, die Bedingungen der Zulassung zu einer Prüfung vorzuschreiben, so folgt sie einfa aus seiner Befugniß, die Prüfungsordnung selbs zu erlassen. Jeder, der eine Prüfungsordnung erlafsen kann, wird und muß die Befugniß haben, auch die Vorauéseßungen für die Zulaffung zur Prüfung vor- zuschreiben. Das ist auch in allen Prüfungsordnungen gesehen. Da- mit stehe ih gar nit allein, nah dieser Richtung hin habe ih au nit das leisefie Nehtsbedenken.

Nun, meine Herren, ist die ganze Maßregel von mir um des- willen veranlaßt, weil wir für -die im Auslande vorgebildeten Aspi- rantinnen niht die Gewähr haben, daß sie mit demjenigen deutschen Geist, den wir von unseren Anstalten fordern, erfüllt find. Wenn wir gar keine Lehrerinnenbildungs-Anstalten hätten, wenn wir staatlich nicht eine Aufsiht über dieselben übten, dann könnte man sagen : weshalb cinen Unterschied machen zwishen den Bildungsanstalten im Inlande und im Auslande? Nun hat zwar der Herr Abg. Spahn gesagt: Diejenigen Anstalten, um die es sih hier vorzugsweise han- delt, wären ausgezeihnet. Jh bestreite das nicht; die Verfügung rihtet ih nicht gegen einzelne Anstalten, insbesondere nicht gegen klösterliche Lehrerinnenbildungs-Anstalten. Von einem Kloster is in der ganzen Verfügung überhaupt nicht die Nede. Nein, meine Herren, wir haben bier im Inlande eine Menge klöfterliher Anstalten, denen wir absolut kein Hinderniß in den Wege legen, und aus denen demnähst auch unsere Aspirantinnen für das Lehrerinnen - Seminar hervorgehen. Aber den guten Nath des Herrn Abg. Spahn, daß ih mir die ausländischen An- stalten ansehen soll, kann ih nit befolgen; ih kann nicht Kognition nehmen, welcher Geist dort weht; für die inländischen Anstalten bin ih verantwortlih, da kann ih meine Räthe hinshicken, da kann ich von den Behörden Informationen fordern, da kann ih die Verant- wortung übernehmen, daß deutshe Bildung und deutscher Geist herrscht. Das kann ih dem Auslande gegenüber niht. Wir haben daher keine Bedenken getragen, die im Auslande vorgebildeten Aspirantinnen zu- rück;uweisen. Wir wünschen sle an die inländishen Anstalten zu ver- weisen, die dazu da sind, daß sie die ‘aus dem Inlande stammenden Aspirantinnen ausbilden sollen. Das ist der Grund der ganzen Sahe; daß es gerade jeßt gemacht ist, hat sih daraus ergeben, daß ein fo übermäßiger Andrang von im Auslande vorgebildeten Aspirantinnen statt- gefunden hat, daß wir die Zahl gar nit bewältigen konnten, daß die Prü- fungskommissionen nihtauêreihten. Allein in Koblenz ift diese Zahl von 38 auf 94 gestiegen. Das giebt zu denken! Warum follen wir denn unsere Aspirantinnen auf das Ausland verweisen? Wir haben im Inlande Anstalten, wir konzessionieren sie, wir fördern sie, wo wir nur können. Warum also sollen wir die jungen Mädchen in das Ausland \{chicken? Wir wünschen si2 mit deutscher Bildung und deutsher Kultur zu erfüllen, wir wünschen eine Gewähr hierfür namentli bezüglich derjenigen, die zum Lehrerinnenexamen zugelassen werden; denn darüber wollen wir uns nit täuschen: die Prüfung in den bloßen Kenntnissen, wie sie in jedem Examen stattfindet, kann nicht nach allen Richtungen die Gewähr bieten, die man gerade von demjenigen verlangen muß, der ein Lehramt begehrt. Jch bin doch mit großer Milde zu Werke gegangen; ih habe mit denjenigen, deren Vorbildung im Auslande bereits abgeschlossen war, eine Aus- nahme gemacht; ih habe 70 solcher jungen Mädchen zugelassen, weil sie die Neuerung vorher nicht gewußt haben, und es ist niht unmöglich, daß ih auch in Zukunft, wo mir ein besonderer Nachweis für die deutsche Autbildung eines jungen Mädchens gegeben wird, einzelne Ausnahmen machen werde; aber im allgemeinen halte ih die Maß- regel für völlig begründet, und die Tragweite, die ihr der Herr Abg. Spahn beigemessen hat, hat sie überhaupt nicht.

Meine Herren, der Herr Abg. Spahn hat gesagt: wir könnten die jungen Mädchen doch zum Examen zulassen, wir wären ja nicht verpflichtet, fie anzustellen. Nun frage ih Sie aber, ob es nit viel rihtiger und humaner is}, daß jeßt die jungen Mädchen wissen, daß die ausländische Vorbildung auf Bedenken #ößt ? Wollte ich den Rath befolgen und ließe ich nach wie vor die jungen Mädchen in großen Massen ins Ausland ziehen, so kommen sie nachher, haben si die Kenntnisse erworben und bestehen die Prüfung; dann melden sie sih zu einer Lebrerinnenstelle oder auch zur Kon-

B C Er R N T CER O erh V A A P P t e: nr