_ Herner sind folgende Revisions-Entscheidungen verö Ein f E ichtlihes Urtheil if j
_Ein schiedsgerichtliches eil ist wegen wesentlicher Mängel des Verfahrens aufgehoben worden, weil nicht ersichtlih war, daß derjenige Richter, der den Vorsigz in der mündlichen Verhandlung geführt hatte, bei dec Berathun und Beschlußfassung des angesehenen Urtheils mligrwirii habe ; ferner weil das Urtheil fich mit der Angabe begnügte, „daß an der vorgeshriebenen Wartezeit noch vierzig Wochen fehlen“, ohne das Ergebniß der Beweisaufnahme nah irgend einer Richtung hin zu würdigen, es somit nicht mit Ent- scheidungsgründen versehen war (568).
Das iy ist — außer im Falle des dritten Satzes des § 79 des Jnvaliditäts- und Altcrsversiherungs- frleges — nicht befugt, eine shwebende Rentensache an den
orstand der Versicherungsanstalt zur anderweiten Fest- sezung zurückzuverweisen, es hat vielmehr den Streitstoff selbst nach jeder Richtung zu erledigen (569).
Die Berufung fei gilt in Jnvaliden- und Alters- rentensachen auch dann als gewahrt, wenn die Ermächtigung des Ne t s, zur Einlegung des Rechtsmittels erst nah Ablauf der Frist und zwar gleichzeitig mit der Aus- stellung der schrifilihen Vollmacht ertheilt ist (570).
Bei der Prüfung der Frage, wo jemand seine „Woh- nung“ im Sinne der Postordnung hat, handelt es fich wesent- lih nur um die Feststellung eines thatsächlichen Zustandes, niht um die Würdigung eines Rechts- verhältnisses: insbesondere bedarf es zur Verlegung der Wohnung nur eines thatsählihen Vorganges, nicht auch einer Ab- und Anmeldung bei einer Behörde. Auch kann, wenn jemand, ohne an bestimmter Stelle einen eigenen Haushalt zu haben, abwechselnd von dem einen zu dem anderen Kinde übersiedelt, um von ihnen unterstüßt zu werden, in einer solchen Uebersiedelung nicht bloß ein gelegent- liher Besuch, sondern eine Verlegung der Wohnung gefunden werden (571). -
Für die Annahme einer mit Erwerbsunfähigkeit ver- bundenen Krankheit im Sinne des § 17 Absay 2 des Jnvaliditäts- und Altersversicherungs3geseßes ist niht immer die völlige Unfähigkeit zur Verrihtung irgend welcher Lohn- arbeiten erforderlich; vielmehr genügt es unter Umständen, wenn der Kranke zwar ein gewisses Maß von Erwerbsfähig- keit noch besitzt, indessen zur Schonung oder völligen Wieder- herstellung seiner Kräfte Vie Berufsthätigkeit ausseßt (572).
Die De eines Rentenbewerbers zu einer Gewerk- [Haft als Gewerke {ließt das Vorhandensein eines
rbeiterverhältnisses zwischen ihm und der Gesammtheit der Unternehmer an sih nicht aus (572).
Ein Wochenbett i} jedenfalls dann als eine mit Er- werbsunfähigkeit verbundene Krankheit anzusehen, wenn durch das Wochenbett ein bereits vorhandener Krankheits- oder Schwächezustand verschlimmert wird dergestalt, daß das Wochenbett niht mehr als die alleinige Ursache der einge- tretenen Erwerbsunfähigkeit in Betracht kommen kann (573).
Die Feststellung der Anzahl und Art der in ciner un- brauchbaren oder verlorenen Karte befindlih gewesenen Marken und ihre Ucbertragung in urkundlicher Form ist Sache der die erneuerte Quittunoskarte ausfertigenden Amtsstelle. —
enn auch die Bescheinigung der Kartenausgabe- stelle eine unbedingt verbindlihe Kraft gegenüber der Versicherungsanstalt niht beanspruchen kann, so ist es doch mit der Bedeutung der Bescheinigung als einer öffentlichen Urkunde unvereinbar, daß ein einfaches Bestreiten seitens eines Betheiligten ihre Beweiskraft aufhebe (574).
(Die neben den einzelnen Rekurs- und Revistons-Entschei- dungen, Bescheiden und Beschlüssen stehenden eingeklammerten
ahien geben die Ziffer an, unter der diese in den „Amtlichen Nachrichten“ veröffentlicht sind.)
Der Wirkliche Geheime Ober-Regierungs-Rath im Reichs- Eisenbahnamt Kraefft ist aus Süddeutschland zurückgekehrt.
Der Regierungs-Assessor Not h zu Danzig ist der König- lihen Regierung zu Königsberg zur weiteren dienstlihen Ver- wendung überwiesen worden.
Die Regierungs - Referendare Freiherr von Schröder aus Hannover, von Alvensleben aus Stade, Roßmann aus Gumbinnen, Dr. Richter aus Merseburg und Dr. Schnee aus Erfurt haben die zweite Staatsprüfung für den höheren Verwaltungsdienst bestanden.
Der Reichs-Postdampfer „König“ der Deutschen Ost- Afrikalinie is mit der Ablösung für S. M. K. „Seeadler“ — Transportführer: Kapitän-Lieutenant Wilbrandt — am 7. Mai in Sansibar eingetroffen.
Wiesbaden, 7. Mai. Jn der heutigen 6. Sigung des Kommunal-Landtages wurde zunähst der Antrag der Abgg. Groos und Genossen angenommen: bei der Königlichen Staatsregierung dahin zu wirken, daß bei Ausführung von Konsolidationsbeshlüssen im Geltungsbereih des Gesetzes, be- treffend das Verfahren und das Kostenwesen bei der Güter- fonsolidation im Regierungsbezirk Wiesbaden vom 21 März 187 i De Ub O E lente BexLod: sungsbezirke gebildet und Uebertragungen aus einem Ver- loosungsbezirk in einen anderen nur in zwingenden Fällen vorgenommen würden, auch bei der Zutheilung der neuen Parzellen in der Regel nah der Vorschrift des § 13 der Jnstruftion vom 2. Januar 1830 verfahren werde, sowie auch die Ueberweisung der neuen Pläne thunlichst shnell und felder- weise — nicht zusammen — erfolgen solle. Alsdann wurde in den“ Landesausshuß an Stelle des zum Vorsißenden gewählten Dr. Heußenstamm der Abgeordnete Landrath Fromme ewählt. Das Gesuch des 2c. Ernst zu Holzhausen um Be- willigung eines Zuschusses zu den Kosten der Unterbringung seines Sohnes in der Jdioten-Anstalt Scheuern wurde dem Landesauss{huß zur Prüfung und Ea, überwiesen, cbenso auch das Gesuh des Comités für Veranstaltung einer ung in Frankfurt a. M. um Bewilligung einer Beihilfe. Der Bericht des Landesausschusses über die Ergebnisse der Bezirksverwaltung vom 1. April 1895 bis Anfang 1897 wurde durch Kenntnißnahme für erledigt erklärt. Die Spezial - Etats des Mesliorationsfonds, des ständishen Wegebaufonds und des Fonds für Errich- tung einer zweiten FJrrenanstalt, sowie der Haupt-
Etat der ständishen allgemeinen Verwaltung wurden mit den „von der Finanzkommission beantragten erungen ge- nehmigt. Zu dem Gesuch der Allgemeinen Deutschen Kleinbahn; gesellshaft um Unterstüßung des Bahnbaues vom Zollhaus nah St. Goarshausen wurde beschlossen, sih mit der Erweite- rung des Unternehmens durh Herstellung einer Zweigtinie von Nastätten nah dem Rheinufer bei Oberlahnstein ein- verstanden zu erklären und den in der Sigung vom 23. April 1896 gefaßten Beshluß auf Gewährung einer ladung von 500000 M mit der Maßgabe aufrecht zu erhalten, daß der Landesaus\{huß ermächtigt wird, in Abweichung von den fest- geliellen Grundsägen bezüglih der Betheiligung an Klein- ahnen die Aufwendungen für Beschaffung des Grund und Bodens seitens der betheiligten Kreise bei Berehnung des Gesammtikapitals des Unternehmens in Ansag zu bringen und den betheiligten Kreisen eine dem Antheil des Kommunal- verbandes nachstehende Betheiligung zu gewähren. Be- züglih des Gesuhes des Eisenbahn - Comités zu Herschbach um Unterstüßung des Baues einer Krlein- bahn von Selters über Hershbah nach Hachenburg sowie be- züglich der Vorlage, betreffend den Bau einer Kleinbahn von Frankenberg durch das Eder-Thal nah Raumland, wurde be- lossen, zu erklären, daß die Ausführung der gedachten Klein- ahnprojekte für wünschenswerth zu erachten sei, und den Landesauss{chuß zu ersuchen, die Projekte nah Thunlichkeit zu fördern mit der Maßgabe, daß, abweichend von den Normativ- bestimmungen vom 23. April 1896, die in Aussicht genommenen Aktien Läitt. C an den Ertragsübershüssen theilnehmen dürfen : diese Aktien sollen jedoch erst dann dividendenberechtigt sein, wenn Lätt. A und B eine Vorzugsdividende crhalten haben. Zu dem Gesuche der Kreise Obertaunus und Höchst um Unterstüßung des Baues einer Kleinbahn Höchst—Königstein wurde beschlossen :
1) zu erklären, daß die Ausführung dieser Kleinbahn für wünschenswerth zu erachten sei;
2) den Landesausschuß zu ersuchen, das vorliegende Projekt unter der Voraussetzung, daß der für die gesammte Bahnanlage er- forderliche Grund und Boden von den betheiligten Kreisen unentgeltlich hergegeben wird, nach Thunlichkeit zu fördern und hierbei erforder- lihenfalls in Abweichung von den Normatiy-Bestimmungen vom 23. April 1896 den beiden betheiligten Kreisen für ihren Antheil an dem Anlagekapital eine gewisse Begünstigung einzuräumen ;
3) ih dafür auszusprechen, daß der Bahnhof Königstein so gelegt werden möge, daß eine spätere Fortseßung der Bahn durch das Weil- Thal möglich sei;
4) si damit einverstanden zu erklären, daß der Bau der in Rede stehenden Kleinbahn, wean das erforderliche Anlagekapital sicher gestellt ist, von dem Bezirksperband ausgeführt werde, und der Betrieb, inso- fern angemessene Bedingungen erzielt werden, der Königlichen Eisen- bahn-Direktion Frankfurt a. M. überlassen werde.
Bezüglich der sämmtlichen vorstehend gedachten Kleinbahn- projekte wurde die Erwartung ausgesprochen, daß seitens der Staats-Eisenbahnverwaltung keine derartigen Beschrän- kungen des lokalen Verkehrs angeordnet werden, welche die Rentabilität des Unternehmens beeinträchtigen. Auf Antrag des Vorsißenden des Kommunal:Landtages wurde alsdann noch folgender Beschluß gefaßt:
1) Seiner Majestät dem Kaiser und König die unter- thänigste Bitte vorzutragen, bei Gelegenheit AllerhöGstdessen Aufenthalts im Bezirk während der großen Manöver ein von dem Kommunal- Verbände des Regierungsbezirks Wiesbaden zu veranstaltendes Fest- mahl gnädigst anzunehmen ;
2) den Landes-Direktor zu beauftragen, Seiner Maj-ftät diese Bitte zu unterbreiten, Allerhöchstdessen bezüglichen Befehl entgegen- zunehmen und das Weitere zur Ausführung in die Wege zu leiten.
Demnächst wurde der Kommunal-Landtag von dem stell- vertretenden Landtagskommissar mit einer Ansprahe für ge- {lossen erklärt.
Köln, 7. Mai. Der Reichsbank-Präsident, Wirkliche Geheime Rath Dr. Koch, welcher vorgestern in Düren die Teppichfabrik von Gebr. Schöller und das neue Geschäfts- gebäude der dortigen Reichsbank-Nebenstelle besichtigt und gestern das neue Reichsbankgebäude und die Reichsbank- Hauptstelle in dem alten Hause eingehend inspiziert hatte, begab sih heute Vormittag mit dem Regierungs-Präsidenten e von Richthofen und einigen Notabeln des Handels- tandes nach Mülheim a. Rhein und rahm mit diesen die Schwebebahn-Anlagen und die Fabrik von van der Zypen u. Charlier, alsdann die berühmte Drahtseil - Fabrik von Velten u. Guilleaume in M revidierte die Reichs- bank-Nebenstele und seßte Nachmittags seine Reise nah Frankfurt am Main fort, wo morgen die allzährliche Konferenz der süddeutschen Reihsbank-Vorstand s- beamten stattfindet. Allseitig ist der Eindruck dek Kölncr Dienstreise des Reihsbank-Präsidenten ein äußerst befriedigender.
Oesterreih-Ungarn.
Der Kaiser empfing v-rgestern den österreichischen Minister-Präsidenten Grafen Badeni und den ungarischen Minister - Präsidenten Baron Batnffy sowie die beider- seitigen Finanz - Minisier; DL, von Bilinsli Und von Lukacs, in gemeinsamer Audienz.
Die Kaiserin is} gestern Abend mittels Sonderzuges zum Kurgebrauch nah Kissingen abgereist. Der Kaiser ge- leitete Jhre Majestät zum Bahnhof.
Der König Alexander von Serbien iff am Sonn- abend Abend mit dem Minister-Präsidenten Simitsch und dem Finanz - Minister Wuitsh in Wien eingetroffen und wird bis heute Abend daselbst verweilen. Der König empfing heute den Minister des Aeußern Grafen Goluchowski. Der serbishe Minister-Präfident Simitsch stattete dem Grafen Goluchowski einen Besuch ab.
Das „Militär-Verordnungs-Blati“ veröffentliht die Er- nennung des Großfürsten Nikolaus Nikolajewitsch von Rußland zum Oberst-Jnhaber des 12. Dragoner-Regiments.
Jn der vorgestrigen Sißzung des österreichischen Herrenhauses widmete der Präsident Fürst Windisch- gräß der Herzogin von Alençon einen tief empfundenen Nachruf. — Jm österreihishen Abgeordnetenhause erhob vorgestern der Abg. Funke Beschwerde darüber, daß die Jungczehen die Deutshen gewaltsam verhindert hätten, die Rede des Justiz - Ministers zu hören. Dies sei ein unwürdiges Benehmen. Der Präsident Dr. Kathrein erklärte, die Vorgänge am * Freitag seien nicht geeignet gewesen, das Ansehen des Parlaments zu heben. Die Abgeordneten müßten selbst das Gefühl haben, wie weit sie innerhalb der Grenzen des Erlaubten gehen könnten. Nach Wiederaufnahme der Debatte über den Antrag, betreffend die Verseßung der Minister in den Anklagezustand,
erklärte der Abg. Groß, die Deutschen erblickten in dex
Sprachenverordnung den ersten Schritt zur Errichtung eines Wenzel-Reihs und bekämpften dieselbe auf das entschiedenste. Der . Graf Dubsfy beantragte, unter dem Beifall des liberalen Großgrundbesißes und mit dem Ausdruck der Nichtbilligung des Vorgehens der M ertR über die Anklage als eine zu Bes Maßregel zur Tagesordnung überzugehen. Der Abg. Graf Falkenhayn bestritt, daß die Sprachenverordnungen gleihbedeutend mit der Vernichtung des Deutschthums seien. Die Verordnungen enthielten nichts dem Deutshthum Schädliches. Den Versuchen, das Volk auf- nen, müsse entgegengetreten werden. Unter lebhaftem
eifall der Rechten und unter Widerspruh der Linken er- klärte Graf Falkenhayn, seine Partei stimme, da sie nah keiner Seite eine Gefahr erblicken könne, für den Uebergang zur Tagesordnung. Der Abg. Kindermann erhob unter dem Beifall der Linken Einspruh gegen die Aeußerung des JZustiz-Ministers, daß die Anträge auf Verseßung der Minister in den Anklagezustand nicht ernst gemeint seien. Der Redner schilderte ausführlih die politishen Folgen der Sprachenver- ordnung, indem er auf die Zeitungsstimmen aus Deutschland hinwies, und {loß damit, Graf Badeni habe die Deuischen in den Sudetenländern zu Schmerzenskindern Deutschlands gemaht, weshalb die Anklage gerechtfertigt sei. Schließlih wurde der Antrag des Abg. Kaizl auf Uebergang zur Tagesordnung mit 203 gegen 163 Stimmen angenommen. Gegen den Antrag stimmten die Deutsch-Fortschrittlichen, die deutshe Volkspartei, die Anhänger des Abg. von Schönerer, die Christlih-Sozialen, die Ftaliener und der liberale Großgrundbesiz. Die Abgg. Schucker und Genossen rihteten eine Jnterpellation an den Eisenbahn - Minister bezüglich der Anwendung des O Rohstoff-Tarifes auch tir die österreichishen Grenz- tationen.
Im ungarischen Unterhause begründete am Sonn- abend der Abg. Kossuth eine Jnterpellation an den Minister-Präsidenten folgenden Jnhalts: Dem Vernehmen nah haben die V.rireter der Großmächte am 7. Mai der griehishen Regierung eine Note überreicht, in welcher sie Ein- stellung der Feindseligkeiten und Abschluß eines Waffen- stillstandes empfehlen; angeblich werden die Vertreter der Großmächte eine Note deéselben Jnhalts in Konstan- tinopel überreihen. Er frage den Minister-Präsidenten, ob diese Nachriht der Wahrheit entsprehe; wenn nicht, ob Oesterreih-Ungarn die Absicht habe, nah dieser Richtung hin die Jnitiative zu ergreifen, damit eine Fortseßung des nuy- losen Blutvergießens, wenn möglich, verhindert werde.
Frankreich.
Der Trauergottesdienst für die bei dem Brande des Wohlthätigkeits - Bazars Verunglückten hat am Sonnabend Mittag in der Notre Dame-Kirche zu Paris unter großer Betheiligung staitgefunden. Das mittlere Eingangsthor der Kirhe war s{chwarz ausgeschlagen und von einem großen, die Jnitialen „R. F.“ tragenden Schilde über- ragt. Jn der Mitte der Kirhe war ein großer Katafalk errichtet, welchen zahlreihe Kränze, darunter diejenigen Jhrer Sailer H des Deutschen Kaisers und der Deutschen Kai]jerin, bedeckten. An der Feier nahmen in Vertretung des Deutschen Kaisers und der Deutschen Kaiserin der Fürst und die Fürstin Radziwill theil. Das Fürstlich: Paar wurde bei der Ankunft vor der Kirche von dem Direktor des Protokolls Crozier empfangen. Der Kaiser von Rußland war durh den Herzog von Leuchtenberg vertreten. Auch der Lord-Mayor von London war zugegen. Die zur Theilnahme an der Feier Geladenen erschienen in sehr großer Zahl; außerhalb der Kirche drängte sih eine gewaltige Menschenmenge. Republikanische Garden zu Fuß und gu Pferd bildeten Spalier. Die An- fahrt des Präsidenten Faure erfolgte um 12 Uhr Mittags; Kürassiere eskortierten den Wagen dcs Präsidenten; die Truppen präsentierten, die große Glocke der Metropolitan- firhe begann zu läuten, und die Geistlichkeit geleitete den Präsidenten nach der Estrade, auf der sich die Ange- hörigen der bei der Katastrophe Verunglückten, die Mit: glieder der Regierung, die Mitglieder des diplomatischen Korps und zahlreiche andere hervorragende Persönlichkeiten be- fanden. Nach der von dem Doyen des Metropolitankapitels Msgr. Delescaille zelebrierten Todtenmesse hielt P. Ollivier eine Ansprache, der er den Text zu Grunde legte: „Selig sind, die da wohlthun“. Nach Beendigung der Feier wurde der Präsident Faure von der Geistlichkeit nah dem Portal der Kirche zurückgeleitet. Das diplomatishe Korps, an dessen Spiße sich der Nuntius Msgr. Clari und der russishe Bot- hafter von Mohrenheim befanden, trat auf den Präsi denten zu, um demselben seine Theilnahme auszusprechen. Der russishe Botschafter sprah im Namen des Kaisers und der Kaiserin von Rußland aus, wie vollen Antheil die Mazestäien an “der Trauer Frankreihs nähmen. Der Bot schafter äußerte sih ferner im Auftrage Jhrer Majestäten rühm-end über die zahlreihen Beweise von Aufopferung bei dem Brande. Der Präsident Faure bat den Botschafter, den russishen Majestäten seinen Dank zu übermitteln für den Ausdruck des Beileids und für den Beweis der Sympathie, der sich darin zeige, daß sich der Kaiser bei der Leichen- feier durch den Herzog von Leuchtenberg habe vertreten lassen. Nachdem der Präfident Faure die Kirche verlassen hatte, gruppierten sich alle Geladenen um den vor der Kirche er- rihteten katafalkertigen Bau. Der Minister des Jnnern Barthou hielt nunmehr eine Rede, worin er im Namen der Regierung den Opfern der Katastrophe, die in Ausübung der Wohlthätigkeit ihr Leben gelassen, ein ehrendes G&- denken weihte. Das Unheil, führte er aus, habe Trauer bis zu den Stufen eines Thrones verbreitet. Der Minister dankte sodann den Personen, welhe zur Rettung einer großen Anzahl der bei dem Brande Bedrohten beigetragen hatten, und s{chloß, indem er sagte: die große Katastrophe trag? ihren Trost in sich, wenn sie Milde, Wohlthätigkeit, Güte für unsere Nächjten lehre. Um 2 Uhr Nachmittag war die Feier zu Ende. L
Der Fürst und die Fürstin Radziwill begaben si am Sonnabend Nachmittag nah dem Elysée, wo der Fur! von dem Präsidenten Faure, die Fürstin von Madame Faure empfangen wurde. Am Freitag gs hatte der Fürst in Begleitung des e zu Münster dem Herz089 von Alençon einen Beileidsbesuch abgestattet. e
Der Präsident der Südafrikanischen Republik Krugek hat an den Präsidenten Faure ein Telegramm gerichtel, worin cs heißt : Er habe mit tiefem Schmerz die Nachricht v0? dem Brandunglück erfahren und bitte die französische Nation und den Präsidenten Faure, die Versicherung aufrichtig}le?
Mitgefühls entgegenzunehmen. Der Präsident Faure er- widerte mit herzlihem Dank für diese Ausdrücke der Sympathie.
er Fan und die Fürstin Radziwill werden, wie „W. T. B.“ meldet, den Kaiser Wilhelm und die Kaiserin
quste Victoria bei der Beiseßung der Herzogin Bus s n in Dreux vertreten. Die Trauerfeier findet in Paris am Freitag und in Dreux am Sonntag statt. Die Leiche des Herzogs von Aumale wird am Donnerstag mittels Sonderzuges direkt von Palermo nah Dreux abgehen. Der E französische
von Orléans wird dieselbe bis an die renze begleiten.
Ftalien.
Der gestern in Turin erfolgten feierlihen Grundstein- legung für eine Denksäule zur Erinnerung an die vor 50 Jahren erlassene Staatsverfassung wohnten, wie „W. T. B.“ meldet, der König und die Königin, sämmtlihe Prinzen und Prinzessinnen, die Minister Brin und Sineo, die piemontesishen Deputirten und Senatoren sowie zahl- reiche Vereine bei. Der Deputirte Villa hielt die Festrede. Die Majestäten und die Mitglieder des Königshauses wurden begeistert begrüßt. ' / i
Der Herzog und die Herzogin vvn Orleans sind, wie aus Palermo berichtet wird, gestern Vormittag daselbst eingetroffen. Die italienishe Regierung stellte Höchstdenselben ein Kriegs\chiff zur Ueberführung der Leiche des
erzogs von Aumale nah Frankreih zur Verfügung. Le erzog und die Herzogin zogen jedoch den Transport auf der Eisenbahn vor und dankten dem Minister-Präsidenten di Nudini für das Beileid, sowie für die dem Herzog von Aumale erwiesenen Ehrenbezeugungen.
Spanien.
Die Wahlen zu den Munizipalräthen haben, wie dem „W. T. B.“ aus Madrid berichtet wird, mehrfach Ruhestörungen verursaht. Jn Bilbao veranstalteten die Sozialisten eine Kundgebung. Jn Linares wurde ein liberaler Wähler getödtet.
Türkei.
Das Wiener „Telegr. - Korresp. - Bureau“ berichtet aus Konstantinopel, daß die Botschafter nah längerer Pause vorgestern wieder zu einer Konferenz H ttumig getreten seien. Die Besprechung habe der üblichen wechselseitigen Bekanntgebung der eingelaufenen Berichte und der Erledigung einiger lau- fenden, auf Kreta bezüglichen und sonstigen Angelegenheiten ge- golten. Hcute soll eine weitere Besprehung der Bo!schafter stattfinden. i : S
Ghazi Osman Pascha ist vorgestern nach Konstantinopel zurügekehrt. E
Einer amtlichen Mittheilung zufolge hat, wie „W. T. B.“ berichtet, Edhem Pa) cha oe früh 6 Uhr aus Ve- lestino eine Depesche nah Konstantinopel gesandt, worin es heiße: der brit ische und der französische Konsul seien im Namen des Konsularkorps mit Marinemannschaften, die ihnen mit Fahnen voranmarschierten, nah Velefiino gekommen. Sie hätten erkiärt, daß Volo geräumt sei und daß die Griechen die Sträflinge freigelassen hätten. Um zu verhindern, daß diese in der Stadt plünderten, hätten die Konsuln als provi- sorishe Maßnahme Marinesoldaten landen lassen. Sie bäten darum, die Konsulate und die Niederlassungen der Ausländer durch türkische Truppen zu shüßen. Er, Edhem Pascha, habe ihnen zustimmend geantwortet. Jn der Depesche heiße es sodann weiter: der Oberst im Generalstabe Enver Pascha marschiere mit 10 Bataillonen auf Volo. Er habe Befehl erhalten, mit 6 Bataillonen die die Stadt beherrshenden Höhen zu beschen, mit 4 Bataillonen in Volo selbst einzu- rücken und Unordnungen zu verhindern. — Der Einzug der türkishen Truppen in Volo erfolgte am Sonnabend Vor- mittag um 10 Uhr. Es wurden daselbst viele Geschüße, Kriegsmaterial und Proviant crbeutet. Jm Golf von Volo kreuzen gricehishe Torpedoboote.
Nah einer in Athen eingetroffenen Meldung aus Domoko von vorgestecn früh 9 Uhr hat sich, wie die „Agence Havas“ meldet, eine türkishe Kavallerieabtheilung, welhe den Auftlärungsdienst versah, Domoko auf zwei Stunden ge- nähert. Dieselbe zog sich bei der Annäherung griechischer Truppen, die den Befehl hatten, den Feind zu ver- folgen und das Terrain aufzuklären, zurück. Die Griechen drangen bis zu den tüúürkischen Vorposten vor. Die Armee des Kronprinzen hält alle Pässe beseßt, durch welhe die türkishe Armee über das Othrys - Gebirge gelangexa kann, besonders die Pässe von Agoriani und Tsa- massi. Eine weitere Meldung von gestern früh besagt, daß die türkishe Kavallerie ihre Rekognoscierungen for1seße; die türkishen Vorposten ständen in Vryssa und Kitini; der An- griff der Türken auf Domoko dürfte demnächst erfolgen. Die griehischen Truppen seien eifrig damit beschäftigt, ihre Stellungen bei Domoko zu vershanzen. — Aus Athen von heute früh meldet die „Agence Havas“: aus Domoko werde berichtet, daß die türkishen Vorposten bis Skarmitsa vor- aeshoben seien. Bedeutende türkische Streitkräfte rückten von Pharsala aus vor. Auf der Linie Domoko-Almyro würden fleinere Zusammcnstöße erwartet. An einzelnen Stellen sollten die Türken bereits mit der Brigade Smolenski in Berührung gekommen sein. Oberst Smolenski befinde sih in Pursuply (?). Die griehishe Armee siehe kampfbercit.
Das Wiener „Telgr.-Korresp.-Bureau“ erfährt aus Kon- stantinopel, daß die türkischen Truppenabtheilungen, welche gegen Domoko einerseits und Almyro (Ermia) andererseits Rekognoscierungen unternähmen, bis nah Tfiflari, Purnari, Karatsali, Kislar und Dauza gekommen seien.
Der Oberbefehlshaber des cpirotishen Korps meldet, daß die griehishen Banden, welche sih auf den Höhen von Zalongos, südwestlich von Luros, aufgehalten hätten, aus dem Kloster Zalongos und dem Dorfe Samartepe vertrieben und zerstreut worden seien.
Griechenland.
Die griehishe Regierung hat, wie die „Agence Havas“ meldet, den Mächten die Zurückberufung von 29 Offizieren und 2 Kompagnien Sappeurs aus Kreta mit- getheilt und die Zusage gemacht, daß die anderen Truppen innerhalb einer kurzen Frist aus Kreta zurückberufen werden würden. Nach bieter Erklärung k;ätten die Mächte ihre Ver- mittelung zwishen Griechenland und der Türkei angeboten und gleichzeitig verlangt, Griechenland solle die Wahrnehmung seiner Interessen ohne Vorbehalt in die Hände Europas legen. Die griechishe Regierung dringe auf eine Modifikation dieser Bedingung.
Die griehishe Regierung hat die Mächte ersucht, ihre Geschwader - Chefs anzuweisen, daß sie den griehischen Kriegsschiffen gestatten, die vonKreta abberufenen Truppen an Bord zu nehmen. Die Abberufung wird damit erklärt, daß die Truppen zur Vertheidigung Thessaliens sofort nöthig seien.
Der Oberst Vassos ist von Kreta in Athen eingetroffen.
Dänemark.
__ Das Landesthing hat, dem „W. T. B.“ zufolge, in seiner vorgestrigen Abendsißung mit 39 gegen 20 Stimmen die Finanzvorlage in der von dem Folkething an- genommenen Fassung verworfen. Die Finanzvorlage ist damit beseitigt ; die Regierung beabsichtigt, in den nächsten Tagen eine neue Finanzvorlage einzubringen, durch welche die Streitpunkte ausgeglichen werden sollen.
Amerika.
Senator Wolcott, Charles J. Paine und Adlai Stevenson, die gemäß der Bill zur Förderung einer inter- nationalen bimetallistishen Konferenz zu Sonderbevollmäch- tigten für die Haupistaaten Europas ernannt wurden, sind, wie „W. T. B.“ berichtet, vorgestern von New-York nach Europa abgereist. Dieselben beabsichtigen, zunächst nah Paris, dann nach London und später nah Berlin und Wien zu gehen.
Afrika.
Wie die „Agence Havas“ aus Tanger meldet, ist der spanische Renegat, welher den deutshen Banquier Häßner er- mordete, vorgestern nah Spanien gebracht worden, wo ihm der Prozeß gemacht werden soll.
— Dem Hause der Abgeordneten ist der Entwurf eines Gesegzes, betreffend die Regelung der Forfstverhältnisse für das ehemalige Justizamt Olpe im Kreise Olpe, Regierungs- bezirk Arnsberg, zugegangen.
Nr. 18 des „Centralblatts für das Deutsße Reih“, herausgegeben im Reichsamt des Innern, vom 7. Mai, hat folgenden Inhalt: 1) Konsulatwesen: Ernennung; — Entlassung. — 2) Bankwesen: Status der deutshen Notenbanken Ende April 1897. — 3) Polizeiwesen : Ausweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiet.
Nr. 19 des „Centralblatts der Bauverwaltung“, heraus- gegeben im Ministerium der öffentlihen Arbeiten, vom 8. Mai, hat folgenden Inhalt: Amtliches: Runderlaß vom 23. April 1897, betreffend die Lieferung von E nt im Bereich der all- gemeinen Bauverwaltung. — Dienstnachrihten. — Nichtamtliches : Die Neubauten der Königlichen Charité in Berlin. — Die neue katholishe Garnisonkirhe in Berlin. — Versuche über Dichtung von Nadelwehren. — Auslegerträger mit Mittelstoß. — Vermischtes : Preisbewerbung für ein König Albert-Denkmal in Dresden. — Wettbewerb um Pläne zu Bahnhofsanlagen in Christiania. — Wett- bewerb um Entwürfe zur Hannovershen Bank in Hannover. — Ausfcheiden des Geheimen Regierungs-Raths, Professors H. Ende aus der Lehrthätigkeit an der Technischen Hochschule in Berlin. — Aus- stellung im Kunstgewerbe-Museum in Berlin. — Haus des Vereins Berliner Künstler. — Nationalfeste am Kyffhäuser. — Erweiterung des preußischen e Me eT a lanedes, — Unfallversiherung für die Studierenden der Technishen Hochschule in Dreéden. — Sammlung von Photographien englisher Baudenkmäler im Britishen Museum. — JIaternationaler Kongreß für technishen Unterriht in London. — Unterbringung der Wallace-Sammlung in London. — P. Blondel f. — Bücherschau.
Parlamentarische Nachrichten.
Die Berichte über die vorgestrigen Sißungen des Reich 8- tages und des Hauses der Abgeordneten befinden sih in der Ersten Beilage.
— Das Haus der Abgeordneten trat in der heutigen (80.) Sißgung, welcher der Finanz-Minister Dr. von Miquel, der Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten D. Dr. Bosse und der Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von
ammerstein beiwohnten, in die dritte Berathung des taatshaushalts-Etats le 1897,98 ein.
In der Generaldiskussion erhält zunächst das Wort
Abz. Rintelen (Zentr.): Meine politishen Freunde stehen mit übergroßer Mehrheit, fast einstimmig, auf dem Standpunkt, den wir in der zweiten Lesung eingenommen haben, daß wir die Befoldungs- vorlage ablehnen. Wir wollen keine neuen Anträge stellen, um die Verhandlungen niht noch mehr in die Länge zu ziehen, und weil sie auch feine Auésiht auf Annahme haben würden. Die ganze Befoldungsvorlage is ohne alles System her- gestellt, und es kommen Ungleichheiten darin vor, die an Üngerechtigkeit grenzen. Die ganze Vorlage ist ein Beweis für die G1öße der Energie der einzelnen Ressorthefs und der Werth- \häßung, die fi ihren Beamten zu theil werden lassen. Ich hebe nur die Stellung der Nichter den anderen Be- amten gegenüber hervor und namentlißh die Ungleichheit in der Behandlung der Richter der agrarishen Gerichte und der Richter der ordentlihen Gerichte, die hauptsählich auf Antrag des Landwirthschafts-Ministers und des Justiz-Ministers beschlossen ist. Der Abg. von Tiedemann hat in der zweiten Lesung au Kreta in die Debatte hineingezogen ; während ich sagte, daß wir bei der Aufstellung unseres Etats angesichts der drohenden Kriegsgefahr E ordentlich vorsichtig sein müssen, hat er die Sache fehr leiht genommen. Das Abgeordnetenhaus ist zwar niht der Ort, die auswärtigen Angeiegen- beiten zu erledigen, aber es kann toch immerhin aussprechen, daß die politisle Lage niht kiar ist und daher Vorsicht in den Finanzverhältnissen geboten is. Ein solher Konflikk wie der griechi]ch-türkishe Krieg kann auch weiteren Umfang annehmen, fodaß auch \chließli4 Deutschland darunter zu leiden haben könnte. Redner bespriht dann die zwishen den Richtern und NRegiezungs- Näthen bestehende Ungleichheit in der Besoldung; seine näheren Aus- führungen bleiben aber bei der steigenden Unruhe unverständlih. Er meint, die Wertbshäßung ver Beamten seitens der Regierung habe sich darin gezeigt, daß die Regierung gesagt habe: Wenn die Richter den MRegierungs-Nätben gleichgestellt würden, so wäre das cine Degradation für die Megierungs - Räthe. Der Justiz - Véinister sei sehr \chlecht unterrichtet, wenn - er meine, daß zwei Drittel der Richter über diese Gehaltsvorlage erfreut und damit einverstanden seien. Der Justiz-Minister habe au gesagt, dem Ansehen des Richterstandes würde die Einstellung der Agitation der Richter förderlich sein. Gegen diesen Ausdruck müsse er entschieden protestieren. Dec preußishe Richterstand habe noch das Anstands- i @ daß er niht wegen einer pekuniären Frage eine Agitation ins
olk werfe.
Abg. Freiherr von Zedliß und Neukirch (fr. konf.): Was Agitation ist, hängt von ihrer Art ab, nicht von eixem Protest. Ich überlasse das Urtheil also dem Hause. Der Vorredner begründet seinen Widerspru gegen die Besoldungsvorlage mit der Kriegs- gefahr. Dann hätte er, wie andere Staaten, für unsere Kriegs- rüstungen zu Wasser und zu Lande forgen müssen. Anträge stellen auch wir niht. Die Beseitigung von Härten auf der einen muß Ungleibheiten auf der anderen Seite hervorrufen. Einzelne Bedenken müssen zurücktreten. Vereinigen wir uns heute zu der Er- fiärung und zu dem Beschluß, die Besoldungsvorlage einstimmig im Ganzen anzunehmen. : :
Abg. Dr. Sattler (nl.): Wir sind der Meinung, daß der Etat möglichst rasch zum Abschluß gebraht werden muß, und werden deshalb auf Kreta und die Kriegsgesahr nit eingehen. Die Besoldungs- verbesserung für die Beamten muß endlih zur That werden, nahdem MRegierung und Landtag sie Jahre lang versprochen haben. Die Finanzverwaltung gestattet uns, damit Ernst zu machen. Auch wir werden aut Abänderungsanträge verzichten, aber niht, weil die vorgeshlagenen Säße rihtig und unanfehtbar wären. Die Differenzierung zwischen der Besoldung der Beamten im äußeren und im inneren Dienst, in den lokalen und provinziellen Be- hörden bleibt nah wie vor bestehen; ebenso zwischen den Regierungs- beamten und den Richtern. Auch die Härten für die Unter- beamten sind niht beseitigt worden, Troydem werden wir uns dabei beruhigen, um den Beamten schleunigst zu helfen. Wir werden für die Vorlage stimmen. Die Haltung unserer Partei is von der Presse, auh von der „Post“, ganz ungerehtfertigt angegriffen worden. Ich halte es unter meiner Würde, darauf einzugehen. Ein Widerstand war aus- sichtslos, nahdem es der Beredsamkeit des Finanz-Vcinisters in der Kommission gelungen war, die eine Stimme für die Vorlage zu gewinnen. Abänderungévorshläge in der zweiten Lesung durch- zubringen, war uns nit gelungen, und wir wollen den Beamten die ihnen zugedahte Gehaltsverbesserung niht vorenthalten.
(Schluß des Blattes.)
— Dem Reichstage ist ein Antrag der Abgg. von Salis h (d. n und Genossen auf Annahme eines Geseßentwurfs, betreffend einige Abänderungen und Ergänzungen der Strafprozeß- ordnung vom 1, Februar 1877 und der Zivilprozeßordnung vom 30. Januar 1877, sowie Aenderungen des Strafgeseß- buchs vom 26. Februar 1876, zugegangen.
Arbeiterbewegung.
In Breslau hatten die Tischler an ihre Arbeitgeber neue Forderungen wegen der Arbeitezeit und des Stundenlohns gestellt Wie nun der Berliner ,Volks-Zig." telegraphiert wird, lehnten die Tischlerinnung und die Freie Vereinigung der Möbelfabrikanten die Forderungen der Gesellen ab. Der Ausftand sollte infolge dessen heute beginnen.
In Brandenburg a. H. ist am Freitag, wie der „Br. Anz." berihtet, der Maureraus stand, der am 1. April begonnen hatte, auf Grund vom Stadtbaurath gemachter und von beiden Seiten an- genommener Vorschläge beigelegt worden.
In Leipzig ist einer Mittheilung des „Vorwärts“ zufolçe der Ausstand in der Pianofortemehaniken-Fabrik von Morgen- stern u. Kotirade im Sinne der Arbeiter beendet worden. (Vergl. Ne: 107 d. Bl) i
Hier in Berlin is nach demselben Blatt in dem Schuh - macherausstand bei den Firmen Reiß, Dearneborg und Stolzen- berg eine Einigung zwischen den Arbeitgebern und Arbeitern erfolgt. (Val. Nx. 105 d. Bl). :
In Narva sind, wie der „Köln. Ztg.“ aus St. Petersburg telegraphiert wird, die Arbeiter der dortigen (Kränholm' schen) Ak tien - Baumwollf{pinnerei in den Ausstand getreten.
Kunst und Wissenschaft,
Als jüngst die Reliefs der Marcus-Säule auf Piazza Colonna in Rom für die Herausgabe photographiert wurden, welche inzwishen in dem Werke von Peietson von Domaszewski und Calderini, mit einem Beitrage auch von Mommsen, erschienen is, wurden auch von einzelnen Theilen der Reliefs Formen genommen, welche die Königlichen Museen hier zur Vervielfältigung erhalten haben. Die Abgüsse sind jeßt in der Formerei der Königlichen Museen in Charlotten- burg, Sophie-Charlotten-Straße 17/18, dicht neben der Stadt- bahnstation Westend, in den Wochentagen von 9 Uhr Vor- mittags bis 4 Uhr Nachmittags zur Besichtigung ausgestellt, aber nur bis zum 22. Mai.
Bekanntlich ist die Säule mit ihrem reihen Bildershmuck in Nachahmung der Trajanssäule errichtet zur Verherrlichung der Siege des Kaisers über germanishe und sarmatische Stämme im March- und Theyß - Lande, Siege, welhe im Triumphe des Jahres 176 n. Chr. gefeiert wurden. Die Darstellungen sind somit ein besonders altes Blatt aus der Geschichte au unserer Volksstämme. Wenn sie demnah wohl geeignet sind, ein allgemeineres Jnteresse als nur das der Spezialforscher zu erwecken, so muß auf die gegenwärtige Aus- stellung in der Museumsformerei um so mehr hingewiesen werden, als die Abgüsse hier niht nur zum ersten, sondern wahrscheinlich auf geraume Zeit hin auch zum leßten Mal allgemein zugänglih zu sehen find. Sie nehmen bei einer Hëhe von reihlich über einem Meter eine Gesammtlänge von etwa 50 Metern ein, und bei der immer gesteigerten Raumnoth unserer Museen, bei welcher es unmög- lich ist, so viele und noh viel werthvollere Sammlungsgegen- stände als diese dem Publikum sichtbar zu machen, werden sie, da auch der Raum in der Formerei nicht länger zur Ver- fügung gestellt werden kann, nah dem 22. Mai in ihrer Ge- sammtheit wenigstens zer Betrachtung wieder entzogen werden müssen. Die hiesigen Abgüsse sind aber neben einem der Königlich italienishen Regierung in Nom verbliebenen Exem- plar die einzigen bis jeßt vorhandenen.
Bei der Auswahl der abzuformenden Stücke hat man sih davon leiten lassen: einmal Einzelheiten der Körper- erscheinung, der Tracht, der Wohnungen, Befestigungen u. st. w. der uns doch besonders interessierenden Römerfeinde heraus- zusuchen, dann aber auch ganze, besonders merkwürdige unter den dargestellten Kriegsereignissen vorzuführen. : j
Unter diesen Ereignissen hat keines bisher so sehr die Aufmerksamkeit erregt, ist Gegenstand so eingehender Unter- suhungen und Erörterungen gewesen, wird auch jedem heutigen Beschauer so anziehend erscheinen, wie das wohl kurz so genannte „Regenwunder“. Das n Heer war in Be- drängniß durch Wassermangel. Seiner Noth wurde abgeholfen durch einen gewaltig ausbrechenden Regenguß, der den Römern Trank für Menschen und Thiere, zugleich aber ihren Feinden im Berglande durh seine plößlichen Fluthen Verderben brachte. Der Vorgang machte einen gewal- tigen Eindruck, welcher sih bis in die Legende hinein fort- seßte, daß christliche Soldaten im römischen Heere durch Gebet zu ihrem Gotte die himmlische Hilfe herbeigeführt hätten. Jn dieser Über drei Meter langen Darstellung bieten die Säulen- reliefs eine in plastisher Kürze gefaßte authentische E wärtigung des Ereignisses, zeiaen das römische Heer auf dem Marsche, den Regen personifiziert in ciner gewaltigen ge- flügelten Mannesersheinung, von deren Bart und ausge- breiteten Armen das Wasser entströmt, von einzelnen Römern