1897 / 109 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 10 May 1897 18:00:01 GMT) scan diff

die getrennten Verkaufsräume zu sireihen; 2) von den Abgg. von Grand-Ry und Genossen, welhe besondere Be- stimmungen für die Ortschaften, die weniger als 5000 Ein- wohner haben, aber in baulihem Zusammenhange mit Ort- schaften üer 5000 Einwohnern stehen, getroffen wissen wollen.

Abg. Rettich (d. konf.) vertritt diesen leßteren Antrag.

Abg. Wurm E Wir wollen den legten Versuch machen den Kommissionsbeschluß wiederherzustellen, werden aber ließli gegen das ganze Geseh stimmen.

S 4 wird nah dem Antrag von Grand-Ry angenommen.

Zu S 7 haben die Sozialdemokraten ihren Antrag wiederholt, daß auch die Butterproduzenten von ihrem Betriebe Anzeige machen sollen.

Abg. von Ploet (d. kons.): Wir können für den Antrag nicht stimmen, weil er die leinen Butterproduzenten nicht freiläßt.

Abg. Dr. Barth (fr. Vag.): Wenn Sie die kleinen Butter- produzenten nit unter das Gefeß fallen lassen wollen, dann lassen Sie do auch die kleinen Händler heraus. Ih beantrage deshalb, die Worte „oder vertreiben will“ zu streichen, sodaß nur die Margarine- produzenten ihre Betriebe anzeigen müssen.

; 7 wird mit dem Antrage Barth angenommen. ei 8 8 konstatiert 5

Abg. Dr. Barth, daß nah den zu § 4 gefaßten Beschlüssen Butter und Margarine nicht in denselben Räumen feilgeboten werden fönnten: ebenso wenig Butterkäse und Margarinekäse; aber es sei niht ausgeschlossen, daß die Butter und der Margarinekäse oder die Margarine und der Butterkäse in denselben Räumen verkauft würden.

8 8 und der Rest des Gesegßes wird unverändert an- genommen. i i

Präsident Freiherr von Buol will die namentliche Abstimmung über das Geseß im Ganzen vornehmen lafsen. ;

Abg. Dr. von Leveßow (d. konf.) macht jedo darauf auf- tnerksam, daß bet der Annahme mehrerer Anträge erft eine Zusammen- stellung der Beschlüsse erfolcen müsse.

Die Abstimmung wird darauf auf eine spätere Sizung

verschoben. A ; Schluß 41/2 Uhr. Nächste Sigung Dienstag 2 Uhr.

(Aenderung des Reliktengesezes, zweiter Nachtrags-Etat und Petitionen.)

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

79. Sigzung vom 8. Mai 1897.

Das Haus segt die zweite Berathung des Etats des Ministeriums der geistlihen, Unterrichts- und Medizinal - Angelegenheiten bei den einmaligen

Ausgaben fort. i / : Ueber den ersten Theil der Debatte ist vorgestern berichtet

worden.

Qu Erweiterung der Kunstmuseen dur Errichtung von Gebäuden auf der Museumsinsel in Berlin werden als erste Rate der auf 5 850 000 M veranschlagten Gesammtkosten 500 000 M gefordert. : i 2

Abg. von Kröcher (konf.): Es wird uns s{hwer, diese Millionen für Museumszwecke aus der Tasche der Steuerzahler zu bewilligen, denen es recht {lecht geht. Und das soll geschchen in einem Augen- blick, wo die Amerikaner einem großen Tbeil unserer Industrie und unserer gesammten Landwirthschaft das biéchen Fell, das sie noch hat, über die Ohren ziehen wollen. Und unsere Regierung macht nicht einmal Miene, dagegen Reprcssalien zu ergreifen. Wir lassen aber uxsere Bedenken gegen die Position shweigen. Seine Majestät der Kaiser hat die Absicht, auf der Spiye der Museumsinfel ein Denk- mal für Seinen Hochseligen Vater zu errichten. Wir sind bereit, dem Vorgang des Reichstages, welcher die Mittel zur Errichtung des Denkmals für Kaiser Wilhelm 1. aus Reichsmitteln bewilligt hat, folgend, die Kosten der Errichtung eines Denkmals für Kaiser Friedri II1. aus Staatêmitteln zu bewilligen. |

Abg. Dr. Langerhans (fr. Volksp.): Ich verstehe nicht, wie man zweifelhaft sein kann, diese Summe für Kunst und Wissenschaft zu bewilligen, die der Gesammtheit zum Nuyen gereiht. Mir gefällt es nicht, wie man nur einzelne Gebäude auf dem kostbaren Stück Land der Museumsinsel eccihten will, um sie später wieder wegzureißen, anstatt daß man einen einheitlichen Plan für die Bebauung aufstellt. Bei der nächsten Etatsbewilligung sollte uns die Regierung einen solchen einheitlihen Plan vorlegen. L

General-Direktor der Königlichen Museen Dr. Schsne: An der Feststellung eines einheitlichen Plans für die Unterbringung unserer Kunst- \häâue fehlt es nicht. Es ist dazu eine Konkurrenz autgeschrieben gewesen. Auf der Spitze der Museumsinsel soll ein Gebäude für die Kunstshäße der christliden Periode errihtet werden, auf der anderen Seite der Stadtbahn ein Gebäude für die Antike, und auf dem Terrain des Aktienspeihers ein Gebäude für die Bedürfnisse unserer Gipsfamm- lungen. Die Beforgniß, daß planlos ins Blaue hinein vorgegangen wird, ist nicht gerechtfertigt. 4 :

Abg. Rickert (fr. Vgg.): Herr von Kröcher hat es für ange- messen erachtet, hier die Belegénbeit vom Zaune zu brehen, um bei einer Etatsposition, die absolut nlchts damit zu thun hat, einen Frontangriff gegen die Reichsregierung und ihre Wirthschaftspolitik zu richten. Derartige s{chwierige und monumentale Fragen laffen si nit wit ein paar Redensarten abmachen; sie werden im Lande keinen Widerhall finden. Herr von Kröcher hat wohl nur dem Haß der Konservativen gegen Herrn von Marschall, der aus ihren Reihen hervorgegangen und konserrativ durch und dur ist, einen unmoti- vierten Ausdruck gegeben. Die anwescnden preußishen Minister haben alle Veranlassung, Dagegen Verwahrung einzulegen, daß man die Politik unserer eihêregierung Amerika gegenüber in dieser Weise anschwärzt. Ihre Presse nennt ja unsere NReichs- politik eine antinationale. Herr von Marschall hat gerade das nationale Interesse vertreten. (Zuruf rechts: im freisinnigen Sinne !) Was wollen Sie denn eigentlih von der Reichsregierung? Sollen wir eine Flotte mobil machen gegenüber Amerika? NRücken Sie doch beraus mit ihrer klügeren und vaterländischeren Politik! Diese An-

riffe sind im Reichstage schon genügend zurückgewiesen worden. Mit hrem Lachen beweisen Sie nur Ihre Ignoranz in wirthschaftlichen Fragen. Was der Bund der Landwirthe für die Volkswirthschaft werth ist, werden Sie bei den nähsten Wahlen erkennen. Bis lept haben Sie Schläge bekommen, überall, wo Sie Kandidaten aufgestellt haben, selbft im Wahlkreise des Herrn von Ploeß. Wenn Herr von Kröcher namens der konservativen Partei sich bereit erklärt hat, für das Denkmal des verewigten Kaisers Friedrich die Kosten des Staats zu bewilligen, so stimmen wir ihm darin gern bei.

Finanz-Minister Dr. von Miquel:

Meine Herren, ih kann auch meinerseits nict unterlafsen, mein Bedauern auszusprechen, daß die pietätvolle Erklärung des Herrn von Kröcher namens seiner Partei in dieser Weise eingeleitet worden ist. Man fann ja auf einen so allgemeinen Vorwurf gegen die Reich2- regierung garniht axtwortcn, weil es sih nicht um kfonkrete That- sahen handelt, und es bleibt -mir daher nur übrig, als diese allgemeinen Vorwürfe au meinerseits zurückzuweisen.

Was nun die Erklärung selbs betrifft ih glaube, gerade weil es \fih um eine Frage wie die vorliegende handelt, wäre es richtiger gewesen, niht andere Gegenstände in die Diskussion zu ziehen —, so bin ich selbstverständlih garnicht in der Lage, mich über die Erklärung selbst und ihre Aufnahme bei Seiner Majestät und der

Staatsregierung zu äußern. Das aber halte ih mi allerdings ver- pflihtet hier auszusprehen, daß die Staatsregierung eine folche Bereitwilligkeit des Landtages nur mit großer Freude und mit Dank- empfinden begrüßen kann. Ob die Allerhöchste Entscheidung dahin ausfallen wird, von diefer Erklärung irgend einen weiteren Gebrauch zu mahen und daraus weitere Veranlafsungen zu entnehmen, darüber kann ih mich nicht äußern. Aber der gute Wille und die patriotishe Gesinnung, die hier im Landtage von den ver- chiedenen Parteien Ausdruck finden, kann der Staatsregierung in jedem Falle nur höchst erfreulich sein, und wir können, wie gesagt, diese Erklärung nur mit Dank annehmen.

Abg. Im Walle (Zentr.): Wir können uns alüdlich säßen, daß wir jeßt dur die Finanzlage in die Lage kommen, für unsere Kunstshäße zu sorgen. Ein Appell an die Steuerzahler ist nicht nöthig, die Steuern brauchen nicht um einen Pfennig erhöht zu werden, wenn wir diese Million bewilligen. Es ist des preußischen Staates würdig, daß wir nah fo langer Zeit der trostlosen Ebbe etwas für die Kunst thun. Es is thatsächlih unrichtig, daß die Neichs- regierung unthätig gegenüber Amerika ist. Sie hat versucht, das größte Ünheil von uns abzuwenden, und hat auch Erfolge erreiht, es wird nit der Zollkrieg gegen uns eröffnet werden, fondern es sind da beshlofsen worden, und diese verdanken wir der vorzüg- lihen Politik unserer Reichsregierung. Die Baupläne der Regierung sind von der Budgetkommission eingehend geprüft und gutgeheißen worden. Es wird eine einfawe, aber würdige Ausgestaltung der Museumsinsel werden, und es foll noch eine zweite Brücke über die Spree ges{lagen werden, wenn der Fiskus den Plaß dazu hergiebt.

bg. Möller (nl.): Bei dem lebhaften Temperament des Herrn von Kröcher habe ih seinen Husarenritt gegen die Reichsregierung niht so tragisch gencmmen; in der Sache sind wir ja alle einver- standen. Wenn die Reichsregierung in ihrer Politik anders vorginge, würde sie leihtfertig handeln und uns in die Gefahr bringen, einfa verhauen zu werden. Es ift sehr erfreulich, daß wir endli einmal das Geld haben, um für diese Kulturaufgaben etwas thun zu können. Das ift eine Ehrenpflicht für ein Land wie Deutschland und Preußen, der Preußen sih allzu lange Zeit entzogen hat. Ih kann au nur meiner Freude darüber Ausdruck geben, daß dem verewigten Kaiser Friedri an dieser Stelle ein Denkmal errihtet werden foll. Kein Mitglied unserer Fraktion wird da sein, das niht gern einem s{önen Denkmal zustimmen würde.

Abg. Freiherr von Zedliß und Neukirch (fr. konf.): Die Neich8angelegenheiten liegen allerdings etwas fern von diefem Gegen- stand. Das Fell werden wir uns nit über die Ohren ziehen laffen. Wenn die Herren auf der Linken den Anschein erwecken, als könnte Amerika niht auch Schlimmes mit Schlimmem vergelten, fo thun Sie dem Vaterlande keinen Dienst. Auch meine Freunde werden in voller Bereitwilligkeit damit einverstanden sein, die Kosten für das Denkmal als Staatskosten zu übernehmen.

Abg. Graf zu Limburg-Stirum (kons.): Es ist do eine Thatsache, daß unsere Landwirthschaft \sich in s{@wieriger Lage be- findet. Bei der Beamtenbesoldungsvorlage haben wir aber unsere finanziellen Bedenken {winden lassen, und Sie können es uns niht übel nehmen, wenn wir auch hier wieder auf unsere Be- denken hingewiesen haben. Die Reichsregierung is niht mit der Energie vorgegangen, wie man es früher an ihr gewohnt war. Aber Herr von Kröcher hat nur einem allgemeinen Gefühl in der Be- völkerung Ausdruck gegeben. Die neuliche Debatte im Reichstage hat gezeigt, daß die Regierung sich einen Rehtsbruch vor zwei Jahren von seiten der Amerikaner ohne Reklamation hat gefallen lassen. Es hätte doch von unserer Seite dagegen reagiert werden müssen, man hat fih aber bei den Maßregeln der amerifanishen Regierung beruhigt wegen des fkubanishen Aufstandes. Wenn ih jemand verklage, weil er mir ein Pferd gestohlen hat, fann mir da der Richter sagen: Was willst Du, Du hast ja dafür einen günstigen Kauf mit zwei Kühen emaht? Ich wünschte, daß wir den Amerikanern mehr Entschieden- heit zeigten, und das Bewußtsein, daß wir auch einen Zolfkrieg mit ihnen niht sheuen würden, wird die Amerikaner unseren Forderungen geneigter mahen. Herr Rickert denkt, wir würden anders auftreten, wenn Herr von Marschall niht Staatssekrctär des Auswärtigen Amts sei. Das ist ein Irrthum. Herr von Marschall ist nit der Träger der Neichspolitik, sondern vertritt sie nur, der Reichskanzler hat die Verantwortlichkeit persönlih. Wern einmal eine andere Wendung in der Politik kommen sollte, so wird, dessen bin ih überzeugt, Frei- herr von Marschall sie mit derselben Geschicklichkeit vertheidigen.

Finanz-Minister Dr. von Miquel:

Meine Herren! Ich glaube, daß der Eindruck doch im Hause unbedingt vorhanden ift, daß die Frage einer rihtigen oder unrihtigen Behandlung der Zollpolitik durch die Reichsregierung hier doch nicht hergehört. (Sehr richtig! links.) Die Reichsregierung ist hier nit vertreten; ih bin ein Minister eines Einzelstaats. Die Reichsregierung hat auch vorher garniht wissen können, daß folche Fragen bei Gelegen- heit des Denkmals des Hochseligen Kaisers Friedri vorgebracht werden würden. (Sehr gut! links und im Zentrum.) Es war doch hier nicht die rihtige Stelle, folche Fragen überhaupt zu erörtern. (Sehr wahr! links.) Meine Herren, die Sachem gehören vor den Reichstag; sie sind dort ausgiebig verhandelt; die- selben Gründe und Gegengrünte wie hier find dort er- örtert worden, und ich glaube, es ist daher um fo weniger rathsam, unmittelbar nah den Debatten im Reichstage folhe Debatten hier noch einmal zu führen. (Sehr rihtig! im Zentrum und links.) Aber jedenfals muß ih, wenn Herr Graf Limburg-Stirum gesagt hat, er sei überzeugt, daß der ja nicht persönlich für diese Politik verantwortliche Freiherr von Marschall eire andere Politik mit derselben Dialektik vertreten würde (hört! Hört! im Zentrum und links), diesen persönlichen Angriff direkt zurückweisen. (Sehr richtig! links. Bravo! im Zentrum.)

Meine Herren, ich komme auf die Sache zurück und freue mich, daß eine solhe Uebereinstimmung im Hause herrscht, au bezügli der Finanzen, die uns gestatten, solche Ausgaben für Kunstzweckte jeßt ohne Bedenken zu mahen. Ich möchte auch gern daran die Nußt- anwendung knüpfen, daß eine sparsame Finanzpolitik die leßten Jahre hindur, wie sie das Haus mit der größten Konsequenz gestützt hat, doch wesentlich zu dieser günstigen Finanzlage beigetragen hat, und daß das Haus daraus die Konsequenz ziehen möge; in diefer Politik auch in Zukunft fortzufahren. (Heiterkeit.) Denn, meine Herren, wir wissen ganz genau, wie {nell eire gute Finanzlage sih auch wieder in das Gegentheil verwandeln kann, und wie leiht das namentli bei uns ist, die wir in großem Maße von dem s{wanken- den Verhältniß zum Reiche und zu unseren eigenen Betriebsver- waltungen abhängen. Aber ih habe doch perfönlich durchaus bei unserer jeßigen Finanzlage keinerlei Bcdenken tragen können, die Ausgabe, wie sie uns hier bevorstcht €s handelt si hier ja nur um eine erste Rate in den Etat aufzunehmen. Jch bin überzeugt, daß nicht bloß in diesem Etat das möglich ift, fondern daß die weiteren Raten auch in den nächsten Jahren, wenigstens aller menschlichen Voraus- siht na, das Gleichgewicht unserer Finanzen in keiner Weise \tören. Diese Anschauung von der auch für die nächste übersehbare Zeit günstigen Lage der Finanzen hat mich um so mehr aller finanziellen Bedenken überhoben für die Ausführung des so unzweifelhaft noth- wendigen Museumsbaues, wie er hier geplant ist. Meine Herren, ih

gehe auf die Nothwendigkeit dieses Baues gar niht weiter ein ; er ist von keiner Seite bestritten, und ih hoffe, daß die Vorlage ein: stimmig bewilligt wird, und daß ein Mißklang, der vielleiht aus der Debatte hervorgehen könnte, durch die patciotishen Erklärungen der RLIS aller Parteien vollständig verwisht werden wird. (Bravo!)

g. von Kröcher: Zu diesem Kapitel gehörte ja meine Be- merkung direft niht, und es thut mir leid, Set Rütert in e Aufregung verseßt zu haben. Ich bitte ihn dafür um Verzeihung. Aber es war einmal nöthig, die durch die Reichspolitik verschärfte tage der Landwirtk haft den Herren auf der Linken zu Gemüthe zu ühren.

Abg. Dr. Virchow (fr. Volksp. Auf der Tribüne sehr \{chw verständlih): Ih bedauere, daß diese Bemerkungen Lz E Sachen hineinkommen, die sie niht angehen. Was das Denkmal des Kaisers Friedrih betrifft, so ist es zweifelhaft, ob der Plaß der geeignete ift; es handelt sich darum, ob wir diesen Wunsch des Kaisers erfüllen können. ür die Steuerzahler werden diese Ausgaben nit fühlbar werder. er Kaiser Friedrih hat als Kronprinz das leb- haftefte Interesse für die geplanten neuen Museumsbauten an den Tag gelegt, aber seine friegerischen Thaten find es nicht gewesen, welche ihn den Heren des Volfes nahe gebraht haben. Dur seine erfrishende Bei\chäftigung mit den Künsten und Wissenschaften steht er uns nahe, und wir wollen uns feiner als eines Friedens- fürsten erinnern.

Abg. Rickert : Herr von Kröchher hat keine Veranlassung, mich

um Entschuldigunz zu bitten, ih bin. nit aufgeregt, ih habe eine sanftmüthigere Art, als Herr von Kröcher annimmt. Aber ih werde den Herren immer mit aller Kraft entgegentreten. Graf Limburg stellt den Herrn von Marschall auf die Stufe eines Negierungs- Kommissars, er ist aber \timmführendes Mitglied im Bundesrath und Stellvertreter des Reichskanzlers, nicht ein Regierungs- Kommissar, der lediglih die Befehle seines Chefs auszuführen hat. Redner bestreitet, daß die Reichsregierung niht mit der nöthigen Energie gegen Amerika vorgegangen sei. Soll die Regierung etwa gleih mobil mahen und Schiffe abshicken? Nach den Erklärungen des Staatsfekretärs von Marschall hätte die Reichsregierung vor zwei Jahren dem Vaterlande einen sehr s{lechten Dienst erwiesen, wenn sie es zu einem Konflikt hätte kommen laffen. Graf Limburg konnte darauf im Reichstage niht antworten, Herr Ahblwardt war es, der dagegen auftreten mußte. Kommen Sie doch mit uns in den Reichétag; da haben Sie natürli niht den bereitwilligen Refonanz- boden wie bier, von dem es laute Bravos giebt. __ Abg. Graf zu Limburg-Stirum: Ich werde Herrn Rickert in seinem erregten Tone nit folgen. Die Argumente des Herrn von Marschall hatten mit der Sachlage vor zwei Jahren garnichts zu thun. Die Regierung hat einen Rehtsbruh der Amerikaner ruhig eingesteckt. Und diese Erfahrung der Amerikaner wird sie ermuthigen, au jeßt unseren Ansprüchen niht entgegen zu kommen. Wenn ih gesagt habe, daß Herr von Marschall auch eine andere Politik mit derselben Geschicklihkeit vertreten würde, so ist das gar fein Vor- wurf gegen den Charakter des Herrn von Marschall, denn es handelt sich hier nit um prinzipielle Fragen, sondern um Fragen, über welche die Anschauungen wechseln.

Finanz-Minister Dr. von Miquel:

Ja, meine Herren, nah dieser Erklärung des Herrn Grafen zu Limburg-Stirum, die ih dahin verstehe, daß er mit seiner Aeußerung dem Herrn Freiberrn von Marshall, meinem Kollegen, einen persön- lichen, gewissermaßen moralischen Vorwurf (Abg. Nickert: Sehr richtig!) nit hat mahen wollen, halte ich die Sache für erledigt. (Sehr richtig! rechts. Heiterkeit.)

Meine Herren, ich bin nit in der Lage und halte es nit für nöthig, in den materiellen Inhalt dieser Dinge hier in diesem Augen- blick bei dieser Position im Landtage einzugehen. Das lehne ih ab, meine Herren, und ih glaube, ich thue gut daran. (Sehr richtig! links.) Denn sonst würden wir in der zweiten Berathung des Extra- ordinariums des Kultus- Etats (hört, hört! links) nah der allerdings fehr erklärlißen Stimmung vieler Herren im Hause und nach dem Sprihwort: Woj das Herz voll ist, da fließt der Mund über (fehr rihtig! links), in eine große handelspolitische Debatte kommen. Ih hatte nur und ih freue mi, daß ih mich nah der Erklärung des Herrn Abg. Grafen zu Limburg-Stirum peirrt habe einen Verwurf gegen die Ueberzeugungêstreue und die Charakterfestigkeit des Herrn Freiherrn von Marschall in der ersten Aeußerung erblickt. Nachdem dies zurüdckgezogen ist, worüber ih mi sehr freue, halte ih diefe per- sönliche Frage hier für erledigt. (Bravo !)

Die Forderung wird bewilligt. : i j

Bei der Forderung von 8000 4 zur Errichtung eines mit der biologishen Anstalt auf Helgoland zu verbindenden Nordsee-Museums lenkt.

Abg. Dr. Kelch (fr. kons.) die Aufmerksamkeit auf die M der Meeresforshung und des geplanten Museums und wünsht, da man in der Nordsee von der Raubfischerei zu einem geregelten Fang- \ystem übergehe, da es ein Irrthum sei, daß der Ozean die Fish: bestände immer wieder ergänze. Z

Bei der Forderung von 36000 # zur Bekämpfung der Lepra und zur Herstellung eines Leprakrankenheims im Kreise Memel giebt : i

Abg. Dr. Virchow einige Aufschlüsse über die Geschichte und Entstehung dieser Krankheit. Die ursprünglihe Annahme, daß die Kcankheit erblich sei, habe man als einen Irrthum erkannt. Es se! ein Leprabacillus gefunden worden, ter sih aber merkwürdiger Weise im Gegensaß zu allen anderen Bacillen nicht als züchtungsfähig erwiesen habe. Ferner sei er auch nicht als eminent anfteckurgsfähig anzusehen, sodaß keine so große Gefahr in dieser Krankheit liege.

Ministerial-Direktor Dr. von Bart\ch nimmt das Wort, um die Besorgnisse der Bevölkerung als grundlos zurüdzu' weisen; es handle sich hier nicht um eine Bolkskrankheit, sondern nur um 2 Dutzend Krankheitsfälle. Die Kranken seien, wenn au innerhalb ihrer Häuslichkeit, hinreichend ifoliert, um eine Ansteckungsgefahr auszuschließen. Für diese Kranken folle nun ein besor.deres Heim errihtet werden nah dem Muster der Anstalten in Rußland.

Der Titel und der Rest der einmaligen Ausgaben des Etats werden bewilligt.

Bei den allgemeinen Bemerkungen zu den dauernden Aus- gaben des Haupt-Etats berichtet :

Abg. Dr.Sattler (nl.) über die Grundsäße, welhe nach den Erklä- rungen der Kommissare in der Budgetkommission bei den Remunera- tionen der Beamten befolgt werden follen. 4

Abg. Kirs\ch (Zentr.) wünscht, daß an die höheren Beamten über- haupt keine Remunerationen gezahlt werden follen.

Finanz-Minister Dr. von Miquel:

Meine Herren! Für den nähstfolgenden Etat werden die einzelnen Ressorts die betreffenden Positionen nah dem Inhalt dieser ab- gegebenen Erklärung über die dabei zu befolgenden Grundsätze in den Etat einstellen, und wir dürfen annehmen, daß der Landtag im nächsten Etat si darüber {lüssig machen wird, ob es wünschenewerth ift, im Etat durch Bemerkungen die betreffenden Positionen für Remune- rationen und Unterstüßungen näher festzulegen. Die; Finanzverwaltung wird das au prüfen, und es ist mögli, daß in diefer Beziehung auch in dem nächsten Etat Vorschläge gemacht werden. Jedenfalls werden wir bemüht sein, obwohl in diesem vorliegenden Etat die e stellung der einzelnen Positionen nach diesen Grundfätßen noch nih

erfolgt ift, doch {on in diesem Jahre in der Praxis nach diesen Grundsäßen thunlichst zu verfahren. Ich sage: thunlichst. Voll- fommen wird das nicht durhgeführt werden fönnen und wird jedenfalls er in Betracht gezogen werden können, wenn die G:haltsverbesserungen durchgeführt sind. Aber es if allerdings wünschenswerth, daß die einzelnen Ministerien die Nothwendigkeit, diese Grundsäße für das nähstfolgende Jahr zu beachten, au {on in Betracht ziehen bei Verwendung dieser Fonds in diesem Jahre, damit bei einzelnen Positionen der Uebergang nit allzu {rof werde. Fch glaube au, daß die Budgetkommission fich mit diesem Stand- punkt wird einverstanden erklären können. Jch bevorworte jedoch, daß ih dafür irgend eine VerpfliGtung oder Garantie niht über- nehmen kann.

Die allgemeinen Bemerkungen werden genehmigt.

Es folgt die Berathung des Etatsgeseßes.

Die Kommission hat einen neuen Paragraphen eingefügt, wona die bis zur geseßlichen Feststellung des Etats schon geleisteten Ausgaben nachträglich genehmigt werden.

Finanz-Minister Dr. von Miquel:

Meine Herren! Es ist zweifellos sehr betauerlih, daß wir so spät nach Abschluß des Etats die Verwaltung des Landes weiter führen mußten, ohne dazu durh die Beschlüfse des Landtages ermä@tigt zu sein, Ich möthte hier zuvörderst konstatieren, daß die Staatsregierung keinerlei Schuld trägt, denn wir haben den Etat wie in allen Jahren, in denen ih die Verwaltung führte, unmittelbar bei Zusammentritt des Landtages vorgelegt. (Zurufe.) Nach Neujahr, gewiß, meine Herren! Vor Neujahr kann der Etat jeßt niht abges{lossen werden, dann würde er so falsch sein, oder es würde ein so wilikürlihes Greifen von Zahlen stattfinden, daß es nicht möglich ist, den Etat vor Neujahr vorzulegen, und er ist in früheren Zeiten au: niht früher gekommen.

Meine Herren, ih muß ferner konstatieren, daß selbst auch die Vorlage der Beamtenbesoldungsverbesserung niht so wesentli zu der Verzögerung des Abschlusses der Etatsverhandlungen beigetragen hat. Allerdings muß ih zugeben, daß die Besoldungssache einige Er- \{werungen gebracht hat, aber sie war doch niht nah meiner Meinung entscheidend für diese stattgefundene Verzögerung.

Nun, liegt es mir ja völlig fern, dem hohen Hause irgend einen Vorwurf machen zu wollen, . daß durch die Ausdehnung der Be- rathungen und Verhandluegen die Verzögerung sh ergeben hat; die Verhältnisse lagen eben so, und wir können nur die Lehre aus den heutigen Erfahrungen nehmen, daß man allfeitia, sowohl feitens der Regierung als seitens des Landtages, in Zukunft mit voller Energie bestrebt sein fol, eine solche lange Hinauss{iebung des Abschlusses des Staatshaushalts für die Zukunft zu vermeiden. (Sehr richtig!) Meine Herren, nit bloß, daß wir regieren müssen gewisser- maßen neben der Verfassung, ih will nit gerade sagen gegen die Ver- fassung, denn alle Welt is ja von vornherein Willens, die Indemnität nazusuchen beziehungsweise zu ertheilen, und wir sind ja auch bei vollkommen rechtzeitigem Abschlusse des Etats häufig in der Lage, außeretatêmäßige Ausgaben machen zu müssen auf die Verantwortlich- keit des einzelnen Ministers hin. Daher ist der Ausdruck ,„ verfassungs- widriger Zustand“ vielleiht wohl nicht ganz zutreffend sofern wenigstens die bona fides in Betracht kommt ; es handelt si hier, wenn ih den Ausdruck gebrauchen darf, obwohl er auch nit ganz richtig ift, um einen „verfassungslosen Zustand". Meine Herren, es is in der Budgetkommission hon im März die Frage erwogen, wie man hier verfahren solle, da man vorauss\ah, daß der Etat nicht recht- zeitig würde abgeshlossen werden. Es is in der Budgetkommission au die Frage angeregt, ob es nicht richtig sei, hon jeßt ein sogenanntes Nothgesetz einzubringen. Aber die Stimmung in der Budgetkommission ging doch dahin, wie der Herr Berichterstatter auch {on ausgeführt hat, daß man es bei der bisherigen Uebung belassen wolle, eine nah- träglihe Genehmigung der nach dem 1. April gemachten Ausgaben vor dem definitiven Inkrafttreten des Etatsgesezes schon jeßt in das Etatsgeseß aufzunehmen. Die Staatsregierung und ih persönlich würden vollkommen bereit gewesen sein, ein solches Nothgeseß verzu- legen, wenn die Budgetkommission einen folhen Wunsch ausgesprochen hâtte.

Aber ih habe \hon bei einer früheren Gelegenheit ich glaube gegenüber einem Antrage des Herrn Abg. Sack darauf hin- gewiesen, daß mit einem solhen Nothgeseß auch ni@t viel gewonnen ist; denn der größte Theil des Ordinariums besteht ja aus retlihen Verpflichtungen des Staats, sie müssen unter allen Umständen gemacht werden. Wenn das Nothgeseß dahin geht, daß man, wie es in anderen Staaten üblih is, ein Zwölftel bewilligt, was soll das heißen? Soll das ein Zwölftel der Etatsverlage oder des früheren Etats fein? Der frühere Etat hat aber keine praktische Bedeutung, weil eine Menge Positionen in dem früheren Etat sind und jedenfalls sein können, die für das folgende Etatsjahr nah dem Vorschlag der Regierung garniht übergehen können und follen. Man würde sie ermächtigen zu Ausgaben, die man garniht machen will und man dem Landtag auch garnicht zu machen vorgeschlagen hat. Bezieht \ih das 1/12 auf den kommenden Etat, so präjudiziert sih der Landtag auf das Alleräußerste; denn hat man 1/12 für irgend eine Position ausgegeben, dann muß man thatsählich auch 11/12 bewilligen. Der Landtag ift aber nicht in der Lage, ih definitiv {lüssig zu machen, E 11/15 oder, richtiger gesagt, 12/12 überhaupt bewilligt werden ollen.

Die Staatsregierung hat daher geglaubt, so mißständig diese Sache auch ist, man kann diese Mißstände weder dur ein Nothgeseß ganz beseitigen, noch kann man fie beseitigen, wie ih vollkommen zu- gebe, dur das jeßt hier ecingeschlagene Verfahren. Die Minister find genöthigt gewesen dur ten heutigen Zustand, sich große Zurück- haltung aufzuerlegen. Wo nit ganz besondere Gründe dafür waren, und es im Interesse des Staates nit unbedingt nöthig und jedenfalls im höchsten Grade erwünscht war, hat man neue Bauten nicht in Angriff genommen. Der Herr Kultus-Minister, dessen Etat heute be- willigt ist, hat z. B. ganz ausnahmslos, wenn ih recht be- rihtet bin, fo verfahren. Die Beamtenbesoldungs-Erhöhungen konnten natürlih noch nicht Play greifen. Das i} aber auch fein großes Unglück, denn es giebt doch nur eine sehr kleine Verzögerung der Zuwendungen an die Beamten, wenn sie zwei Monate etwa länger warten auf den erhöhten Gehalt. Angenehm ist das freilih auch nicht. Wir haben uns bemüht, möglihst wenig der definitiven Beschlußfassung des Hauses zu präjudizieren.

Nun ist aber doch und das hat auch die Kommission zu ihrer Stellung veranlaßt es von sehr erhebliher Bedeutung in diesen Fragen, wie man üblicherweise in früheren Jahren verfahren ist. Da

möchte ih darauf hinweisen, daß vom Jahre 1865 ab soweit will ih zurückgehen doch nur in zwei Fällen ein besonderes Nothgeseß gemadt ift. Diese Fälle lagen aber ganz anders, als der hier vor- [liegende Fall. Damals konnte der Landtag gar nicht rechtzeitig berufen werden, es konnte überhaupt gar keine Etatsvorlage gemacht werden. Da mußte natürlich der Minister, da er für ein Vierteljahr überhaupt gar feinen Etatsvorshlag machen konnte, weil der Landtag nit einberufen werden konnte mit Rücksiht auf den Reichstag fih entschließen zu einem folhen Nothgeseß, das dann erlassen ift in den Jahren 1874 und 75. Seit der Zeit und auch \{chon vorber in den Jahren 1868, 69, 71 bis 74 i} so verfahren, wie die Budget- kommission uns vors{lägt. Denn eben während meiner Dienstzeit in den Jahren 1890/91, 91/92, 94/95, in den übrigen Jahren ift der Etat rechtzeitig zum Abschluß gekommen.

Wenn also cine feststehende Uebung in dieser Beziehung in Preußen vorhanden i}, nach meiner Meinung aus den angeführten Gründen teine genügende Gründe vorliegen, anders zu verfahren, man vielmehr dabei noch in größere Schwierigkeiten kommen würde, fo glaube ih, hat die Budgetkommission durchaus richtig gehandelt, uns diesen Vorsclag der nachträglihen Genehmigung hier zu unterbreiten ; von seiten der Staatsregierung kann ich nur bringend um die An- nahme dieses Antrages der Budgetkommission bitten. Würde diese ihrerseits die Initiative nit ergriffen haben, so würde, wie das in anderen Jahren geschehen ift, der Finanz - Minister seinerseits einen folhen Antrag gestellt haben. Soviel geht aber allerdings aus der ganzen Sache hervor: Die Uebelstände, die Nachtheile, die aus einem verspäteten Abschluß des Etats erwachsen, sind weder durch den Vorschlag der Budgetkommission noch durch ein solches Nothgeset zu beseitigen. Um fo energischer, glaube ih, müssen alle Theile dahin streben, den Etat wirkli rechtzeitig zum Abschluß zu bringen. Das, glaube ih, wird die allgemeine Ueberzeugung sein, und es giebt ja vielleicht Mittel, auch selbs bei den ausgiebigsten Reden, die hier bei den vershiedenen Fragen gehalten werden, doch dazu zu kommen. Ih habe {on früher als Abgeordneter vorgeschlagen, ob es nicht vielleiht angängig wäre, die großen Reden, die zu den einzelnen Gehaltssäßen der Minister gehalten werden, ad separatum zu verweisen (Heiterkeit), vollständig die Reden hinterher freizulafsen, aber nur diejenigen Reden bei der Etatsberathung zu gestatten, die die betreffende Etatéposition wirklich anfehten (sehr richtig !), was ja bei all diesen Reden betreffs des Landwirth- chafts - Ministeriums, des Kultus - Ministeriums überhaupt nit der Fall ist. Man will ja garnicht in irgend einer Weise den Gehalt anfechten. (Heiterkeit.) Aber das wage ih ja dem Hause niht zu unterbreiten, ih habe ja mit der Geschäftsordnung keine Beziehungen ; ih habe das bloß mal anregen wollen, wenn es garniht anders geht, wenn nian auf dieses Mittel verfallen kann.

Also ih stehe ganz auf dem Standpunkt des Herrn Bericht- erstatters der Budgetkommission; ih bedauere den gegenwärtigen Zu- stand und wünsche mit ißm, ihn in Zukunft möglichst zu vermeiden.

Abg. Dr. Virchow wünscht, daß durch den Vorgang in diesem Fahre kein Präjudiz geschaffen werde, und meint, daß der Minister un größerer Energie den Etat diesmal au früher hätte einbringen

önnen.

Finanz-Minister Dr. von Miquel:

Meine Herren! Es ist das erste Mal, solange ih im Dienst bin, daß man mir zuruft: Finanz-Minister, werde hart! (Heiterkeit.) Im Gegentheil, ich habe sonst oft das Gegentheil gehört, und ich glaube, auch in diesem Falle bedarf es doch dieser Mahnung niht. Wenn der verehrte Herr Abg. Virchow sich mal bei meinen Herren Kollegen er- kundigen wollte, welchen Druck auf rechtzeitige Einbringung ihrer Etats beim Firanz-Minister und auf rechtzeitige Erledigung der kom- missarishen Berathung ih ausübe, so würde er, glaube i, wohl hören, daß ih so wei nicht bin. Früher war der Termin, zu welchem die Ressorts dem Finanz-Minister ihre Etats vorlegen mußten, früher als heute. Ich habe den Termin verlängert, weil ih gesehen habe, daß der Zwang gegen die Ressorts, ihre Etats allzufrüh vor Beginn des nächsten Jahres aufzustellen, zu den größien Mängeln des Etats geführt hat. Für jeden Praktiker brauche ih das garniht auseinanderzusegen, man kann die Bedürfnisse im Juli oft noch niht übersehen, es fällt dabei eine Menge eiliger Sachen aus, und häufig ist auch die Vorbereitung bis zum 1. Juli garnicht möglich: einestheils, weil der Landtag so lange tagt und so viele Räthe in Anspru nimmt, daß man garnicht in der Lage ist, die Kräfte herbeizushaffen, um den Etat in den einzelnen Ministerien bis zum 1. Juli auf- zustellen. Andererseits müssen doch auch die Räthe sich eine kleine Erholungs8zeit erlauben, diese fällt eben in den Sommer und meist in diese Zeit. Die meisten Herren Räthe sind ja mit Kindern gesegnet, sodaß für sie die Ferien entscheidend sind. Also es ist un, endlich \chwer, bis zu diesem Termin den Etat aufzustellen, selbs bis zum 1. September geht das namentlich wegen der Urlaubszeit in den einzelnen Ministerien auch noch nit immer.

Meine Herren, wir haben jeßt den 1. September allerdings fest- gehalten, aber ganz f\trikt kann man auch diesen Termin gegenüber dem Drängen der Verhältnisse und den Anforderungen der vershiedenen Ressorts niht behaupten. Wenn die kfommifsa- rishen Berathungen gründlich geführt werden sollen, fo bedarf man dazu der Zeit, und man darf namentlich dem Finanz- Minister die Zeit zur genauen Prüfung der einzelnen Etats und der Besprehung derselbea in den kommifsarischen Berathungen mit den übrigen Ressorts in keiner Weise beschränken. Die Berathungen werden jeßt vielleiht bisweilen gründliher geführt als früber. Die Berathungen mit dem Ministerium der öffentlihen Arbeiten dauern häufig fast zwei Monate.

Nun drängt ih im leßten Augenblick alles zusammen. Im Anfang Dezember sind die Berathungen abgeschlofsen; nun kommen die aufgestellten Etats der einzelnen Refsorts an den Finanz-Minister. Fett geht bei uns ih kann geradezu sagen eine Riesenarbeit los, und ih habe hervorragende Beamte, die seit Jahren keine reten Weihnachten haben feiern können; sie müssen daun fast Tag und Nacht arbeiten, der Etat muß gedruckt Seiner Majestät vorgelegt werden, und ih bin so immer sehr froh, wenn ih im Anfang Januar den Etat vorlegen kann.

Ich habe sehr oft darüber nachgedaht, wie man diesen Zustand ändern könne. Man könnte ihn nah meiner Meixung ändern viel- leiht durch Verlegung des Etatsjahres, wovon ih mir aber in keiner Weise etwas Gutes versprehe; man fönnte ihn auch dadur viel- leiht ändern, daß man rüdcksihtslos die Termine früher in das Vor- jahr verlegt. Aber ta bin ih, wie gesagt, der Ueberzeugung, daß der

Etat dann viel mangelhafter aufgestellt wird und die wirklilen Be- dürfnisse durh den Etat des betreffenden Jahres nicht befriedigt werden.

Ich weiß also kein anderes Mittel. Die Herren können vielleicht erwägen, ob hier nicht durch die Geshäftsordnung mehr Vorsorge getroffen werden könne, daß der Etat rechtzeitig abges{lofsen werde. Einige Zeit muß man dem Herrenhause auch lafsen; das Herrenhaus will auch nicht überhaftet sein. Es tritt besonders in der Kommission in eine ganz eingehende Berathung des gesammten Etats, und dann muß ein \{chriftliGer Bericht erstattet werden. Das kostet auch faft immer 8 bis 14 Tage, und wenn der Etat rehtzeitig abgeschlofsen werden soll, muß er hier eigentlich Mitte März fertig sein. Ich wage in dieser Beziehung dem Landtage niht unberufenec Weise Vorschläge zu machen, vielleiht sind fie auch garnicht durhführbar; ich will das nicht so oßne weiteres behaupten, aber es würde doch vielleiht eine nüßli®e Wirkung üben, wenn jeder Einzelne sich immer bewußt bliebe, daß es seine Hauptflicht auch als Abgeordneter ist, die Verfassung auf das strengste inne zu halten, und daß man da au gewisse Redebedürfnifse einmal gelegentlih opfern kann mit Rücksicht auf diesen höheren Zweck. (Sehr richtig!) Wenn das geschieht, so hoffe ih dech, daß wenigstens solhe Ver- hältnisse wie in diesem Jahre uns nit wieder vorkommen werden.

Abg. Knebel (nl.): Wir befinden uns nicht in einem verfassungs- losen, fondern verfassungs8widrigen Zustand. Auf diese Verzögerung hat die Frage der Beamtenbesoldung erbheblich eingewirkt, die neben dem Etat hätte erledigt werden können. Vor Weihnachten waren wir niht ausreichend beschäftigt, später war die Budgetkommission überlastet, während das Plenum wenig zu thun hatte. Abhilfe wäre mögli gewesen durch eine rechtzeitige Vorlegung eines Nothgesetzes von seiten der Staatsregierung. Für die Zukunft wird es ih empfehlen, öfter als bisher Abendsißungen zur Erledigung des Etats abzuhalten.

Finanz-Minister Dr. von Miquel:

Meine Herren! Gestatten Sie mir nur noch einige Bemer- kungen auf die Aeußerungen des Herrn Vorredners. Darüber \treite ih garnicht, darüber kann ih gar nit streiten, daß es nah der Ver- fassung nicht berechtigt ist, Ausgaben zu Lasten des Staats zu machen, die noch nit bewilligt find. Der Fall kommt aber auch in Jahren vor, wo ganz etatsmäßig verfahren und rechtzeitig der Etat abge- \chlofsen wird. Sie finden in jedem Jahre eine ganze Neihe außer- etatsmäßiger Au8gaben, die durch das Staats8interesse geboten waren, und da wird hinterher dann die Bewilligung beantragt.

Meine Herren, ich habe auch nihts dagegen, wenn man den Zustand, wie er jeßt hier vorliegt, einen verfassungswidrigen nennt ; ih wollte nur aus\prehen, daß von keiner Seite die Absicht bestanden hat, gegen die Verfassung zu handeln, und daß die Minister um so berubigter sein konnten, wenn {on im März die Budgetkommission die nachträglihe Genehmigung der ohne Vorabs{luß des Etats ge- machten Ausgaben beantragt; demnach war sich jeder Minister wenigstens in dem guten Glauben, es werde das gesehen, was hinterher in Gemäßheit des Etat8geseßes genehmigt worden. Nun habe ih aber ausdrücklih hervorgehoben, daß die Minister sich sehr beschränkt haben und keineswegs alle Aus8gaken, die in dem neuen Etatsentwurf stehen, gemacht, sondern darauf BedaŸt genommen haben, soweit mögli nur diejenigen Ausgaben zu machen, welhe auf rechtliGer Ver- pflichtung beruhen, wo ja ein Risiko gar niht vorliegt; nur in ein- zelnen ganz besonderen Fällen ist wohl davon abgewichen, z. B., wie der Herr Minister der öffentlihßen Arbeiten hier ausdrüdlich erklärt hat, in Bezug auf die Einseßung der neuen Direktion Mainz. Das war eine Sache, die garnicht zu vermeiden war; der Minister würde vflihtwidrig gehandelt haben, wenn er fie nicht auf scine Verants- wortung übernommen bätte. Jch bin überzeugt, in den einzelnen Ressorts ist so verfahren, wie ein Mann verfährt, der das Bestreben hat, die verfassungsmäßigen Rechte des Landtages auf das sorgfältigfte zu achten.

Fch will niht darüber mich äußern, wo eigentlih die Ursache dieses verzögerten Abschlusses liegt : wo mehr, wo weniger. Der Herr Vorredner sagt: wir hätten wenn ih ihn recht verstanden habe die Beamtenbesoldung von der Etatsberathung trennen sollen, Das halte ich nun für das allerverkehrteste und bedenklihste. (Sehr rihtig!) Dazu würde ih mich kaum herbeigelafsen haben. Man kann nun sagen: man hätte dann die Besoldungsvorlage früher machen sollen. Ich lade den Herrn Redner ein, mich mit seinem Besuche zu beehren. Dann will ich ihm die Akten zeigen, die Verhandlungen mit den übrigen Ressorts, ob es dem Finanz-Minister möglih war, troy allen Drängens, diese Vorlage auch nur einen Tag früher ein- zubringen. Das kann man lei{t sagen. Ich habe {hon früher von langen und s{chwierigen Verhandlungen im Staats-Ministerium über diese Besoldungsvorlage gesprohen; ich kann versihern, daß ih die Sache so zeitig in Angriff genommen habe, daß die Ressorts ein ganzes Jahr Zeit gehabt haben, die Sache zu erwägen und sih mit ein- ander zu verständigen. Hätte ih aber diese Besoldungsvorlage früher fertig gehabt, ehe der Etat festgestelt war was sollte ih damit machen? Ich konnte doch niht dem Hause zumuthen, eine Be- soldungsvorlage von dieser Bedeutung eber zu bearbeiten und zu er- ledigen, als der Etat vorlag, Das Haus mußte doch prüfen, ob die Einnahmen dafür da sind, um diese großen Ausgaben zu machen.

Diese Art von Vorwürfen kann ih daher in keiner Weise acceptieren. Ih würde mich sonst gern shuldig erklären, aber es ift das wirkli nit mit meiner Ueberzeugung vereinbar; in der Presse fann man das leiht sagen, da wird das niht widerlegt, aber hier geht das nicht.

Meine Herren, die ganze Frage würde für das Haus leichter zw lösen sein, wenn es möglich wäre, den Landtag im November immer schon zu berufen und ihm dann den Etat vorzulegen; ih habe gar- nichts dagegen, wenn diese Frage mal in der Budgetkommission hier geht das nicht cingehend geprüft werden würde, ih bin überzeugt, die Kommission wird sich {ließli} auf meinen Standpunkt stellen. Denn ein mangelhafter Etat, der nah allen Richtungen lückenhaft ist, wo die Vorbereitungen entweder überhastet sind oder wo die erforderlihen Materialien für die einzelnen Ressorts noh garniht vorliegen, das halte ih für das größte Uebel. Will aber die Budgetkommission die Sache prüfen, fo kann man ja näher auf die Sache eingehen; ih bin in dieser Bes ziehung durchaus nicht eigenwillig.

Denn, meine Herren, den Landtag im November zu berufen, wie das verlangt ist, ohne daß man ihm den Etat vorlegt, das hat gar keinen Sinn; ih bin auch überzeugt, das würde die größte Un«- zufriedenheit hervorrufen. (Sehr richtig !)