1897 / 121 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 24 May 1897 18:00:01 GMT) scan diff

Zusammenstoß zwischen den Wählern und dem Militär stait- efunden habe. Leßteres habe Feuer ben. A onen seien getödtet und L verwundet wordat tru 1 eaen und 1 Gendarm.

Frankreich.

Jn der Deputirtenkammer richtete vorgestern der Deputirte Gauthbier eine Anfrage an die Regierung über deren Orientpolitik. Nachdem der Redner zunächst einen Rückblick auf die Entwikelungsgeschichte der Orientfrage ge- worfen hatte, erbat er Auskunft darüber, wie weit die Ver- handlungen gediehen seien. Er hoffe, Frankreih werde nicht zugeben, daß Thessalien riehenland entrissen und daß eine europäishe Kontrole der griechischen Finanzen eingerihtet werde. Gauthier fragte weiter, ob man die von türkisher Seite einzuführenden Reformen im Auge ma r und fügte hinzu, daß der Einfluß Deutschlands in Konstantinopel an Stelle desjenigen Frankreihs treten werde. Frankreich habe Unrecht gehabt, seine traditionelle Politik im Orient aufzugeben ; Frankreich dürfe nicht hinter den anderen Mächten hermarschieren. Jn seiner Antwort auf die Interpellation führte der Minister des Auswärtigen Ea aux, dem „W. T. B.“ zufolge, aus :

„Es erscheint mir übertrieben, von einem Scheitern der euro- päischen Vermittelung in dem Augenblick, wo dieselbe weiter ausgeübt wird, oder von Verwickelungen oder einem internationalen Konflikt zu reden. Jm E, gerade diefe Verwickelungen, diefen internationalen Konflikt, haben die Mächte sih bemüht zu verbindern, und es ist ihnen dies im Ganzen gelungen.“ Redner ent- widelte. sodann in großen Zügen die Politik der Regierung, wie sie bereits wiederholt dargelegt worden fei, und fuhr fort: „Wir sind jept gerade bei der Stunde, die vorausgesehen wurde, ange- ommen, wo wir die Sprache der Mäßigung, ter Vernunft, der Humanität zu Gehör bringen möchten. Kann man in dieser Lage sagen, daß die Bemühungen der Diplomatie gescheitert seien, daß das Konzert der Großmächte nur eine Fiktion sei ? Nein, das höchste Ziel, das ih die Großmächte ftellten, war die Aufrehterhaltung des allgemeinen riedens. Von diesem Gesichtspunkt aus betrachteten ge die An- wesenheit der griechischen Truppen auf Kreta als gefährlih. Das europäische Konzert bemühte si, einen lokalen Konflikt zu verhindern, dessen A leider vorauszufehen war. Wenn es den Aus- bruch dieses Krieges niht hat verhindern können, so ist es ihm wenigstens gelungen, ihn zu lofalisieren, und heute bemüht es si, wie es auch seine strenge Pflicht ist, die Folgen desfelben für die Be- caaige zu mildern. Also, Aufrehterhaltung des allgemeinen Friedens, ufrehterhaltung des Status quo im Orient, friedlihe und ein- timmige Intervention im Sinne der Beruhigung und Mäßigung, utonomie für Kreta, Verfolgung des allgemeinen Reformplans, wo- dur die Rükkehr so beklagen3werther Ereignisse, wie im Jahre 1895, verhindert wird, das ist das Ziel, welches f Europa geseßt hat, das ift das Ziel, welches es von friedlichen Gesichtspunkten aus E Indem die französische Regierung an diesem Werk theilnimmt, bleibt sie den Verpflichtungen treu, die sie der Kammer gegenüber. einge- Goagen ist, Ich denke, das entspriht auch in gleicher Weise den wirklihen Interessen, den wirklihen Gefühlen des Landes. Jch werde es nicht unternehmen, auf alle oft sich widersprehenden Kritiken zu antworten, die gegen uns gerihtet worden sind. Man hat uns nacheinander, respektive gleichzeitig, beschuldigt, Engländer oder Russen oder Deutsche zu sein; denn tas sind die Waffen, die die ge- wöhnlihe Polemik anwendet, als ob es nicht das natürlihste wäre, zuzugeben, daß wir uns bemühten, vor allem gute Franzosen zu sein. Denkt man heute ernstlih daran, daß bei dem Konflikt der Leiden- schaften, welher im Orient herr|cht, die Intervention irgend einer einzelnen europäischen Macht, gleichviel unter welher Form eine solhe geschähe, möglich, ivedinäkig, vernünftig, ja selbst zu verwirk- ihen wäre? Wer würde wagen, dies heute zu bejahen? Würde eine foldhe Initiative niht das tollkühnste Abenteuer gewefen sein? Wer bâtte alfo eine derartige Verantwortung übernehmen sollen? Die Grundlagen für eine Vermittelung der Mächte sind bereits geschaffen. Wir zweifeln nit, daß ángeiidita der Einigkeit der Mächte die Türkei dem Willen Europas Rechnung tragen und von den über- triebenen Ansprüchen Abstand nehmen wird, welche sie zuerst erhoben hai. In jedem Falle sind die Regierungen sorgsam darauf bedacht, vor allem ihr Einvernehmen aufreht zu rditten und sie werden nihts

* unversuczt lassen, um zu diesem Ziele zu gelangen. Diesem Werke ge-

denkt die Regierung si zu weihen, und zwar auf dem Platze, welcher ihr zukommt. Gewiß müssen wir uns gegen jede Illufion im voraus sichern und müssen fowohl diejenigen, welche uns hier hören, als auch diejenigen, die uns draußen hören, vor jedem allzu leihten Optimismus warnen. Die Aufgabe bleibt eine verwickelte, sie wird wahrscheinli nur langsam gelöst werden können und noch mehr als einmal durch den Wiederausbruch ungestümer Leidenschaften verwirrt werden. Wir verkennen die Schwierigkeiten nicht, denen wir bei jedem Schriite begegnen werden. Wir müssen indessen hcffen, daß die Rathschläge der Weiéeheit und der Vernunft \{lielich den Sieg davontragen werden. Die Großmächte sind einmüthig, die Balkanstaaten haben stets auf die Rat schläge Sen die thnen von allen Seiten gegeben wurden, und auc der ultan hat den Ruf beachtet, der an ihn gerihtet wurde. Es scheint fomit, als ob diese ersten Anzeichen uns auch hinreihendes Vertrauen für die Zukunst geben dürften. Wir bitten Sie daher, unbeschadet Ihres Programms und Jhrer eigenen Entschließungen, die Aufgabe der Regierung erleihtern zu wollen, die im Einklang mit den anderen Regierungen alle Mühe und ihre ganze Aufmerksamkeit auf das so verwickelte und noh so fragile Werk des Friedens richtet.“ Der Minister des Aeußern Hanotaux gab gestern

zu Ehren des Fürsten von Bulgarien ein Dejeuner.

Rußland.

Der Prinz Johann zu Schleswig E Sonderburg-Glücksburg is gestern, wie „W. T. B.“ meldet, von Kopenhagen in Gatschina eingetroffen und von der Kaiserin-Wittwe empfangen worden.

Eine in St. Petersburg eingetroffene Depesche der „Petersburgskija Wiedomosti“ aus Ttientsin vom 21. d. M. meldet den feierlichen Empfang der russishen Gesandt- schaft unter Führung des Hürsten Ma durh die chinesishen Behörden. Am 27. d. M. werde die Ge- sandtschaft in Peking von dem Kaiser empflngen werden.

JFtalien.

Die Deputirtenkammer seßte vorgestern die Berathung der Tagesordnungen, betreffend die Politik in Afrika, fort. Mehrere Redner begründeten die von ihnen eingebrahten Tages- ordnungen, während andere erklärten, auf die Begründung der ihrigen zu verzichten, da die Kammer mit Ungeduld die Abstimmung erwarte. Troßdem begründete der Deputirte Cavallotti eine Tagesordnung, worin erklärt wird, daß er im Namen des Landes das Aufgeben der Erythräishen Kolonie wünsche und der Regierung anheimgebe, dafür zu sorgen, daß der Wunsch der Nation erfüllt werde. Die Rede Cavallotti’'s wurde seitens der Linken und der äußersten Linken mit großem Beifall aufgenommen. Der Minister-Präsident di Rudini ersuchte die Lian Ministeriums, für die Tagesordnung Gallo-Robini zu timmen, welche von den Erklärungen der Regierung Akt nimmt und die bishér von der Regierung in der Kolonialpolitik ein- genommene Haltung billigt. Die Kammer schritt sodánn zur namentlichen Abstimmung über die von den Deputirten de Marini (Sozialist), Jmbriani (radikal) und Pozzi (Rechte)

ebrachte Tégtornnng, welche besagt: die Kammer be- alte Erythräa aufzugeben. Diese Tagesordnu wurde mit 229 gegen iy Stimmen bei 9 Stimmenthal- tungen abgelehnt. Die von dem Deputirten Martini eingebrahte Tagesordnung: die Entscheidung bezüglich der afrikfanishen Frage aufzuschieben, wurde in namentlicher Abstimmung mit 320 gegen 58 Stimmen abgelehnt und sodann mit 242 gegen 94 Stimmen bei 20 Stimmenthaltungen die von der Regierung acceptierte Tagesordnung der Deputirten Gallo und NRobini angenommen, nah welcher die Kammer von den Erklärungen der Regierung Akt nimmt und dieselben billigt. Die Sizung wurde sodann geschlossen.

Spanien.

_-_ Auf den U Des Minister - Präsidenten Canovas del Castillo hat der Minister des Aeußern Herzog von Tetuan in Anbetracht der schwebenden wichtigen internationalen Sn sein Entlassungsgesuch zurückgezogen. Gestern theilte, wie „W. T. B.“ meldet, Sagasta dem Minister-Präsidenten mit, daß die liberalen Senatoren und Deputirten den Parlamentssizungen fernbleiben würden, bis ihnen eine Genugthuung für die Beleidigung des Senators Comas zu theil geworden sei. Sie verlangten die Entlassung des Ministers des Aeußern d en von Tetuan. Das Ministerium hat

beschlossen, si eute den Kammern vorzustellen, au ch wenn die. Liberalen nicht zugegen sein sollten, um Erklärungen über den Zwischenfall im Senat zu geben.

n der Deputirtenkammer verlas am Sonnabend der S in imer das Finanzexposé, welches mit einem Uebershuß von mehr als 10 Millionen Pesetas ab- schließt. Die Nothwendigkeit, jährlih im Ganzen 92 Millionen für Zinszahlung und Aaiorénauoni aus den Zöllen zu deen, erfordere eine Kombination, welche gestatte, einen Kredit auf einen Theil der Einnahmequellen zu gründen und eine Er- höhung gewisser Abgaben bis zu 10 9/5 sowie die Einführung eines Petroleummonopols auf 20 Jahre vorzunehmen. Die Ausgaben beziffert der Budgetanschlag auf 873 865 877 Pesetas.

Türkei.

Der „Politischen Korrespondenz“ wird aus London ge- meldet: Bezüglich der Form der Aktion zur Herstellung des Friedens zwischen Griehenland und der Türkei hätten sich die ächte dahin verständigt, ihren Bot- schaftern in _ Konstantinopel gleihlautende Jnstruktionen behufs Einleitung von Friedensverhandlungen zu er- theilen. Weiter seien die Mächte übereingekommen, angesichts der Dringlichkeit der Regelung der Lage Kretas die darauf bezüglihen Verhandlungen von Kabinet zu Kabinet parallel mit der zuvor erwähnten diplomatischen Aktion laufen zu lassen. Die betreffenden Verhandlungen hätten bereits be- gonnen.

Die Abgrenzung der neutralen Zone ist, der „Agence Havas“ zufolge, nunmehr erfolgt. Die beiderseitigen Heeresabtheilungen seien angewiesen worden, soweit zurück- zugehen, daß ein Raum von 800 m Breite zwischen den Vor- posten frei bleibe. Die Pässe seien in die neutrale Zone mit einbegriffen, mit Ausnahme des Phurka-Passes, welchen die Türken beseßt hielten.

Die Pforte hat, wie das Wiener „Telegr.-Korresp.- Bureau“ meldet, den fremden Konsuln in Thessalien das Exequatur ertheilt, da die ihnen seiner Zeit von der griechishen La, ertheilie Vollmacht jeßt werthlos sei.

Der Oberst Stoikos hat sih gestern Vormittag mit den leßten griehishen Truppen in Kanea eingeschifft.

Griechenland.

Der Kronprinz hat, wie die „Agence Havas“ aus Athen erfährt, telegraphisch mitgetheilt, daß die Türken noch nah Abschluß des Waffenstillstands vorgerückt seien, ver- schiedene strategishe Punkte R und die Stellungen befestigi hätten, und in seiner Depesche hinzugefügt, die Türken ständen nur eine halbe Stunde östlih von Lamia. Jm Fall einer Erneuerung der ing e dard würden dieselben große Vortheile über die Griehen haben und Lamia beseßen können, indem sie die Griehen zwischen zwei Feuer nähmen. Die Regierung habe den Vertretern der Mächte hier- von Mittheilung gemacht, indem sie gleichzeitig ihren Protest erneuert habe.

Die zweite Vertheidigungslinie bei den Thermo- pylen ist, dem „W. T. B.“ zufolge, formiert worden.

Gegen den Obersten Manos, den früheren Befehlshaber der Armee in Epirus, wurden bei seiner Rückreise nah Athen in den verschiedenen Städten, durch die er kam, feindselige Ku ndgebu ngen veranstaltet. Jn Aitolico wurde? Steine gegen den pg geworfen, in dem er sih befand, und auf s E e in Athen wurden ebenfalls Shmährufe aus- gestoßen.

_ Vei Zaverda hat zwischen den italienishen Frei- willigen des Obersten Berthet und Bürgern ein blutiger Zusammenstoß stattgefunden. Zwei Personen wurden dabei getödtet und 10 verwundet. Die italienishen Freiwilligen E sofort nah Jtalien zurückgeshickt werden. Da aber eine

nzahl derselben sich weigerte, nah Jtalien zurück{zukehren, weil sie aus dem italienischen Heere desertiert seien, forderte die Regierung von den übrigen die direkte Abreise nah Jtalien und versprach, nur diejenigen in Zaverda und Voniga zu unter- halten, welche als Deserteure nicht zurückkehren könnten.

Dänemark.

Der König hat, wie „W. T. B.“ aus Kopenhagen meldet, gesterndieDemission des Ministeriums angenommen und den bisherigen Minister des Jnnern Ros zum Minister - Präsidenten und Mana e inister er- nannt. Der bisherige Marine-Minister Ravn behält sein Pee und wurde einstweilen zum Minister des Aeußern ernannt. Der bisherige Kultus-Minister Bar- denfleth erhielt das Ministerium des Jnnern. Der Justiz-Minister Rump behält sein Portefeuille. Das Mit- plled des Landsthings Alfred Hage wurde zum Acer- au-Minister, der Bischof von Laaland Sthyr zum Unter- richts-Minister und der Oberst C. F. Tuxen zum Kriegs- Minister ernannt.

Amerika, _ Aus Buenos Aires wird der „Times“ gemeldet : dort eingetroffene Telegramme von der brasilianischen Grenze be- richteten, daß E IRAAD!) eninUruguay sih beiNevera in der Nähe der Grenze festgeseßt hätten. Die Regierungs-

truppen hätten versucht, die Stadt zu nehmen, seien aber mit

bedeutenden Verlusten zurückgeworfen worden. Diéselben warteten nunmehr Verstärkungen ab, bevor sie ihren Angriff erneuern würden.

E Asien. Dem „Reuier’shen- Bureau“ wird gemeldet, d C Kreuzer „Nanima“, mit vin bean L g

andten der japanischen Regierung an Bord, am 5. d. M.

in Honolulu eingetroffen sei. Afrika.

Die „Jndépendance Belge“ veröffentlicht folgende Einzel- heiten über eine bei der Truppenabtheilung des Majors Se: im Uelle-Gebiet R, Sa vorgekommene Revolte: Die Kolonne haite eine staffelfórmige Stellung zwischen Ndirfi und Obi, als die Empörung ausbra@ch. Nachdetn die Empörer die er geo Ee wandten sie sih nach dem oberen Jturifluß, wo sie Mitte März mit einem Bataillon der Ex- pedition des Vize-Gouverneurs des Kongostaats Baron Dhanis zusammentrafen, welches [s gieiians empört bote, Vei dieser neuen Empörung erhielt Louis Dhanis, der

ruder des Führers der Expedition, Verwundungen, an denen er starb. Die Aufständischen, etwa 1500 an Zahl, gehörten dem Batetela-Stamm und dem Bakussu-Stamm, welhe im Süden der Zone der Araber wohnen, an und kehrten in diese Gegenden zurück. Nachdem Baron Dhanis die ihm treu ge- bliebene Abtheilung nah dem Fort Avakubis zurückgebracht hatte, begab er sich über die Stanleyfälle nah Nyangwe, um die Unterdrückung des Aufstandes zu sichern. Baron Dhanis hoffte, die Stanleyfälle Ende April zu erreichen.

Parlamentarische Nachrichten.

Die Berichte über die vorgestrigen Sißungen des Reich 5- tages, des“ Herrenhauses und des Hauses der Ab- geordneten befinden sich in der Ersten und Zweiten Beilage.

Jn der heutigen (230.) Sißung des Reichstages, welher der Staatssekretär des Jnnern, Staats - Minister Dr. von Boettiher und der Staatssekretär des Reichs- Schaßamts Dr. Graf von Posadowsky beiwohnten, bean- tra Ls n Gi in die A der

a DE neider . Volksp.) einen Urlaub wege r Ed ke Sli d e E räsident Freiherr von Buol will das Gesuch nit genehmigen.

Abg. Richter (fr. Volksp.) bittet um die Genehmigun Des Urlaubs, da der Abg. Dr. Schneider als Revisor der Genossen cbaften seinen Reiseplan eingerihtet habe, weil er nah den Beschlüssen des Seniorenkonvents nicht annehmen konnte, daß die Handwerkervorlage überhaupt noch auf die Tagesordnung kommen würde. Man müsse doch endlich cinmal wifsen, woran man sei.

Aby. Gröber (Zentr.): Wenn die Regen die Verhand- lungen der Handwerkervorlage durch ihre Obstruktion nicht verzögert e A u {hon brt f L daß

lbg. Richter verwahr dagegen, daß die Freisinnigen Ob-

struktion. getrieben hätten. Am Freitag seien noch 18 Vertreten von der Mehrheit für die Handwerkervorlage hiergewesen; die Zähl sei auf 100 zusammengeschmolzen, also seien 60 Mitglieder der Rechten und des Zentrums abgereist. - _ Abg. Dr. Pieschel (nl., Schriftführer): Einer der S{rift- führer, der am Sonnabend amtierte und der freisinnigen Partei recht nahe steht, hat ein Verhalten gezeigt, das man nicht anders denn als Obstruktion bezeichnen kann; er hat es mir auch ausdrüdlih bestätigt. _ Abg. Richter: E3 ift eine hübsche Praxis, Kollegen im Schrift- führeramt in ihrer Abwesenheit zu beshulbigen und fi auf private Mittheilungen zu berufen. Das Zentrum hätte lieber untersuchen ais wie viele von seinen Mitgliedern abgereist find, ohne Urlaub zu nehmen. :

Abg. Dr. Pieshel: Ich würde nichts gesagt haben, wenn nit Herr Nichter jede Absicht der Obstruktion weit von ih E geween e (Soz): W La

g- Singer (Soz.): ir unsererseits müssen die Art und Weise, wie Herr Pieschel ein Internum der Sthriftsührec und eine Privatunterhaltung hier vorbringt, durhaus mißbilligen.

Abg. Dr. Hermes (fr. Volksp.): Der Abg. Pieschel scheint einen Scherz von mir als Ernst aufgefaßt zu haben.

Abg. Gröber: Die Obstruktion der Linken hat die Berathung der Handwerkervorlage verzögert. Wir find vollzählig anwesend, die vcaigis des Herrn Richter find aber nur durch drei Personen ver- reten.

Abg. Richter: Die Handwerkervorlage ift plöglich auf die Tagesordnung gekommen, nahdem im leßten Seniorenkonvent die Herren von Leveßow und von Kardorff fich dagegen ausgesprochen hatten, daß sie überhaupt noch zur Verhandlung komme. Feder Abgeordneter hat das Recht, sich der Abstimmung zu enthalten ; das geschieht bei der Zählung des Hauses dadur, daß man dem Saale fernbleibt. Wenn Sie Geseße machen wollen, die die Minderheit für {hädlich hält, dann haben Sie die Verpflichtung, für die Beschlußfähigkeit zu sorgen und niht auf die Gutmüthigkeit der Minderheit zu rechnen, daß diese das Haus füllt, während die Freunde der Vorlage zu Hause bleiben.

Abg. Gröôber glaubt, daß man kei der Stimmenthaltung im Saale bleiben müsse, mißbilligt aber die Verwendung von Privat- unterhaltungen in öffentliher Versammlung.

Abg. Richter: Um falschen Mittheilungen entgegenzutreten, muß ich feststellen, daß mein Deus Hermes bei der ersten Ab- stimmung, welche die Beshlußunfähigkeit ergab, garnicht fungiert hat, wohl aber Herr Pieshel. Es kann doch s{chon aus rein mens{- lien Verhältnissen einmal vorkommen, daß man zur Abstimmung nit mehr rehtzeitig in den Saal konnte. Uebrigens bestimmt die Geschäft8ordnung, daß bei der Zählung des Hauses alle Abgeordneten den Saal zu verlassen habén. Es kann also derjenige, der sich der Stimme enthält, niht im Saal bleiben.

Abg. Dr. von Leveßow: Es sind mir viele Fälle bekannt, bet denen sich die sih der Stimme Eathaltenden bei mir gemeldet haben.

__ Abg. Nichter: Das würde der Geschäftsordnung nicht entsprechen ; mir ift davon auch nichts bekannt. :

Mv Urlaubsgesuch des Abg. Dr. Schneider wird ab- gelehnt.

Die zweite Berathung des Geseßentwurfs, betreffend den Servistarif und die Klasseneintheilung der Orte, wird darauf fortgeseßt, und zwar, nahdem am Sonnabend die Klasseneintheilung erledigt ist, beim Servistarif.

Die von der Regierung vorgeschlagenen Aenderungen der Servissäße beziehen sich hauptsählih auf die vorübergehende Quartiergewährung für Unteroffiziere und Gemeine, auf Stallungen für Dienstpferde und auf Geschäfts- zimmer. Die Vorlage will den Servis für Unter- offiziee um 2%, für Gemeine um 83/z, ir Dienstpferde um 50, für Geschäftszimmer um 75 v. H. in den einzelnen Servisklassen erhöhen. Die Budgetkommi fion beantragt ferner, die fünfte Servisklasse in dieser Beziehung der vierten gleichzustellen. :

___ Die Aenderungen des Servistarifs werden darauf ohne jeglihe Debatte genehmigt. | t L :

An Stelle des § 3, welcher die Mittel für den erhöhten Servis und Wohnungsgeldzushuß gewähren sollte, hat die Kommission einen anderen § 8 vorgeschlagen, wona /die Klasseneintheilung der Orte ausnahmsweise nah fünf Ja stattfinden solle.

j tiragsvertrag zu dem

Auf eine Anregung des Abg. Dr. Hammacher (nl) |

erklärt der des Rei ts8 Dr. Graf von Posa- Staatoselete E Ee e vérlindeten e e

en dows he inung laut geworden sei, daß es ¡weckmähig |

; Frage des Wohnungsgeldzushusses nach anderen sei, cdsägen zu ordnen, als nach denen des perfönlihen Servis. Eine Be chlußfassung sei aber noch nicht g A aber bei Annaßme des Beschlusses der ommission würden sofort ägungen stattfinden, ob in der angedeuteten Weise verfahren werden solle. Î Die von der Kommission vorgeschlagene Resolution: „Dahin zu wirken, daß für die Bemessung der Höhe des MWohnungsgeldzushusses und die entsprehende Örtsklasseneintheilung nicht aus\hließlich die Servisklassen als maßgebend betrachtet werden, und daß demgemäß das Reichs-Gefeß vom 39. Juni 1873 geändert wird“ wird ohne Debatte angenommen.

Darauf wird die zweite Berathung des Geseßentwurfs,

betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung, fort-

eyt. J

gel T 8 100a teat der Antrag des Abg. Richter (fr. Volksp.) vor, bei Bildung einer Zwangs-Jnnung außer der ortsüblihen Bekanntmahung auch eine persönlihe Mit- theilung den Betheiligten zukommen zu Tassen. Der Antrag wird gegen die Stimmen der Sozialdemokraten, Frei- nnigen, Nationalliberalen und einiger Zentrumsmitglieder abgelehnt und Ö 100 a unverändert genehmigt.

Nach § 100b Abs. 4 sollen die bestehenden Jnnungen ge- shlossen werden, wenn für das betreffende Gewerde eine Zwangs-Jnnung gebildet wird.

Abg. Richter beantragt, diese Bestimmung zu streichen, da ja die Zwang I sih nur auf diejenigen beshränken könne, weldhe Gesellen und Lehrlinge hielten. Man könne doch die Meister, die obne Gesellen und Lehrlinge arbeiteten, nicht ohne weiteres aus der Fnnung ausweisen, während die Innung vielleicht manche Einrich- tungen habe, die die Zwangs-Innungen nicht fortführen dürften. Redner weist auf die Preßhefefabrik der Bäckerinnung „Concordia“ in Berlin und deren sonstige Einrichtungen, die in kostspieligen Gebäuden untergebracht seien, hin. l

Abg. Gamp (Rp.): Die Meister, welhe keine Ge}ellen und Lehrlinge halten, können der Innung beitreten; die bia eeigen Mit- glieder einer freien Innung können auch derartige gewerblihe Unter- nehmungen fortführen in der Form einer Gesellschaft mit beschränkter

ung. A Richter: Eine Innung kann do nicht bei der Auflöfung fo ohne weiteres ihre Aktiven und Passiven auf eine Genossenschaft oder Gesellshaft mit beschränkter Haftung übertragen. Das Ver- mögen der aufgelösten Innung geht ja auf die Zwangs-Innung über.

Abg. Bassermann (ul) weist auf die §8 100 k und 100 n hin, welhe die Ausscheidung solher Gewerbebetriebe sicherstellten.

Abg. Richter: Die Vermögensobjekte können aber nit so leiht auêgesondert werden, und jedenfalls wird dadurch der ganze Hypothekar- fredit für die Innungshäuser ershüttert. Große Vermögen der be- stehenden freien Innungen werden dann den Zwangs-Innungen in den Schoß geworfen.

Der Antrag Richter wird abgelehnt und § 100 b unver- ändert genehmigt.

(Schluß des Blattes.)

Das Herrenhaus ertheilte in seiner heutigen (16.) Sizung zunächst dem Gesezentwurf, betreffend die Errichtung eines Amtsgerichts in Witkowo, sowie dem usagzartikel zur revidierten Rheinschiff- fahrisakte vom 17. Oktober 1868, d. d. Mannheim, den 18. September 1895, und dem Gesezentwurf über den Erlaß polizeilicher L IEA wegen Uebertretung strom- und schiffahrtspolizei- liher Vorschriften aufder Elbe und auf dem Rheine, welche beiden Vorlagen bezwecken, für die betreffenden Ueber- tretungen in erster Jnstanz statt der Rheinschiffahrts- und Elbzollgerichte die Polizeibehörde für die Straffestsezung zu- ständig zu machen, ohne Di skussion seine Zustimmung.

Namens der Agrarkommission berichtete sodann Herr von Hanstein über den vom Grafen zu Jnn- und Knyp- hausen eingebrachten A betreffend Ab- änderung der hinsihtlich der Jagd auf Wasservögel für Ostfriesland geltenden geseßlihen Bestimmungen. Der Geseßentwurf, der gewisse Unklarheiten der alten Gescß- gebung beseitigen will und auch vom Hannoverschen Pro- vinzial-Landtage gebilligt worden ist, wurde mit einigen redaëtionellen Aenderungen angenommen, nachdem der Antragsteller und Herr Ober-Bürgermeister Küper den- selben empfohlen und der Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammerstein seine Ansicht dahin kundgegeben hatte, daß er der Sache günstig gegenüberstehe und die An- nahme des Entwurfs bei der Regierung befürworten werde.

Ohne Debatte genehmigte das Haus ferner den Nach- taatsvertrage vom 17. Ok- tober 1878 über Errichtung eines gemeinschaft- lihen Landgerichts in Meiningen, wonach das Dienst- altersstufensystem s für die Beamten dieses Landgerichts in Anwendung gebracht werden foll.

(Schluß des Blattes.)

In der O (90.) Sißung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Minister der öffentlichen Ar- beiten Thielen und der Minister für Landwirthschaft 2c.

reiherr von Hammerstein beiwohnten, gelangte der

eseßentwurf, betreffend die Erweiterung des Staats- Eisenbahnneßzes und die Betheiligung des Staats an dem Bau von Kleinbahnen sowie an der Errichtung von landwirthshaftlihen Getreidelagerhäusern, zur dritten Ian,

Abg. Möller (nk.) beantragt, in der Bestimmung des § 1: „daß der Grund und Boden der ran in dem Umfang, in welchem derselbe nah den landesgeseßlihen Bestimmungen der Ent- tignung unterworfen und bei der landespolizeilihen Abnahme für nothwendig erklärt ift, unentgelt ‘und lastenfrei zu überweisen ist“, die Worte „und bei der erklärt“, welche in der zweiten Lesung

auf Antrag des Abg. Gamp hinzugefügt sind, wieder zu streichen, da maeiister ertlárt habe, daß der Antrag Gamp für die Regierung chmbar fei.

_ Abg. Gamp (fr. kons.) hält seine Ansicht anfrecht, will sih aber mit der Streichung-.der Worte bescheiden, weil sie der Regierung un- jgnchmbar seien. Er bitte aber den Minister, dur eine Ver- dieung die Angelegenheit in seinem - Sîknne zu regeln und

è Grundsäße, die in dieser Beziehung befolgk werden, F veröffentlihen, damit sie allgemein bekannt würden. bei behalte fi au vor, - auf die Sache bei einer späteren Gelegen-

eit zurückzukommen. Rebner bestreitet ferner die Nichtigkeit der vor- poitigen Angabert des Ministers über die Zunahme des Verbrauchs

on inlänbishen" Holzswellen. Dieselbe Begünstigung, welhe das den inländischen

inländische Holz erfahren ü ; müsse, müsse au | Ein euen und der inländishen Kohle zu theil werden.

téisaufschlag; von .10 9/6 komme gar niht in Betracht angesichts des Shutes der einheimischen Produkfion und Arbeiter.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen bittet um die An- nahme des Antrages dler, sagt aber zu, nach Möglichkeit die Seubsähe für den Erwerb von Grund und Boden im Sinne des Abg. durch eine Verfügung dahin zu regein, daß die Eisen- bahn-Direktionen mit der Forderung von d und Boden nach der: Eröffnung der hn- auf das Allernothwendigste beschränken und daß eine Nora nah dem A schluß des ersten Betriebsjahres der speziellen Genehmigung des Ministers bedarf. In jedem Falle lasse fich nicht genau voraussehen, in welhem Umfang noch in Zukunft nd und Boden nothwendig sei. Der Minister hält ferner seine neulihen Angaben bezüglich der Verwendung in- ländisher Schwellen aufrecht. Bei den ienenlieferungen müsse aus technischen Gründen mit der größten Vorsicht verfahren werden; ohne Noth werde kein Schienenmaterial vom Ausland bezogen.

Abg. Dr. Arendt (fr. kons.) bedauert, daß dem Bau von Klein- bahnen an manchen Orten von der Verwaltung entgegengewirkt werde, und empfiehlt einige befsere Eisenbahnverbindungen im Mansfelder Kreise, namentlich eine Verbindung Querfurts mit Eisleben. Wenn der Staat nit s\elb# dort Nebenbahnen bauen wolle, folle er wenigstens den Interessenten die Genehmigung zum Bau von normal- \purigen Kleinbahnen nit versagen. :

Ministerial-Direktor Dr. Micke: Es handelt \sich nur um die Befriedigung eines örtlichen Verkehrs, und wenn fol{che Linien normal- \spurig ausgebaut werden, würbven sie aus dem Rahmen des Klein- bahngeseßes herausfallen und den Staatslinien Konkurrenz machen.

Abg. Niesh (fr. kons.) empfiehlt den Bau einer Nebenbahn von Olsberg über Winterberg—Hallenberg (Kreis Brilon) nah Frankenberg, Regierungsbezirk Cassel. |

Abg. Dr. Hahn (b. k. E beklagt, daß dur mangelhafte Eisen- Loabecblaliunges der Seeverkehr von Geestemünde zurückgegangen sei, und empfiehlt im Interesse des gesammten Handels, an der Unter- weser eine direkte Verbindung von Geestemünde nah Magdeburg her- zustellen durch eine Bahn Rotenburg—Stubbe. Redner befürwortet ferner Tarifermäßigungen für den Pteante, damit der Holzhandel in Geestemünde nt demjenigen in Bremen konkurrieren könne.

Abg. von Bülow-Bossee (fr. kons.) wünscht den Bau einer Linie Wandsbek—Trittan—MsUn. - / /

Nach weiterer längerer Debatie wird die Vorlage an-

genommen. (Schluß des Blattes.)

Nr. 20 des „Centralblatts für das Deutshe Reich“, herausgegeben im Reichsamt des Innern, vom 21. Mai, hat folgenden Inhalt: 1) Konsulat-Wesen: Ernennung; Eatta stung: Todesfälle; Exequatur-Ertheilung. 2) Finanz-Wesen : Nach- weisung der Einnahmen des Reichs vom 1. April 1897 bis Ende April 1897. 3) Zoll- und Steuer-Wesen : Bestimmungen über den zollfreien Einlaß der von der im Jahre 1897 in Brüffel stattfindenden Welt-Ausstellung zurückgelangenden deutshen Güter; Ergänzung des Privatlager-Regulativs; Aenderung von Tarasäßen. 4) Marine und Schiffahrt: Erscheinen des ersten Nachtrags zur Amtlichen Lijte der Schiffe der deutshen Kriegs- und Handelsmarine für 1897. 5) Handels- und Gewerbe-Wesen: Neues Verzeichniß der regelmäßigen Üntersuhungen unterliegenden und den Anforde- rungen der Reblaus-Konvention entsprehend erklärten Gartenbau- 2c. Anlagen. 6) Polizei-Wesen : Ausweisung von Ausländern aus dem

Neichs8gebiete.

f

Arbeiterbewegung.

Aus Breslau wird der „Köln. Ztg.“ vom Sonnabend telegra- phiert: Der allgemeine Ausstand der Tischlergesellen ist beendet. Bei der Lohnfestseßung neo die Arbeitnehmer gleichwie die Arbeitgeber Entgegenkommen. (Vgl. Nr. 118 d. Bl.)

Aus Wiesbaden wird der Frkf, Ztg." zur Lohnbewegung der Maurer unter dem 22. d. M. gemeldet: Eine Besprehung der Lohnkommission der Maurermeister und der Maurergesellen ift re- sultatlos verlaufen. Die Meister hielten ihr Angebot von 36 Stundenlohn aufrecht, und die Gesellen wollten von ihrer Forderung von 40 S nicht abgehen ; es haben nun die meisten Maurer, 500 bis 600, die Arbeit niedergelegt. (Vgl. Nr: 120 d. Bl) i

Aus Erfurt, wo die Zimmerleute sich bereits seit einiger Zeit im Ausftande befinden, haben, wie der „Geraer Ztg.“ geschrieben wird die Maurer in einer Ver’ammlung am Mittwoch beschlossen, auf allen Bauten die Arbeit niederzulegen, wo am Ausstande nicht be- theiligte Zimmerleute beschäftigt würden. Die Arbeitgeber haben dem-

gegenüber den Beschluß gefaßt, bei Aufrehterhaltung dieses Beschlusses

der Maurer auf allen Baupläten die Arbeit einzustellen.

Aus Bremen wird der „Köln. Ztg.“ unter dem 21. d. M. berihtet: Der Ausstand in der Jute-Spinnerei und -Weberei Bremen hat heute folhen Umfang angenommen, daß die Verwaltung einen geregelten Betrieb nit mehr aufrehterhalten konnte und ihn ganz einstellte. Dadurch sind auch die Arbeiter, die gern verdienen wollen, in Mitleidenshaft gezogen. Im Ganzen sind nun 1400 Leute außer Arbeit. Die Verwaltung läßt sih auf Ver- handlungen nicht ein. (Vgl. Nr. 113 d. Bl.) : i

Aus Triest meldet ,W. T. B.“: Sämmtliche Arbeiter des Arsenals des Oesterreihischen Lloyd haben die Arbeit wieder aufgenommen. (Vgl. Nr. 119 d. BL.)

Kunst und Wissenschaft.

Der Kongreß für innere Medizin wird in diesem Jahre unter dem Präsidium des Geheimen Medizinal-Raths von Leyden nah langer Pause wieder in Berlin abgehalten, wo er zum leßten Male vor 13 Jahren zusammengetreten is. Die Verhandlungen werden \sich über eine große Zahl von Thematen erstrecken, denen die höchste wissenschaftlihe und praktishe Bedeutungz zukommt. Ganz Mere Interesse beanspruchen die Vorträge des Geheimen

edizinal-Raths Liebreih über die Ziele der modernen medikamentöfen Therapie und des Geheimen Medizinal-Raths Behring über experimen- telle Therapie, welche die Genannten auf Aufforderung des Vorstandes halten werden. Auch die Referate über aktuelle und wichtige Sen wie sie auf jedem Kongreß für innere Medizin erstattet werden, erfordern Beachtung: so über den chronishen Gelenk-Rheumatiômus, über Epilepsie, über die Basedow'she Krankheit. Unter den mehr als fünfzig angemeldeten Vorträgen ragen viele durch die Wahl des Stoffs und die Persönlichkeit der Vortragenden hervor. Die diesmalige Tagung des Kongresses wird sih von früheren dadur unterscheiden, daß eine cigene „Demonstr L In T, stattfindet, in welher aus-

ließli seltene Krankheitsfälle und besondere erperimentelle Demon- trationen oder wissenschaftliße Präparate LOL R werden. Mit dem Kongreß wird im Architektenhause eine Ausftellung von wissenschaftlichen Instrumenten, agi dls dkg paraten Agtneipräpg raten und Krankennahrungsmitteln' verbunden fein, welche unter Let- tung der Herren Geheimer Ober-Medizinal-Rath Schaper und Privat- dozent Mens gerade die Berliner Leistungen auf diesen Gebieten vorführen soll. ‘Auch hat das Berliner Lokalcomitó durch den Feri dozenten Pagel, den bekannten medizinischen Historiker, eine Fe [Vis betitelt „Die Entwickelung der Medizin in Berlin“, abfassen laffen, welche, mit authenkis{Gen Porträts der Paupteerirete der medizinischen Vergangenheit Berlins e en Kongreßtheilnehmern als Fest abe überreiht werden soll. omit wird diefer Kongreß, für welchen Einladungen an eine Rethe Pod estellter Persönlichkeiten er- angen sind, vieles Bemerkenswerthe darbteten. S Dank ge» bührt auch noch der General-Intendantur der Königlichen Schauspiele, welche eine Festvorstellung im’ Neuen Köntiglihèn Opernhause (Kroll) zur Begrüßung der auswärtigen Gäste veranstalten wird.

- München 1897 wird berichtet: Obgleich

Von der VI1. Internationalen Kunstausstellung in im Glegpalast dex Vollendung hart peasentlert i doch jet schon m Gias [ ung Hharrt, prajentier (4 n das aritektonische Bild der Ausftellung in glänzender Totalwirkung, reizvolle Abwechselung und wohlthuende monumentale Harmonie in glüdcklihster Weise vereinigend. In allen Räumen ift in erfter Linie darauf Bedacht genommen, durch Vielgestaltigkeit in Form, Farbé und Dekoration der Ermüdung des Besuchers möglichs vor- zubeugen. Die Hauptsäle der drei Münchener Künstlergruppen sind mit plastishen antiken Friesen, Malereien und dekorativen Portalen eshmüdt. An diese reihen sich Säle, die durch Bogen- Tina mit reich ornamentierten Säulen untereinander ver- bunden sind. Unter den kleineren Räumen, von denen ein Theil mit ovalen Oberlichikorstruktionen versehen und mit phantasievollen orna- mentalen Friesen geschmüdt ist, bilden vor allem die intimen Kabinette für Aquarelle und Schiwarz-Weiß-Ausftellungen Anziehungspunkte von besonderem Reiz. So is ein Naum in seiner Gesammtkomposition auf die ihn zierenden italienischen Majolika-Ornamente zusammen- gestimmt, während einem anderen als Leitmotiv der Shmuck riehisher Tongefäße zu Grunde gelegt ift. Glanzpunkte der Aus- ftellung werden auch die ünter der Leitung der Architekten Fischer und Dülfer entstehenden fkunstgewerblihen Kabinette bilden, welhe den modernen, s{chöpferischen Bestrebungen gewidmet sind und ein erfreulihes Zeugniß ablegen von frisch pulsierender Originalität. Ueberall sind die Farben der Wände sowie die Technik ihrer Behandlung auf das Mannigfaltigste verwendet, ohne irgendwie die Nane Wirkung des Ganzen zu beeinträthtigen. Am vornehmsten ist der Hauptsaal der retrospektiven Ausstellun ausgestattet, der dem Beschauer sofort zum Bewußtsein bringt, da er dazu bestimmt ift, höchster Kunst zur Folie zu dienen. Professor Dr. von Lnbah, der diese Räume mit besonders auserlesenen Werken beleben wird, und Professor Emanuel Seidl, der Architekt des ganzen Unternehmens, haben fh hier ein Ausf\tellungsobjekt geschaffen, N die Wege weist, wie ein Heim der Kunst beschaffen ein soll.

Verkehrs-Anstalten.

Passau, 23. Mai. (W. T. B.) Zu Ehren der heutigen Generalversammlung des Vereins zur Hebung der Flufß- und Kanal-Schiffahrt in Bayern wurde gestern Abend ein Fest veranstaltet, bei peln der Bürgermeister die Gäste begrüßte und ein Hoh auf Seine Königliche Hoheit den Prinz-Regenten von Bayern ausbrahte. Seine Königliche Hoheit der Prinz Ludwtg von Bayern, der Protektor des Vereins, brachte ein Hoch auf die Stadt Passau aus und hob in seiner Rede hervor : Er sei davon überzeugt, daß die Landwirthschaft von dem Ausbau der Wasserstraßen ebenso

roße Vortheile haben werde, wie Industrie und Handel. Ein ge- ide Handel und eine gesunde Landwirthschaft {lösen sich nicht aus; wenn die Landwirthschaft jeßt auch schlechte Zeiten habe, fo werde es doch besser werden. Dazu könne durch Handelsverträge u. a. geholfen werden, aber die Paupisawe müsse die Landwirthschaft selbs durch intensivere Bewirthschaftung thun. In der heutigen Sitzung wurde von verschiedenen Seiten das Projekt eines Donau- Main-Kanals erörtert, zuglei wurde mitgetheilt, daß bis jeßt 60 000 „6 für die Kosten der Ausarbeitung des genannten Kanal- projekts Um worden sind. Zum Ort der nächsten Hauptversamm- lung wurde Schweinfurt gewählt. Bei dem Nachmittags im Rathhause ver- anstalteten Diner besprach der Prinz Ludwig die bayeri]chen Schiffahrtsver- bâltnifse und toastete auf das Gelingen des Kanalprojekts sowie auf alle Mitarbeiter auf diesem Gebiet; ferner toasteten der Abg. Ritter von Proskoweß aus Wien auf das Gelingen der gemein lgen Schiffahcttbestrebungen und der Vertreter des ungarischen Schiff- fahrts-Vereins Klein aus Budapest auf den Bayerischen Kanal-Verein.

Bremen, 23. Mai. (W. T. B) Norddeutscher Lloyd. D. „Ems“, y. New-York kommend, 21. Mai Nachm. Punta elgada passiert. „Crefeld“, n. Baltimore best., 21. Mai Vin. in New-York angek. „Kaiser Wilhelm Ik. “, v. New-York kommend, 22. Mai Mrgs. Genua angek. „Bonn“, n. Baltimore best, 22. Mai Mttgs. Lizard passiert. „Königin Luise“, v. New-York kommend, 22. Mai Vmn. Scilly lbe vi „Coblenz“, 22, Mai Mrgs. Reise v. Lissabon n. Brasilien fortgeseßt.

London, 22, Mai. (W.T.B.) Castle-Linie. D. „Arundel Castle“ ist heute in Plymouth angekommen.

Rotterdam, 23. Mai. (W. T. B.) Holland-Amerika - Linie. D. „Maasdam“® is am Sonnabend Vormittag von New- Vork nah Rotterdam abgegangen. D. „Zaandam“ von Amsterdam am Sonnahend Nachmittag in New- Vork angekommen.

Washington, 20. März. (W. T. B.) China hat auf dem ostkongreß die Absicht erklärt, dem Weltpostverein beizutreten. ie elsepung des Zeitpunktes is vorbehalten. Auch Korea will

den Weltpostvertrag unterzeihnen. Die Anf{chlußerklärung des Oranje- Freistaats ist in Vorbereitung. i : :

Rußland und Britisch-Indien haben in der Kommission

die Absicht erklärt, der internationalen Postpacket-Uebereinkunft beizus

treten.

Theater und Musik.

Königliches Opernhaus.

Wie alljährlich bei Beginn der Sommersaison, ist jeßt die Zeit der Valsplele angebrochen, welche \sich in diesem Jahre besonders viel- estaltig und Tatotessant entwideln. Neben den auf Engagement neuer Kunstkräfte abztelenden Gastspielen, wie das des vortrefflihen Bari- tonisten Herrn Hoffmann vomStad-Ttheater in Köln, ift es das Auf- treten berühmter auswärtiger Sänger und Sängerinnen, welches, ob- wohl die Spielzeit zur Neige geht, immer wieder zum Theaterbesuch anregt und die Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt. Augenblicklih sind es nihcht weniger als vier Träger berühmter Künstlernamen, welche theils gemeinsam, theils einzeln mit dem vornehmen künstlerishen Ensemble des Königlichen Opernhauses zusammenwirken : Herr Theodor Réihmann, Herr Emil Goeße, Fräulein Franceëhina Prevosti und \{ließlich Herr Franceêco Tamagno, dessen erstem und vorläufig einzigem Auftreten in Berlin am heutigen Abend man mit Spannung entgegensieht. Die drei erstgenannten Künstler sind hier längst bekannt und gewürdigt; auch die Aufgaben, in denen sie sich zeigen, find diejenigen, in denen man sie scit Jahren zu hören und zu s{äßen gewöhnt is. Jn der Aufführung der „Meistersinger“, am Sonn- abend, gab Herr Reichmann den Hans Sachs, Herr Goeße den Walter Stolzing. Beide waren vortrefflich disponiert, wie überhaupt die ganze Aufführung, welche unter Kapellmeister Dr. Muk's Leitung stand, durch ihre Frische Leloubers angenehm berührte. Fräulein Prevosti, deren Wirkungskreis vorzugöweise im italtenishen Kunstgefang liegt, fand am Donnerstag vergangener Woche als „Carmen“ nicht den üblichen Beifall; weder ihr Gesang, noch ihre Darstellung sagten in diefer Rolle dem Publikum recht zu. Dagegen fand Herrn Goeße's Don Joss lebhafte Anerkennung. Auf der Höhe ihrer Kunst zeigte fch aber Fräulein Prevosti linen wieder in Verdi's „Traviata*“, einer Partie, in welher Gefang und Spiel der Künstlerin als vollendet bezeichnet werden müssen. Die Aufführung ging, wie schon im vergangenen Jahre, in italienisher Sprache vor ch. Befonders ut dis oper war auch Herr Naval ‘als Alfred, der unter den eins beim! en Künstlern durch s{önen Gesang und temperamentvolle arstellung allgemein auffiel. Herr Hoffmann, welcher die Partie

des Georg Germont offenbar unvörbereitet übernommen hatte, san

dieselbe als einzige Ausnahme in deutsher Sprache; er schien dur eine gewi Unsicherheit in der vollèn Entfaltung seiner großen

e

Mittel behindert zu sein. Theater Unter den Linden. Millöcker’s melodidöse Operette „Der arme Jonathban"

brate bei der vdr En Vorstellung niht nur dem tre lichen Wiener Gaste, Fräulein Annie Dirkens, sondern der ganzen Bühne

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