1897 / 122 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 25 May 1897 18:00:01 GMT) scan diff

au jeßt durch die Kleinbahnen noch immermehr ausgedehnt wird, es rihtig ift zu fordern, daß neue Wasserstraßen niht à fonds perdu vom Staate gebaut werden, sondern daß fie die Betriebs- und Unter- haltungskoften deden und eine mäßige Verzinsung in Ausficht stellen {bravo!), und ich stehe noch heute auf diesem Standpunkt. Nah diesem Gesichtspunkt muß man au tarifieren; man muß die. Tarife so hoh stellen, daß eine solhe mäßige Verzinsung herauëkommt. Aber- meine Herren, man. kann die Tarife nit willkürlich tellen; wenn man Fe \o hoh stellt, daß gar keine Schiffe oder nur sehr wenige fahren, bekommt man weder die Unterhaltungs- noch die Betriebskosten und au keine Verzinsung. (Zuruf.) Ja, dann is das Unternehmen vielleiht niht richtig gewesen; davon spreche ih. garnicht mehr. Aber bas Unternehmen is vollendet, is vorhanden. Nun, meine Herren, erklärten bei der Frage der Tarifierung, wo das Finanz- Ministerium eine höhere Summe gefordert hatte, die Interessenten, daß sie nit geneigt wären, bei so hohen Tarifen das Risiko des Baues von neuen Schiffen für den Kanal zu laufen; die Stadt Dortmund erklärte: Dann werden wir keinen Hafen bauen, denn wir haben dann keine begründete Aussicht, daß die Schiffahrt auf dem Kanal irgend eine Bedeutung gewinnt. Um also überhaupt diese Kanalschiffahrt in Gang zu bringen, wofür doch der Kanal bestimmt wurde, müssen wir die Tarife ermäßigen, meine Herren; aber das haben wir uns gleich gesagt, daß solche Tarife, die man zusichert, um folde großen Kanalanlagen und die Benußung des Kanals überhaupt zu ermöglihen, zwar eine gewisse Dauer baben müssen, damit nit die- Interessenten das Risiko laufen : daß heute der Tarif so normiert wird, daß eine Rente erwartet werden kann, daß er morgen wieder geändert wird, daß das aber nit zu lange dauern darf, daß man revidieren muß, nach Maß- gabe der Entwicklung des Verkehrs auf dem Kanal und der Er- fahrungen, die man dabei sammelt. Jch würde der Erste dazu sein, wenn ein großer Verkehr auf dem Kanal zustande käme (Zuruf : Tommt nicht !) „käme“* habe ih gesagt, wenn man sieht, die Schiffahrt fFann höhere Tarife vertragen, sie wird doch noch für die betreffende Gegend die Rheinkonkurrenz aushalten können, so bin ich der Erste der, wie bei den märkischen Wasserftraßen, sagt: die Tarife müssen er- Höht werden! Aber man wird niht fo weit gehen, die Schiffahrt von: vornherein durch die Tarife todt zu \s{chlagen. Jn dieser Be- ziehung muß man, möchte ih sagen, die Hand an den Puls\lag des Verkehrs halten. Im Prinzip theile ih aber die Ansit: Wenn wir Eisenbahnen bauen . und sie uns eine Rente bringen, wenn wir Kanäle bauen, die die gefährlich\sten Konkurrenten gegen die Eisenbahnen Find, dann kann man es nicht aus volkswirthsaftlihen und finanziellen Gesichtspunkten verantworten es sei denn, daß es sih um eine unbedingt nothwendige Kanalanlage zur Melioration des Landes handelte den Kanal à fonds perdu berzusftellen. Den Gesichtspunkt der möglihen und wahrscheinlihen Rentabilität muß man nach meiner Meinung unbedingt festhalten. Aber wie gesagt, alles dies kommt bei. diesem Kanal nichi in Frage, ih lehne immer ab, daß Sie alle die {önen Grundsäße hier ad consequentias ziehen wollen.

Nun, meine Herren, hat Herr Ober - Bürgermeister Shmieding gesagt: wir haben doch nun alles gethan; in den beiden Provinzen Rheinland und Westfalen hat man alles, was der Staat gefordert hat, bewilligt. Mit nihten, meine Herren. Die Herren haben bewilligt unter der Vorausseßung, daß gleichzeitig die Lippe Tanalisiert und der Kanal Dortmund—Ruhrort gebaut wird. Jch weiß noch nicht, wie sich die Staatsregierung zu dieser Be- dingung tellt, jedenfalls ist es eine bedenklihe Bedingung, und ih fürchte, daß eine folhe bedingte Zusicherung {ließlich doch s{chwerlich wird Aninahme finden können. Die übrigen Provinzen haben noch gar nihts erklärt. Wir wissen weder, wie Hannover, noch wie die Provinz Sachsen sih stellt, obwohl ih nicht genug betonen kann was natürlich die Provinzen nicht glauben werden —, daß wir ihnen fehr billige Bedingungen gestellt haben. Jh habe mi gefreut, daß Herr Schmieding ausdrüdlih anerkannt hat, es sei durhaus richtig, die Provinzen, die die Kanäle durhzögen, mit einem Präzipuum vorab zu den Kosten heranzuziehen, und das sei um so leiter, als nah dem neuen Kommunalabgabengeseß eine Vertheilung auf die noch näher Betheiligten leiht stattfinden könne. Das acceptiere ih durchaus, und ih möchte die Herren von den Provinzen, die sich über die Höhe desjenigen beschweren, was wir von ihnen als Präzipualbeitrag ge- Fordert haben, einmal bitten, zu vergleihen, wie in Frankrei in dieser Beziehung verfahren wird; da muß ganz anderes von den näher Betheiligten geleistet werden, wie in Oesterreih verfahren wird; da fordert man ganz andere Summen von den Ländern, Provinzen und Handelskammern. In Frankreich bezahlen in vielen Fällen die Handelskammern, die ein selbständiges Besteuerungsrecht haben, 'zur Förderung wirths{chaftliher und dem Handel vorzug8weise zu gute Tommender Unternehmen über ein Drittel bis die Hälfte. Also wir find in dieser Beziehung mäßig gewesen, und die Provinzen mögen \sih Feine Hoffnung machen, daß wir weiter zurückgehen, es is au voll- Tommen zutreffend, daß beim ersten Bau dieses Kanals Dortmund— Ems die Interessenten nur in geringem Maße herangezogen worden sind. Aber das ift ja selbstverständlih, nachdem der Kanal da ift, daß man da nit von den Interessenten hinterher Geschenke fordern kann, die Fe nicht zu geben verpflichtet sind.

Also, meine Herren, ih möchte bitten, \sich dur diese großen wirths{aftlihen Gesichtspunkte, dur die allgemeinen Grundsäße für die Herstellung von Kanälen, durch die Frage, ob die Eisenbahn {{hließlich niht dasfelbe leisten könne als wie neue Kanäle, bei dieser Gelegenheit niht beirren zu lafsen, sondern dies als abgeschlossene Sage zu beirahten, wo wir lediglih die niht abweisbaren Konse- quenzen ziehen.

Freiherr von Wendt if wie früher, a i Kanalanlage. Die Sra strie Westfclen O A E quen dos Ausschwung begriffen und follte niht känstlih durch derartige außer- ordentlihe Zuwendungen noch mehr übertrieben werden. Nachdem aber der Kanal gebaut sei, habe es keinen Sinn, die Nachforderung abzulehnen, zumal die Interefsenten sich auf nichts mehr einlassen würden. Zu diesen Interessenten gehörten keineswegs bloß die E dúustriellen. Der Import auf dem Kanal werde in der Hauptsate Eisen, Holz und Getreide umfassen. Das \{chwedische Cifen aber werde dem des Lahn- und Sieggebiets Konkurrenz mahen. Das für den dea erforderlihe Grubenholz könne in Westfalen von der heimischen Forstwirths{haft produziert werden, und das russische Ge- treide werde sier preisdrückend wirken. Ginen Zweck würde die gestellte Nefolution also immerhin zu erfüllen haben. Komme das

russishe Getreide bis nah Dortmund, ; 4A Körnerbau ruintiert. ch Dortmund, dann sei der westfälische

Kanalfrage,

verlangt aber für die Zukunft grö Perüanibtigung der [landwirth- Gefilgen i nteressen, da onft die rheine Landy schaft die bis- her | ehaltene Anf g ibrer mit der Induftrié niht mehr würde aufrecht erhalten können.

Darauf wird éin lußantrag angenommen. Jn der Spezialbitussion zuS L MER M 9

err von Manteuffel, daß der Min auf den

Appell - der Rechten un As d Sn E git ihm

und seinen Freunden daher niht mögli, in diesem Jahre für die

Na(hforderung zu stimmen. Die Ueberschreitung betrage 30%. Seien

die Minister dafür verantworitlich, so sei er allerdings bereit, von ihrer Tasche jeden Schaden abzuhalten.

Finanz-Minister Dr. von Miquel:

Herr Freiherr von Manteuffel hat mihch sehr erheblich miß- verstanden. Ih habe nit gesagt, man solle die Tarife ohne Rück- sit auf die Landwirthschaft stellen, sondern ih habe gesagt : hat man einen Kanal gebaut, fo hat man ihn gebaut, damit er befahren wird, und man muß namentlich im Anfang, wo die Sache erft in der Entwickelung begriffen ift, die Tarife niht so hoch ftellen, daß der Kanal überhaupt nicht benußt werden kann. Man muß der Ent- widelung auf dem Kanal genau folgen und danach die Tarife definitiv geftalten. Wir haben immer die erften Tarife als provisorische hingestellt. Ih theile vollkommen die Meinung, daß wir nit die geringfte Veranlaffung baben, den Import des Getreide# dur diesen Kanal besonders zu begünstigen. Sollte dies später dennoch zu Lasten der Landwirthschaft eintreten, so werden Sie uns wieder auf Ihrer Seite finden, um nicht in dieser Beziehung den Kanal beffer zu stellen, als den Rhein.

Sodann ift es doch nit zutreffend, daß hier 58 Millionen allein bewilligt sind. Der Grundgedanke der Bewilligung war ein Kanalunternehmen von der und der Beschaffenheit; das war geschäßt auf 58 Millionen Mark. Nun ift diese Summe überschritten, wie das oft geshieht, und zwar nicht bloß bei Kanal- unternehmungen, fondern au bei anderen Unternehmungen. Stehen bleibt aber immer die geseßlihe Ermächtigung der Königlichen Staats- regierung, den Kanal auszubauen, und fogar ihre Verpflihtung dazu. So liegt die Sahe. (Sehr richtig) Ich kann mir sehr wohl denken, daß jemand heute sagt: Hätte ich gewußt, daß diese 58 Millionen um 17 Millionen überschritten werden würden, so Hätte ih nicht für das Unternehmen gestimmt. Das alteriert aber diese geseßliche Lage der Sache niht. Thatsächlih beruht das Unternehmen selbft auf einer geseßlihen Bewilligung.

Was würde nun das Resultat {ließlich sein, wenn die Forderung der Regierung abgelehnt würde? Diejenigen Summen, die bereits verausgabt find, werden wir nicht wieder bekommen. Diejenigen Verpflichtungen, die bereits mit den Unternehmern abges{lofsen worden find, werden erfüllt werden müssen. Der Staat würde fonst dur Klagen und rihterlihße Urtheile gezwungen werden, seinen rechtliGen Verpflichtungen nachzukommen. Nun bleibt vielleißt noch ein Nest übrig ih weiß nicht, wie hoh derselbe ist, das wird au der Herr Minister der öffentlichen Arbeiten niht geaau wissen, sehr erheblih wird er niht sein. Er foll dienen zur Vollendung eines fast ganz vollendeten Kanals. Entscheidend ift also die Frage: Wollen Sie die Vollendung des Kanals, für den vielleicht zu 99 9/5 die Kosten ausgegeben \ind, jeßt verhindern und den Kanal brach liegen lafsen? Das ift die Frage, um die es sich hier handelt, und ih glaube nicht, daß das hohe Haus diese Verantwortlichkeit übernehmen will. Meine Herren, ih selbst muß sagen: Jh glaube an eine große Entwicke- lung auf diesem Kanal, namentlich wenn er vereinzelt bleiben sollte, überhaupt nicht, aber ich mêchte mir doch unit beilegen zu erklären, was aus diesem Kanal {ließlich werden kann, welher Verkehr \sich darauf bewegen wird, ob das wesentlih ein Lokalverkehr sein oder ob es ein internationaler Verkehr werden wird, auf welche Artikel, in welher Höhe er {ih erstrecken wird, alles das kann beute niemand, glaube ih, von uns voll übersehen. Daß aber für die Bevölkerung des Landes selbst, durch das er geht, und derjenigen Landestheile, welhe zu den Kosten des Kanals beigetragen haben, die wir selbst zu den Kosten herangezogen haben, ein solcher Kanal doch erheblihen Werth hat, einen lokalen Werth, das kann, glaube ich, nicht bestritten werden. (Sehr rihtig!)) Und wie die Provinzen dazu ftehen, ergiebt sih daraus, daß ja Westfalen und die Rheinprovinz bereit find, für weitere Kanäle erhebliche Lasten zu über- nehmen. Es wäre also doch gewissermaßen auch eine Art, ich will niht fagen Vertrauensbruh, aber doch ein bedenklihes Ding gegen- über den Interefsenten und den Provinzen, die. wir zu den Kosten dieses Kanals herangezogen haben, wenn wir jegt, wo es si{ noch um eine verhältnißmäßig kleine weitere Ausgabe handelt, das Ganze fallen laffen wollten. Das wäre nach meiner Meinung nit zu verantworten.

Es ift gefragt worden ih glaube von Herrn Grafen Klinckow- \strôm —, wieviel denn nun eigentlich diese Provinzen für die neuen Strecken zahlen sollen. Nach unseren Vorschlägen follen die Pro- vinzen den ganzen Betriebs- und Unterhaltungsbetrag voll und weiter eine Rente von 3 9/9 von einem Drittel des ganzen Anlagekapitals und bei den Ansclußkanälen der Hälfte des Anlagekapitals garantieren. Das ift allerdings doch \{on erheblich, nur if es insofern eine fehr erheblihe Erleihterung der Provinzen gegen früher, als sie kein Kapital felbfff auszugeben brauchen; der Staat giebt das ganze Kapital, fie garantieren nur die 3 Prozent Verzinsung.

Ich habe son vorher angedeutet, daß in anderen Ländern stärkere Forderungen geftellt werden, aber diese Forderung ist auch niht un- bedeutend, und man kann sie wohl als eine den Verhältnissen ent- sprehende bezeihnen. Die Garantie, die Königsberg für den Kanal Pillau-Königsberg übernommen hat, if geringer, und if der Vor- anshlag für den Kanal noch stärker überschritten als hier. Außerdem kommt nôh in Betracht, daß dabei niht sowohl allgemeine Landes- interessen in Frage kommen als das besondere Handels- und Schiff- fahrtsinteresse einer einzigen Stadt.

Ich bitte nohmals, meine Herren, bei Lage der Sache, unter bewandten Umständen, und da es \sich hier niht um ein Prinzip handelt, sondern um die Anerkennung einer vollendeten Thatsache, die Regierungévorlage anzunehmen.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

| Ich bitte, den Ausführungen des Herrn Finanz-Ministers noch einige kurze Bemerkungen hinzufügen zu dürfen.

: Meine Herren, kurz nachdem ih mein Amt angetreten habe, nahm ich Veranlafsung, in die Verhältnisse des Dortmund-Ems-Kanals näher einzutreten. Die Folge davon ift eine Denkschrift gewesen, die

wie dem Abgeordnetenhause überreicht worden ift. In dieser Denz, {rift is es zunächst als - zweifelhaft hingestellt

ob- unter den gegebénen Verhältnissen, namentliGß mit NRücksicht auf die lange Zeit zwischen der Veranshlagung des Kanals und der Ausführung desselben: eine Zeit, wo sich die Vérhältnifse in einem Theil des Kanalgebiets vollständig verändert hatten, wo die Preise des Grund und Bodens gewaltig gestiegen, wo dur die glei@- zeitige Ausführung einer großen Reihe von bedeutenden Kanal- und Flußbauten- im Inland und Ausland die Unternehmer {on sebr in Arispruch genommen waren, ob es in Anbetracht aller dieser Ver- hältnisse möglich sein würde, den Kanal zu den ursprünglih ver- anshlagten Koften herzustellen. Das ift in der Denkschrift vom Jahre 1892 ausdrücklich gesagt worden. Dann ift in dieser Denk. schrift ferner darauf Eingewiefen worden, daß man genöthigt sei, um den Kanal fo herzustellen, wie es der Verkéhrszweck erfordere, an eine Vertiefung und Verbreiterung des Kanalprofils heranzutreten, daß für verschiedene nothwendige Einrichtungen der Schiffszüge, für die Wasser- versorgung wahrscheinli Mehrkosten entstehen würden. Diese Kosten find in der Denkschrift shon auf den Betrag von 4 770 000. angegeben. Diese 4 770 000 4 befinden fih unter den 14750000, die in der Vorlage enthalten sind. Meine Herren, es war absolut nothwendig, daß in einer Reibe von Verhandlungen die demnächftige Gestaltung des Betriebs auf dem Kanal sowie die Betheiligung der betreffenden Industrie und der Städte an der Herstellung von Umschlagsplätzen und HäfÆŒ verabredet werden mußte. Wenn die Kanalvorlage, die nachträglihe Forderung von 14750 000 für die Vollendung des Kanals, von dem hohen Hause abgelehnt werden würde, so würde damit ein Stillstand in der Auéführung nothwendigerweise eintreten; es würden damit die berechtigten Erwartungen getäuscht werden, nicht nur in der Industrie, sondern au in der ganzen betreffenden, von dem Kanal durhzogenen Gegend. Ich-mache ausdrücklich darauf aufmerksam, obwohl das hier im Hause auth: hon ausgesprochen ift, daß bei dem Kanal nicht nur die Industrie, sondern au die Landwirtbschaft der betreffenden Gegend, und zwar die letztere in nicht unerheblidem Maße, dadurch interessiert ist, daß die Ent- wäfserungs- und Bewässerungéverhältnifse durch den Kanal neu regu- liert werden. Es sind große Flähen, die durch den Kanal in eine erheblich bessere Lage bezügli ihrer Kultur kommen, als es bisher ver Fall gewesen ift. Meine Herren, ih kann nicht anders annehmen, als daß das hohe Haus si troß aller Bedenken, deren Berechtigung in mancher Beziehung ich an und für sih "nicht ver- kenne, wie ih denn auch von ganzem Herzen bedauere, daß wir mit einer so hohen Nachforderung an den Landtag haken herantreten müfsen unter Berücksichtigung aller dieser Umftände damit ein- verstanden sein wird, die Vorlagen der Staatsregierung anzunehmen.

Ein Schlußantrag wird abgelehnt.

Graf von der Schulenburg-Beeßendorf kann die Ver- pflihtung niht anerkennen, die Nachforderung unter allen Umständen zu bewilligen. Deshalb und wegen der Konsequenzen bezüglich des Baues weiterer Kanäle werde er die Vorlage verwerfen.

Nachdem noch Ober - Bürgermeister Zweigert-Efsen für die Nachforderung gesprochen, fließt die Dia |

Jn namentlicher Abstimmung wird § 1 mit 49 gegen 26 Stimmen angenommen. Der Rest der Vorlage und das Gefeß Bie Nedel gelangen mit derselben Mehrheit zur Annahme. Die Rejolution wird gleihfalls angenommen.

__ Jm Anschluß an den Bericht der Staatsshuldenkommission über die Verwaltung des Staats\schuldenwesens pro 1895/96 wird die beantragte Decharge ertheilt.

Die Nachweisungen der Staatsbeihilfen zur Förderung des Baucs von Kleinbahnen werden auf Antrag der Eisen- bahnkommission durch Kenntnißnahme für erledigt erklärt.

__ Schluß 4%/ Uhr. Nächste Sißung Dienstag 12 Uhr. (Staatshaushalts: Etat.)

Haus der Abgeordneten.

90. Sißung vom 24. Mai 1897.

E den Beginn der Debatte ist bereits gestern berichtet worden.

Den ersten Gegenstand der Tagesordnung bildet die dritte Berathung des Gesegentwurfs, betreffend die Erweiterung desStaats-Eisenbahnnezes und die Betheiligung des Staats an dem Bau von Kleinbahnen sowie an der Errichiung von landwirthshaftlihen Getreide- lagerhäusern.

dét S 9g: Möller (nl.) beantragt, in der Bestimmung Z

„daß der Grund und Boden der Regierung in dem Umfange, in welhem derselbe nach den LandesgefeLibihen Beitkcamacen der Enteignung unterworfen und bei der landespolizeilihen Abnahme für nothwendig erklärt ift, unentgeltliÞß und lastenfrei zu überweisen ift“, die Worte „und bei erklärt“, welhe in der zweiten Lesung auf Antrag des Abg. Gamp hinzugefügt worden sind, wieder zu streichen, da der Minister erklärt habe, daß der Antrag Gamp für die Negierung unannehmbar fei.

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen :

Meine Herren! Ih möchte die dringende Bitte aussprehen, daß das hobe Haus dem Antrage Möller zustimmen möge, indem ih nohmals bemerke, allerdings nur für meine Person, da eine Be- \{lußfafsung des Staats-Ministeriums über den Gegenstand bis jetzt nit stattgefunden hat, daß ich den Antrag Gamp meinerseits für die Staatseisenbahnverwaltung für unannehmbar halte. Dagegen bin ih sehr gern bereit, die von dem Herrn Abg. Gamp ausgesprochene Hoffnung zu erfüllen, daß seitens des Arbeits-Ministeriums bestimmte Weisung ertheilt wird bezüglih der Nachforderung an Grund und Boden, und zwar in dem Sinne, wie es auch der Abg. Gamp in seinen heutigen Ausführungen ausgesprochen hat; denn ih nehme gar keinen Anftand zu erklären, daß auch ich es für unvercinbar mit den Voraussetzungen der Kreistagsbeshlüfse halte, wenn lange Zeit nah der Betriebseröffnung sih etwa das Bedürfniß herausftellt, noch dieses und jenes Grundftück zu erwerben, daß das auch zu Lasten der be- treffenden Kreise geschieht. Es ift auch, soviel mir bekannt, in den leßten Jahren in dieser Beziekung nur ganz ausnahmsweise vielleiht einmal eine derartige Anforderung gestellt worden; aber ich muß wiederholen, daß es für die Staatseisenbahnverwaltung unthunlich ift, hon bei der Betriebseröffnung genau feftzustellen, ob die Grenze des- jenigen Grunderwerbs erreiht ift, der nothwendig ist, um die Zwecke ne Bahn auch {hon in dem Moment der Betriebseröffnung- zu €r- üllen.

Herr von E N mere cio hâlt die

soweit der Dortmund-Ems-Kanal in Betracht kommt, für erledigt,

im Jahre 1892 im Landtage der Monarchie, dem Herrenhause sowohl

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

M 122.

(Sch{luß aus der Ersten Beilage.)

Son der Herr Abg. Gamp hat Beispiele angeführt, in denen durch vorher niht übersehbare Verbältnifs2 eine Nachforderung von Grund und Boden erforderli wird. Ih würde in der Lage sein, eine ganze Reibe von ähnlichen Beispielen noch hinzuzufügen, be- fürchte aber, Sie mit diesem Material zu ermüden. Ih bin fehr gern bereit, nochmals den Eisenbahn - Direktionen eine klare und be- stimmte Weisung dahin zu ertheilen, daß fie mit der Anforderung von Grund und Boden nach der Eröffaung der Bahn sich auf das aller- nothwendigste beschränken und zuglei hinzuzufügen, daß eineNacßforderung na dem Abschluß des ersten Betriebtjahres meine spezielle Genehmigung erfordern würde. Eine dabin gehende Verfügung zu erlassen, bin ih sehr gern bereit, bitte Sie aber dringend und zwar bin ih dem Herrn Gamp sebr dankbar, daß er sih eventuell auch damit befciedigt erklärt —, den Antrag Möller anzunehmen.

Was nun den zweiten Theil der Ausführungen des Herrn Abg. Gamp anbetrifft, so bin ih augenblicklich nicht in der Lage, die An- gaben zifffernmäßig zu widerlegen, daß cin Theil der «in Betracht fommenden Holzfirmen, mit denen neuerdings ter Vertrag auf eine Million S{wellen abgeschlossen worden ift, auch \chon in früheren Fahren inländisches Material geliefert haben. Indefsen ift dur die Vertragsfestseßung den Firmen die Verpflichtung auferlegt worden, mindestens 109/56 aus inländisGem Material zu liefern, und zweitens wurde ibnen cin pekuniärer Anreiz, einen größeren Prozentsaß inländishes Material zu liefern, dadurch gegeben, daß für das gesammte gelieferte inlänbise Material 10% am Preise hinzugeseßt worden sind.

Was den zweiten Punkt anbetrifft, die Kieslicferungen, so find wir sehr gern bereit, dieselben auch von kleineren Lieferanten zu ent- nehmen. Es steht dem nichts entgegen, es hat rur den Haken, daß der Kies meist nur nesterweise gefunden wird und daß der Kies meistentheils in natura nit zu gebrauchen ist, sondern nur dann, wenn er durgesiett wird. Die kleinen Besißer oder Pächter aber haben nici diese Vorrichtungen, und es muß deshalb zu unferem Bedauern meistens der Lieferant dazwischenireten. Es steht aber garnihts entgegen, daß die leinen Besißer mit den Lieferanten in Verbindung treten oder daß sie zusammentreten und sih Siebe u. s. w, anschaffen.

Wenn der Herr Abg. Gamp meint: was dem einen recht ist, ist dem andern billig, so theile ih diesen Grundsatz vollständig. Der Herr Abg.- Gamp weiß, daß wir bei den Kohlenlieferungen, die wir abgeschlossen haken, diesen Verhältnissen Rechnung getragen haben. Mir zahlen in den von England konkurrenzierten Küstengebieten weniger für Kohlen als in den übrigen, und würden beute au die Kohlen nicht billiger von England beziehen können.

Was die Shienen anbetrifft, fo bitte ih nit zu vergessen, daß das Schienenmaterial cin Material ist, was niht von jedem genommen werden kann, daß wir Bedingungen über die Herstellung und über die Haltbarkeit der Schienen haben müfsen, die vom Ausland zu erlangen nur sehr schwer mögli ist. Jh gebe zu, daß zur Zeit aus Amerika wohl billigere Schienen bezogen werden können, wie es heute bei uns ter Fall ift. Ebensc wie unsere Werke nach drauß:n billizer Schienen liefcrn, if es auch in Amerika und England der Fall. Wir müßten, au abgesehen von allen wirthshaftlihen Gründen, doch aus tetnischen Rüdsihten Be- denken tragen, obne zwingente Noth autländishes Schienenmaterial zu verwenden. Dafür ift uns das Moment ter Sicerbeit des Be- trieb:8 ein viel zu hohes. Wir wissen genau, was wir von unseren inländishen Werken wirkli beïomm-zn, die unter fortwährender Kontrole Schienenmaterial herstellen; wir wifsen aber nit, was wir vom Auslande bekommen, namentlih, wenn tie dortigen Werke zu billigen, niht lohnenden Preifen Material licfern.

Ich bitte daher zum Schluß nochmals dringend, den Antrag Möller anzunebmen, und bitte den Abg. Gamp, darauf zu vertrauen, daß meinerseits alles geshehen wird, was überhcupt in meinen Kräften steht, urz tas inländische Material au bei der Eisenbahnverwaltung zu feinem vollen Rechte kommen zu lassen. (Bravo!)

Abga. Dr. Arendt (fr. konf.) bedauert, daß dem Bau von Klein- bahnen an manchen Orten von der Verwaltung entgegengewirkt werde. Wenn der Staat nicht selbs Nebenbahnen bauen wolle, folle er wenigstens den Interessenten die Genehmigung zum Bau von normal- \purigen Kleinbahnen nicht versagen.

Ministerial - Direktor Dr. Micke: Es handelt sih nur um die Befriedigung eines örtlichen Verkehrs, und wenn folche Linien normal- spurig ausgebaut werden, würden sie aus dem Rahmen des Kleinbabn- geseß28 herausfallen und den Staatslinien Konkurrenz machen.

Abg. Dr. Hahn (b. k. F.) beïlagt, daß durch mangelhafte Eisenbahnverbindungen der Seeverkebr von Geestemünde zurück- gegangen sci, und empfiehlt, im Interesse des gesammten Handels an der Unterweser eine direkte Verbindung von Geestemünde nah Magde- burg herzustellen durch eine Bahn Rotenburg—Stubbe. Redner befürwortet ferner Tarifermäßigungen für den Holzhandel, damit der D in Geestemürde mit demjenigen in Bremen fkonkurrieren

Énne.

Auf eine Anfrage des Abg. von Detten (Zentr.) „er- widert der Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Ich bedaure lebhaft, daß für das westfälische Sauerland in der diesjährigen Sekundärbahnvorloge fich kein Plaß gefunden hat; aber das Ministerium ist daran niht s{uld. Die Linie Finnentrop—Wennemen war fo weit vorbereitet technisch und au in den sonstigen Ermittelungen, daß auch si: hätte in das Sekundär- bahnnet aufgenommen werden können. Leider hat der Kreis Meschede im leßten Augenblick eine andere Auffassung gehabt, als die übrigen Behörden, insbesondere auch das Ministerium, und infolgedefsen, da eine Betbeiligung des Kreises Meschede an den Grunderwerbskosten nit zu erlangen war, ift die Bahn Finnentrop—Wennemen von der Tagesordnung abgeseßt zu meinem lebhaftesten Bedauern.

Was inzwishen von den betheiligten Kreisen mir zugegangen ist, durch die Presse und durch direkte Eingaben, hat mich nicht davon überzeugen können, daß das ursprünglihe Projekt Finnentrop— Wennemen niht au heutigen Tages noch das richtige ift. Ehe nicht überzeugende Gründe für das Gegentheil beigebraht werden, würde ih

Zweite Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Slaals-Anzeiger.

Berlin, Dienstag, den 25. Mai

immer noch auf dem Standpunkt ftehen, daß zur Verbindung der Lenne und der Ruhr diese Linie vor allen anderen den Vorzug verdient.

In neuerer Zeit und ih glaube, daß die anderen betheiligten Kreise außer dem Kreis Meschede mit mir in der Beziehung überein- stimmen hatte der Kreis Meschede zunächst das Bedenken gegen die Linie Finnentrop—Wennemen, daß die Mündung der Linie nit in der Kreisftadt Meschede erfolgt. Diese Bedenken habe ih meiner- seits zu zerstreuen gesucht, indem ih den Herren gesagt habe: wenn auch die Bahn in der Station Wennemen endigt als selbständige Bahn, so endigt doch der Betrieb nicht auf der Station Wennemen, sondern die Staatéeisenbahnverwaltung würde die Personenzüge, um die es sich hier allein kbandelt, bis nach Meschede durhgehen lassen, sodaß der Betriebsendpunkt doch in Meschede sein würde. Das hat aber die Mescheder nicht überzeugt; sie sind auf ihrem Widerspruch stehen geblieben, und die Sache ist damit für dieses Jahr unmöglich geworden.

Man bemübt ih nun, eine andere Linie ausfindig zu machen, und ist neuerdings die Verbindung nah Fredeburg ins Auge gefaßt. Fh bin beute nit in der Lage, ein definitives Urtheil darüber ab- geben zu können, möchte indessen hon jeßt bemerken, daß diese Linie do ihre sehr erheblichen Bedenken hat. Fredeburg—Iltenhundem die Strecke würde dabei benußt werden müssen liegt zum tbeil auf der Chaufsee und hat Krümmungen von 180 m NRadius.

Unter den obroaltenden Umftänden bin ih, wie gesagt, zu meinem lebhaftesten Bedauern denn ich erkenne mit dem Herrn Abg. von Detten vollständig an, daß das westfälishe Saue:land gerad? nach dieser Richtung dringend einer besseren Verbindung bedarf niht im stande gewesen, den Wünschen nachzukommen.

Abg. Möller (nl.) tritt den Ausführungen des Abg. Hahn ent- gegen. Herr Hahn wolle sonst jede auétländishe Konkurrenz möglichst auésTießen, hier wolle er aber den ausländischen Holzhandel in Geeste- münde begünstigt wissen. Für Geestemünde habe die Regierung {on durch den Bau des Fischereihafens fehr viel gethan. Daß aber die Regierung aus Konkurrenzrücsihten normalspurige Kleinbahnen nicht kfonzessionieren wolle, dürfe gleihfalls nicht unwidersprocen bleiben. Namentlich für den landwirthschaftlihen Massenverkehr seien die Um- ladungékoften bei schmalspurigen Kleinbabnen zu hoch; dieser Verkehr müsse von der Kleinbahn ohne Umladung auf die anderen Linien über- gehen fönnen.

Ministerial-Direktor Dr. Micke will nicht gesagt haben, daß \{lechthin aus Konkurrenzrücksihten die Genehmigung von normal- spurigen Kleinbahnen versagt werde. Nur in bestimmten Fällen werde die hmalipurige Anlage verlangt, damit die Bahn ni®%t aus dem NRabmen der Kleinbahnen herausfalle. Der vom Abg. Arendt an- geführte Fall solle aber noch einmal geprüft werden.

Abg. Dr. Arendt dankt für diese Zusage und meint, daß der Staat in diesem Falle keine Konkurrenzbeforgnifse zu hegen brauche. Die von elementaren Ereigniffen {wer heimgesuchte Stadt Eisleben bedürfe der Fürsorge; eine schmalspurige Eisenbahn könne ihr nichts

nußzen.

Abg. Dr. Hahn: Ich habe ten Holzimport an fich nit be- günstigt wissen wollen; der Holzimport geht über Bremen oder Geestemünde; ob er erwünscht ift oder niht, davon habe ich nit ge- \proen. Ich habe nur die Tarifmaßregeln im einzelnen, welche Geestemünde benachtkeiligen, getadelt.

Der Antrag Moóller auf Streihung der Worte „und bei erklärt“ wird angenommen. :

Im übrigen wird die Vorlage in ihren einzelnen Theilen

und im Ganzen angenommen.

Abg. Gamp (fr. kons.) beantragt folgende Resolution: der Regierung gegenüber die. Erwartung auszusprechen, daß bei dem Bau der in diesem Geseze näher bezeichneten Eisen- bahnen, sowcit cs angängig ift, nur inländishes Material zur Verwendung gelangen wird.

Die Resolution wird in einer vom Abg. Möller be- antragten Fassung angenommen, wonach es heißt: „— Eisen- bahnen dahin gewirkt wird, daß thunlichst inländishes Material verwendet wird.“

Mehrere zu der Vorlage eingegangene Petitionen werden dur die Beschiußfassung über die Vorlage für erledigt erklärt.

Petitionen aus Hoyerswerda, Spremberg und anderen Orten um den Bau einer Eisenbahn zwischen Königs- wartha, Wittichenau, Hoyerswe-:rda, Spremberg, Kottbus werden nach kurzer Debatte ischen dem Abg. von Werde ck (kons.), der die Aletitionen der Regierung empfiehlt, und dem Ministerial- Direktor Dr. Mie der Regierung als Material überwiesen.

Es folgt die Berathung des Antrags des Abg. Euler (Zentr.): die Regierung aufzufordern, Maßnahmen zu treffen und vom nächsten Etatsjahre ab Mittel bereit zu stellen, wo- durh auh das Fahschulwesen der Jnnungen mehr ge- fördert, insbesondere solche Anstalten errichtet und unterhalten werden, in welchen praktisch vorgebildete Handwerker als Fach- lehrer fich ausbilden.

Abg. Euler führt zur Begründung aus, daß im Fahshulwesen der Innungen noch arge Mißstände beständen, weil niht alle Innungen in der Lage seien, solche Anstalten zu unterhalten, wie sie im Inter- esse des Handwerks und der Allgemeinheit zu wünschen wären. So- wobl der Abendunterriht wie der Sonntagsunterriht habe große Nachtheile, der Untzrriht müsse am Tage in der Woche stattfinden und obligatorisch gemacht werden. Wenn von dem Handwerk bisher nicht mehr für das Fahshulwesen gethan sei, so liege das an dem Indifferentiêzmus, zum großen Theil aber auh an dem Niedergang des Handwerks, und deshalb müfse der Staat mit seinen Mitteln eintreten. Außer den Fahshulee müßten auch solhe Anstalten er- rihtet werden, in denen prafktish vorgebildete Handwerker ih neben- bei als Fatlehrer auébilden können, und zwar in jeder Provinzial- bauptftadt eine folhe Anstalt. gro Handwerker müßten zu Lehrern ausgebiltet werden ; es stärke das Autoritätêgefühl, über defsen Mangel man in der jeßigen Zeit zu klagen habe, wenn der Lehrling in der Schule denselben Lehrmeister habe wie in der Werkiatt. Mit der fakultativen Zwangs-Innung der Reichétagsvorlage sei nichts geholfen, man hätte, wenn man dem Handwerk wirklich helfen wolite, nah der preußishen Vorlage dem Handwerk eine obligatorishe Orga- nisation geben müssen; dann wären wabhrscheinlich auch keine Staats- mittel oder wenigstens viel geringere nöthig, um das Fahschulwesen der Innungen auf die erwünschte Höhe zu bringen. Es gebe Schul- zwang, Militärzwang, Steuerzwang warum also nicht auch einen Innungszwang ? Das einzige Gute der Vorlage seien die Di rüber kammern. Redner will aud noch auf den Befähigungsna weis näher eingehen, wird aber vom Vize-Präsidenten Dr, Krause zur Sache verwiesen und kommt dann auf die Fahshulen zurück, indem er es

1897.

bemängelt, daß mine dieser Schulen in Wirthshäufern errichtet werden müßten, weil in den vorhandenen Schulen die Bänke zu eng und klein für crwahsene Leute seien.

Geheimer Regierungs-Rath Simon: Der Tendenz des Antrags steht die Regierung sehr wohlwollend gegenüber, aber viele der Iunungéshulen erweisen sih nicht als lebensfähig, weil die Schülers zahl zu gering ift. In folhen Fällen muß geprüft werden, ob die Lehrlinge niht besser in die Fortbildungs|hulen geshickt werden, wo fa besondere Fachklafsen eingerihtet werden könnten. Dagegen müssen die größeren Schulen ausgebaut werden, der Lehrplan umfaßt nur wenige Stunden in der Woche. Eine weitere finanzielle Unter- stüßung der Fahschulen durch einen Etatsfonds im nähsten Jahre kann in Erwägung gezogen werden. s

__ Abg. Feli#\ch (kon}.) erklärt, daß seine Freunde mit dem Antraze einverstanden seien. Die Werkstattlehre müsse dur die Lehre in der Fachsule ergänzt werden. Hätten wir noch den Befähigungsnach- weis, so wäre es um das Handwerk besser bestellt, und das Fahscul- wesen bätte sich auch besser entwidelt, aber die Gewerbeordnung von 1869 habe die goldene Dreibeit im Handwerk: Meister, Geselle, Lehr- ling, befeitigt. Hoffentlich streihe der Reichstag niht auch die Bes stimmung aus der Vorlage, daß nur der Meister lehren dürfe, fonft fônne die Vorlage dem Handwerk überhaupt nihts nüßen. Die Autorität des Meisters sei leider im deutshen Handwerk verloren gegangen. Mit dem Tagesunterricht sei er im Prinzip einverstanden, bezweifele aber, ob er durhzufübren fei, wenigstens noch in der nächstez Zeit; ein Theil des Unterrichts werde am Sonntaz stattfinden müssen. Der Errichtung von Vorbereitungëschulen für die Fachlehrer {timme er zu. Da es sich um Geldbewilligungen handele, beantrage er die Ueberweisung des Antrages an die Budgetkommission.

Abg. von Schenckend orff (nl.) unterstüßt ebenfalls den An- trag, ohne sich dem Wortlaut desselben unbedingt anzuschließen. Obligatorisch sei bisher noch feine einzige Fahshule in Preußen. Der erste Theil des Antrags sei ihm sehr sympathisch, aber die Regierung müsse nicht nur den Innungs\s{ulen, fondern dem ges sammten Fa&schulwesen die weitestgehende Fürsorge zu theil werden laffen. Auch mit dem ¿weiten Tkeil des Antrages stimme er überein ; über vieles köxne der Meister den Lehrling besser unterrihten, als irgend cin anderer Lehrer. Len Tagesunterriht kalte er au für das Beste. j

Abg. Broemel (fr. Vzg.) meint, daß auch die Gegner der Handwerksorganisation diesem Antrage zustimmen könnten; aber bei den Erfahrungen mit den geringen Schülerzahßlen könne dem Innungss \{ulwesen niht eine folhe Auëdehnung gegeben werden, daß an jedem Orte Innungsschulen bestehen. Neben den Jnnungsfchulen müsse das Fabshulwesen überhaupt gefördert werden; die Provinz Pommern habe no(h gar keine Fa&shule; er bitte, in Stettin eine solhe Sczule zu errichten. Erfreulih fci der Antrag, infofern er die Leistungs- fähigkeit des Handwerks hebe. Das liege nit nur im Interesse des Handwerks, sondern au der Allgemeinheit, und daher könnten au Staatsmittel dafür verwendet werden. |

Geheimer Regierungs - Rath Simon theilt mit, daß bereits P h PruR d über die Errihtung einer Baugewerkshule in Stettin 1MwebLena.

Abg. Latacz (Zentr.) legt großen Werth darauf, daß der Unter- rit in den Fahshulen auf die jungen Lehrlinge erziehlich wirke, und daß die Lehrer mit Rücksicht auf dieses Ziel vorbereitet würden. Eine obligatorishe Fahschule sei zur Zeit noch nicht zu verlangen.

Abg. Dr. Glattfelter (Zentr.) befürwortet gleichfalls den Antrag im Interesse der Hebung des Handwerks und der Erhaltung seiner Konkurrenzfähigkcit dem Auslande gegenüber. j

Abg. Freiherr von Zedliß und Neukirch (fr. kons.) erklärt, daß feine Freunde in den Fahshulen ein Mittel zur Hebung des Handwerks sehen und damit einverstanden find, daß mehr ftaatlihe Mittel dafür verwendet werden. E i

Der Antrag Euler wird der Budgetkommission überwiesen.

Es folgt die ersic Berathung des von dem Abg. von Gustedt-Lablacken (fkons.) eingebrachten Geseßentwurfs, be- ireffend die Erhaltung des Elchwildes, wonah das Elch- wild bis zum Jahre 1900 mit der Jagd zu verschonen sein fol.

Abg. von Pappenheim (konf.) begründet an Stelle des ver- hinderten Antragstellers den Antrag damit, daß der Bestand an Elch- wild durch Milzbrand und Jagd mehr und mehr shwinde. Der Eich fomme allein noch in Ostpreußen vor, und dort sei man sehr stolz auf diesen leßten Vertreter des Urwildes. Er bitte um eine forg- fältige Vas der Gefahr des Auss\terbens dieses Wildes und bes antrage die Ueberweisung des Antrags an die Agrarkommission.

Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer- stein:

Meine Herren! Ih kann mich dem Antrage des Herrn Vors redners anschließen. Auch ih wünsche, daß die Frage, ob und eventuell welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um die Erhaltung des Elch- wildes zu sichern, sorgsam geprüft und erwogen wird. Jch bin aller- dings der Meinung, daß die vorliegenden Vorschläge für die Staats- regierung zum theil nicht annehmbar sind. Ich werde darauf sväterhin noch eingehen.

Meine Herren, es ist rihtig, wenn der Herr Vorredner sagt, daß ledigli in den Regierungsbezirken Königsberg und Gumbinnen sihch noch Elchwild, als leßter Ueberrest dieses antediluvialen Wildes erhalten hat. Im vorigen Jahrhundert war das ElGwild im Often Deutschlands noh weit verbreitet. Ich erinnere beispielsweise daran, daß Trakehnen, wo jeßt die Pferdezuht betrieben wird, noch zur Zeit des Königs Friedrich Wilhelm 1. ein ausgedebntes, stark be- seßtes Elchrevier war. Ih erkenne auch an, daß man niht allein des historischen Interesses wegen dieses aus uralter Zeit stammende Wild erhalten soll, sondern daß auch ein rein jagdlihes Interesse vorliegt; um so mehr, als das Elchwild in seinen gegenwärtigen Standorten einen wesentlihen Schaden nicht verursacht. Im rein jagdlien Interesse lege ih daher auch großen Werth auf Erhaltung eines angemessenen Elhwildbeftandes im Often der Monarchie. Ich fann aber nicht anerkennen, daß die Gefahr des Unterganges des Elchwildes so nabe ift, wie das der Herr Antragsteller darzulegen versucht. Jh glaube im Gegentheil nahweisen zu können, daß dank der shonenden Fürsorge, welhe die Staatsforstverwaltung seit Jahren dem Elhwilde zuwendet, leßteres sih erheblich vermehrt hat. In dieser Richtung theile ih folgende Zahlen mit, welche si zum größeren Theil auf Ermittelungen der neuesten Zeit ftüßen, die vollständig. allerdings noch nit vorliegen :

Nachdem im Jahre 1848 der Elhwildftand fich auf wenige Stücke vermindert hatte, hob si derselbe allmählich wieder, ging nah 1866. wieder abwärts, hat sich dann wieder vermehrt und beträgt jeßt im Regierungsbezirk Königsberg im Staatswald und auf dem Kurischen Haff nach Zählung vom Monat Mai d. I. 9% Stüdck, in Privat» forsten des Regierungsbezirks Königsberg etwa 30 Stück.