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90. Mai. v. Below, Königl. Feens. Gen. Major, von dem Kommando der 27. Kav. Brig. (2. Königl. eng ey enthoben.
br. v. Roeder, Oberft und Kommandeur des ag. Regts.
ônigin Olga Nr. 25, unter Eléllune à la suite dieses Regts., mit der Führung der 27. Kav. Brig. (2. Königl. Württemberg.), v. Bredow, Königl. Preuß. Oberst-Lt., bisher etatsmäß. Stabsoffizier des 1. Hannov. Drag. Regte. Nr. 9, kommandiert nah Württemberg, mit der Führung des Drag. Regts. Köaigin Olga Nr. 25, unter Stellung à la suite deffelben, — beauftragt. v. Bünau, Maior im Gren. Reat. Königin Olga Nr. 119, mit Pension zur Disp. gestellt und ¿um Kommandeur des Lantw. Bezirks Rottweil ernannt. v. Voigt, R und Komp. Chef im 4. Ivf. Regt. Nr. 122 Kaiser Franz
ofevh von Oesterrei, König von Ungarn, in das Inf. Regt. König Wilhelm I. Nr. 124 verseßt. Schroter, Hauptm. im 4. Inf. Regt. Nr. 122 Kaiser Franz Joseph von Oesterreih, König von Ungarn, unter Enthebung von dem Kommando als Adjutant bei der 54. Inf. Brig. (4. Königl. Würitemberg.) zum Komp. Chef ernannt. von Malgan Freiherr zu Wartenberg u. Penzlin, Königl. preuß. Pr. Lt. im Infanterie-Regiment Kaiser Wilhelm, König von Preußen Nr. 120, von dem Kommando nach Württemberg enthoben. F osenhanß, Pr. Lt. im Inf. Regt. Kaiser Wilhelm, König von Preußen Nr. 120, als Adjutant zur 54. Inf. Brig. (4. Königl. württemberg.) kommandiert. v. Kamedcke, Königl. preuß. Pr. Lt., bisber im 3. Thüring. Inf. Reat. Nr. 71, komman- diert nah Württemberg, in das Inf. Regt. Kaiser Wilbelm, König von Preußen Nr. 120 eingetheilt. Laub, Unteroff. im Inf. Regt. Alt- Württemberg Nr. 121, Wenzel, Unteroff. in der 4. (Königl. württemberg.) Komp. des Königl. preuß. Eisenbahn-Regts. Nr. 2, — zu Port. Fähnrichen, — befördert. /
Im Beurlaubtenstande. 20. Mai. Neff, Sec. Lt. von der Înf. 1. Aufgebots des Landw. Bezirks Stuttgart, ¿zum Pr. Lt. befördert. E : :
Abschiedsbewilligungen. Im aftiven Heere. 20. Mai. Glaser, Oberst-Lt. z. D., unter Enthebung von der Stellung als Kommandeur des Landw. Bezirks Rottweil, mit seiner Pension und der Erlaubniß zum Tragen der bisherigen Uniform, Ringler,
uptm. und Komp. Chef im Inf. Regt. König Wilhelm 1.
r. 124, mit Pension, — der Abschied bewilligt. Graf Schenk v. Stauffenberg, Rittmeister, aggregiert dem Ulan. Regt. König Wilhelm 1. Nr. 20, in Genehmigung seines Ab- \hiedsgesuhes mit Pension und der Erlaubniß zum Tragen der bis- herigen Uniform zur Disp. gestellt. Frhr. v. Waechter, Sec. Lt. im Drag. Regt. Königin Olga Nr. 25, mit Pension und der Er- laubniß zum Tragen der Armee-Uniform, Steiner, Sec. Lt. im Gren. Regt. König Karl Nr. 123, mit Pension, — der Abschied bewilligt.
Jm Beurlaubtenstande. 20. Mai. Kübel, Hauptm. ¿. D., zuleßt von der Inf. 2. Aufgebots des Landw. Bezirks Stutt- gart, mit der Erlaubniß zum ferneren Tragen der Uniform des Inf. Regts. Kaiser Friedri, König von Preußen Nr. 125 in die Kategorie der mit Pension verabschiedeten Offiziere verseßt. Dais, Citen- bach, Pr. Lis. von der Feld-Art. 2. Aufgebots des Landw. Bezirks Po Herschenà, Sec. Lt. der Res. des Inf. Regts. Kaifer Wil- elm, König von Preußen Nr. 120, — der Abschied bewilligt.
Militär-Justizbeamte.
18. Mai. Jäger, Justiz-Rath und Garn. Auditeur zu Lud- wigsburg, seinem Antrage entsprechend mit der geseßlihen Pension, unter Verleihung des Titels Kriegsrath, in den Ruhestand verseßt.
Deutscher Reichstag. 932. Sißung vom 25. Mai 1897, 12 Uhr.
Ueber den Anfang der Sizung wurde in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet.
Die zweite Berathung des Gesezentwurfs, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung, wird fortgeseßt.
Abg. Richter beantragt, hinter den § 103 h eine neue Vor- schrift einzufügen, wona dem Gesellen für die Vorbereitung der Wablen zum Gesellenausschuß für die Handwerkskammern ebenso wie den Wählern für die Reichstagswahl das Recht zustehen folle, zum Betrieb der Wahlen Vereine zu bilden und in geschlofsenen Räumen öfentlide Versammlungen zu veranstalten; die Vereine könnten auch miteinander in Verbindung treten. Eine solhe Bestimmung sei noth- wendig gegenüber den sehr mangelhaften Vereinsrehten, die z. B. in Mecklenburg u. \. w. bestehen. : i
Abg. Stadthagen (Soz.) hält einen solhen Antrag für dringend nothwendig, denn man habe alle nur denkbaren Angelegen- beiten als politishe bezeihnet und alle Vereine der Polizeiaufsicht unterstellt. /
Abg. Dr. Kropatschek (d. kons.): Ich kann keine Analogie zwischen den Reichstagswahlen und den Wahlen zu Gesellenausfhüfjen anerkennen. In Reichstagëwahlversammlungen kann alles Mögliche verhandelt werden; in den Gesellenversammlungen müßte doch eine Beschränkung des Verhandlungéstoffes auf die Innungsangelegenheiten eintreten. Deshalb lehne ich den Antrag heute ab.
Abg. Dr. Hitze (Zentr.): Da ih die Tragweite des Antrags niht übersehen fann, muß ih gegen denselben stimmen.
Abg. Richter hält es für selbstverständlih, daß nur die wirth- schaftliden und sozialen Fragen des Handwerks in Versammlungen zur Verhandlung kommen könnten.
Abg. Dr. Kropatshek: Dafür kann weder Herr Richter, noch Herr Stadthagen eine Garantie übernehmen.
Unterstaatssekretär im Ministerium für Handel und Gewerbe Lobmann glaubt niht, daß die verbündeten Regierungen sih dazu bereit finden lassen würden, eine theilweise Regelung des Vereins- wesens in dieser Vorlage vorzunebmen,
Abg. Stadthagen: Wenn keine vorbereitenden Versammlungen und Besprehungen stattfinden können, wie foll dann die Freiheit der Waßhl gesichert werden? Jn Preußen würden alle solche Versamm- lungen, weil sie auf öffentlihe Angelegenheiten einwirken wollen, als politishe betrachtet werden.
Gegen die Stimmen der Freisinnigen und der Sozial- demokraten wird der Antrag Ine
Nach § 103i sollen die Kosten der Handwerkskammern durch die Gemeinden auf die Betheiligten umgelegt werden. Die Kommission hat eine Fassung beschlosjen, wonach die Landes- Zentralbehörde soll bestimmen können, daß die Kosten vom Staat oder an Stelle der Gemeinden von weiteren Kommunalver- bänden Or werden sollen.
Abg. Richter : Ih muß bier wieder für die Wiederherstellung der Regierungsvorlage eintreten. Man \{affft Handwerkskammern mit ausgedehnter Selbftverwaltung und will die Kosten auf die Allgemein- beit übertragen. Es giebt sehr reibe Innungen, denen man wirkli diese Kosten nicht abnehmen kann. Eine Selbstverwaltung va A Bestreitung der Kosten aus eigenen Mitteln ift doch kaum enkbar.
__ Abg. Dr. Hige: Wir sind von der Meinung ausgegangen, daß die Kosten so gering sein werden, daß es zu umständlih sein wird, pte auf die einzelnen Handwerksmeister umzulegen, was wobl am
esten wäre. i Die Wiederherstellung der Regierungsvorlage wird fast einstimmig beschlossen.
Im H 1031 hat die Kommission den Zusaß gemacht, daß die Handwerkskammer befugt sein soll, Zuwiderhandlungen gegen die von ihr innerhalb ihrer Zuständigkeit erlassenen Vorschriften mit Geldstrafen bis zu 20 M zu bedrohen.
Abg. Richter bezweifelt, daß für andere Korrorationen ähnliche Bestimmungen beftänden. :
Abg. Dr. Hitze: Ohne solhe Strafen würden die Vorschriften der Handwerkskammern auf dem Papier stehen bleiben. Die Innungen und Krankenkafsen haben ähnlihe Strafbefugnifse.
Aba. Beckb (fr. Volksp.) : In diesen Fällen fteht dem Verurtheilten das ele Le Béithwerbe p64; davon ift ier gar keine Rede.
n Sinne des leßten Redners wird § 1031 ergänzt.
Auf Antrag des Abg. Richter wird au im S 103 n die Regierungsvorlage wieder hergestellt, welche bestimmt, daß die Handwerkskammern die Kosten derjenigen ßregeln zu tragen haben, welche auf Grund des Ersuchens der Handwerks- fammern von den Verwaltungsbehörden getroffen werden. Diese Bestimmung war von der Kommission geftrihen worden.
Die Vorschriften über die Jnnungsverbände (S8 104 bis 104 n) werden ohne Debatte genehmigt.
Es folgt der Abschnitt „Lehrlingsverhältnisse“.
u 8 126 beantragen die Sozialdemokraten, daß volljährige Lehrlinge das gleiche Vereins- und Versammlungs- recht wie die volljährigen Gesellen haben sollen.
Aba. Stadthagen (Soz.): Nah dem preußischen Vereinsgeseßz dürfen ler und Lehrlinge nicht in Vereine aufgenommen werden, selbs wenn fie volljährig find.
Der Anirag wird abgelehnt. Bei S 127 beantragen die Sozialdemokraten folgenden
usag.
3 §- ebrlin e dürfen in der Zeit, während welher im Betrieb regelmäßige Beschäftigung vorhanden ift, weder zu häuslichen Dienft- [leiftungen, noch zu solhen Arbeiten herangezogen werden, die mit dem Berufe in keinem Zusammenhange stehen."
Abg. Stadthagen malt darauf aufmerksam, daß für die Haa S eine äbnlihe, noch etwas weiter gehende Be- timmung im Handelsgesezbuh" angenommen sei. Wenn die Möglich- keit vorliege, den Lehrling im Handwerk zu feiner Ausbildung zu beschäftigen, dann sollte er nicht zu anderen Dienstleiftungen aus- gebeutet werden. i E
Abg. Dr. Hitze: Die Heranziehung des Lehrlings zu häuelichen Dienstleistungen kann doc nicht verboten werden, weil bin und wieder ein Mißbrauch vockommt, den auch der Antrag der Sozialdemokraten nicht vollständig œuéshließt. .
Abg. Zu beil (Soz.): Im Sommer muß der Lehrling vielfa Gartenarbeiten und dergle!chen verrihten. Das ift für ihn ver- sorene Zeit, die er später mit Mühe einholt. Ich habe selter eine \chwire Lebrlingszeit durhzumahen gehabt. Warum wollen Sie a E, starken Handwerksmeister {üßen und nicht den hmwäqeren
ehrling
Abg. Dr. Osann (nl.): Der Antrag Stadthagen schießt über das Ziel hinaus; er würde verhindern, daß der Meifter feinen Lehrling zum Swlächter und nah der Post hickt.
Der Antrag Stadthagen wird abgelehnt und § 127 un- verändert angenommen. :
Nach 8 127a isst der Lehrling der väterlichen Zucht des Lehrherrn unterworfen und dem Lehrherrn fowie demjenigen, welcher an Stelle des Lehrherrn die Ausbildung zu [eiten Br zur Folgsamkeit und Treue, zu Fleiß und anständigem Be- tragen verpflichtet.
Abg. Stadthagen beantragt, binter den Worten „an Stelle des Lehrherrn® einzushalten: „nah dem Inhalt des Lehr- vertrags oder nah sriftlihem Auftrag des Lehrherrn“ und ferner die Worte zu streichen: „und Treue“, sowie „und anständigem- Be- tragen“. Der Antragsteller weist darauf bin, daß im Handelégefeßbuh bezüglich der Lehrlinge solhe Bestimmungen nit aufgenommen feien ; man \chaffe hier ein eigenes Ret für die Handwerkslehrlinge. Ferner beantragt Redzer, dem § 127 a zuzufügen: „Die Zucht der Lehrherrn umfaßt nit das väterlihe Züchtigungsreht“, eventuell dem § 127 a zuzufügen: „Uebermäßige und unanständige Züchtigungen, Schläge auf den Kopf, das Gesicht, den Rücken oder die Hände des Lehrlings, sowie jede die Gesundheit des Lehrlings gefährdende Behandlung find ver- boten.“ Das Zühtigungsreht der Lehrmeifter, führt Redner aus, muß ganz beseitigt werden, wie das Züchtigungsrecht in manten Einzelstaaten den Schülern gegenüber s{hon aufgehoben ist. Das Züchtigungëreht wird nur von Einzelnen mißbraucht, uad zwar um so mehr, je weiter r1an nah Oft-Elbien kommt. Im Augenblick, wo die gerihtlihen Entscheidungen ein Züchti ungêrecht zugestehen, das weit zurückgeht hinter die Zustände vor 100 Jahren, können wir das Züchtigungsrecht den Handwerksmeistern nicht übertragen.
Aktg. Dr. Kropatschek: Ih balte die übrigen Anträge für nit erbeblih, für besonders bedenklich aber muß die Aufhebung des Züchtigungsrehts eratet werden. Wir werden dafür stimmen, daß übermäßige und unanftändige Züchtigungen verboten find. Das wird auch {on durch das Strafgesey verboten.
Abg. Stadthagen: Handwerksmeister sind freigesproh: n worden, obwobl ibre Züchtigungen die Gesundheit und das Leben der Lehr- linge gefährdet haben. Wer das Züchtigungsrecht in Anspru nimmt, ist kein rihtiger Lehrherr.
Abg. Zubeil (Soz.) bittet ebenfalls, das väterlihe Züchtigungs- recht dem Lebrherrn niht zu übergeben. Der ftrebsame Lehrling werde durch die Züchtigungen Förris gemacht ; derjenige, der nihts lernen welle, werde durch die Züchtigung auch nicht geändert.
Abg. Dr. Osann erklärt sich gegen die fozialdemokratishen An- träge; es sei selbitverständlih, daß die Lebrlinge ein anftändiges Be- tragen zeigen müßten. G
Abg. Stadthagen: Dann müßte der Vorredner beim Handels- geseßbuch cine Aenderung herbeiführen.
Es wird nur der Eventualantrag bezüglih des Züch- tigungsrehts in der vom Abg. Dr. Kropatshe? gewünschten
Form angenommen. ,
Nach S 129 jer die Lehrlingsunterweisung nur solchen Handwerkern zustehen, welche die vorgeschriebene Lehrzeit durch- gemacht und die Gesellenprüfung beftanden haben oder min- destens fünf Jahre persönlich das Handwerk selbftändig aus- t haben. Vom 1. Januar 1905 ab aber soll nach dem
ommissionsantrag die Befugniß zur Lehrlingsausbildung nur den Personen uleven, welche die Berechtigung zur Führung des Meistertitels haben.
Staatssekretär des Jnnern, Staats - Minister Dr. von Boetticher:
Meine Herren! Unter den Vorschlägen, die ihre Kommission zu 8 129 abweichend von der Regierungsvorlage mat, befindet sich einer, über den ich ein Wort sagen möchte um deswillen, weil ih glaube, dafi, wenn ih die vermuthlihe Stellung der verbündeten Regierungen zu diesem Vorschlag darlege, das vielleiht Ihre Diskussion abkürzen wird. Es ift nämlich von der Kommission der Zusaß empfohlen worden, daß vom 1. Januar 1905 ab die Befugniß zur Anleitung von Lehrlingen nur solchen Personen zustehen soll, welhe die Berech- tigung zur Führung des Meistertitels haben. Es ift klar, daß in dieser Bestimmung, wenn auch in beshränktem Umfange und für eine niht sehr nahbeliegende Zukunft, die Einführung des Befähigungs- nachweises für das Handwerk ausgesprochen ift.
Die Stellung der verbündeten Regierungen zu der Frage des Befähigungsnahweises if hier so oft vorgelegt worden, und fie ift auch in der Begründung zu der gegenwärtigen Vorlage so deutlich Ilargeftellt, daß ih nicht nöthig habe, über diese Stellung noch ein Wort zu verlieren. Ih habe keinen Grund zu der Annahme, daß die Regierungen, wenn das hohe Haus diesen Vorschlag seiner Kommission - annimmt, dem Beschluß gegenüber eine andere Stellung einnehmen werden, als sie \sih aus ihrer bisher bekundeten Haltung zu der Frage des Befähigungsnachweises ergiebt. Ich habe
vielmehr Grund zu der Annahme, daß die Zustimmung des hohen Hauses zu diesem Vorschlage der Kommission für des Zustandekommen des Geseyes sehr gefährlich zu werden verspricht, uad i kann deshalb nur alle diejenigen, die mit den verbündeten Regierungen dem Hand- werk endli eine feste Organisation verschaffen wollen, nicht dringend genug bitten, von der Annahme dieses Vorshlags abzusehen.
Aba. Bassermann (nl.): Au ih bitte das die von d Kommission eingefügte n S abzulehnen. Mie i halten diesen Antrag nicht für annehmbar und tragen die Streichung desselben. Man hat mit den Meifterprüfungen in den vierziger Jahren in Preußen fehr \{lechte Erfahrungen gemacht. Man sollte meinen, da derjenige, der 5 Jahre selbftändig ein Handwerk betrieben bat, Den davon gelernt hat, daß er Lehrlinge unterweisen kann. Durch diese Vorschrift wird indirekt der Befähigungänachweis eingeführt, indem man die Meister zwingt, die Meifterprüfung zu machen, um Lehrlinge E E Eine: Angriilis bér Léslimiión Vei
. De. Hiße: An er bestimmten ärung des Staatssekretärs von Boetticher au wir in eine Zwangslage verseßt. Wir bedauern die Erklärung der verbündeten Regierungen, aber wir können sie niht ändern. Wir könnten die Annahme des Gesezes ohne diese Bestimmung vielleicht jeßt durhbringen, obglei ein Theil der Herren, welhe gegen § 129 stimmen, troßdem gegen das ganze Geseß obne denselben stimmen wird. Wir werden die Forderung des Befähigungsnahweises aut später vertreten. Wir bedauern es, daß wir in dieser Vorlage auf eine folhe Bestimmung verzichten müfsen.
Abg. Gamp (Rp.): Aub meine politishen Freunde begegnen dem Antrag auf Einführung des Befähigungsnahweises mit einer gewissen Sympathie, wenngleih die Fraktion in den leßten Dezennien eine andere Stellung eingenommen hat. Nah der kategorischen Er- flärung des Staatésekretärs bleibt nihts übrig, als entweder auf das Gesetz zu verzihten, oder die Vorlage anzunehmen, wie fie ift.
Abg. Dr. Kropatschek: eine politishen Freunde halten noch heute geshlofsen an ihrer alten Forderung des Befähigungs- nachweises feft und sind nicht gesonnen, sid in Zukunft davon etwas wegnehmen zu lassen ; um fo frenbides begrüßen wir, daß das Zentrum unseren Standpunkt theilt. Um aber dem Handwerk das Wohl- thätige, das diese Vorlage enthält, zu sihern, verzihten wir zur Zeit auf unseren Wuns und warten ab, was die Mehrheit des Hauses pre werm gat wird. Unser prinzipieller Standpunkt bleibt nah wie vor erselbe.
Juzwischen ist von den Abgg. Dr. Hige und Groeber (Zenir.) ein mit 72 Unterschriften versehener Antrag ein- gegangen, der Resolution Il folgende Fassung zu geben:
„Die verbündeten Regierungen zu ersuhen, dem Reichstage in der nähften Session einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch welchen für das handwerksmäßige Gewerbe, insbesondere für das Bau-
ewerbe und diejenigen anderen Eewerbe, deren Ausübung mit er- LebliGen Gefahren für die Betheiligten verbunden if, der Be- fähigungsnahweis eingeführt wird.“
Abg. Richter: Die Debatte zeigt, daß Sie (rechts) auf einen besonderen Dank der Zünftler nit zu rechnen haben, daß dieses Geseß nur als besondere Triebkraft für weitere Agitationen benußt werden wird. Das follte ron der Annahme der Vorlage abhalten. Ich halte schon die Bestimmung, daß nur derjenige Lehrlinge anleiten soll, wer eine gewisse Lehrzeit durg-maht kat, für undurchführbar. Es ift ein Unterschied zwischen Lehrlinge halten und Lehrlinge an- leiten. Man fann do in einer Druckerei niht untersheiden zwischen dem Faktor, dem Metteur und einem Gesellen; jede dieser Personen leitet den Lehrling in irgend einer Beziehung an. Für das Geschick zur Anleitung eines Lehrlings beweist eine Gesellenprüfung und eine Lehrzeit nihts. Solhe Beschränkungen führen nur dahin, daß junge Leute gar nihts lernen, fondern einfa als jugendlide Arbeiter be- schäftigt werden. Die UntersuWung von 1895 beweist, daß die Klagen über die mangelhafte Ausbildung der Lehrlinge durchaus unzu- treffend waren ; denn die meisten Handwerker, die Lehrlinge auébilten, batten eine Lehrzeit durhgemaht.
Abg. Euler (Zentr.): Es scheint mir der Erklärung des Staate- sekretärs von Boetticher eine zu große Bedeutung beigelegt zu werden; denn er vermuthet nur, daß die Vorlage an dieser Bestimmung scheitern würde. Wenn die Vorlage scheitert, dann mögen die ver- bündeten Regierungen auch die Verantwortung dafür tragen, denn diese Bestimmung kann nur zum Wohl des Handwerkïs, zur Hebung von Zucht und Ordnung beitragen. Die Bedingungen der Meifter- prüfungen sind niht \{wer; es wird daber niemand in sein.m Ge- werbe beschränkt, der den Meistertitel erwerben foll, um Lehrlinge halten zu dürfen. Es ift mir ge lüdckt, die Bestimmrng, welche hier in Frage steht, durchzubringen. Die Handwerker würden mir niemals verzeiben, wenn ih eine solche Bestimmung für die Resoluticn preië- geben wollte. i
Staatssekretär des Jnnern, Staats - Minister Dr. von Boetticher:
Der Herr Vorredner hat die Bestimmung, die uns jeßt beschäftigt, eine unshuldige Bestimmung genannt, die nur zum Wohl der Hand» werker ausshlagen könnte. Darüber befteht aber eben Meinungs- vershiedenheit zwischen dem Herrn Vorredner und seinen Freunden einerseits und zwischen den Gegnern des Befähigungsnachweises anderer- seits. Die Gegner desselben, und zu denen haben si au bisher die verbündeten Regierungen bekannt, find der Meinung, daß die Ein- führung des Befähigungsnahweises nicht zum Wohle des Handwerks gereihe; denn theilten sie die Ueberzeugung des Herrn Abg. Guler, so würden sie keinen Augenblick Anstand nehmen, den Befähigungsnach- weis einzuführen. (Heiterkeit.)
Nun hat der Herr Vorredner an das Wort „vermuthlih“, welches ih ausgesprochen habe, die Hoffnung geknüpft, daß es dech noch anders kommen könnte, sodaß, wenn das hohe Haus s\ih mit dem Antrag der Kommission einverstanden erklärt, die verbündeten Regierungen si vielleiht doch noch auch zu diesem Vorschlag bekennen könnten. Ih kann selbfiverftändliz in diesem Augenblick niht von einer definitiven Stellungnahme der verbündeten Regierungen \prehen und habe das Wort „vermutblih“ brauen müfsen, weil eben die verbündeten Regierungen j dem neuen Vorschlag noch keine Stellung genommen haken, und weil ich über ihre demnälstige Stellung, wenn der Vors@&lag von Ihnen acceptiert werden sollte, nur eine Vermuthung sagen kann, die sih indefsen auf die bisherige Haltung der verbündeten Rec» gierungen in der uns beschäftigenden Frage gründet.
Es fommt aber noch ein anderes Moment hinzu, welches meiner Ueberzeugung nah diese Vermuthung doch zu einer sehr dringenden macht und nahezu auf die Gewißheit s{ließen läßt, daß die ver- bündeten Regierungen einem solchen Vorshlag niht ¡ustimmen werd:n, und das ift die Haliung, welhe mein verehrter preußischer Kollege, der Herr Handels-Minister Brefeld in der Kommission eingenommen hat. Ich habe an der Kommissionsberathung über § 129 nicht theilgenommen, bhôre aber, daß damals der preußische Herr Handels-Minister shon erklärt hat, daß er sih nicht auf den Boden des Antrags Euler stellen könne, und darnah vermuthe ih, daß die preußishe Regierung das Schwergewicht ihrer Stimmen im Bundet- ratb, wenn diese Frage dort zur Abstimmung kowmen follte, nit ¿18 Gunsten des Guler’shen Antrags geltend machen wird.
Also ih kann nur sagen: nach der bisherigen Haltung des Bundes- rathes ist nit anzunehmen, daß der Bundesrath einem solchen Vor- schlage seine Zustimmung ertheilen wird, ih kann im Gegentheil nur
glauben, daß, wenn der Vorschlag in das Gesey aufgenommen wird, die verbündeten Regierungen fih dahin erklären werden, daß sie zu ihrem Bedauern auf die Zustimmung zu diesem Gese verzichten
-
müssen.
Was die Resolution des Herrn Abg. Hige anlangt, so habe ih ratúrlich niht das Mindeste dagegen zu erinnern, daß fie diskutiert wird, habe aber auch garnihts Anderes angenommen, als daß die Frage des Befähigungsnachweises mit dieser Vorlage niht von der Bildfläche vershwinden wird, daß fie vielmebr nach wie vor immer einen erwünshten Anhalt geben wird zu dem Bestreben, die Unzufriedenheit, wo solche noch im Handwerkerstand nah der Annahme diefer Vorlage vorhanden ist, zu beseitigen und in eine möglichst vollftändige Zu- friedenheit zu verwandeln.
Abg. Zimmermann (Reformp.): Wir werden für den Beschluß der Kommiision stimmen. Fallen diese Beschlüfse, fo werden wir gegen die Vcrlage stimmen müssen, weil sie nihts Ausreichendes für die Handwerker enthält. Die Verantwortung für das Scheitern müssen wir den verbündeten Regierungen zusieben. :
Abg. Dr. Bachem (Zentr.): Die Zwangslage besteht nur darin, ob in diesem Hause die Vorlage mit dem ommissionsbeschlufse zur Annahme gebraht werden kann. Diese Möglichkeit liegt aber nicht vor, da nit alle Herren, die hinter dem Abg. Zimmermann stehen, für das Gese stimmen. Auch i halte den Befähigungsnachweis für das Richtigste für das Handwerk und bedauere auf das tieffte, daß diese Vorbereitung für den Befähigungsnahweis nicht in das Gesetz aufgenommen werden foll. —
Abg. Zimmermann: Wir werden nit unter allen Umständen gegen das ganze Gesey ftimmen, aber die Abneigung gegea das Geseß wird dur die Streichung dieser Bestimmung verstärkt.
Gegen die Stimmen eines Theiles der Deutschkonservativen und der Deuischsozialen Reformpartei wird die Bestimmung daß von 1905 ab nur die zur Führung des Meistertitels be- rechtigten Handwerker Lehrlinge anleiten dürfen, gestrichen ; mit dieser Streichung wird § 129 von der Reichspartei, dem Zentrum und den Nationalliberalen genehmigt.
Dem Art. 6 hat die Kommission einen Zusaß gegeben, wonach für die bisher privilegierten Jnnungen bei der Bildung einer Zwangs-Jnnung abgesehen werden kann von. den dingungen bezüglih des Jnnungsbezirks und der weiteren Be- dingung, daß die Mehrheit der Betheiligten der Zwangs- Innung zustimmen müsse. :
Abg. Richter bezeichnet es als urrihtig, daß man für die pri- vilegierten Innungen eine solche Bestimmung treffe. Wenn die außer- balb der Innung Stehenden überzeugt seien, daß die Innung etwas leiste, dann würden sie au für die Zwangs-Innung stimmen. Wenn das nicht der Fall sei, dann sei es niht angezeigt, gegen den Willen der Mehrheit eine Zwangs-Innung zu bilden. Redner beantragt die Streichung dieses Zusaßes. A E
Abg. Dr. Hitze tritt für den Zusaß ein, da die privilegierten Innungen sich ja auf dem Gebiete des Lebrlingswesens bewährt baben müßten. : i
A0. Dr. Kropatschek: Ich kann es überhaupt nicht begreifen, weshalb man diese privilegierten Innungen nicht oóne weiteres als 2wengé- Innungen anerkennen will. Von der Aufrechterhaltung diefer Beslimmung bängt für meine Freunde sehr vil ab. i
Abg. Richter: Ich verstehe die Haltung der Regierung nicht, welche fich bei § 100 dagegen gewehrt hat, daß Zwangs-Innungen mit Willen der Mehrheit gebildet werden ; ebenso verstehe ih nit, daß se bier bezüglih der privilegierten Innungen eine Ausnahme zu- lassen will. Haben die Innungen sih bewährt, dann wird auch eine Mebrhbeit für die Zwangs-Innungen zu baben sein. :
Abg. Gamp: Die privilegirten Innungen haben doch eine Reibe von Einrichtungen getroffen, die man erhalten follte. :
__ Ein Antrag auf namentliche Abstimmung wird mit ge- nügender Unter}stüßung eingebracht.
Abg. Graf zu Limburg-Stirum (d. konf.) legt den § 57 der Geschäftsordnung dahin aus, daß ein folcher Antrag erst beim Schluk der Berathung gestellt und auch erft in diesem Augenbli@ck unterstüßt werden könne. : ;
Nba. Richter weist auf die biéberige Praxis des Hauses bin: man bobe es als besonders rücksichtévoll angesehen, wenn namentliche Abstimmungen vorher angekündigt wurden. | 5
Präsident Freiherr von Buol kält das Bedenken des Grafen Limburg-Stirum für unbegründet.
Jn namentlicher Abstimmung wird darauf der Antrag Richter mit 125 gegen 83 Stimmen abgelehnt. Der Rest der Vorlage wird ohne weitere Debatte genehmigt. Die Resolutionen
sollen in dritter Lesung berathen werden. Schluß 6 Uhr. Nächste Sißzung Mittwoch 12 Uhr. (Besoldungsvorlage und Petitionen.)
Preußischer Landtag. Herrenhaus.
17. Sißung vom 25. Mai 1897.
Auf der Tageßordnung Len die Berathung des Staats- haushalts-Etats für 1897/98.
General-Berichterstatter Graf von Königsmarck weist darauf hin, daß die Verspätung, welche in diesem Jahre die Etatsberathung erfahren, einen dreifachen Schaden im Gefolge habe. Außer dem moralischen sei ein wirthschaftliher Schaden entstanden, der esonders bei den beabsihtigten Beamtenbesoldungsverbesserungen zu Tage trete. Der Landtag sei {on am 20. November zusammengetreten, die Re- ierung habe also diligentiam präftiert. Aber erst am 12. Mai
be das Herrenhaus den Etat vom anderen Haufe erhalten und werde ihn in 14 Tagen zur Erledigung bringen. Die Schuld liege offenbar daran, daß die Einfügung des Besoldungsverbefserungs- plans in den Etat die rechtzeitige Fertigstellung desfelben bis zum 1. April verhindert habe. Die Etats- und Fiuanzkommission habe diese Meinung getheilt und überdies in der Einarbeitung der Besoldungéverktesserung in ten Etat eine Benachtheiligung der Rechte des Herrenhauses erblickt, gegen die irgendwie Stellung genommen werden müsse, denn bei Besoldungsverbesserungen habe das Herren- haus auch ein Wort mitzusprechen. Allein in diesem Jahre feien in drei besonderen Gesetzen, so z. B. im Richtergehaltsgeseß, Befoldungs- verbefserungen vorgeschlagen, die also nicht den Weg durch den Etat passiert hätten. Eine feste, verfassungsmäßige Praxis bestehe in diesem Punkte niht. Bleibe der Etat von der Belastung mit solchen shwie- rigen Materien frei, so sei seine rechtzeitige Fertigstellung viel wahr- sheinliher. Mit der finanziellen Geftaltung des Etats sei die Kom- mission außerordentlih zufrieden gewesen.
Fn der Generaldebatte wird folgender Antrag des Frei- herrn von Maltzahn gleih mit erörtert:
„die Königliche Staatsregierung aufzufordern, das Necht der Theilnahme des Herrenhauses an der Gefeßgebung niht durch eine unri@tige Auffaffung des Art. 62 der SlSan Verfassungs“ urkunde (Art. 62: Finanzgeseßentwürfe und Staatshaushalts-Etats werden zuerst der Zweiten Kammer vorgelegt ; leßtere werden von der Ersten Kammer im a angenommen oder abgelehnt) zu beschränken, wie es gegenwärtig ars die Behandlung der Beamten- befoldungéverbefserungen geshehen ist, die nur dur den Staats- haushalts-Etat ftatt dur orlegung eines besonderen Finanzgesey- entwurfs erledigt werden sollen.“
Der Anirag trägt 45 Unterschriften, und ihm i} eine längere Begründung beigefügt, welhe von dem Gedanken ausgeht, val eine harfe Grenze zwischen Finanzgesezen und anderen Geseßen |chwer
gezogen werden kênne, und dem seine | niht beshränkt werden - Bggra DeriisSe Gesihiöpunkte erstes Ranges zur Frage ständen. Bei den Beamtenbesoldungen. ftänden folhe politishen Rücksichten im Vordergrunde, wie \ih aus den Verhandlungen des Abgeordnetenhauses klar er eben habe, wo der ganze Streit die Stellung der Vecivctvaribeutitin gegen- über ten Richtern und im Ganzen prinzipielle Grundsäße für eine Beamtenbesoldungs-Vorlage betroffen habe, wobei die Geldfrage zurüd- getreten sei. „Es wäre niht zu empfehlen, daß das Herrenhaus erft gezwungen werden follte, die fernere Vorenthaltung seines Rechts als das gegebene und aufgedrungene Motiv für die Ablehnung des ganzen Etats3gesezes in Zukunft zu betrachten.“
Freiherr von Maltzahn: Mein Antrag hat bei beiden Fraktionen des Hauses allseitige Zustimmung gefunden. Die Ausfüÿrungen des e Se können do feine Verfafsungsänderung bewirken.
on allen Seiten hat man in der Kommisfion fich gegen die Kränkung der Rechte des Herrenhauses gewchrt.
Finanz-Minister Dr. von Miquel:
Gewiß fönnen Präcedenzfälle kein neues Staatsrecht schaffen, aber Präzedenzfälle sind doch sehr bedeutsam für die bis auf den heutigen Tag in der Regierung und in den beiden Häusern des Land- tages geltend gewesene Rechtsauffaffung. Wenn das Herrenhaus in allen anderen Fällen eine andere Rehtsauffafsung zu erkennen gegeben hat als heute, so ift doch etwas mit Vorsicht zu handeln, wenn das Herrenhaus nun plöglich in derselben Praxis, in derselben Geltend- machung des Gewohnheitsrechts eine schwere Rechtskränkung für das Herrenhaus sieht. Im Jahre 1872 wurde genau so verfahren wie beute bei der allgemeinen Besoldungsaufbefserung. Es wurde eine Summe von etwas über vier Millionen Thaler gleih zwölf Millionen Mark genau wie diesmal in den Gtat ein- gestellt und die Einzelheiten der Vertheilung in einer Denk- schrift gegeben. Genau wie heute ging diese Gesammtsumme vertheilt durch die Beshlüfse des Abgeordnetenhauses auf die einzelnen Beamtenbesoldungen na bier, und es war nit in einem Nachtrags- Etat, sondern im Haupt - Etat die gesammte damalige Erhöhung der Beamtengehälter enthalten. Ih habe den ericht der damaligen verehrten Kommission des Herrenhauses durhgelesen, es ift keinerlei Beschwerde hierüber, keinerlei Ungehaltenheit, nihts derartiges tritt in dem Bericht hervor, man genehmigte den Etat mit dieser allgemeinen Gehaltsaufbefserung wie sonst auch alle Etats im Ganzen. Die Frage, ob man deêwegen den ganzen Etat verwerfen solle, tauchte garniht auf.
Jeßt kommen wir an den zweiten Präcedenzfall, den der Herr Berichterstatter irrig aufgefaßt hat, wie ih za meinem Bedauern sagen muß, der gerade für die Staatêregierung und die beiden Häuser des Landtages sehr charakteristish ift. Im Jahre 1879 wurde ein Etat vorgelegt ohne eine Verbesserung der Richtergehälter. Es war das die Zeit, wo die neue Gerichtsorganifation durhgeführt werden mußte; im Landtage entftand nun das Verlangen, die Richter bei dieser Gelegenheit aufzubessern. Die Staatsregierung brachte damals nah langen Zweifeln auch einen Nachtrags-Etat, — sie konnte das auch gar niht anders, denn sie wurde erst durch die Ver- handlungen des Abgeordnetenhauses dazu gedrängt — eine sepa- rate Erhöhung der Richtergebälter an den Landtag, ohne die Ver- waltungébeamten zu bedenken. Ja, meine Herren, wie ist es aber mit diesem Nachtrags - Etat gegangen? Der Nachtrags - Etat, obwobl er als solher vorgelegt war und auch vorgelegt werden mußte nach dem Gange der Verhandlungen, wurde in dem Haupt-Etat cingearbeitet und is garnicht als Nachtrags- Etat an das Herrenhaus gekommen. Man thut doch gut, in dieser Beziehung die Akten durh- zulesen, wenn man solche Beschwerden erheben will. Gerade damals wäre es ja leiht gewesen, diesen Nachtrags-Etat separat zu behandeln als solhen. Namenilich, da damals ja erst recht die Kämpfe zwischen der Stellung der Verwaltungébeamten und der Justizbeamten ob- walteten und das Staats-Ministerium nur mit den größten Bedenken und mit dem auëdrüdckliHen Vorbehalt, daß, fobald die Mittel des Staates es gestatten würden, au die Verwaltungsbeamten aufgebefsert werden sollten, beranging an diesen Nahtrags-Etat, wäre es ja fehr leit gewesen, denselben separat zu bearbeiten und als folhen an das Herrenkaus gelanzen zu lafsen. Das ift aber nicht geschehen.
Jeßt kommt noch das Jahr 1890. Wir nahmen 19 Millionen in die Hand und forderten genau in derselben Art und Weise, wie diesmal die Erhöhung der Gehälter der Unterbeamten und der Lehrer. Gbenfo verfahren. Keinerlei Beschwerden von irgend einer Seite. Dieser Praxis gemäß haben wir nun die jehige Vorlage behandelt. Wenn Sie, meine Herren, diesen Präcedenzfällen keine Bedeutung bet- legen, wenn Sie mir niht zugeben, daß die Stellung, die die Herren Antragsteller einnehmen, jeßt ganz neu ift, im Herrenhause noch nicht vorgekommen ist, dann werden Sie mir jedenfalls soviel zugeben, daß auf Grund solcher Vorgänge die Staatsregierung im besten Glauben gehandelt und es ihr ganz fern gelegen hat, die Rechte diefes hohen Hauses irgendwie zu schmälern. Das, glaube i, müssen die Herren mir zugeben: die Staatsregierung denkt niht entfernt daran, irgendwie die Rechte dieses hohen Hauses zu beeinträchtigen, und ih als Finanz-Minister am allerwenigsten. Ich wüßte auch garnicht, was das Finanzrefsort daran für Interesse hätte, da ihm do daran gelegen ist, sich auf die Unterstüßung dieses hohen Hanses in dieser Richtung in manchen Fragen verlassen zu können.
Meine Herren, die Praxis is aber berechtigt und entspriht dem Geiste der Verfassung. Unsere Verfassung sagt : alle Einnahmen und Ausgaben müssen auf den Etat gebraht werden. Das ist ein Kom- mando an die Finanzverwaltung und die Staatsregierung, alle ihr zur Zeit der Aufftellung des Etats bekannten Ausgaben und Einnahmen auf den Etat zu bringen. Nachtrags-Etats sind nah meiner Meinung nvr zulässig, wenn neue Bedürfnisse nach Einbringung des Etats plöplih auftauhen, die noch in dem betreffenden Fahre befriedigt werden müssen und niht anders befriedigt werden können als durch Nachtrags-Etais. Diesen Say können Sie gar niht bestreiten; es ift ein sundamentaler Sah unseres ganzen Finanzwesens, ein Say, den namentlich der Finanz-Minister aufs strengste innehalten muß. Fch habe ten Grundsay, Nachtrags-Etats nur in den dringendsten Fällen zuzulassen, immer festgehalten, und ih habe damit, glaube ih, den beiden Häusern des Landtags einen Dienst geleistet. Wenn man sich erft angewöhnt, Nachtrags-Etats zu machen, die nit dur die Verhältnisse unbedingt geboten sind, dann kommt man in eine Finanz- unordnung und Verwirrung, die garnicht zu beschreiben ift.
Also die Verfassung schreibt vor: es sollen alle Einnahmen und Ausgaben auf den Etat gebraht werden. Die Gehaltsaufbefserung war in ihrer Höhe und in den Ginzelheiten dem Staats-Minifterium bei Vorlegung des Etats vollkommen bekannt. Aus welchem Grunde konnte cs dazu kommen, diese Einnahmen und Ausgaben in die Ede
zu flecken und zu sagen: daraus machen wir \päter einen besonderen
Nalhhtrags-Etat? Das würde nach meiner Meinung dem Geift mindestens der Verfassung zuwiderlaufen. Die Staatsregierung kannte alles, Einnahme und Ausgabe, wie kommt man da dazu, einen Nachtrags-Etat herauszushälen? Ich werde auf die gesezlihe Rege- lung, auf die die Kommission hinweist, nahher zurückfkommen. Aber, meine Herren, wie wäre das überhaupt ausführbar ? Wenn wir die zwanzig Millionen aus dem Haupt-Etat herausgelafsen hätt n, so würden wir in dem Haupt-Etat 20 Millionen Uebershuß gehabt haben. Na dem Garantiegeseß vom Jahre 1882 würden diese Millionen aber als etatsmäßige Uebershüsse, wie das Gefe es ausdrüdcklih bestimmt, zur Schuldentilgung nur zu verwenden gewesen fein; dann wäre für den Nathtrags-Etat ja gar keine Einnahme vorhanden gewesen. (Be- wegung.)
Ich weiß niht, ob ih mich da klar g?nug ausgedrückt habe. Das Gese von 1882 sagt: Etatsmäßige Uebershüfse müfsen zur Schulden- tilgung verwendet werden. Wenn wir nun die Einnahmen hätten aus den allgemeinen Etatstiteln, um die 20 Millionen Ausgaben zu decken, aber wir stellten die Ausgabe nit in den Etat, so hätten wir einen etat- mäßigen Uebershuß von 20 Millionen gehabt, und der müßte nun nah dem Gesetz zur Schuldentilgung verwandt werden, dann bliebe aber nichts übrig, um die 20 Millionen in einem besonderen Nachtrags-Etat dur Einnahmen zu decken. Aber noch mehr! Das Gese über die Ober- Rechnungskammer bestimmt: in die zur Vorlegung an den Landtag gelangenden Spezial-Etats siad fortan zuerst für das Jahr 1873 bei den Besoldungsfonds die Stellenzabl und die Gehaltssäße, welche zur Disposition über diese Fonds maßgebend sind, aufzunehmen. Damit bestimmt das Gese, daß die Stellen und Befoldungssäße etatmäßig behandelt werden follen und nicht auf Gefeß zu beruhen hätten. Stellen Sie sch vor, was das für eine Verwirrung ge- worden wäre, wenn wir nah dem Wunsh des Herrn Antragstellers diese Gehaltserböhungen, die ja für die vor- handenen Stellen bestimmt waren, die ja gar nicht den Charakter der Shaffung neuer Stellen haben, nun auf Geseß basiert bâtten, dann bâtten die Beamten einen Theil des Gehalts aus dem Etat und den anderen Theil auf Basis des Gesetzes zu beziehen. Das ist doch ein Zustand, der garniht ausführbar ist. Meine Herren, es wäre überhaupt höht unpraktish, Beamtenstellen auf Geseß zu basierenj Das Etatgesey iff ja auch ein Geseg, unterscheidet sich aber von allen anderen Gesezen dadurh, daß es nur auf ein Jahr gil. Man muß die Freiheit in der Ver- waltung haben, Stellen nicht zu beseßen, Stellen eingehen zu lassen, demnächst dur den Etat Stellen neu zu kreieren. Beamten- stellen auf Geseß zu basieren, verpflichtet ja die Verwaltung diese Stellen nun au immer zu besegen, felbff wenn sie garnicht mehr nôthig sind. Daher if es sehr weise gewesen, daß das Gese über die Ober - Rehnungskammer den Grundsaß aufstellt: die Stellen werden bewilligt im Etat und es kann jedes Jahr über die Fortdauer der Stelle von den beiden Häusern des Lands tages neuer Beschluß gefaßt werden. Ich glaube also: was die Herren Antragsteller wünschen, ist eigentlich und an und für fi gar- niht mögli, jedenfalls niht praktis.
Nun sagt der Herr Antragsteller in seinen Motiven : es ift im Ganzen \chwierig, Finanzgesege vom Etatgesep ¿zu unterscheiden. Ih finde die Schwierigkeit doch so groß niht. Ih bin der Meinung, daß Verhältnisse dauernder Natur, auch wenn sie eine finanzielle Bedeutung haben, durch dauernde geseßliche Ordnungen geregelt werden müßen, aber nicht folche Institutionen und Einrichtungen, über welche der Landtag, um sein Finanzwesen, seine Finanzhoheit zu sihern, si jedes Jahr eine neue Beschlußfassunz vorbehalten muß. Sie können das am besten sehen am Beispiel“ des Steuer- bewilligungsrechts. Bei uns beruhen die Steuern auf Geseß; es fann fein Landtag von Jahr zu Jahr an dieser Ordnung des Steuers wesens etwas ändern. In Ländern mit rein parlamentarischen In- stitutionen beruhen die Steuern auf dem Etat, und es sind ja auh viele deutshe Staaten, wo eine derartige Einrichtung besteht und die Steuern Iahr aus, Jahr ein neu bewilligt werden müssen, Werden sie nicht bewilligt, können sie nicht erhoben werden. Man kann das eine thun staatsrechtlich und man kann auch das andere thun. Wir in Preußen haben es für richtiger gehalten, aus der Erhebung der Steuern eine dauernde und organische Institution zu machen, und sie der Beschlußfassung des Landtages von Jahr zu Jahr zu entziehen. Genau so ist es mit der Wittwenpenfion. Staatsrehtlich möglich is es zu sagen: Ich will den Wittwen der preußishen Beamten eine Pension für das nächste Jahr geben und i will mir vorbehalten, ob ich im folgenden Jahre noh das Geld habe, dieselben Pensionen zu zahlen. Wir haben uns gesagt: das ist ein unzulässiger Zustand, die Wittwen müssen dauernd gesichert werden ; sie müssen das Gefühl des lebenslänglihen Bezuges ihrer Wittwenpensionen haben. Wir basieren dies auf dem Gesey.
Nun gebe ih dem Herrn Antragsteller zu, daß eine Staatsregies- rung, welche die Absicht hätte, das Herrenhaus in diefer Beziehung zu schmälern, manche Fälle vor sich finden könnte, wo es möglich ift, einen gewissen Zweck auch in vernünftiger Weise zu erreihen, wenn man kein besonderes Geseß macht, sondern nur ein Etatsgesey benußt, Fn vorliegendem Falle kann aber so etwas garnicht Platz greifen, weil wir hier auf der Basis des ftetigen Herkommens in Preußen, auf einer nach meiner Meinung auch materiell unerläßlichen Basis und auf der Basis des Ober-Rehnungskammer-Geseßes stehen.
Sie werden hier im Herrenhause nicht den Grundfaß aufstellen, daß alle Beamtengehaltsfäße durch Gesege festgelegt werden follen, hier aber in concreto um fo weniger, als es si hier garniht um die Kreierung neuer Stellen handelt, sondern um die Erhöhung der Dotationen alter Stellen.
Der verehrte Herr Antragsteller hat ganz recht, wenn er fagt, eine gewisse Verschiebung der Organisation kann auch bewirkt werden durch Veränderung der Gehaltssäße. Vollkommen richtig! Aber die Staatsregierung hat sich sorgfältig gehütet, in der Vorlage dies zu thun, und ih persönlich habe in der Kommission des Abgeordneten- hauses alle dahin gehenden Versuche zurückgewiesen. Ich will ein Beispiel anführen. Es war seitens der Herren von der rehten Seite des Hauses der Antrag gestellt, die Ober-Regierungs-Räthe bei den Regie- rungen ganz aus der Stellung der Regierungs-Räthe herauszunehmen, sie ähnlich zu behandeln, wie die Senats-Präsidenten bei den Ge- rihten und ihnen eine ganz gehobene Stellung zu geben. Obwohl ih materiell mih diesem Antrag sehr zuneigte, habe ih mir gesagt, das darf bei dieser Gelegenheit nicht geschehen, das greift
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