1897 / 126 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 31 May 1897 18:00:01 GMT) scan diff

Fall liegt. etwas anders, weil ein niht bebautes großes Grundstück thatsächlih in der betreffenden Gegend lange gelegen hat und darauf kann man auch von seiten des Staats einige Rücksicht nehmen. Meine Herren, die Interessen der Städte- und der Bevölkerung der-

selben stehen natürli nicht im Gegensaß gegen die Staatsinteressen. Der Staat hat gewiß auch das Interesse, wenn es möglich ift, unter

geréchter Vertheilung der Staatslasten, unter Berücksichtigung der Finanzen, auf die Wünsche einer Stadt die gebührende Rücksicht zu nehmen. Gerade nah diesen Gesichtépunkten glauben wir verfahren zu sein, wir haben einen Plan aufgestellt, wona ein Platz, der ruad etwa viermal so groß ist als der Dönhoffsplay, als öffentliher Play der Stadt Berlin zufallen sollte mit der Ver- pflihtung, ihn natürlih als folchen zu unterhalten gegen einen sehr geringen Preis nah Schätzung unseres Sachverständigen ih glaube, zu einem Preise von etwa 40 G pro Quadratmeter das ist un- gefähr ein Fünftel des Bauplaßwerthes. Der andere Theil, der an der Straße licgt, sollte bebaut werden und natürlih zu Gunsten des Staats zur Verwerthung gelangen. Diese Sache s{chwebt now, die Stadt Berlin hat auf die Offerte noch nit geantwortet, aber warum nun verlangt wird, wie der Antrag Bender es thut, das ganze Grundstück als öffentlichen Play zu erhalten, während hier doch ein großer öffentlicher Play nah der Potsdamerstraße hin übrig bleiben würde und der nah einer Meinung, da er wirklih öffentlicher Plaß ist, während es der Botanische Garten heute nicht ist, den etwas größeren Botanischen Garten mehr als erseßen würde, fo verstehe ih das niht. Geroiß ist der Botanische Garten täglich von 7 Uhr Morgens bis 7 Uhr Abends geöffnet, aber. ih höre fier von meinem verehrten Nachbar, daß sch {hon längst herausgestellt hat, daß, wenn der Botanishe Garten an der jeßigen Stelle bliebe, eine derartige Benußung dur das Publikum, natnentlich durch Kinderschaaren, aus Gründen der wissenshaftligen Benußung nit mehr aufreht erhalten werden könnte. (Sehr ridtig !) Meine Auffassung wird hier also bestätigt durch einen Sachvetstän- digen in diesem hohen Hause. Meine Herren, wie hätten die An- wohner darüber geklagt, wenn wir den Garten geschlossen oder die Benutzung durch das Publikum beschränkt hätten! Statt dessen bieten wir einen öffentlihßen Play an, der Tag und Nacht frei ift für die Bewegung der Kinder und geeignet für ihre Spiele und Leibesübungen, während das bei dem jeßigen Botanischen Garten, roie gesagt, nicht der Fall ist; da is do, glaube ih, ein vollkommener Ersaß für die Zwecke, die die verehrten Herren verfolgen. Jch habe im Abgeordneten- hause {on gesagt, wir wollen hoffen, daß es gelingen wird, die JInterefsen des Staats und der Stadt zum Ausgleich zu bringen; wie weit wir bereits der Stadt Berlin entgegengekommen sind, habe ich eben außseinandergeseßt. Aber wenn Sie den Antrag Bender annehmen, bestärken Sie die Bevölkerung Berlins in dem Glauben, daß ihr eigentlih das größte Unreht geschehe, wenn der Staat ihr nit den ganzen Play vollständig umsonst giebt ; denn das ift eigenilich in gewissen Theilen Berlins, in der großen Mafse der Bevölkerung der wahre Glaube. In die Art der Verwerthung von Grundstücken hat sich doch der Landtag bisher überhaupt nicht ge- mischt, und es wäre doch wirklich) etwas bedenklih, wenn das Herrenhaus in solche laufende Verhandlungen und s{webende Ange- Igenheiten eingreifen wollte. Jh möchte Sie dahex dringend bitten, wie im Abgeordnetenhause die Vorlage anzunehmen, wo man sie fast einstimmig ohne weiteres genehmigt hat. Das Abgeordnetenhaus hat doch vorzugsweise die Interessen der Staatsfinanzen und der Steuer- zahler zu vertreten ; jeder Gedanke, als wenn man seitens des Staates im wesentlichen unentgeltlißh oder doch gegen einen minimalen Preis das ganze Grundstück hergeben sollte, i dort sowohl in der Kommission, wie im Hause selbst entschieden ab- gewiesen worden. Ich meine, dieses hohe Haus hätte jede Veranlassung, cbenso zu verfahren und den weiteren Gang der Sache der Staatsregierung zu überlassen; so dringend ift ja die Sache auch nicht; wir können ja den Garten auch nit veräußern, ehe wir nicht den neuen Botanischen Garten haben, den wir an die Stelle seßen. Das geschieht niht von heute auf morgen ; man kann fich viel- [leiht noch verständigen, die Meinungen werden sih klären und ih hoffe au, daß wir mit der fo intelligenten, und au steuerkräftigen Ber- liner Bevölkerung (Heiterkeit) und mit der vorzüglichen Stadtverwaltung der Königlichen Residenzstadt {ließli zu einem befriedigenden Ein- vernehmen kommen.

Ich muß sagen, meine Herren, wenn ih von vornherein hâtte annehmen können, daß wir, wie die Kaufleute fagén, gar keinen wesent- lien rembours aus dem aufgegebenen Grundstück des Botanischen Gartens bekommen würden, so hätte ih mich doch sehr vorgesehen, 16 Millionen aufzuwenden und in einer sehr opulenten, sons doch sehr wohl einzuschränkenden Weise diese große Unternehmung durch- zuführen, und es wäre dann auch absolut unberechtigt gewesen, nah unseren finanziellen und Etatsgrundsäßen ohne diese begründete Ausficht, diese ganze Sache dur eine Anleihe zu machen. Wir machen in Preußen nur Anleihen, wenn es fich um rentable und zins- gewährende Unternehmungen handelt, alle anderen Ausgaben müssen im Extraordinarium des Etats stehen, eine Ausnahme können wir nur machen allein unter den Vorausseßungen, daß auch wieder die betreffenden Einnahmen dem Staat zufließen und auf Anleihe ver- rechnet werden.

Ich bitte also, den Antrag der Kommission gemäß der Vorlage ohne jeden Zusay und untcr Ablehnung des Antrags des Herrn Bender annehmen zu wollen. (Bravo!)

Ober-Bürgermeister Bender-Breslau: Das bestehende Ver- hältniß wird doch unzweifelhaft zu Ungunsten der Stadt geändert. Berlin foll 16 Millionen zahlen. Woher stammt dieser große Werth des Gartens ? Wer hat ihn geschaffen? Daher, daß die Stadt sich ausgedehnt, die Bevölkerung sich diht an den Garten hberangebaut hat. Das will der Fiskus sh jeßt zu nuße mahen. Von den 115 000 Quadratmetern follen nur 47 000 N werden. Außer- dem liegt der Park mit zwei Seiten in der Nahbarkommune, da kann die städtishe Behörde es niht verantworten, auf eine so ungeheure orderung einzugehen. Daß die Eingemeindungs frage noch nicht gelöst it, spielt ebenfalls sehr ungünstig hier hinein.

Finanz-Minister Dr. von Miquel:

Die Ausführungen des Herrn Ober - Bürgermeisters Bender sind doch eigentlich in keiner Weise stihhaltig, wenn ih einen milden Aus- druck gebrauchen soll. Die Wertbsteigerung, die der Boden empfing, ist durch die Entwickelung von Berlin gekommen kann er diefe Deduktion nicht gegen jeden Besißer geltend mahen? Kann daraus gefolgert werden, daß wir uns dadurch verarlaßt sehen follten, das Gruntstück billiger oder umsonst abzu- geben? Meine Herren, das ift ein schr bedenklihes Prinzip. Wenn

Sie das aber überhaupt anwenden wollten, dann könnte man auch gegen Berlin einmal aufrechnen, was die ftaatlihe und die Reichs- entwidelung für Berlin gethan hat. Berlin das hat Herr Bender ganz richtig gesagt hat große Vortheile vor anderen Städten als Residenzstadt voraus, auh hier in concreio. Welche Stadt is in der Lage, ein Thiergartengrundftück zu haben, thatsählich einen Stadtpark, welhes im Eigenthum des Staates steht und von ihm aués{chließlich unterhalten wird? Hier handelt es sich um einen zweiten Park, den wir mehr oder minder zu einem minimalen Preise der Stadt geben follen. Der Herr Vor- redner beruft sich darauf, daß preußische Könige Breslau und Königs- berg s{chône Grundstücke bei Niederlegung der Wälle geschenkt hätten. Ja, meine Herren, die Zeiten haben sich eben geändert; damals waren die Grundstüde kaum etwas werth, damals war das ein sehr ge- ringes Geschenk, damals waren die Städte niht so steuerkräftig und die Ansammlung von Kapital, Industrie und Gewerbe in den Städten nicht so groß, wie es heute der Fall ift. Jch kann mir denken, daß das richtig is, was Herr Bender. sagt: die ver- schiedenen Interessen der Stadttheile erschweren es dem Magistrat, in dieser Beziehung dem Staate mehr entgegenzukommen so habe ih ihn wenigstens verstanden. Er hat von gewissen Krähwinkeleien gesprochen. Ja, meine Herren, gewiß, derartige Krähwinkeleien giebt es in allen Städten; daß der Staat aber die Berliner Krähwinkeleien bezahlen soll, dafür sind noch keine Gründe angeführt.

Nun fagt Herr Ober- Bürgermeister Bender : mein Antrag bedeutet ja nichts Schlimmes ; der Staat ist ja garnicht dadur gebunden. Jch lege auf den Ausspruch nud den Wunsch dieses hohen Hauses doc mehr Gewicht wie der Herr Autragsteller ; wenn das Herrenhaus uns die Direktive geben soll, daß wir diesen ganzen Play weggeben sollen, ohne irgend eine Rücksicht darauf, daß er jeßt theilweise ohne Schaden der Oeffentlichkeit bebaut werden kaun, so ist das ein sehr erheblicher Ausspruch, der die Verhandlungen mit den Betheiligten seitens des Staats sehr ers{chweren würde. Wenn Herr Ober-Bürgermeister Bender sagt: die Regierung ift nit gebunden, so ift der Antrag do ein sehr wichtiges moralishes Moment für diejenigen Interessenten, die immer noch anstreben, den bctreffenden Play so gut wie für nihts zu bekommen. Meine Herren, was heißt das überhaupt: keine „Bauplaßpreise“ ? Man kann dies so deduzieren: ihr könnt der Stadt Berlin nichts abnehmen an Werth, welches die Stadt Berlin nicht selbst verwenden kann. Da nun die Stadt Berlin diesen Plaß zu einem dôfentlihen Play machen soll und das sozar Bedingung ist, fo bezahlt die Stadt Berlin einen viel zu hohen Preis, wenn sie mehr als Bauplatpreis bezahlt. Das ist ganz zutreffend. Es fragt sich nur, wer das Opfer zu bringen hat, der Staat oder die Stadt Berlin ; daß die Stadt dieses Grundstück, welches an und für fich einen böberen Werth hat, zu einem geringeren Werth degradiert, indem sie vorzieht, daraus einen öôffentlißen Plaß zu machen, ist rihtig. Nun bleibe ih immer noch dabei und das hat auch Herr Bender nicht widerlegt —, daß der Plaß, den wir da der Stadt Berlin offeriert haben, thatsählich für die Zwecke, die in Betracht kommen, in der dortigen Gegend groß genug ist. Herr Ober- Bürgermeister Bender is ja in der Beziehung vielleiht ge- nauer unterrichtet als ih. Ih kann ihm aber versihern, daß mir verschiedene Mitglieder der Berliner Stadtverwaltung gesagt haben, ein Plaß in der Größe des Mehrfahen des Dönhoffsplaßzes würde vollkommen genügen. Ich habe {on hervorgehoben, daß ich eine gewisse Nücksiht auf die Thatsahe nehmen zu müssen glaube, daß da ein unbebauter großer Play bisher bestanden hat. Der Staat andererseits kann nah meiner Meinung es gegenüber den allgemeinen Staatsinteressen und den Steuerzahlern wohl verantworten, wenn er auf diese Thatsahe gewisse Rücksihten nimmt. Wir haben diese Nüeksicht aber genommen und sind bereit, fie in Zukunft zu nehmen. Daher kann ih nicht * soweit gehen, wie der Antrag Bender ; die ganze Vorlage würde dann nach meiner Meinung zurückgezogen werden müssen, denn wir wären dann auf einer ganz neuen Basis. Wir können nicht eine Anleibe von 16 Millionen kontrahieren; wenn der Erfolg nach den Verhand- lungen im Landtage, die Aus\iht, annähernd eine ähnlihe Summe wiederzubekommen, gänzli verschwände, dann müßten wir die Position in den Etat nehmen. Die Dinge, die hier zur Sprache gekommen sind, nüßen dem s{hließlihen Zustandekommen eines Einvernehmens mit der Stadt Berlin leider in keiner Weise.

Nach einer kurzen Erwiderung des Ober-Bürgermeisters Bender befürwortet auch Ministerial-Direktor Dr. Althoff die unveränderte Annahme der Vorlage und die Ablehnung der Resolution.

Finanz-Minister Dr. von Miquel:

Meine Herren, ih möchte nur auf eine Bemerkung des Herrn Ober: Bürgermeisters Bender mit ein paar Worten antworten. Herr Bender hat gesagt, der Finanz-Minister solle doch nicht so hart gegen die Stadt Berlin sein. Meine Herren, wenn Herr Ober - Bürger- meister Bender an meiner Stelle säße und so oft in der Unmöglichkeit wäre, selbs in äußersten Nothfällen mit seinen Mitteln helfend einzugreifen, so würde er einen folhen Ausdruck niht ge- braucht haben. Heute Morgen habe ih noch mit zwei Gemeinden in Ostpreußen verhandelt. Die -Kirhe ist ihnen: - ein» gestürzt, die Schule if, wie der Prediger mir sagte, geradezu eine Art Stall. Die klêglihsten Zustände treten einem in den ländlihen Gemeinden oft genug entgegen. Könnten wir 16 Millionen in die Hand nehmen, um damit alle baufälligen, un- geeigneten, gesundheitswidrigen Schulgebäude zu erseßen oder doch den Gemeinden, die bisweilen mit 509% Zuschlag allein für die Kirchen- steuer belastet sind, eine erheblihe Milderung zu theil werden zu lafsen, so wäre das eine größere Woblthat für das ganze Land, als wenn wir allzuweitherzig gegen die Stadt Berlin fein wollten. Wie kann man da das Wort „Härte gegen die Stadt Berlin“ gebrauchen ? (Sehr richtig!) Wenn man in der Mitte der Aufgabe steht, die ge- sammten Bedürfnifse des Landes gleihmäßig zu befriedigen, so kann man nicht willkürlich wohlthätig gegen die Stadt Berlin sein.

Die Vorlage wird unter Ablehnung der Resolution Bender angenommen.

Namens der Eisenbahnkommission berichtet sodann Herr von Graß über die Petition des Kreisausschusses des Kreises Daun um Erwirkung eines nachträglichen Staatszuschusses zu den Kosten des Grunderwerbs für den Bau der Eisenbahn Mayen—Daun—Gerolstein. Ueber die Petition wird zur Tagesordnung übergegangen.

Derselbe Berichterstatter referiert über den Geseß- entwurf, betreffend die Erweiterung des Staatseisen- bahnneßzes und die Betheiligung des Staats an dem Bau

von Kleinbahnen, sowie an der Errichtung von land- wirthshaftlihen Getreidelagerhäusern. Die Kom- mission empfichlt die unveränderte Annahme der Vorlage.

Graf von Hohenthal befürwortet eine kürzere Verbindung von Bitterfeld und Eilenburg.

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen:

Wie der Herr Graf Hohenthal {on mitgetheilt hat, besteht ein Theil des oon ihm erwähnten Projekts zur Zeit s{on, nämlih eine Verbindung von Düben nah Eilenburg, allerdings am reten Ufer, aber ganz hart am rechten Ufer der Mulde. Es sind damals auch für die Fortsezung der Linie von Düben rechts der Mulde nach Bitter- feld die Vorarbeiten gemacht worden. Die Ermittelungen, die ange- tellt wurden, ergaben aber doch ein verhältnißmäßig fehr geringes Verkehrsbedürfniß auf dieser Strecke. Der Staat hat deswegen die Linie Düben—Bitterfeld nicht weiter verfolgt. Das Projekt, welchGes Graf Hohenthal nunmehr der Staatsregierung empfiehlt, liegt auf dem linken Ufer der Mulde von Bitterfeld der Mulde folgend nah Eilenburg, ift also jedenfalls eine reine Parallelbahn der jeßt bestehenden. Es sind bereits Anträge gestellt auf Zulassung einer Kleinbahn; ich habe mich dem Herrn Negierungs-Präsidenten in Merseburg dahin erklärt, daß die Zu- lassung einer Kleinbahn in der angedeuteten Nichtung keine Shwierig- keiten finden würde, vorausgeseßt, daß die Kleinbahn nur dazu be- stimmt sei, den lokalen Verkehr in der Gegend zu befriedigen und nicht etwa eine Konkurrenzroute gegen die beiden in kürzester Ent- fernung rechts und links liegenden Staatsbahnrouten zu übernehmen. Eine Abkürzung zwischen Bitterfeld und Eilenburg wird in kaum nennenswerthem Maße erreiht werden können.

Graf von Klinckowfstroem bemängelt, daß die Heranzichung der Interessenten zu den Nebenbahnbauten noch immer an viele zeitraubende Formalitäten geknüpft sei, und fordert, daß niht mehr Terrain zum Bahnbau seitens der Verwaltung in Anspruch genommen werde, als dazu erforderlich fei. Zu \solhen Bereitstellungen über das Maß hinaus könnten doch die Kreise niht gezwungen werden. Alle diese Schwierigkeiten seien auch bei den Vorarbeiten für die Linie Gerdauen— Friedland ¿zu Tage getreten.

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen:

Ich bedauere auch mit dem Herrn Grafen von Klirckowstroem, daß die Verbandlungen über die Hergabe des Grund und Bodens für diese Bahn fo weit hinausges{choben worden sind. Es find eben, wie Herr Graf Klinkowstroem ausgeführt hat, sehr verschiedenartige Interessen ; der Kreis Friedland hat ein sehr großes Interesse und der Kreis Gerdauen ein viel geringeres, obgleiÞh ich annehme, daß auch das Interesse des Kreises Gerdauen nicht so gering sein wird, wie es nach den Ausführungen des Herrn Grafen von-Klinckowstroem wohl den Anschein haben könnte. Meine Herren, von dem was Herr Graf Klinckowstroem angeführt hat ktezl. der Linienführung, bezl. der Einzelheiten in Bezug auf den Grunderwerb, ift uns in der Ministerialinstanz noch nichts bekannt. Ich bin aber sehr gern bereit, mich der Sache anzunehmen und zu versuchen, in der Be- ziehung den Wünschen des Kreises Gerdauen naG Möglichkeit zu ent- sprehen. Ic bin auch sehr gern bereit, die Vermittelung zwischen den beiden feindlihen Kreisen zu übernehmen und eine Einigung herbeizuführen. Ih möchte nur mit ein paar Worten noch auf die prinzipielle Bedeutung der Sache zurückkommen.

Es gewinnt ja nach den Ausführungen des Herrn Grafen den Anschein, als ob die Staatseisenbahnverwaltung bezüglich der Grund- erwerbsfragen häufig etwas zu bureaukratisch oder fiskalisch oder, wie die {chönen Worte sonst heißen, vorgeht. Meine Herren, das ist aber in Wirklichkeit nicht der Fall. Die Staatsregierung is erst dann in der Lage, genau die Grundstückle bezeihnen zu fönnen, die sie für den Bahnbau als erforderlich erachtet, wenn sie spezielle Projekte aufgestellt hat. Die Auffstellungen der speziellen Projekte erfordern aber einen sehr erheblihen Kostenaufwand, und daher ist die Auffassung bisher die gewesen, daß dieser Kosten- aufwand erst dann gemaht werden kann, wenn die Verauétfeßungen des Gesetzes erfüllt find, das heißt, wenn der Grund- und Boden von den Interessentèn bereitgestellt i in Form eines Pausckquantums oder in natura. Die spezielle Projektierung der Linie, die ja grund- \säßlih im Geseß nur nah den beiden Endpunkten bezeichnet ift, er- folgt aber nah den Zwischenpunkten erst, wenn die spezielle Pro- jektierung vollendet ist. Es ergeben sih bei der speziellen Projektie- rung theils aus technischen, theils aus Verkehrsrüdsichten oft sehr weitgehende Vershiebungen der Linien, wie den Herren wohl allen aus der Erfahrung bekannt ift; insbesondere tritt das in noch höherem Grade in gebirgigen Theilen des Landes ein, wo bäufig die Linie von der einen Seite des Thals auf die andere ges{oben wird und auch wohl ein anderes Thal aufgesucht wird u. st| w. Wenn wir daher auf Grund der aflgemeinen Tracierung, wie sie vorgenommen worden it, um überhaupt dies Geseß dem Landtage zur Vorlage zu bringen, Verträge mit den Kreisen {ließen wollten, und die Kreise mit den Grundbesizern, so würden in einer großen Zahl von Fällen diese Verträge auf uarihtiger Grundlage ge- {lossen sein, und es würde si daraus ein wahrer Nattexkönig von Beschwerden und Unzuträglichkeiten ergeben, Es lassen si diefe Verträge erst dann mit Erfolg maßen, wenn die spezielle Projektie- rung erfolgt ist, und selbst nach dieser speziellen Projektierung finden sich häufig noch sehr zwingende Gründe, um Aenderungen und Ergänzungen im Grunderwerb vorzunehmen. JIch gebe von vornherein zu, daß daraus für die Kreise und ins- besondere den Kreis-Ausschuß und für den Kreis-Landrath sih außer- ordentlihe Unbequemlichkeiten und Vertrießlihkeiten ergeben könuen. Ich bin gern bereit, soweit es irgend möglih und mit den gesecglichen Bestimmungen vereinbar ift, hier helfend einzutreten. Jh fann aker die geseßlicze Verpflichtung, welche den Kreisen auferlegt ift, meinerseits nicht einshränken. Das if un- möglih. Ich fkann nur im Verwaltungëswege dafür sorgen, daß nit mehr von den Kreisen gefordert wird, als woirkflich zu dem Bahnbau nothwendig ift. In der Beziehung, gebe ih bereitwillig zu, mag manchmal gesündigt worden sein. Jh habe noch jüngst im Ab- geordnetenhause Erklärungen dahin abgegeben, daß ich bereit wäre, die Provinzial-Direktionen nochmals ftrengftens anzuweisen, nicht über das wirkliche Bedürfniß hinauszugehen und Nachforderungen nah der Betriebseröffnung nur innerhalb des ersten Betriebsjahres zu stellen, darüber hinaus aber in jedem einzelnen Falle meine Genehmigung vorher nachzusuchen. Ih hoffe, daß damit ein großer Theil der gerehtfertigten Beschwerden in Zukunft aus der Welt geschafft werden wird.

Grundsäßlich eine Theilung vorzunehmen und die einzelnen Pauschalsummen an die Kreise vor der Spezialprojektierung

ju vertheilen, ift eine Unmöglichkeit, würde auch vom Stand- f der Kreise aus - vielfah zu großen Ungerechtigkeiten führen. Es würde sih häufig nah der Spezialprejektierung herausstellen, daß der eine viel zu viel, der -andere viel zu wenig bezahlt hat. Es würde ferner die Möglichkeit vollständig beseitigt werden, daß die Kreise fi gegenseitig aushelfen, vaß sie zusammentreten und sagen: wir wollen das und das über- ehmen und wollen die Summe unter uns vertheilen. Das geschieht vielfa; es geschieht vielfa sogar so weit, daß ein Kreis für einen anderen, der weniger interessiert ist, vollständig die Grunderwerbsfosten übernimmt. Wollten wir von vornherein eine Theilung vornehmen, fo würde das den Kreisen natürliherweise niht dienen. Ih möchte daher glauben, daß grundsäßlih das bisherige Verfahren, auf Grund desscn wir bereits 10 000 km Nebenbahnen gebaut haben, im Großen und Ganzen richtig ist. Erleichtert ift das Verfahren dadur, daß die Staatsregierung si bereit erklärt hat, anstait des Grund und Bodens in natura auch eine Paushsumme zu zahlen. Diefe Pausch- fumme wird immer höher sein, das gebe ih zu, als dasjenige, was der Kreis aufzuwenden hat; denn der Staat bezahlt viel mehr für den Grund und Boden als der Kreis. Der Staat übernimmt in dem Pauschquantum darüber bin ich mir mit dem Finanz-Minister vollständig einig noch nicht einmal das volle Risiko, was er zu tragen hat, wenn er seinerseits den Grunderwerb besorgt. Aber, meine Herren, ih will in dieser Frage niht das leßte Wort gesprochen haben. Ih bin sehr gern bereit, diese ganze Frage nohmals mit dem Herrn Finanz-Minister in Erwägung zu ziehen, insbesondere in Erwägung zu nehmen, ob nit ein Modus gefunden werden kann, daß die Vertheilung des Pauschale, wenn die betheiligten Kreise si grundsäß- li zur Aufbringung der Gesammtsumme bereit erklärt haben, später erfolgen kann, nachdem das Projekt im einzelnen festgestellt worden ist. Es würde dazu ja allerdings ein Einverständniß der Kreise herbeizuführen fein ; indessen glaube ih doch, daß man vielleicht diesem Gedanken näber treten könnte, und wie gesagt, ich bin sehr gern bereit, die Frage nohmals zu ventilieren und dem Landtage bei der nächsten Vorlage, die hoffentlih au niht ausbleiben wird, über das Ergebniß dieser Erwägungen Rechenschaft zu geben. err von Herb ätte gewünscht, daß die Fortführung der ainie ther aaitits O e E Bärwalde nach Gramenz vorgeshlagen worden wäre, wodur die Linie bedeutend verkürzt würde. Von Kallies nah Falkenburg könnte eine Kleinbahn gebaut werden.

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Die Bahn, für welhe \sich Herr von Heryberg interessiert, is nicht in der Geseßvorlage enthalten, sondern ragt über fie hinaus und stellt si dar als die Fortseßung der unter Nr. 7 be- zeichneten Linie von Kallies nah Falkenburg. Es ist richtig, daß diese Linie Kallies— Falkenburg nach dem vorliegenden Projekt über die Stadt Friedland geht und infolge dessen etwas nah Often ausbiegt. Ueber die Linienführung sind aber die sämmtlichen zur Sache gehörten Behörden, Landrath, Regierungs-Präsident, Ober-Präsident voll- ständig einig. Desgleichen sind dieselben genannten Behörden einig über die Führung der eventuell als Fortseßung zu bauenden Linie von Falkenburg über Polzin nah Bärwalde, mit Ausnahme des Landraths des Neustettiner Kreises. Der Kreis Neustettin hat aber neuerdings auch beshlossen, den Grund und Boden für diese Linie herzugeben. Ich bin ursprünglih auch der Meinung gewesen, daß der gerade Weg der beste sei; aber ih bin durch die Behörden der Pro- vinz und des Regierungsbezirks belehrt worden, daß die Führung der Linie über Polzin wohl das Richtige für diese Gegend sein möchte, da diese Linie doch niht den Charakter einer großen inter- nationalen Route hat, s\ondern im wesentlihen eine Melio- rationsbahn werden soll, meine Herren. Der Umweg wird au nicht sehr groß werden, nachdem einmal der Endpunkt der Linie unter Nr. 7 niht nach Tempelburg, sondern nach Falken- burg gelegt war. Wenn Sie die Landkarte ansehen, werden Sie finden, daß westlich von Falkenburg ein Seenney liegt, um das in einem ziemlich großen Bogen herumgegangen werden muß. Man näherte sich also immerhin {hon einigermaßen der Stadt Polzin, außerdem wird eine werthvolle Verbindung über Polzin nah Schievel- bein geschaffen. Das wicd auch voraussihtlich die Behörden der Provinz Pommern zu dieser Auffassung geführt haben. Sie waren, wie gesagt, vollkommen übereinstimmend darin, daß, wenn man die Linie weiter bauen wolle, es richtig sei, die Linienführung über Polzin nah Bärwalde zu nehmen und nicht direkt.

Herr von Hertberg hebt hervor, daß große Interessentenkreise ‘durch die gewählte Linie geshädigt werden könnten.

Herr von Landsberg bedauert, daß die Interessenten zur Her- gabe des Grund und Bodens für die Linie Coesfeld—Borken i. W. Herangezogen worden seien, da nur der Staat ein Interesse an dieser Bahn habe.

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen :

Die Kreise, welhe von der 110 km langen Bahn durchzogen werden von Münster bis zur holländishen Grenze, werden niht anders behandelt, als“wie alle anderen Kreise auch. Es wird, da es sich um Nebenbahnen handelt, der Grund und Boden in natura oder in Form eines Pauschals von den Kreisen verlangt, und es liegt kein genügender Grund vor, in diesem Falle Absiand davon zu nehmen. Die betreffenzen Kreise erhalten durch die Bahn eine sehr er- beblihe Verbesserung ihrer WBerkehrsverhältnisse. Herr Frei- herr von Landsberg i auh im Irrtkum, wenn er glaubt, die Regierung hätte aus ihrem Verkehrsbedücfniß heraus ch entschlossen, die Bahn zu bauen. Er würde darüber ganz klar ge- worden sein, wenn er noch etwas weiter gelesen hätte; denn es ist aus- drüdcklich dort gesagt, daß dem Verkehrsbedürfnisse durch die vorhandenen Linien darum niht genügt wird, weil sie den Landstrich im wesentlichen von Norden nach Süden durchshneiden, während ein großer, mittels Landfuhrwerks nicht zu bewältigender Theil des Verkehrs sich von Oft nach West und in umgekehrter Nichtung bewegt. Wir würden ret gut in der Lage sein, auf den vorhandenen Linien noch einen erheblich größeren Verkehr bewältigen zu können. Es ist ganz rihtig, daß die Westfälische Landes-Eisenbahngesellshaft, bei welcher die Provinz er- heblich betheiligt ist, sich um die Konzession beworben hat. Der Staat kann aber, wenn ex nit vollständig seine Aufgaben für diefen Landestheil in die Hände der Priyatbahn legen wollte, dite Konzession niht an die Landes-Eisenbahngesellshaft geben. Diese konnte allerdings die betreffenden Kreise in Betreff threr Betheiligung an den Kosten der Bahn günstiger stellen, denn die Kosten bezahlt dann der Staat. Die Landeseisenbahngesell* {haft würde auch eine Rente aus der Bahn gezogen haben, aber nicht

aus dem lokalen Verkehr, sondern dadurch, daß fie dem Staate die Verkehre aus Mitteldeutschland nach Holland zum theil abnehmen würde. Das durfte der Staat nit zulassen, infolge defsen konnte der Staat und er wird es auch in Zukunft niht können einer Privatgesellshaft diese Linie überlassen. Ich bin der Ueberzeugung und hege die Hoffnung, daß die betheiligten Kreise, angesichts der großen Vortheile, welche sie in jeder Beziehung dur die Staatsbahn erlangen, zu einem zusagenden Beshluß bezügli des Grunderwerbs kommen werden.

Die Vorlage wird in allen Theilen unverändert an-

enommen.

9 Einige Petitionen werden nach den Vorschlägen der

Kommission erledigt. Schluß 61/4 Uhr.

(kleinere Vorlagen).

Nächste Sizung Montag 12 Uhr

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Haus der Abgeordneten. 94. Sigzung vom 29. Mai 1897.

E den ersten Theil der Sißung ist vorgestern berichtet worden,

Es folgt die dritte Berathung des MCTehen em urte, be- treffend die Abänderung des Geseßes über die Handels- fammern , vom 24. Februar 1870.

In der Generaldiskussion bemerkt

Abg. Broemel (fr. Vgg.): Der vorjährige Häkndelskammer- C C ging davon aus, daß überall in der Monarchie obliga- torische Handelskammern errichtet werden \ollten. Gegen diese Zwangs- organisation erhob si der entshiedenste Widerspruch, und sie wurde in der Kommission mit 14 gegen 5 Stimmen abgelehnt, worauf die Regierung den Gesebentwurk zurückzog. Im vollsten Widerspruch mit dem damals gebilligten Grundsaß steht nun der Antrag von Brock- hausen, für eine bestimmte Anzahl von Plägen eine Zwangs- organisation zu schaffen. Wenn dieser Antrag angenommen würde, so könnte der Geseßentwurf die Ueberschrist er- halten: Gescß über die Handelskammern und gegen die kauf- männishen Korporationen; denn dieser Antrag würde den Fort- bestand der bestehenden kaufmännischen Korporationen unmöglih machen. Der Abg. von Brockhausen beantragt auch eine Resolution, wonach die Industriellen und mittleren Gewerbetreibenden in den kaufmännischen Korporationen vertreten ein sollen oder eine neue Handelskammer zu diesem Zwoecke errihtet werden soll. Diese Resolution läßt einen viel zu weiten Spielraum und zerstört die bewährte Organisation der Korporationen. In den Handelsstädten bestehen au sogenannte Gewerbekammern, wo die Interessen der Gewerbetreibenden vertrete: sind. Ueber die in der zweiten Lesung angenommenen Anträge Cahensly sowie über die neuen Vorschläge von Brockhausen- Cahensly haben die Fraktionen vorher nicht in eine Berathung eintreten können. Heute früh is erst eine Petition der Berliner Kaufmannschaft eingegangen gegen diese Vorshläge, worin darauf hingewiesen wird, daß bei der Kürze der Zeit eine gründlihe Darlegung nicht möglich sei. Die Königsberger Korporation der Kaufmannschaft protestiert ebenfalls in einer Eingabe gegen die Beschlüsse zweiter Lesung; die Bestimmungen über die Beitragspfliht nehmen der Korporation ihre Nechte. Die Beiträge dieser Korporation gehen bis auf 10 4A herab; wie fann man ihr also den Vorwurf machen, daß die Gewerbe- treibenden davon ausgeschlossen seien? In dritter Lesung überrascht man uns jeßt mit solhen Anträgen. Beachten Sie das Prinzip der Vorlage. Die Zwangsorganisation hat das Haus im vorigen Jahre entschieden abgelehnt, und hier will man sie wieder einführen.

Abg. Dr. Eckels (nl.): Es ift nicht angebracht, jeßt, vor dem Abschluß der Vorlage, noch. mit so {chwerwiegenden Anträgen zu fommen und in die altbewährten Korporationen einzugreifen. Die Gründe dafür kann man ahnen, sagen darf man sie niht. Konser- vativ kann i dies Verhalten nicht nennen, wir follten diese Vorschläge höchstens in einer Resolution dem Minister Par aen, damit er darüber eine Geseßvorlage macht. Jh möchte den Minister bitten, ein Normalstatut für die Handelskammern auszuarbeiten; wenn jede Kammer nach ihrem Gutdünken ein Statut ausarbeitet, wird die Prüfung und Genehmigung der Statuten viel schwieriger und zeits raubender fein.

Minister für Handel und Gewerbe Brefeld:

Meine Herren! Jh bin fehr gern bereit, der von dem Herrn Borredner gegebenen Anregung zu folgen, aber ih vermag nicht ohne weiteres zu sagen, daß und in welcher Weise es möglih sein wird, für die von ihm befürwortete gleihmäßige Gestaltung der Statuten der einzelnen Handelskammern Sorge tragen zu können. Jh fürchte, es wird nicht wohl angängig sein, das im Wege eines Normalstatuts zu machen, weil ich annehme, daß die Verhältnisse der einzelnen Handelskammern so außer- ordentlih vershiedene find, daß es nicht möglich sein wird, ein Normalstatut zu machen, das für alle paßt. Wenn ih beispiels- weise eine Handelskammer in einer ganz großen Stadt und die Handelskammern, wie wir sie zum theil haben, für einen ganz kleinen eng begrenzten Bezirk, wo häufig nur ein einziger hauptsächliher Gewerbezweig in Frage kommt, mit einander vergleiche, fo muß ih sagen, daß die Verhältnisse bei beiden so verschieden sind, daß man für beide ein einheitlihes Normalstatut niht entwerfen kann. Dagegen würde es angängig sein, einige Gesichtspunkte aufzustellen, die bei dem Entwurf der Statuten gleihmäßig zu Grunde gelegt werden können, und mit entsprehender Anweisung den einzelnen Handels- kammern mitzutheilen, damit fie thunlichst bei dem Entwurf des Statuts darauf Rücksicht nehmen. Am schwierigsten wird die Frage bei den noch vorhandenen Korporationen fein, in Bezug auf welhe der Wunsch besteht, daß fie i umwandeln möchten und zwar thunlich\s| bald in Handelskammern, welche den Bestimmungen dieses Geseßes entsprehen. Nun bin ich der Meinung, daß man in dieser Beziehung einen eigentlihen Zwang auf diese Korporationen unter keinen Umständen wird ausüben können. Die Befugniß, Handelskammern zu errichten, steht ja dem Minister zu, sie steht ihm auch zu dort, wo Korporationen vorhanden sind Daß er davon nur dann Gebrau macht, wenn er sih vorher verfichert hat, daß auc thatsählich niht zwei Handelskammern bestehen werden, sondern beide sih zu einer vereinigen, das versteht sih ganz von selbft. Ich würde daher unter keinen Umständen zu einer folhen Maßregel übergehen, ohne vorher einerseits die Betheiligten gehört zu haben, andererseits aber au niht ôhae sicher zu sein, daß die Umwandelung den Wünschen der überwiegenden Mehrheit der Betheiligten entspricht. Jch glaube deshalb, besondere Anträge brauchen in dieser Beziehung nicht gestellt zu werden; mag eine Bestimmung in das Geseß aufgenommen werden, die den Wünschen des Herrn Antragstellers zu den §§ 2 und 36 entspricht oder niht, mag eine Resolution gefaßt werden, die der mehr oder minder weltgehenden Auffassung eines Theiles der Herren entspriht oder niht, unter allen Umständen würde ih nur dann dazu übergehen, an sollen Orten eine Handelskammer zu errichten, wenn vorher völlig klargestellt ist, wie die Verhältnisse künftig geregelt werden sollen, welhe Befugnisse der neuen Handelskammer zustehen sollen, und ob und in wieweit das Vermögen der bestehenden

Korporation der neuen Handelskammer überwiesen werden soll. Die Besorgnisse, die von Herrn Broemel nah dieser Richtung ge- äußert wurden, gehen also zu weit: so lange ih die Ehre habe, an der Spitze des Ressorts zu stehen, sind sie niht begründet. (Zuruf dés Abg. Rickert: So lange !)

Abg. Möller (nl.): Wir haben s{hwere Bedenken gegen der- artige Einschnitte in alte, ehrwürdige Rechte. Man sollte entweder ganz darauf verzihten oder atieiiis die bezüglihen §8 2 und 36 an die NoutDas zurückverweisen und versuchen, ob dort eine Ver- \tändigung möglich ift. Ob in kurzer Zeit, ist allerdings fraglich, und der beste Ausweg würde am Ende der sein, daß sich der Minister mit den betreffenden Korporationen verständigte. Ich werde q DESERAng der einshlägigen Paragraphen an die Kommission

eantragen.

Abg. Stengel (fr. kons.): Die Berathung über § 2 ift in der zweiten Sirung überstürzt worden, das beweisen shon die nahträglihen An- träge. Man geht von der Absicht aus, die bestehenden Korporationen zu re- formieren oder sie mit den neuen Handelskämmern zu vers{hmelzen, in der irrigen Annahme, daß zwischen den Fleinen und den großen Kaufleuten und Industriellen ein Gegensaß bestände. Die Statuten der bestehenden Korporationen ges ja den Verhältnissen auch {hon Rechnung. Wenn in Königsberg die Beiträge bis zu 10 4 herunter- gehen, kann man nit sagen, daß die mittleren Gewerbetreibenden ausgeschloffen seien. Der Antrag von Brockhausen is fo ohne weiteres nicht annehmbar. Das Beste ift, die MOgelRgennes noch einmal in der Kommission zu prüfen und den Minister nur in einer Resolution zu bitten, für die Vertretung der Industriellen und mittleren Gewerbetreibenden in den Korporationen zu sorgen.

Abg. von Brokhausen (kons.): Jh will auf die Bemerkungen des Abg. Broemel niht eingehen, weil sämmtlihe Parteien damit einverstanden sind, die betreffenden Paragraphen an die Kom- mission zurückzuverweisen. Ich halte es für durhaus konservativ, daß wir versuchen, die bestehenden Korporationen thunlichst unter Berück- tigung ihrer ges{hichtlihen Entwidelung zu reformieren. Die Be- ugniß, auch an Orten, wo Korporationen / bestehen, Handelskammern zu errihten, muß dem Minister gegeben werden; aber in der Kom- mission wollen wir die ganze Sache noch einmal prüfen.

Abg. Ridckert (fr. Vgg.): Es ist bedauerlih, daß wir heute troß der Einladung vieler Mitglieder nah Hamburg hier eine Sitzung abhalten. Jch war erst gegen die Zurückverweisung an die Kommisfion, aber es brauhte nur eine namentliche Abstimmung zu kommen, dann wären wir beschlußunfähig, und ih bin deshalb bereit, die An- gelegenheit noch einmal in der Kommission zu berathen. Der jeßige Minister will von der Befugniß, an Orten mit Korporationen eine Handelskammer zu errichten, nur Gebrauch machen, wenn er die Betheiligten gehört hat, aber wir machen die Geseße niht für einen einzelnen Minister, und ein anderer Minister könnte rücksihtslos gegen die bestehenden Korporationen vorgehen. Bei den Landwirth- \chastskammern hieß es auch, man wolle die landwirtbschaftlichen Zentralvereine niht behindern, aber in der Praxis macht sich die ÜVeberleitung zu Zwangsorganisationen ganz von selbst; da kommt ein sanfter Druck, die Entziehung von Subbentionen u. \. w.

Abg. Ca hensly (Zentr.) {ließt sich dem Antrage auf Zurück- verweisung an die Kommission an.

__ Abg. Ehlers (fr. Vgg.) : Wenn Herr von Brockhausen alte, be- währte Institutionen nur reformieren will, wobei er überhaupt nur an Berlin denkt, was steht dann im Wege, die Statuten folcher Korporationen zu revidieren, wie das {hon vor einiger Zeit geschehen ift ? Bei dieser Revision würde si allerdings herausstellen, daß bei den meisten Korporationen Uebelstände überbaupt nicht existieren. Diesen Versuch einer Reform hat der Minister bisher nicht gemacht, noch weniger ist er dabei auf den Widerstand der Korporationen gestoßen. Ich hoffe, daß man sih in der Kommission überzeugt, daß gar keine Seins vorliegt, von der einfahen Fassung der Kommission abzuweichen.

Abg. Broemel theilt mit, daß im Laufe dieser Verhandlungen Depeschen von der Kaufmannschaft in Stettin, Danzig und Ls berg eingegangen seien, die übereinstimmend ersuhten, gegen den trag von Brockhausen Stellung zu nehmen.

Abg. Dr. Stephan (Zentr.) glaubt, daß der Antrag von Brock- hausen nit die chlimme Bedeutung habe, die man ihm unterlege, weil der Minister jeßt {on die Befugniß habe, auch dort, wo kauf- männische Korporationen bestehen, Handelskammern einzuführen. Eine Zurückverweisung an die Kommission sei überflüssig, wenn man die S8 2 und 36 in der Fassung der Kommission annehme.

Abg. Dr. Ehlers ist derselben Meinung.

Minister für Handel und Gewerbe Brefeld:

Meine Herren! Es if von einem der Herren Vorredner der Wunsch ausgesprochen worden, ich möchte mih darüber erklären, ob ih meinerseits die Befugniß in Anspruh nehme, die Errichtung einer Handelskammer auch in solhen Orten zu genehmigen, wo bereits eine kaufmännische Korporation besteht. Die Sache ift die, daß ih nah dem vorliegenden Gesetz in den §8 2 und 36 nah der Faffung des Entwurfs, den die Regierung vorgelegt hat, thatsählich in dieser Beziehung nicht beschränkt bin. Es i|ff nur vor- geshrieben, daß die Errihtung der Handelskammer meiner Ge- nehmigung unterliegt. Die Ertheilung meiner Genebmigung selbft ift niht beschränkt. Es fragt \sich nur, ob bei der Genebmigung der Statuten für die Korporationen thatsählich etwa Rechte verliehen sind, welche niht ohne ihre Zustimmung anderweit übertragen werden können. Ob das der Fall ift, kann i allerdings nidt obne weiteres übersehen. Unter der Vorausseßung also, daß die dur die Statuten der Korporation geschaffenen, erworbenen Rechte nit verleßt werden, halte ih mich für berechtigt, auch an diesen Orten eine Handels- kammer zu errihten. Aber es kommt allerdings in Betrat, daß ja an einem Ort niht zwei Handelskammern mit gleihen geseßlichen Befugnissen bestehen können. Aus diesem Grunde \{eint mir die natürliche Konsequenz zu sein, daß, wenn ih an einem Orte eine zweite Handelskammer zu errichten berechtigt fein foll, ih dann aut berehtigt sein muß, die geseßlihen Befugnifse von der älteren Handelskammer auf die neue zu übertragen. Wenn das nigt geschieht, wenn nitt diese Möglichkeit durh Geseh geschaffen wird, würde ih thatfäSlid nicht in der Lage sein, eine folde zweite Handelskammer zulafen zu können. Das ift die Auffaffung, wie sie Fh aus der Faffung des Gesetzentwurfs der Kommission nothwendig ergiebt.

Abg. Möller bofft, daß man die ganzen Schwierigkeiten mit einer Resolution aus der Welt {hafen könne.

Abg. Dr. Hammacher (ul.) bezweifelt, ob jemals vin Handeld- Minister eine Handelskammer einridten werde, odne F dorder mit der bestebenden kaufmännischen Korporation zu verständigen. Dire Verständigung würde zu etner Reform der Statuten und der Ein» ridtungen dieser Korporation führen, und das würde gnügen

Aba. von Brockhausen: Nat der von dem Minifter and dNR Mitgliedern des Hauses gegebenen Juterpretation, dak der Minister aud jeßt {on Handelkammera neden don Korporationen erritten kann, drau@de id auf die betreffenden Bestimmungen meines Antn kein Gewicht medr zu logen. Jn diefer VoraudFoegung würde f meinen Antrag dden und cine Kommisstonäderatdung r Ldore Añssig balten.

Damit ließt die Gencraldisdusson.

Der Antrag auf Jurü@oerweisung an die Kmmson wird abgelehnt.

L L wird in der Fassung der Kommission angenemmon, d. h. ‘es wird die in zweiter Lesung angenommene Bestimmung wieder gestrichen, daß die Genedmigung zar Errichtana nr

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