1897 / 127 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 01 Jun 1897 18:00:01 GMT) scan diff

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Finanz-Minister Dr. von Miquel:

Meine Herren! Für den Antrag der Kommission bezw. gegen den Antrag des Grafen von Tschirshky-Renard sind schon fo viele gute Gründe angeführt, daß ih nur noch sehr wenig zu sagen brauche. I kann natürlich eine definitive Stellung der Staatsregierung über diese Frage niht kundgeben, weil das Staats-Ministerium erft dann Veranlassung hätte, zu diesem Gesegentwurf überbaupt Stellung zu nebmen, wenn beide Häuser des Landtages ihn zu dem ihrigen ge- macht hätten.

Aber, was meine persönliche Meinung betrifft, so ftebe ih ganz auf dem Boden des Herrn Landwirth\hafts-Ministers und glaube nicht, daß auch in Zukunft in Beziehung auf die Behandlung des Grune- walds im Interesse des Publikums und mit Rücksicht auf die Er- haltung des alten Baumbestandes im Finanz-Ministerium Preußens anders verfahren werden würde, al8 es bereits bisher geschehen ift.

Meine Herren, der Herr Staats-Minister Freiherr von Lucius hat vollständig richtig die bisherigen Verwaltungsgrundsäße in Bezug fowobl auf den Thiergarten als auf den Grunewald dargelegt. Er hat mit Recht ausgeführt, daß man keineswegs diese beiden großen Objekte nah irgend wezlhen rein fiskalishen Grundsäßen behandelt hat und behandeln kann. Was namentlich den Thiergarten betrifft, fo wird in dieser Beziehung meines Erachtens der Augenschein für die Finanzverwaltung den besten Beweis liefern. Es wird der Thier- garten mit der größten Vorsicht bebzndelt. Selbst Seine Majestät der Kaiser lassen Sich jedes Iahr einen bis in die äußersten Details ich mödte sagen bis auf jeden Baum zurückgehenden Betriebs- plan vorlegen und genehmigen den Betriebsplan Allerhö#ftselbst. So vorsihhtig wird die Sache behandelt, und so ist sie auch von jeher behandelt worden. :

Ganz ähnlich liegt die Sache auch beim Grunewald; er ift gleih- falls keineswegs bisher als ein rein fisfalisch auszubeutendes Forft- objekt behandelt worden, sondern, wie Ihnen die betreffenden Be- börden, die unmittelbar die Verwaltung führen, näher darlegen könnten, immer mit der größten Rücksiht darauf, daß diese Forft zur Erholung, für die Gesundheit und für die Bewegung des großen Publikums dienen fol. Es ift darauf {hon bisher {hon die größte Rücksicht genommen.

Meine Herren, nur geht der Antrag dahin, durch ein Gefeß diese Forst für einen Staatspark zu erklären. Es sind bier {on die größten Meinungsverschiedenheiten unter den beften Sachkennern hervorgetreten, was eigentlich dazu gehöre, um eine solche Forst zu einem Park zu machen. Daß aber jedenfalls in Zukunft die größten Meinungsverschiedenheiten entstehen würden, ob nun auch wirkli dieser Forst, das ganze Grundftück, als ein Park behandelt würde- darüber kann doch nicht der geringste Zweifel sein; der Park ift do kein im Gesetz definierbarer juristisher Begriff! Da würden die größten Beschwerden von dieser und jener Seite kommen, man würde fagen : diese Verwaltung ist keineswegs darauf bedaht, einen wirklichen Park zu erbalten, es wird immer doch noch nah der fiskalischen Seite zu weit gegangen, eine eigentlihe Forstverwaltung findet noch ftatt. Man kann einen \solhen Auédruck in einem Gese nicht gebrauthen.

Dann aber möchte ih das hohe Haus doch auh darauf auf- merksam machen, daß es doch etwas bedenklich ist, durch ein Gese die bisher bestehende freie Verwaltung und Verwendung des Staats- eigenthums dur die Staatsregierung einzushränken. Das könnte doh auch eigenthümlihe Konsequenzen haben. Bisher is das allein Sache der Er-kutive gewesen, wie das vorhandene Staatseigenthum benußt und verwaltet werden foll; ich kenne kein Geseß, wie dieses eins sein würde. Ja, man kann fogar soweit gehen, zu fragen, ob niht ein solhes Geseß in gewissem Widerspruch stehen würde mit der Verordnung über die zukünftige Behandlung des ganzen Staats\chuldwesens. Herr Graf von der Schulenburg hat {hon mit Ret darauf hingewiesen, daß einigermaßen auch hon ein Widerspruch gegen die hbistorisch begründete Natur unseres Staatsvermögens als einer Sicherstellung für die dem König zustehende Rente hier in Frage kommt. Möglicherweise könnte dies aber noch in viel stärkerer Weise gegenüber dieser Verordnung behauptet werden, welche unsere Staats- \{ulden sihert durch die Intraden des gesammten Staatseigen- thums, soweit es damals bestand. Der Grunewald gehört zu diesem Pfandobjekt, darüber ift nicht der geringste Zweifel. Wenn Sie abez erklären, er foll nur zum Vergnügen dienen, er darf nicht veräußert werden, es dürfen keine Veränderungen mit ihm vorgeben, die seine Parknatur irgend wie alterieren, so könnte man vielleiht fagen, daß damit doch eingegriffen werde in die eigentliche Tendenz der von mir vorhin bezeihneten Verordnung. Meine Herren, hat man einmal angefangen durch die Gesetzgebung, und zwar aus der Initiative des Landtages beraus, ohne die Initiative der Krone, mit dem Staats8eigenthum fo zu verfahren, so bleibt das naturgemäß die Gefahr ift wenigfiens vorhanden feine8wegs beim Grunewald steben: da kann man worgen ein Gesetz erlassen, daß die und die Domäne als öôfentli&e Waisenanstalt oder irgend etwas Anderes erklärt werden folle! Mir scheint das wirklich gegenüber der bisherigen forstitutionelen Scheidung der Gewalten etwas bedenklih schon aus diesem Gesihtépunkte, einen folchen Gesezentwurf wenigstens aus der Jnitiative eines Hauses hervorgehen zu laffen.

Meine Herren, aus der Erklärung des Herrn Vertreters des Landwirthschafts-Ministers, der ih mih durchaus anschließe, können Sie die Ueberzeugung entnehmen, daß bisber {on tas betone ih ausdrüdcklich, und deswegen freue ih mi, daß der Antragsteller Herr Staats-Minister Freiherr von Lucius das Wort „künftig" gestrien hat diese beiden Grundstücke niht zum Zweck der Erzielung von Einnabmen in fiskalishem Sinne behandelt worden sind, sondern daß der Vaupt- zweck immer im Auge behalten wird: es sollen diese Grundftüdke für die öffentlihe Benußung der Bevölkerung dienen. Das ift bisher \chon geschehen, kann vielleiht in Zukunft noch \chärfer geschehen, kann aber jedenfalls einfa im Verwaltung8wege geschehen, und Sie Eônnen auch die Grenzen, wie weit die Verwaltung da gzhen foll, durh das Wort „Park“ in einem Geseg garniht zu- treffend beschreiben. Meine Herren, in dieser Beziehung ist der gute Wille und die Verständigkeit, die Nichtigkeit der Anffassung der Verwaltung vollkommen genügend. Jch bin überzeugt, daß der Grunewald niemals als ein Werthobjekt, welches nur den Zweck hat, gut veräußert zu werden, behandelt werden wird und kann. Aber dennoch s{heint es mir betenklih, geradezu jede Ver- äußerung unbedingt zu verbieten, wie es dur den Zusatz, den der Antrag des Herrn Freiherrn Dr. Lucius von Ballhausen bekommen hat, der Fall ift. Es können doch immer Umstände vorliegen, wo

einmal ein kleines Stück des Grunewaldes zu anderen Zwecken, ohne den Hauptzweck zu gefährden, veräußert werden oder in anderer Weise wie als Park benußt werden muß. Ja, es kann das einmal geschehen, gerade ju dem Zweck, um die Schönheit des Parks zu erhöhen. Mir {eint es bedenklih zu sein, von einem fo kolofsal großen Objekt jede, auG die geringste Veräußerung zu verbieten.

Meine Herren, außerdem ift ein solhes Veräußerungsverbot doch in allen Fällen nicht so bindend und das wäre auh sehr bedenkli, deun wir wissen garniht, was für Zeiten noch über uns kommen, 0% wir nicht noch einmal in der Lage find, von einer Milliarde so boch fönnte nah mir gemahten Schäßungen der Werth \sih stellen (Heiterkeit), wenn der Grunewald allmählich für Bauzwecke veräußert würde, so weiß ih nit, ob diese Shäßung nicht zutrifft aber darauf kommt es ja garniht an, rechnen Sie einige bundert Millionen weniger —, ob wir da zu allen Zeiten in der Lage sein werden, dieses Grundftück obne jeden Ertrag weiter zu bewirthschaften, ift doch zu erwägen. Also die Worte: „jede Ab- veräußerung in Zukunft zu unterlafsen*“ diese Fassung scheint mir etwas schwierig zu sein. Jch bemerke aber ausdrücklih, daß die Ab- sicht wenigstens der gegenwärtigen Staatsregierung in keiner Weise dabin geht, irgendwie solte Veräußerungen, namentlih nicht zu ein- fach fiskalishen Zwecken vorzunehmen.

Herr Dr. von Lucius hat fehr rihtig dargelegt, daß man sih sogar vertheidigen muß gegen die permanenten Angriffe auf ein solches Objekt, welche theils von Staatsbehörden für ihre Zwecke, theils von gemeinnüßigen Unternehmungen, theils aber auch vom Publikum zu Spekulationszwecken gemacht werden. In Beziehung auf den Thier- garten werden uns faft möchte ih sagen, jede Wohe Vorschläge nah dieser Richtung hin gemacht, und wir baben das konftante und feste Prinzip, jede Art fremder Benußung des Thiergartens obre UntersuGung brevi manu a limine abzulebnen. Das ift auch früher ftets festgehalten. Ausnahmsweise allerdings find auch na% meiner Meinung von diesem Prinzip bedauerlihe Ausnahmen gemacht, wofür immer ganz besondere Gründe vorlagen Herr Dr. von Lucius hat ja auch s{chon einige Beispiele angeführt —, aber im Großen und Ganzen muß der Thiergarten das ift die konftante Praxis der ganzen preußishen Verwaltung in seiner jeyigen Größe ungeschmälert zu dem jeßigen Zweck erhalten bleiben. Meine Herren, ich glaube also, wir gehen materiell gar nicht fo weit auseinander. Die Form der Gesetz- gebung mödte ih unter allen Umständen bitten, nicht zu wählen. Was den Antrag des Herrn Dr. Lucius betrifft, so würde es mir lieber sein, wenn das Wort „parkmäßig*“ wegfiele und anftatt dessen gesagt würde: „daß das Forstrevier Grunewald im Interesse des Publikums und mit besonderer Rücksicht auf die Erhaltung des alten Baumbestandes bewirtbschaftet werde.“ Wie gesagt, das Wort „park-

äßig" ist mir zu dehnbar und dunkel, und das Andere wäre voll- kommen genügend, um die Wünsche des Herrenhauses in Beziehung auf die Behandlung des Grunewaldes auszudrücken. Wollen aber die Herren dieses Wort unbedingt beibehalten, so hat das ja auch kein großes Bedenken. Ich glaube, wenn der Antrag Lucius ange- nommen würde, würde eine wesentlihe Meinungsverschiedenheit mit der Auffassung der Königlihen Staatsregierung nicht bestehen.

_ Mit geringer Mehrheit (etwa 18 gegen 12 Stimmen) wird der Antrag des Grafen Tschirshky abgelehnt; der Antrag des Freiherrn Lucius von Ballhausen gelangt unter Streichung des Wortes „künftig“ fast einstimmig zur Annahme.

Es folgt die Berathung von Petitionen. i

“Ueber die Petitionen der Magistrate zu Berlin und Wiesbaden um Prüfung der Rechtsgültigkeit der auf Grund des Erlasses vom 30. Dezember 1895 für die Stadtkreise Berlin, Charlottenburg und Wiesbaden erlassenen Baupolizei - Gebühren- ordnung hat die Justizkommission einen ausführ- lichen schriftilihen Bericht erstattet. Die Kommission bean- tragt: mit Rücksicht darauf, _daß durch Aufnahme der hier fraglihen Gebühren in den Etat der Vorschrift des Art. 100 der Verfassung genügt ist, über die Petitionen zur Tages- ordnung überzugehen. (Art. 100 lautet: Steuern und Abgaben für die Staatskasse dürfen nur, soweit ste in den Staatshaus- halts-Etat aufgenommen oder durch besondere Geseze angeordnet find, erhoben werden.)

Ober-Bürgermeister Zelle -Berlin beantragt Ueberweisung zur Berücksichtigung. Ec beruft sich auf Art. 102 der Verfaffung, wonach Gebühren durch Staats- oder Kommunalbeamte nur auf Grund des Geseyes erhoben werden können, während ec fi in Bezug auf Art. 100 der Interpretation der Kommission unterwerfen will. Nah dem Polizeikost-ngeset, führt er aus, übernahm der Staat sämmt- liche Koften für die Polizei und zog die Städte mit einer Kopfsteuer dafür beran. Zu den Ausgaben gehören auch die Befoldungen der Beamten. Da fam im veorigen Jahre der Finanz-Minifter auf eine Idee, die dieses Prinzip vollständig durchbriht. Gr suchte sich ein paar Städte aus und legte ibnen befondere Gebühren auf für die Be- arbeitung der Baukonsense, obwobl er die Gebälter der Bauinspektoren, die die Konsense bearbeiten müssen, zablt und dafür den städtischen Beitrag bezieht. Für ein einziges Gebäude z. B. bat die Stadt Berlin 3000 „6 Baukonsensgebübren bezablen müffen. Die Summe ist im Ganzen ja niht ungeheuer, sie beläuft sich auf etwa 300000 , aber die fteuerfiskalishen Beläftigungen, die bier unter Durhbrehung eines Geseßes in Scene geseht werden, müßen beseitigt werden; denn der Unwille der Bürgerschaft muß doh schwerer wiegen als der geringe Profit für den Fisfus. i Geheimer Finanz-Rath Dombois: Das andere Haus hat die Verfassungsmäßigkeit der Gebühren anerkannt. Auch das Polizei- koftengesey ist keineswegs durchbrochen worden. Der Polizeikosten- beitraz der Städte ift kein vollwichtiges Aequivalent für di: Koften, die dem Staate aus der Polizeiverwaltung erwachsen ; diefe Beiträge repräsentieren für Berlin nur | der Koîten; 9000009 #4 müfsen jahraus, jahrein aus den Mitteln der Steuerzabler für die Polizei- verwaltung aufgebraht werden. Der angegebene Betrag von 3000 e keine baupolizeiliche, sondern eine gewerbepolizeilihe Stempel- gebühr fein. : - - : Ober-Bürgermeifter StruckEmann- Hildesheim: Es ist doch nicht so obne weiteres als festgestellt anzusehen, daß mit der Einstellung in den Etat diese Gebühren als rechtsgültig anerfannt find. Der Finanz- Minifter hat im vorigen Jahre felbft eine entgegengefeßte Meinung geäußert. Damals hatte der Minifter für sih das Recht in Anspru gencmmen, Gebühren im Wege Königlicher Verordnungen einzuführen. Solches is au wiederholt geshehen. Daraus läßt sich aber keine Boge Fe herleiten, weil auch Gebühren, z. B. die Gerichts- gebühren, im Wege der Gesetzgebung eingeführt worden find. Gerade das Herrenhaus hat darauf zu balten, daß leßterer Weg eingeschlagen wird, sonst kann es, wie sich erft bei der Besoldungsvorlage zu seinem Schaden heraus- geftellt hat, über diefe Maßnahmen kein Wort mitreden. Die Stellung des Herrenbauses darf niht noch weiter verschoben werden. Dem Petitum der Stadt Berlin, die Verordnung für verfafsungs- widrig zu erklären, kana ih nit zustimmen, weil die formelle Ver- fassung8mäßigkcit festgestellt ift.

Gebeimer Finayv: #6 Dombois erwidert, die Bau- polizei-Gebührenordnung ":# mit dem Gtat des res selbft in Kraft getreten sei. Das „eitergebende Recht, e Verwaltur:gs- grgen einzuführen, nebme die Regierung allerdings in Anspruch;

dem vorliegenden Falle könne diese Frage dahin bleiber..

Nachdem Eer DAGATERE elle seinen Standpunkt nohmals vertreten, wird der Kommissions8antrag angenommen.

Die Petitionen des Rechtsanwalts a. D. Hoerenz in Hoyerswerda und der Elementarlehrerin Bertha Hohnbach in Danzig, enthaltend Beschwerden in Rechtssachen, werden für ungeeignet zur Berathung im Plenum erklärt. _

R Schluß 41/2 Uhr. Nächste Sizung voraussichtlich am 25. Juni.

Haus der Abgeordneten. 95. Sigzung vom 31. Mai 1897.

Ueber den ersten Theil der Sißung ist gestern berichtet worden.

Nach der dritten Lesung des Geseßentwurfs zur Ergänzung und Abänderung von Bestimmungen über Versammlungen und Vereine folgt die Berathung des vom Herrenhause in abgeänderter Faffung zurückgelangten Entwurfs einer Land- gemeindeordnung für die Provinz Hessen-Nassau.

Das Herrenhaus hat den Beshluß des Abgeordneten- hauses zu 8 45 dahin geändert: „Durh Ortsftatut kann in Landgemeinden ein follegialisher Gemeindevorstand (Ge- meinderath) eingeführt werden.“ (Das Abgeordnetenhaus hatte beschlossen, daß in Landgemeinden mit mehr als 500 Ein- wohnern ein follegialisher Gemeindevorftand gebildet werden muß.)

Die Abgg. Zimmermann (fr. konf.) und Winckler (keonf.) -

erklären fich für die dem Entwurf vom Herrenhaus gegebene Faffung wegen der Zwangélage des Hauses, weil fonft das Gesey ganz scheitern fönnte.

Abg. Dr. Lotichiu8 (nl.) befürwortet einen von ihm mit mebreren anderen Nationalliberalen und einigen Mitgliedern des Zentrums gestellten Antrag auf Wiederherstellung des Abgeordnetenhaus- beslufses.

Minister des Jnnern Freiherr von der Rede:

Meine Herrea! Das Herrenhaus hat dem Entwurf Städteordnung in der Faffung, welhe fie in diesem Haufe bekommen hat, seine Zustimmung ertheilt und au Landgemeindeordnung bis auf den § 45, bei welhem Herrenhaus einen Abänderung8vorshlag gemacht hat. Ich würde es nun l[ebbaft beklagen, wenn dur Annahme des von Herrn Dr. Lotichius gestellten Antrages etwa das ganze Geseizgebung8werk zum Sgeitern käme. Ich würde das umsomehr bedauern, als damit auch die Städteordnung und das damit zusammenhängende Geseß über die Forstshußbeamten der Gemeinden im Regierungsbezirk Wiesbaden gleichzeitig fiele, weil in diesen beiden Geseßen auf die Landgemeindeordnung Bezug genommen ist.

Meine Herren, der siatus causae et controversiae ift ja sowobl in den früberen Verhandlungen als auch beute so genau dargestellt, daß ih niht die Absicht hegen kann, auf die Einzelheiten beute bier noch näher einzugehen. Ih will mih nur auf wenige Worte beschränken.

Die Königliche Staatsregierung stand und ftebt auch heute noh auf dem Standvunkt, daß es nit zweckmäßig ist, den kleineren Landgemeinden die kollegiale Verfassung zu gebea ; sie hat deswegen in ihren Ent- wurf die Bestimmung aufgenommea, daß als Regel der dbureaukra- tishe Gemeindevorstand einzutreten hat und daß nur den Landgemein- den über 1200 Einwohnern gestattet sein solle, den fkollegialen Ge- meindevorstand anzunehmen. Die Majorität diefes bohen Hauses stand auf dem entgegengeseßten Standvunkt und war der Meinung, daß mindestens den Landgemeinden über 500 Seelen der kollegiale Gemeindevorstand kraft Gesetzes zustehen solle, während man den klei- neren Gemeinden wenigstens die Befugniß geben wolle, durch Orts- statut fich den follegialen Gemeindevorstand zu wählen.

Meine Herren, der Beshluß des Herrenhauses bildet also zwei- fellos einen Vermittelung8vorshlag. Er geht niht so weit, wie ie Regierungêvorlage, kommt allerdings den Beschlüffen dieses hohen Hauses au niht vollständig entgegen. Zweifellos if es aber do, daß nach dem Beschluß des Herrenhauses jede einzelne Landgemeinde, und zwar au die kleinste, es in ibrer Gewalt bat, si den kollegialen Gemeindevorstand zu vershaffen durch Ortsftatut, die Genehmigung des Kreisausshufses vorausgeseßt.

Ih habe den lebhaften Wuns, noh diese Gesezgebung8werke zu stande zu bringen, und bin in der Lage, die Erklärung abzugeben, daß die Königliche Staatsregierung, wenn auh {weren Herzens, gesonnen ist, dem Beschlusse des Herrenhauses beizutreten. Sie giebt damit ihrerseits zu, daß es jeder Landgemeinde freistehen foll, fih den follegialen Gemeindevorstand durch Ortsftatut zu wählen.

Meine Herren, die Bedenken, die seitens des Herrn Abg. Lotichius gegen eine derartige Regelung auch beute wiederum vorgebracht worden sind, vermag ich nicht zu theilen. Sie gipfeln, wenn ih ihn recht ver- standen babe, in der Befürchtung, daß etwa seitens der böheren Selbst- verwaltungsbehörden den Beschlüffen der Gemeinde Schwierigkeiten in den Weg gelegt werden könnten.

Meine Herren, i glaube, daß die Kreisausshüsse der Provinz Hessen-Nassau dieses Mißtrauensvotum gegen die Selbständigkeit ihrer Beshlöfe nicht verdienen. Wenn dieselben zu der Auffassung kommen, daß den Wünschen der Gemeinden wegen Einführung eines kollegialen Gemeindevorstandes zu entsprechen ift, so werden sie si dur keine Einwirkung zu einem entgegengeseßten Beshluß nöthigen laffen. Meine Herren, wenn dieses Haus geneigt ist, auf die Brücke zu treten, die jexzt das Herrenhaus gebaut hat, so werde ih meinerseits Veranlaffung nehmen, den Behörden Direktiven dahin zu geben, den Wür schen der Gemeinden nach Einführung des kollegialen Ge- meindevorstandes kein Hinderniß in den Weg zu legen. (Hört! hört! rets.) Jh würde auch bereit sein, wenn das gewünscht wird, eine derartige Bestimmung in die Ausführungsanweisung aufzunehmen.

Meine Herren, ih möchte Sie also dringend bitten, dem Be- \chluß des Herrenhauses Ihre Zustimmung nicht zu versagen.

Die Abgg. Kircher (Zentr.), Cahenslvy (Zentr.), Winter- mever (fr. Volksp.) und Beinhauer (nl.) 1p:ecken für den Antrag Lotichius, mährend Abg. von Pappenheim (kenf.) im Jaterefse des Zustandekommens der Vorlage für die Herrenhausfafsung eintritt.

Nach weiteren Bemerkungen der Abgg. Schaffner (nl.) und Hofmann (nl.) wird der Antrag Lotichius in nament- licher Abstimmung mit 205 gegen 188 Stimmen angenommen. Die Vorlage muß also nochmals an das Herrenhaus gehen.

In zweiter Berathung wird der Geseßentwurf, be- treffend die Regelung der Forstverhältnifsse für das R Justizamt Olpe im Kreise Olpe, Regierungsbezirk

rnsberg, ohne erheblihe Debatte mit einigen vom Abg. von Detten (Bente beantragten Aenderungen angenommen.

Séluß nah 33/4 Uhr. Nächste Sißung Dienstag 11 Uhr.

(Kleinere Vorlagen ; Petitionen.)

Statistik und Volkswirthschaft.

Arbeiter-Woblfahrtseinrihtungen.

In rihtiger Würdigung ihrer Aufgaben haben eine Reibe von Invaliditäts- und Altersversiherungsanstalten Ge- nesungs8bäuser geshaffen, um den ibrer Fürsorge zugewiesenen Kranken die Möglichkeit zu geben, dur einen längeren oder kürzeren Erhbolungsaufenthalt in einem folhen Heim \sich nach überftandener Krankheit zu kräftigen und arbeitsfäbig zu machen und so Rückfälle durch vorzeitiges Wiederaufnebmen der Arbeit zu verbindern. Neuerdings hat aub die Invaliditäts- und Altersversiherungsanftalt für Schlesien in dem idyllisch gelegenen, eiwa eine Stunde Eisenbabhn- fabrt von Breslau entfernten Badeorte Obernigk ein Genesungshaus er- rihtet, das zunächst für dur{s{hnittlich 18—20 Pfleglinge bestimmt ift. Die Zabl ift zunä klein bemessen, um erst von den zu sammeln- den Erfabrungen die weitere Entwickelung des Uriternehmens abbängig zu mahen. In das Genefungshaus können selbftverftändlich nur Personen aufgenommen werden, welche nah dem Invaliditäts- und Alters versicherung8geseß versichert sind. Zur Aufnahme in das Ge- nesungshaus geeignet erscheinen erkrankte Versicherte: a. welche rah Ablauf irgend einer, insbesondere akuten Erkrankung nach Abschluß des eigentlihen Heilverfahrens nur noch einer längeren, mebrwöhiaen Schonung und Pflege unter aünstigen bygieniswhen Verbältniffen bedürfen, um wieder voll arbeitsfähig und genügend widerstands kräftig gegen die gesundbeits\{ädlihen Einflüfse ihres Berufs zu werden, 4. B. NRokonvaleszenten nah Lungenentzündung, Brustfellentzündung, Tvphus, akutem Gelenkrheumatiêmus, {weren Eiterungen, ODpe- rationen jeder Art u. \. w.; b, derzn Leiden weniger eine wirkliche Krankenhausbehandlung als vielmehr vorzugsweise nur eine längere Rube, passende Diät, den Aufenthalt in ge!under Luft, vielleict in Verbindung mit Hydrotheravie, Mafsagej u. f. w., zur Heilung verlangen, wie z. B. manche Fälle von BVleichsudt, leichter Neurasthenie u. \. w.

Aus den Jahresberichten der Königlich sächsischen Gewerbe-Inspektoren für 1896.

Die Jahresberichte der Königlich säbsishen Gewerbe-Infpektoren für das Jahr 1896, aus denen bereits in Nr. 122 des „Reich3- und Staats-Anzeigers* einige Zahlen der sächfischen Arbeiterstatiftiï mit- getbeilt worden sind, enthalten wiederum ein besonders reihes Ma- terial thatsähliher Mittheilungen über den Stand der Arbeiter- verhältnisse und die Durchführung des Arbeitershußzes in diesem vor allen anderen als ausgesprohener Industriestaat sih kennzeihnenden deutshen Bundesstaat, und sie legen ein beredtes Zeugniß ab für die intensive und erfolgreihe Fürsorge der Staatsregierung für das Wobl der arbeitenden Klafsen. Das Bild, welches hier von der amtlichen Wirksamkeit der besonderen Gewerbeaufsihtsveamten im Sinne des S 139 b der Reichê-Gewerbeordnung innerbalb der ibr bisher zugewiesenen Grenzen entrellt wird, ift im Ganzen ein sehr erfreuliches. Weder das Verhältniß zu den Arbeitgebern, noch das zu den Arbeitnehmern bat zu nennenêwerthen Klagen Veranlaffung gegeben, und ebensowenig find Beschwerden über die Beziebungen zu den Berufêägenossenshaften und zu den Ortéêpolizeibebörden in erheblichem Grade ersihtlih geworden.

Es bestehen zur Zeit im Königreich 13 Inspektionsbezirke, von denen 2 außer dem Vorstand der Infpektion mit je 3, ferner 3 mit je 2, die übrigen 8 mit je 1 Assistenten beseßt sind, fodaß im Ganzen 33 Aufsichtsbeamte fungieren. Daneben \ind für die Inspektionen noch besondere chemishe Sachverständige bestellt. Was die Revifions- thätigkeit anbelangt, so möge folgende Uebersicht ein Bild der- selben geben. Es wurden im Berichtsjahr durch die Gewerbe- auffihttbeamten im FInspektionsbezirk Dresden vorgenommen 1163 Revisionen in 982 Betrieben (außerdem sind von den Polizei- behörden des Bezirks vorgenommen 2271 Revisionen in 1017 Be- trieben): im Inspektionsbezirk Chemnitz 1725 Revisionen in 1617 Be- trieben (außerdem polizeilihe Revisionen 2109 in 1969 Betrieben) ; im Inspektionsbezirk Zwickau 1794 Revisionen in 1239 Betrieben (außerdem volizeilih2 Revisionen 802 in ca. 750 Betrieben); im Inspektions- bezirk Leipzig 1306 Revisionen in 1095 Betrieben (außerdem polizeilich revidiert 2092 Anlagen); îim Inspektionsbezirk Bauzen 729 Revisionen in 683 Betrieben (außerdem polizeiliche Revisionen 405); im Inspektionsbezirk Meißen 1021 Revisionen in 683 Betrieben (außerdem polizeiliche Revisionen 391); im Insvektions- bezirk Plauen i. V. 1362 Revisionen in 1152 Betrieben (außerdem volizeilihe Revisionen 766 in 514 Betrieben); im Inspektionsbezik Arens 839 Revisionen in 767 Betrieben (außerdem polizeiliche

evisionen 745 in 745 Betrieben); im Inspektionsbezirk Annaberg 1456 Revisionen in 1110 Betrieben (außerdem polizeiliwe Rev.sionen 547 in 406 Betrieben); im Inspektionsbezirk Aue 1259 Revisionen in 1060 Betrieben (außerdem polizeiliEe Revisionen 774 in 655 Anlagen); im Inspektionsbezirk Wurzen 840 Revisioaen in 780 Betrieben (außerdem polizeilidbe Revisionen in 302 Betrieben); im Inspektionsbezirk Döbeln 715 Revisionen in 650 Be- trieben (außerdem polizeilihe Revisionen 432); im Res visionsbezirk Zittau 1109 Revifionen in 9095 Betrieben (außerdem polizeilihe Revisionen 379 in 347 Betrieben). Bemerkt sei zu vorstehenden Angaben, daß in den mitgetheilten Zablen eine große Anzahl einzelner Revisionen, wie die von Fabrstublanlagen 2c., nicht mit einbegriffen ist. Auch die Revisionstbätigkeit der Orts- polizeibehörden if natürlich dur die in den Berichten der Gewerbe- äFnsvektoren verzeihneten Fälle niht ershöpft. Die Zahlen sind mit- din lediglich als Minimalannahmen zu betraten, aber als folche immerhin geeignet, von der sehr ernst genommenen, gewifsenhaften Revisionsarbeit dec besonderen Gewerbeaufsihtsbeamten in Verbin- durg mit den Polizeibehörden eine Vorstellung zu geben. E

Ohne auf die große Mafse der bemerkenswerthen Einzelheiten, welche die Berichte aufzählen, hier näher einzugehen, geben wir nach- fstebend zunächst noch über die wirthschaftlichen ustände der Arbeiterbevölkerung einige Mittheilungen. Nach dem Bericht für Dresden war in fast allen Industriezweigen eine Verbesserung der Erwerbsverbältnisse der Arbeiter festzustellen, namentlich dank der anhaltend regen Bautbätigkeit und des flotten Geshäftsgangs in den Maschinenfabriken und in den Saison-Industrien, wie den Chofoladen- und E el Kartonnagen- sowie Strohhut- fabriken. Die Löhne waren angemessen bis aur die in den Herren-, Damen- und Kinder-Konfektions- sowie den Wäsche- und Blumen- fabriken, die unter der starken Konkurrenz einer weit ausgedehnten Pa zu leiden haben. In der Ernährungswei|e der

rbeiter ift eine Aenderung nicht eingetreten. Die Preise für Kartoffeln, Brot und Mehl waren etwas gestiegen, die für Fleisch und Brenn- material gleich geblieben. Die Wohnverhältnisse gin troß der vielen leer stehenden Wohnungen infolge ungesunder auspekulation und Vertheuerung des Grund und Bodens zu wünschen übrig. Nach dem Bericht für Chemniy dürften in den Lohnverhältnifsen einige tbeils günstige, theils ungünstige Veränderungen eingetreten sein. Im Maschinenbau und in der Metallverarbeitung sind die Löhne zuaieist geitiegen, die Spinnereien, Webereien, Handshuh- und Trikotagen-

abrifen 2c. waren in dec Lage, die bisherigen Löhne weiter zu zahlen; dagegen blieb die andaue:nd ungünstige Geschäftslage der vorwiegend auf dem platten Lande heimischen Strump]- waaren Brilon nicht obne nachtheiligen Einfluß auf die Lohnverbältnifsse und damit wohl auch auf die Ernährungsweise der Arbeiter, während in Chemniy selb#t eine erheblihe Steigerung des Fleishverbrauhs als Folge der Aufbesserung der Lohnverhältnisse ge deutet werden konnte. Die Lebensmittelpreise waren im Bezirk im

Ganzen . Für den Bezirk ZwiFau wird eine Steigerun der Löhne Am Ende des Berichtsjabhres waren and die Lebensmittelpreise eiwas böber als am Anfang. Im Bezirk Leipzig ift nirzends ein Sinken tes Lohn®, dagegen mehrfach eine öfter bis auf 20% fid bemefsende Aufwärtsb-zwegung der Lohnhöbe zu be- merken gewesen, sodaß bei den gleidgebliebenen Lebensmittelpreisen eine Besserung der wirtbs{aftlihen Lage der Arbeiter anzu- nebmen ift, zumal auch die Wobnungsmiethen im allgemeinen unver- ändert geblieben find. Den Wohnungtverbältnifsen der Arbeiter kommt ju ftatten, daß der erleihterte Verkehr auf den bis in die Umgebung reichenden eleftrishen Straßenbabnen das Aufsuchen billigerer und gesünderer, wenn auch entfernterer Wobnungen gestattet. Auch im Bezirk Baußen if der Verdienst allenthalben ein befserer geworden, während die Leben8mitteipreise unverändert geblieben sind.

n verschiedenen Orten des Bezirks bat \sih Mangel an Arbeits: kräften geltend gemahi. Im Bezirk Meißen waren die Lebens- mittel în einigen Orten etwas tbeurer als in Dresden, die Löhne find in einer Anzabl von Fabrifen gestiegen, im übrigen glei geblieben. Zum theil maden ßch Schwierigkeiten in der Beschaffung von billigen Arbeiterwcbnungen geltend. Im Bezirk Plauen i. V. war die Lage der Arbeiter in der ersten Hälfte des Jahres, namentli in der Wollindustrie, befser als in der zweiten. Die ungünftige Lage der Schiffchenmaschinenftickerei drückte die Be- figer der Stidmashinen, zumal die sog. Lobnstider, verbältnißmäßig mehr als die Arbeiter selbft, von denen allerdings ein Theil andere Arbeit zu suchen genöthigt gewesen sein, aber au leiht gefunden haben dürfte. In den Kammgarnwebereien baben mante Arbeiter einen Rückgang des Verdienstes zu beklagen gehabt. Die Lebensmittelpreise find im allgemeinen nit böher gewesen als im Vorjahre, wohl aber die Wobnung8miethen, namentlih in der Stadt Adorf, wo infolge der Neuanlage von Fabriken verbältnißmäßig viele Arbeiter zugezogen sind. Günstig war die Lage der Arbeiter im Bezirk Freiberg troß etwas steigender Lebensmittelpreise. Im Bezirk Annaberg ift weder ein Rückgang noch eine Besserung in der Lage der Arbeiter festzustellen. Der Preisdruck beim Absaß der Waaren wirkte zum theil ungünstig auf die Entwikelung der Lobnverbältnisse. Im Bezirk Wurzen hat mit Ausnahme der hemishen Industrie und der Filz-Industrie in allen Zweigen eine fo rege Thätigkeit geherrscht, daß zeitweilig Mangel an Arbeitskräften eintrat und das Einkommen der Arbeiter theils dur Erböbung der Löbne, theils dur die für Ueber- arbeit gewährte Entschädigung eine Aufbesserung erfubr. Lebensmittel und Mietbspreise blieben dabei Im B-zzirk Döbeln war eine Aufbesserung des Einkommens der Arbeiter feftzuftellen, die auch in erhöhtem Fleishverbrauch zum Ausdruck kam. Die Lebens- mittelpreise erfuhren in der zweiten Jabresbälfte eine Steigerung, zum theil wird noch über Wohnungsmangel geklagt. Im Bezirk Zittau endlih baben ih thbeilweife di nderéâltnifse gebessert, auch find von der in der zweiten Jahreshälfte eintretenden Ver- schle{terung der allgemeinen Geshäftslage die Arbeiter weniger Be- troffen worden. Die Ernährungsweise s{heint nah und nah eine beffere zu werden. Ersichilich ift ihr Tiefftand bier wie auch wokl in anderen Bezirken zum tbeil durch das Verhalten der Arbeiter, nament- lih der Arbeiterfrauen und Arbeiterinnen felbst verihuldet. Ueber die Wobnverbältnifse find wesentliche Aenderungen nit zu berihten. Wenn auch nab diesen Berichten von einer fprunghaften Aufwärts- bewegung der wirtbshaftlihen Lage der Arbeiter, wie dies naturgemäß ist, nicht die Rede sein kann, fo ift doch dur di-selben eine erfreuliche Antheilnabme der Arbeiterbevölkerung an der Aufbefserung der Ge- shäftslage der sächcsishen Industrie, wie sie auch im Berichtejahr unter theilweise bartem Ringen der Fabrikanten im Konkurrenzkampvf aufrecht erbalten worden ift, außer Zweifel geftellt.

Zum Schluß seien noch einige Mittheilungen . über die den Berichterstattern bekannt gewordenen Verleibungen des Ghrens zeihens für Treue in der Arbeit, gestiftet durch Königliche Verordnung vom 10. Auguft 1894, gemacht. Es erhielten diese Aus- zeihnung im Bezirk Dresden 37 gewerbliche Arbeiter (darunter 2 Arbeiterinnen), in Chemnis 85 (6), in Zwickau 25, in Leipzig 60 (2), in Baußen 25 (6), in Meißen 12 (2), in Plauen i. V. 4 (2), in Freiberg 5, in Annaberg 13 (3), in Aue 11 (3), in Wurzen 1, in Döbeln 43 (8) und im Bezirk Zittau 32.

Lg

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Handel und Gewerbe.

Tägliche Wagengeftellung für Koblen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 31. v. M. gestellt 12510, nicht rechtzeitig geftellt keine Wagen. In Oberschlesien sind am 31. v. M. gestellt 4131, nit recht- zeitig geftellt keine Wagen.

Zwang3-Versteigerungen.

Beim Königlichen Amtsgeriht 1 Berlin 29. Mai das Grundstück Prosfkauerstraße 4, dem nebmer Friedri Bathbke rig, zur Versteigerung : Nußtzungêwerth 7800 Æ#; für ref 139 300 „A wurde Kaufmann Ersteher.

Beim Königlichen Amit 31. Mai die nachbezeihneten straße 52 zu Pankow bel Berlin gehörig. Fläche Gebot von 97 000 - i Belforterftraße 16, Meifstdie dorf belegen, dem Arkeiter © Fläche 16,25 a. Nußungêwe : ebot don 1100 blieb der Eigenthümer Wilb. Geduld zu Reinikendorf Meiftdietender Lebderstraße 121 zu Weißen see belegen, dem Staakermeifter Hetnr. Kre ft, ebendaselbst wobr baft, gedörig. Fla 4760 # Mit dem Gebot von 52400 „é Lange zu Neu-Weißensee, Gürtelstraßze hanéstraße 151 zu Weißensee belegen Arendt zu Berlin gebörig. Fläthe 3,2% a.

Mit dem Gebot von 20 500.4 blieb die minderjährige X lotte Esther Meta Amalie Krimdild von Hermann zu S Erdmarnnstraße 9, Meistbietende.

Berlin, 31. Mai. Monatsberiht der ftändigen Deputation der Woll- Interessenten. In dem foeben beendeten Monat war das Geshäft in deutshen Wollen no lebhafter als im April. Durch das Entgegenkommen unserer Eigner batten die Preise den niedrigen, den Verbältnifsen angemefsenen Standpunkt erreiht, und veranlaßt durch den günstigen Verlauf der letzten Londoner Auktion, traten Käufer noch mehr aus ihrer Reserve hervor. Es wurden daber von den Lägern ca. 5000 Ztr. Rüdkenwäschen und ca. 8000 Ztr. unge- waschene Wollen verkauft. Eine am 11. d. M. bier abgebaltene Auktion vor ungewaschenen deutshen Wollen mit ca. 10000 Ztr. gegen ca. 9000 Ztr. im vorigen Jahre verlief ziemli rege; dieselben v:rkauften sich bis auf ca. 500 Ztr. Der Preisabschlag beträgt gegen voriges Jahr um dieselbe Zeit für Rückenwäschen 11—12 #, für ungewasbene Wollen 4 bis 5 #, oder gegen vorjährige Woll- marktpreise für Rückenwäshen 20 4 pr. Ztr. Es muß jedo hierbei berücksihtigt werden, daß bei den vorjährigen Wollmarkt- fäufen die derzeitige Lage des Weltmarktes ganz Le Acht gelassen wurde. Daher konnte nur bei folch unmotivierten Preisanlagen der Rückgang in der Zwischenzeit ein größerer sein als bei anderen Wollen. Feine Tuhwollen, Rückenwäschen sind ausgeschloffen, bei diesen ist der Abschlag nur ein geringer. Der Lagerbeftand in Rückenwäschen alter Schur beträgt ca. 4600 Ztr., oder das gleiche Quantum, in ungewaschenen Wollen neuer Schur ca. 7000 Ztr. gegen ca. 10 000 Ztr. im vorigen Jahre, doch treffen in leßteren täglich neue Zufuhren ein. Rüälenwäschen alter Schur wurden ca. 2000 Ztr. dem hiesigen Plate zugeführt. Im Kontraktgeschäft ift es ftille, Es sei nochmals erwähnt, daß der pietoe diesjährige Markt am 15. Juni beginnt. Kolonialwolle. Nachdem die in den ersten Tagen des Monats mit einem Abschlag von ca. 9 °/% eröffnete Londoner Auktion

diesen in kurzer Zeit wieder eingeholt und ich durch den von allen Seiten auftretenden Bedarf im weiteren Verlauf immer wehr be- festigte, bemächtigte fich auch unseres Marktes eine zuverfichtlichere Stimmung, wel@e am Ende des Monats noch anbält. Troßdera blieben die Käufer reserviert, und es wurden ca. 3500 Ballen (¿ Kap, : Buenos Aires und Auftral) umagesezt; die Preise find fest, doch baben sie ih der Londoner Aufbesserung noch niht angepaßt, und es bält schwer, dortige Parität zu erzielen.

Das „Deutsche Kolontial-Adreßbucch 1897", heraus3- gegeben von dem „Comité zur Einführung von Erzeugnifsen aus deutschen Kolonien“, ift soeben ershienen. Dur die darin enthaltenen Tabellen über Einfuhr und Ausfubr der deutshen Kolonien mit An- gaben über die Erzeugnisse und Fabrikate sowie deren Werthe, ferner die P N mit Angabe des Gründungsjahres, der

apitaleinlage, die Handelsfirmen und ibre Stationen, die Impor- teure und deren Importartikel, die Fabrikanten, die Vertriebsftellen, die Ervorteure nach den Kolonien nebft Angabe der Exportartikel und deren Absatgebiet 2c. dürfte das Adreßbuch sih für die dabei interessierten Handelskreise als ein schnell orientierender Rathgeber erweisen. Das sech3 Bogen umfassende, gut ausgeftattete Heft wird a»gen Einsendung vor 60 4 in Briefmarken (eins{ließlich 10 4 Porto) von dem oben genannten Comité (Berlin, Unter den Linden 47) verabfolgt.

Vom obersGlesishen Eisen- und Zinkmarkt be- richtet die „Sl. Ztg.*: Die Geschäftslage auf dem Eisenmarkt hat keine Veränderung erfahren. Die Hochofenwerke finden für ihre Nobeisenproduktion fortgeseßt so s{lanken Abfaßt, daß einzelne Betriebserweiterungen durch Vergrößerung der bestehenden An- [lagen und Neuerrihtung von solchen, die theilweise schon in der Aus- führung begriffen sind, theilweije geplant werden, in dem derzeitigen Geshäft8gang und den Aussichten für die absebbare Zukunft ihre volle Berechtigung finden. Der Walzwerkb etrieb erfubr eine neue Belebung durch die Korftituierung des deutsben Grobblebverbandes, welher mit Verkaufsstellen in Effen, Saarkbrückten und Berlin am 1. Juli in Wirksamkeit treten wird. Die Verladungen gingen fe befriedigend von statten. Träger und Kleineisenzeug [ebbaft begehrt, und die Konstruktionswerkstätten vollauf zu thun. Die Bestellungen der rufsishe schaft Bbielten fi, entgegen anders lautenden auf durhaus befriedigender Höbe. Der Rohbzinkmarkt fleine Aufbesserung in den Preisen niht lange zu verzeihnen a Zunädhst gingen die Londoner Notierungen für gewöhnlihe Sortea bis 17 Pfd. Sterl. 6 b. 3 d., für besondere Marken bis 17 Pfd. Sterl. 10 6b. in die Höbe, büßten dann aber wieder, als die Nadhfrage den aecbhegten Grwartungen niht entsprad, reichlich § Pfd. Sterl. ein. Im Inlande fanden einige Verkäufe zu Preisen von 34,30 bis 34,40 6 für 100 kg loko Breslau ftatt. Im Zinkblechgefchä ft dauert die regere Nachfrage an.

Die Allgemeine s un schaft „Schbuß und Truß“ (L e) D ibren Geschäft8beriht 3 rlaufene aus dem Folgendes entnommen S der am 1. Januar 1896 in Kraft getretenen neuen bat #6 unächst ein Rückgang an Neueingängen bemerkbar gemadt, da sih die Organe der Gesellshaft erft mit den vollständig umgeänderten Beftimmungen und Neuerungen vertraut machen mußten. Fm übrigen aber bat die Gesellsbaft damit einen großen und ent- scheidenden S{hritt vorwärts gethan, indem fie veraltete Bestimmungen beseitigte und dur neue zeitgemäßere erseßte. Neben der voliständigen Ausscheidung der Krankenversiherung ift noch die Einführung der Unanfe(tbarkeit des Versicherung8vertrages nah fünfjähriger Dauer als wichtigste Neuerung hervorzuheben, deren Wirkung ih {on im vorliegenden Recbenschaftsberiht durch die auf ein Minimum reduzierte Differenz zwischen der Be m, der Verstorbenen und dem wirklich ausgezahlten Betrage zu erkennen giebt. Außer- dem is die Zahlungsfrist fälliger Beiträge um das Doppelte verlängert und bei Rückkäufen, Verfall der Versicherungen u. f. w. den öänteressen der Versicherten im weitesten Sinne entgegengekommen worden. Die Sterblichkeit bewegte sch in den Grenzen der Wahr- \ceinlihkeit. Den in ersten Hypotheken angelegten 200 000 # konnten im Laufe des Jahres weitere 40900 Æ zugefügt werden, wo- dur sich das gesammte zinstragende Vermögen der Gesellschaft auf rund 260 000 M erhöhte. Der rechnungsmäßige Beitragsreservefond betrug am Schluß des Jahres 280557 #4 62 4 und sämmtliche Reserven 292 613 4 39 «4. Aus3gezablt wurden bis jeßt für Sterbe- fälle, Rüdkäufe 2c. an die Verficherten resv. deren Hinterbliebene 438 000 „« Im Jahre 1896 gingen ein: 806 Anträge mit 221 550 4 Versiherungssumme; davon wurden abgelehnt: 112 Anträge mit 34 400 „4 Versicherungs8summne und abges{lofsen: 694 Verträge mit 187 000 .% Versicherungssumme. Erloschen sind: 1) durch Tod 162 Ver- träge mit 38000 4 Versiberungsfumme, 2) durch Ni 413 Verträge mit 98 750 „& Versicherungssumme, 3

Verträze mit 27 990 .# Versiherungsstumme, 4) durch A C 1a 5 Verträge mit 1300 „# Versiherungösumme, 5) durch Nicht- jung 141 Verträge mit 32200 „«& Versicherung8summme, zu- umen 830 Verträge mit 198 170 4 Versicherungssumme. Bestand r 1826 10 583 Verträge mit 2490395 „K Versicherungs

bre 1896 694 Verträge mit 187 000 „#4 Ver-

11 277 Verträge mit 2677 545 „# Ver-

find im Jahre 1896 830 Ver-

Verfiherungsfumme, Bestand am

Verträge mit 2479375

99 663 47 «4 Jahresbeiträgen.

rsicherten find 4787 Männer mit 1 299 430

ne und 5660 Frauen mit 1 179945 „4 Versicherungs-

l cen 10447 Personen mit 2479 375 „4 Versicherungs-

Durchichnittlich beträgt die Versicherung aller Personen

die der Männer allein 271 K 45 ch3 und die der

208 « 47 K. Das Alter der Versicherten ift durch-

6 Tage. Von den verfihherten

dun 1156 Arbeiter in Fabriken und ohne

Beru Kaufleute, 323 Beamte, 186 Kutscher und

Fubrleuto, 158 in Land- bezw. Forstwirthschaft und Gärtnerei Be-

schâftigte, 62 Gastwirthe, Reftaurateure und Kellner, 57 Berg- und

Hüttenleute, 55 Hausdiener, 40 Schiffer und Fischer, 34 Barbiere,

Friseure und Heilgebilfen, 26 Ingenieure, Techniker und Baumeister,

S1 Musiker, 20 Bierbrauer und Brenner u. \. w. Von den ver-

sicherten Frauen sind 4449 verheirathet, 8340 Wittwen und 371 noh unverheirathet.

Stettin, 31. Mai. (W. T. B.) Nat Privat-Ermittelungen wurde im freien Verkehr notiert: Weizen loko 159, Roggen loko 116, Hafer loko 125—131. Rüböl pr. Mai 54,00. Spiritus loko 39,20. eus loko —. ;

Breslau, 31. Mai. (W. T. B.) (S{hluß-Kurse.) Schl. 340% L.-Pfdbr. Lätt. A. 100,35, Breslauer Diskontobank 115,90, Breslauer Wechslerbank 103,80, Schlesisher Bankverein 131,75, Breslauer Spritfabrik 142,70, Donnersmarck 155,00, atte nes 162,40, Oberschl. Eis. 100,25, Caro Hegenscheidt Akt. 127,00, Oberschles. P.-Z. 147,25, Opp. Zement 154,50, Giefel Zem. 143,50, L.-Ind. Kramsta 146,50, Schles. Zement 194,50, Schles. Zinkh.-A. —,—, Laurahütte 164,20, Bresl. Oelfbr. 106,00.

Produktenmarkt. Spiritus per 100 1 100 9% erkl. 50 4 Berbrauüad aben pr. Mai 59,30 Gd., do. do. 70 4 Verbrauhs- abgaben pr. Mai 39,40 Gd. / i

Magdeburg, 31. Mai. (W. T. B.) Zuckerbericht. Kornzucker exkl. von 929/96 —,—, Kornzucker exkl. 88 %/% Rendement 9 60—9,724. Nachprodukte exkl. 759/o Rendem. 7,00—7,75. Ruhiger. Brotraffinade 1 23,00. Brotraffinade I1 22,75. Gem. Brotraffinade mit Faß 22,62} —23,25. Gem. Melis 1 mit Faß 22,25—22,374. Stetig. Robzucker 1. Produkt Transito f. a. B. Hamburg pr. Mai §,70 Gd., 8,724 Br., pr. Juni 8,75 Gd., 8,774 Br., pr. Juli 8,824 Gd., 8,85 Br., pr. August 8,90 Gd., 8,924 Br., pr. Oktober- Dezember 8,90 Gd., 8,924 Br. Matt. :

Magdeburg, 31. Mai. (W. T. B.) Auf Anregung des Vereins für Landwirths{aft und landwirth\{chaftliwes Maschinenwefen

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