1897 / 148 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 26 Jun 1897 18:00:01 GMT) scan diff

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I E S E T T T E IA P

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liegen hier die Vorausseßungen einer Börse vor? Und da habe ih mir gesagt: wenn die große Mehrheit der Geschäfte, die dort ab- geshlofsen sind, Geschäfte find, die von Konsumenten abgeshlofsen werden, niht von den Händlern, wenn keine Einrichtungen bestehen, wie sie an den Börsen bestehen für die Abwickelung der Geschäfte, wenn dort nit regelmäßig die Makler verkehren, um die Geschäfte abzuschließen und zu vermitteln, wenn keine Einrichtungen bestehen, um Preise festzustellen, wenn überhaupt gar keine Bekanntmachung der Preise, dic dort gehandelt werden, stattfindet, dann, muß ich ge- stehen, trage ih Bedenken, schon jeßt zu sagen: hier handelt es \ih um eine Börse. Jch gebe zu, die Anfänge zu der Entwickelung, der Ausbildung einer Börse sind hier vorhanden; aber schon jetzt zu fagen, es ift eine Börse, das ift nah meiner Meinung nicht angängig.

Möglich is es aber, daß nun, nachdem die Auflösung der Gesell- haft im Feenpalaft stattgefunden hat, das eigentlihe Börsengeschäft in der Frühbörse erheblich an Umfang gewinnen wird, daß dem gegen- über die Ankäufe der Konsumenten zurücktreten werden, und daß dann in der Folge die Vorausseßung gegeben sein wird, um nunmehr zu sagen: jeßt ist die Versammlung eine Börse, jeßt ift es nothwendig, sie unter -das Börsengeseß zu stellen, jeßt ift es er- forderlih, daß sie die Genehmigung nahsuche und eine Börsen- ordnung vorlege. Darüber muß ih mir natürlich die Entschließung vorbehalten.

Hiermit glaube ih nun die Fragen, die in der Interpellation gestellt sind, beantwortet zu haben ; ih glaube namentli, damit auch den Vorwurf, der seitens des Herrn Vorredners gegen mich erhoben is, daß cin Bescheid der Handelskammer nicht ertheilt sei auf eine an mich gerichtete Eingabe, widerlegt zu haben, weil eine folhe Eingabe an mi überhaupt garnicht gerichtet ist. Die Frage, die früher zur Erwägung stand, ob es etwa möglich sei, die Frühbörse an die hiesige Produktenbörse anzugliedern, entfiel dadurch, daß die Produkten- Börse thatsächlih durh die Sezession der Produktenhändler {ih auf- gelöft hat, die Möglichkeit einer solhen Angliederung also nicht mehr gegeben war. Sollte es nun angängig sein, die hiesige Frühbörse, sei es in einen Markt, sei es in eine Börse umzuwandeln dur ihre eigene freiwillige Entschließung, so würde ih das ganz gewiß für sehr erwünsht halten. Ih würde auch meinerseits gern bereit sein, das zu vermitteln, soweit es im Verwaltungswege vermittelt werden kann. Es muß das aber im wesentlihen den Interessenten überlassen bleiben; denn einen unmittelbaren Zwang nah dieser Richtung auszu- üben, bin ich niht im stande.

Nun, meine Herren, möchte ih mir not gestatten, da ih einmal über die Börsen rede, auch noch etnige Worte daran anzuknüpfen über die neuerdings ergangene, von dem hiesigen Polizei-Präsidenten erlassene polizeilihe Anordnung, welhe die Schließung des Feen- palastes zur Folge gehabt hat. Jh glaube, der Herr Präsident und das hohe Haus werden kein Bedenken haben, daß ih auf diefe Frage kurz eingehe, weil ih in der gestrigen Sitzung von einem der Herren Mitglieder des hohen Hauses wegen meines Verhaltens in dieser Frage angegriffen bin.

Hier muß ich nun zunächst bevorworten, daß das ganze Börsen- geseß für mich und für die Ausführung ganz außerordentliche Schwierigkeiten dadurch bietet, daß es in redaktioneller Beziehung zweifellos zu wünschen übrig läßt. Es ift ja ganz gewiß ein verdienst- volles Werk insofern, als es zum erften Male eine Organisation der Aufsicht über die Börsen geschaffen hat. Es beruht zweifellos auf einer sehr sorgfältigen Vorbereitung und Grundlage, wie wir sie in der Enquête zum Börsengeseß haben. Aber die Fassung des Gesetzes ist nah meiner Meinung in vieler Bezietung keine glückliche, namentlich deshalb, roeil so außerordentlich viele Zweifel ofen gelassen sind über den Sinn der einzelnen Bestimmungen. Vor allem is zweifelhaft die Auslegung des § 1 des Börsengeseßes. Jch habe mir bereits bei der ersten Lesung des Etats erlaubt, auf eine desfalls an mich gerichtete Anfrage mich dahin auszusprehen, daß ich den § 1 nur daßin verstehe und verstehen kann, daß Privatbörsen nicht zuläsfig sind, daß Privatbörsen der Genehmigung der Aufsichtsbehörde be- dürfen, sobald sie von der Aufsichtsbehörde als Börsen bezeichnet und anerkannt werden. Diese Auffassung if seitdem von namhaften Autoritäten getheilt worden; es giebt aber eine ganze Reihe von anderen ebenfalls bewährten und tüchtigen Juristen, die die entgegengeseßte Auffassung vertreten. Die Auffassung, daß der § 1 lediglich sih beziehe auf solche Börsen, die das Börsen- privileg für sich in Anspruch nehmen wollen, fodaß sie, wenn fie auf das Börsenprivileg verzichten, sih der Aufficht, wie sie im Börsen- gesetz geregelt ist, einfah entziehen können.

Nun ift das eine Frage von so großer Bedeutung, eine Frage, von der ja die ganze Bedeutung des Gesetzes für den Börsenverkehr abhängig ift, daß ih glaube, es if auf das Entschiedenste Werth darauf zu legen, daß sie auf dem Wege der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung klargelegt wird. (Zuruf.) Damit das aber geschieht, ist es nothwendig, daß diejenigen, die durch Anordnungen der zu- ständigen Behörde, die auf Grund des Börsengesetes getroffen werden, ih beshwert fühlen, den Weg der verwaltungsgerihtlihen Klage be- schreiten. Jch selbst kann es nicht ; es müssen die betreffenden Be- theiligten es selbft thun.

Nun i} es nach dem Landesverwaltungsgeseß völlig zweifellos, daß der Weg der verwaltungsgerihtlihen Klage nur dann beschritten werden kann, wenn eine polizeilihe Anordnung vorliegt. In den Vorschciften der §§ 127 und 128 is ausdrücklich bestimmt, daß gegen polizeilihe Verfügungen der obersten Behörden entweder die Bes {werde zulässig ist, und gegen die Abweisung der Beschwerden dem- nächst die Klage beim Ober-Verwaltungsgeriht —, oder aber die Klage beim Bezirksaus\huß und gegen eine abweichende Entscheidung des Bezirksaus\husses die Berufung an das Ober-Verwaltungsgeriht. Das sind also die beiden Wege, die .jedem offen stehen gegen polizei- liche Anordnungen, welhe auf Grund des Börsengeseßes getroffen werden. Eine polizeilihe Anordnung ift aber unter allen Umständen nothwendig. Ferner fteht im § 133 des Landesverwaltungsgeseßzes:

Gegen die Androhung eines Zwangsmittels finden dieselben

Rechtömittel statt, wie gegen die Anordnungen, um deren Dur-

seßung es sich handelt. Es fann alfo, wenn zunä nur die Anordnung erlassen ist und bier- gegen die verwaltung8gerihtlihe Klage erhoben wird, demnächst aber durch die Entscheidung im verwaltungsgerihtlihen Wege die polizei- liche Anordnung bestätigt wird, nozmals gegen die Zwangsandrohung der gleihe Rehtéweg beschritten werden, und ter gleihe Instanzengang muß dann noch einmal durchlaufen werden. Um diefen Zeitverluft zu

der polizeilihen Anordnung direkt die Androhung des polizeilichen Zwanges zu verbinden, sodaß also nur ein einmaliger Rehtsgang stattfindet, um zu einer verwaltungsgerichtlihen Entscheidung zu ge- langen. Nach diesen Bestimmungen des Geseßes is nun in diesem vorliegenden Fall au seitens der Polizeibehörde verfahren. Zunächst war eine polizeilihe Anordnung nöthig. Die Aufforderung des- Herrn Ober-Präsidenten an die Feenpalafst-Gesellshaft, die Genehmigung nachzusuchen, die Mittheilung, daß ihre Versammlungen angesehen würden als eine Börse im Sinne des Gesehes, das war noch keine polizeiliche Anordnung. Dagegen hat zwar die Gesellschaft den Weg der Klage beshritten, hat aber einen Erfolg dabei niht zu erwarten, und nah den Mittheilungen, die mir geworden find, foll inzwischen au ein ablehnender Bescheid ergangen sein. Ich weiß allerdings nicht, ob die Mittheilung zutreffend is. Es war alfo nothwendig, um zu einer verwaltungsgerichtliden Entscheidung zu kommen, zunächst eine polizeilihe Anordnung zu erlassen und sie zu verbinden mit der An- drohung des polizeilihen Zwanges. Das is} geschehen durch die Polizeibehörde. Irgend etwas also, was der Versammlung im Feen- palast zu nahe tritt, woher sie Gründe bâtte, ih zu in- dignieren, liegt nah meiner Ansicht absolut nit vor. Es kann also namentli auch nicht in der Form gefunden werden; denn die Form, in der die Verfügung erlassen ist, ist genau dieselbe, die in allen solhen Fällen angewandt wird; es ist einfah gesagt worden:

Da eine solhe Genehmigung weder ertheilt noch nachgesuht worden ift, so untersage ih die Fortsezung dieser nicht genehmigten Börsenversammlungen und drohe für den Fall der Zuwiderhandlung unmittelbaren Zwang an.

Das ist die kategorishe Form, in der alle polizeilihen Ver- fügungen gehalten werden. Darin liegt nihts, woraus man Anlaß nehmen könnte, fih zu indignieren.

Meine Herren, nun meinte am gestrigen Tage bei dec Verhand: lung hier im Hause der Abg. von Eynern, daß dieses Vorgehen im Widerspruch stände mit der Erklärung, die ih bei der ersten Lesung des Etats abgegeben hätte; da hätte ih ausdrülih gesagt, es liege niht in meiner Absicht, wit dem polizeilihen Zwange vorzugehen, solange nicht eine verwaltungsgerihtliße Entscheidung ergangen fei. Dabei hat, glaube ih, Herr von Eynern übersehen, daß in dem Lande8syerwaltungsgesez in § 33 ausdrüdtlih fteht:

Die Anbringung der Beschwerden, sowie der Klage bezw. ein Antrag auf mündlihe Verhandlung im Verwaltungsstrafverfahren hat, sofern nicht die Geseße anderes vorschreiben, aufshiebende Wirkung.

Thatsächlich war also die Versammlung im Feenpalast in der Lage, ruhig die rechtskräftige Entscheidung abwarten zu können; fie war garnicht in der Lage, sich auflösen zu müssen. (Widerspruch und Hört! Eört! links.) Die Klage hat ja eine aufshiebende Wirkung! Wenn die Gesellschaft troßdem sih aufgelöst hat, so habe ich ja dagegen meinerseits keine Einwendungen zu erheben; das, was ih bedauere, ist nur, daß sie, wie ih höre, darauf verzihtet hat, den Weg der verwaltungsgerihtlihen Klage zu beschreiten. Darauf würde ih allerdings Werth legen, daß sie diesen Weg beschreiten würde, damit thatsählich die Frage der Autlegung des § 1 des Börsengesetzes endlih einmal klargestellt wird.

Ich würde es aber auch niht minder bedauern, wenn aus diesen Vorgängen seitens der Vertreter der Kaufmannschaft Anlaß genommen würde, die Verhandlungen nicht fortzusetzen, die von dem Herrn Ober- Präsidenten - eingeleitet sind zwischen Vertretern der Landwirthschaft und den Aeltesten der Kaufmannschaft, um im Wege der Verftän- digung die Wiederaufnahme des Börsenverkehrs herbeizuführen. Ich muß gestehen, ih halte diese Wiederaufnahme des Produktenverkehrs in bohbem Grade für erwünscht, und ich kann hier nur das wieder- holen, was ih bereits im Herrenhause ausgesprochen habe: es ift die Desorganisation des Produktenbandels unerwünsht. Wir können eine Organisation des Produktenhandels nicht entbehren, mag fie nun be- stehen in derjenigen Organisation, die wir bisher gehabt haben, in der Produktenbörse oder in der Organisation einer anderen gleihwerthigen Einrichtung, die an ihre Stelle tritt. Eine solche andere gleihwerthige Einrichtung haben wir bis jezt niht; wir können sie auch nicht im Augenblick schaffen. Das if ein bis jeßt noch ungelöstes s{hwieriges Problem. Ob das so ohne weiteres auszuführen ist, wie der Herr Abg. Ring si denkt, is mir sehr zweifelhaft.

Ich bin deshalb der Meinung: es liegt in unserem Interesse, an der bisherigen Form der Organisation des Produktenhandels, an der Produktenbörse, festzuhalten und den Verkehr der Prdduktenbörse wieder aufzunehmen dadur, daß wir uns verständigen über die legale Grundlage für die Wiederaufnahme des Verkehrs der Produktenbörse, wie also die Vertretung der Landwirthschaft in dem Vorstande der Produktenbörse geordnet werden foll.

Das if} ter Zweck der Verhandlungen, die vom Herrn Ober- Präsidenten eingeleitet find. Die bisberigen Verhandlungen sind nicht ergebnißlos verlaufen; man hat bereits über gewisse Punkte eine Verständigung gewonnen, und ih habe die entschiedene Hoffnung ge- habt, daß man wirkli zu einem gedeiblihen Ziele gelangen würde. Selbst wenn das aber auh nit gelingen follte, würden doch solche Verhandlungen in hohem Grade erwünsht und werthvoll sein, weil lhatsächlih die Differenz, die zwishen den Auffassungen beider Theile bestet, geklärt und hierdurh der Regierung die Möglichkeit gegeben wird, das, was ja ganz unerläßlich ift, die Mitwirkung der Land- wirthshaftskammer bei der Vertretung der Landwirthschaft in der Produktenbörse selbs zu bestimmen, wenn eine Verständigung darüber

niht gewonnen werden sollte. Eine solche Ordrung der Angelegen- heit aus eigener Entschließung der Regierung ift aber {on deshalb garniht zu vermeiden, weil geseßglich nur „eine Mitwirkung“ der Landwiribschaftsfammern vorgesehen ift. Zwingen können wir zroar weder die Landwirthe, die Mitwirkung zu acceptieren, dic wir \hließlih festseßen, wenn fie sagen: wir kommen nicht, so fônnen wir es nicht ändern. Wir können au die Kaufleute nit zwingen, diese Mitwirkung zu acceptieren; wenn sie sagen: wir fommen niht in die Börse, so können wir au das nit ändern. Aber unerwünsht wäre es in hohem Grade, wenn wir zu einer vollftändigen Einftellung des Börsenverkehrs kämen, ohne daß wir etwas Anderes haben, was wir an diese Stelle seten. Die Preis- notierungen sind in der That in hohem Grade erwünscht, nicht sowohl für die Großbändler, niht sowohl für die großen Landwirthe als für die Kleinbändler und fleinen Landwirthe, und vor allen Dingen für die Konsumenten, außerdem aber auch für die großen Ver-

Werth dartuf zu legen, daß regelmäßige Preisnotierungen ftatt- finden, und deshalb gebe - ih die Hoffnung nit auf, daß die Ver- handlungen, die vom Ober-Präsidenten eingeleitet sind, wieder auf- genommen werden und einen gedeihlihen Abschluß finden.

Ih hoffe, daß meine heutigen Erklärungen dazu beitragen werden, um die irrigen Auffassungen, die über die Bedeutung der polizeilichen Anordnung bisher bestanden haben, zu zerstreuen, um die Indignation in den Kreisen der Kaufleute als unbegründet erkennen zu lafsen und sie zu bestimmen, sich zu den Verhandlungen einzufinden, damit fie zu einem günstigen Abshluß kommen.

Fh bitte das hohe Haus, meine langen Auseinanderfeßungen im Interesse der Sache zu verzeihen, aber ich habe sie in der That für nöthig gehalten. Ih habe ein s{chweres, verantwortungsvolles Amt übernommen. Es entsprach nicht meinen Wünschen, daß ih in das- selbe eingetreten bin; aber ih habe es gethan, weil ih es für- eine patriotische Pflicht gehalten habe, unter den obwaltenden Umständen in das Amt einzutreten. Ih bitte das hohe Haus, mich in meinen Bemühungen, zu einem wirklich legalen Produktenverkehr zurü- zukehren, unterstüßen zu wollen. (Bravo !)

Auf Antrag des Abg. Rickert (fr. Vgg.) tritt das Haus in cine Besprechung der Interpellation ein.

Abg. von Eynern (nl.): Ich hatte selbft die Absiht, heute eine Anfrage zu stellen, um dem Minister Gelegenheit zu geben, auf meine neulichen Angriffe zu antworten. E Ring hat heute einen recht milden Ton angeschlagen im Gegen zu den Heißspornen außerhalb dieses Hauses. Man beginnt einzusehen, daß Produzenten und Pro- duktenhändler doch mehr Interessen gemeinsam haben, als die agrarishen Wortführer in ihrem Haß und ihrer Verblendung geglaubt haben. Dieser Haß beseelte keineswegs bloß die agrarishe Presse, sondern auhch diejenigen, die hinter ihr stehen und die betreffenden Artikel inspiriert haben. Herr Sobernheim hat in der O E, darauf hingewiesen, daß Herr Ring in einer Versammlung gesagt hat: „Was wir von der Ehre der Getreidehändler zu halten haben, wissen wir ja“. Hoffentlih wird die Sache dur Zeugenvernehmung festgeftellt. Wenn man hier einzelne Verfehlungen und Manipulationen ver- allgemeinert, so geschieht das mit demselben Recht, als wenn wir Ihnen die Verbrechen des Freiherrn von Hammerstein auf die Rechnung segen wollten. Die Agrarier suchen fogar einen Gegensaß zwischen der Exportindustrie und der Landwirthschaft zu konstruieren. Das muß im O und in der Industrie Erbitterung hervorrufen. Aus diefen

trömungen des Hasses und der leidenschaftlihen Erregung ist das Börsen- gesey entstanden mit seiner redaktionellen Unklarheit, die hervorging aus augenblicklihen Stimmungen. Der Minifter hat heute sehr milde und versöhnlich gesprohen. In seinen Thaten hat er keine Milde walten lassen; zunächst niht in der Wahl des Vorftandes der Pro- duktenbörse. Dann kam die Auflösung der Börse und die Be- \sprehungèen im Feenpalast. Der Minister hat mit den Aeltesten der Kaufmannschaft und dem Vorstande der Produktenbörse verhandelt. Diese Verhandlungen haben zu keinem Resultat gert, und nun er- klärte der Minister, daß er für seine Person die Börse im Feenpalaft als eine Börse im Sinne des Gesepes betrachtet. Es folgte die Ver- fügung des Polizei-Präfidenten mit ihrer Androhung des Zwanges, wenn die Kaufleute niht das Lokal verlassen sollten. Und da fpricht der Minister noch von einer Klage beim Ober-Verwaltung®gericht ! Wie sollen die Leute sich denn zu ihren Zwecken versammeln? Der Minister hat \sih auf das Landesverwaltung8geseßz berufen, er hbäite aber den Polizei-Präsidenten anweisen müssen, die Verfügung erft in Kraft treten zu lassen, nahdem die Entscheidung des Ober-Verwaltungs- gerichts angerufen wäre. Das schreibt § 55 des Geseßes vor. Der Vorschlag der Konservativen ist am wenigsten gangbar. Der Minifter sollte auf Grund jenes Geseßes eine Verständigung anbahnen. Das jeßige Verjahren kann nur dazu dienen, den ganzen Produktenhandel den fleinen Leuten zu überliefern, die sich aus folhen Chikanen nihts machen. Der Weg der Kränkung sollte doch endli verlaffen werden.

Abg. von Ploet (kons.): Wir wollen nicht nach Hause gehen, ohne felbst orientiert zu sein und im Lande Klarheit zu schaffen. Der Minister hat unsere Frage klar beantwortet; er hat auf die Entscheidung des Verwaltungsgerihts verwiesen; die Feenpalast- Vereinigung hat aber diefen Weg bisher nicht beshritten, und wir können noh ein Jahrhundert warten, bis endli dem Geseß Geltung vershaffft wird. Mit uns wäre man anders umgesprungen, wenn wir uns etwas hätten zu Schulden kommen lassen. Ein einziges agra- rishes Geseß hat man für uns erlaffen, es hat uns aber bis jeßt wenig genußt, fondern eher Verwirrung gebraht. Mit dem Margarine- geseß muß Ernst gemacht werden. Der Minister hat mit dem Börsen- gese jedenfalls die besten Absichten. Die sharfen Worte auf dieser Seite nehme ich gern auf mein Konto als Franktireur. Jch habe Angriffe der Regierung gegen mih niht mit gleich:r Münze ver- goltea. Herr von Eynern wirft dem Minister Milde vor, wir das Gegentheil. Für die agrarishe Presse find wir großentheils nit verantwortlih, höchstens für einzelne Artikel. Sehen Sie sih dech die „National-Zeitung* an; einige von Ihnen (links) ftecken au da- binter; troygdem machen wir Sie nicht für die Angriffe der gegnerischen Prelte verantwortlih. Industrie, Handel und Landwirthschaft aben gewiß gleiwe Interessen. Wir haben weder den Handel noch die Großindustrie angegriffen. Wir verlangen nur eine Aus- gleihung der Interefsèên und Gerechtigkeit. Wir haben mehr zum Frieden gerathen als die Gegner. Es hat uns gefreut, daß der General-Sekretär Bueck in einer Versammlung ausgesprochen hat, daß die Industrie jeßt anderen Sinnes sei. (Abg. von Eynern: Anderen Sinnes?) Die Landwirthschaftskammern haben {on im November v. I. eine Konferenz empfoblen. Hätte diese stattzefunden, so wäre wenigstens ein ehrliher Versuch gemaht worden, eine Ver- ftändigung herbeizuführen. So ift den Kaufleuten der Muth ge- wawhsen, und es ist nichts geworden. Jett ift abfolut keine Hoffnung zu einer Verständigung. Die Herren von der Börse wollen nicht Frieden geben, wenn nicht das Verbot des Terminhandels wieder auf- geboben wird. Die großen Getreide- und Finanzkräfte wollen es nit zum Frieden kommen lassen. Also einen großen Erfolg versprehe ich mir von einer Konferenz nicht. Wir baben mit der Interpellation sechs Monate gezögert, aus Rüdsicht auf die Unterhandlungen und den Minister. Sm Lande herrscht eine ungeheure Erregung gegen die Regierung, die man der Schwäche be- s{uldigt. Man will, do das Geseg strikte durchgeführt roird. Mängel und Lücken des Gesetzes könnten ja beseitigt und auétgefüllt werden. Die Regierung möge dazu ihre Anträge im Bundesrath stellen. Umgebungen des Gesetzes dur die Börse dürfen nicht stati- finden. Ein letztes Mittel wäre ja der Deklarationszwang. Die Hérren, die früher für das Geseg gestimmt haben, haben gewußt, was fie wollten; sie werden der Regierung diz Mittel niht verweigen, das Gese durhzuführen. Die Regierung tollte nit warten, bis das Verwaltungésftreitverfahren zu Ende is. Der Minister möge gegen die g gd vorgehen, sobald er der Ueberzeugung ift, daß fie eine Börse ift im Sinne des Gesetzes. Aeindlanes gegen die Kaus-

mannichaft liegt uns durchaus fern. ir wollen nur die Auswüchse

der Börse beshneiden gerade im F erele der kleinen Händler, die

selber mit den Landœirthen handeln wollen, aber von Berlin daran azhindert werden. Wenn der Kampf so weiter geht, daß fi fckon ein Ring gebildct hat, der den deutshen Landwirthen kein Getreide mehr abfaufen will, sondern nur ausländishes Getreide kauft, fo ist das tine unlautere, antinationale Kampfesweise. Deshalb bitte i die Regierung dringend, das Geseh durhzuführen oder Ant-äge a zie verbündeten Regierungen zu ftellen, die das Gese durhführbar machen.

Aba. Dr. Hahn (b. k. P.): Im Börsengesetz ift allerdings keine Definition ver Bôrse gegeben. In seinem Kommentar zum Börfen- gesch aber bezciinet ber Geheime Rath Wermuth als Börse eine Ver- einigung von Kaufleuten, deren Zusammenkunft von wirtbschaft

vermeiden, ift es allgemein Praxis der Polizeibehörden gewsrden, mit

waltungen des Staats und des Reihs. Wir haben alle zusammen

Bedeutung namentlich vurch ihre Einwirkung auf die Preisbildung

über den engeren Kreis ihrer Mitglieder hinaus i. Ju diesem Sinne wird der Frühmarkt vielleiht in einigen Jahren eine Börse darstellen. Aber zu lange können wir niht warten. Die Börsen- Engquéêtekommission ist der Meinung gewesen, daß der Frühmarkt als Bôörfe zu betrachten fei, und in dem Augenblick, wo der Frühmarkt eine erhöhte Bedeutung gewonnen durch. Schluß der Produktenbörse, hätte der Hindels-Minister ihn als Börse erklären sollen. Die ver- waltungsgerihtliche Entscheidung abzuwarten, is niht der richtige Weg. Denn bis dahin wird der Landwirth geerntet haben, und es wird an jeder richtigen Preisbildung fehlen. Einzelne Betrügereien, die vorgekommen find, |chreiben wir durhaus nicht der gesammten Börse zu. Wir haben nur einige E \{limmster Spekulation hervorgeboben, wie den Fall ohn und Rosenberg. Da die Börse für solhe Vorkommnisse eingetreten ist, ist bedenk- lich. Die persönliche Ehre der Kaufleute haben wir nicht verletzt; wir haben nur einzelne Auswüchse getadelt. Selbst der Ehr- bare Kaufmann in Hamburg bat geglaubt, gegen die Ehrverlezung protestieren zu sollen. Er hätte das unterlafsen, wenn er die Be- rihte der Börfenenquête-Kommission studiert hätte. Der Industrie wollen wir auch nicht s{haden. Wir wollen nur die Bedeutung des Ervorthandels etwas vermindern, weil der Export nur erfolgt auf Kosten der produktiven Stände des Inlandes. Ich habe nicht den Eindruck, daß der Minister von seinen Referenten immer rihtg und vollständig unterrihtet worden is. Einer der Herren ist bis vor kurzer Zeit noch Staatsanwalt gewesen, hat fich also wohl wenig mit ter Börse beschäftigt. Bezüglich der Referenten des Landwirthschafts-Ministers will ih nur feststellen, daß beide Ministerien niht immer Hand in Hand gegangen sind. Der Landwirthshafts-Minister wohnt ja auch heute den Verhandlungen zu unserem Bedauern nicht bei. Wenn das Börsengeset auf die Früh- Höórse ansgedetnt wird, dann roird sich eine Vereinigung zwischen Land- wirthen und Kaufleuten erzielen lassen. Einige Produktenhändler sind geaeigt, die Obstruktion aufzugeben. Wunderbar is es, daß die Obstruktion gerade bei den Aeltesten der Kaufmannschaft eine Stütze gefunden hat. Man will das Vertrauen zur Regierung erschüttern und beweisen, daß das Börsengeseß ein Mißgriff gewesen i. Wenn das Börsengeseß noh keine Wirkung gehabt hat, fo liegt das an der mang-lhaften Ausführunz desselben durch die Regierung.

Abg. Richter (fr. Volksp.): Es is eine alte Sache, daß die Knappen immer hitziger sind als die Ritter; daher war au die Be- handlung der Frage durch den Vorredner hißiger als durch Herrn von Ploey. Daß die Börse für gewisse Spekulanten eingetreten sei, iff durhaus unwahr. Diese Spekulationsfirmen hatten durchaus feine allgemeine Bedeutung an der Börse. Hätte die Gesetzgebung sh beschränkt auf die Ergebnisse der Börsenenquête, so wäre man nicht in die Verlegenheit gekommen, in der man fh jetzt befindet. Erregung ist im Lande vorhanden, weil man erst jeßt meift, welches Unheil die Geseßgebung an- gerihtet hat. Der Handels. Minister hat für die Agrarier \{chon so viel gethan, daß ihm zu thun fast nihts mehr übrig bleibt. Sie greifen sogar die vortragenden Räthe an. Das is} nicht vornehm. Was würden Sie sagen, wenn wir die dur ihre Vorgeseßten ge- deckten Räthe angreifen würden? Was berechtigt denn Herrn Hahn zu folhen Angriffen? Was hat er denn gelernt ?. Wie lange ift er denn von der Universität? Seine Subalternstellung bei der Deutshen Bank als Archivar berechtigt ihn nicht, in dieser Manier über die Kaufleute zu sprechen. Solche Angriffe muß ich mit Entrüstung zurückweisen. Neue Gesegze können jeßt, wo der Reichstag geschlossen ist, nicht gemaht wertea. Das Börsengeseß enthält wohl Vorschriften über die Börse, aber es zwingt die Händler niht, die Börsenversamm-

[ungen zu besuhen. Herr von Ploetz sagt : Was foll daraus werden, .

wenn das Margarinegeses etenso s{lecht ausgeführt wird ? Das Margarinegeseß zwingt niht die Kaufleute, zwei Verkaufslokale zu halten, und die Wirkung ist, daß Großhändler, Konsumvereine u. st. w. auf den Verkauf der Butter verzihten. Die Frühbörse ist kein öfentliher Markt, sondern ein Privatmarkt. Der Handels-Minister foll vorgehen, er foll Muth baben. Aber es kommt doch darauf an, ob das Vorgehen gerechtfertigt ist, ob es vielleiht niht s{ädigend wirkt. Bisher ist die Frühbörse niht als Börse behandelt worden, auch in der für die Börsenenquête aufgestellten Statistik der Börsen fehlt die Berliner Frühbörse, Es ift ja niht Absicht des Handels - Ministers, gegen die rübbörse vorzugehen. Bei nüchterner Betrahtung müßte man die erfügung des Ministers so auffassen, daß sie nur zur gerichtlichen Gntscheidung führen follte. Aber wer nicht verwaltungsrehtlich geschult ist, der wird ja durh den shroffen Ton der Verfügung des Polizet- een und durch die Aeußerung des Börsenkommifsars: „Die ombe ist geplaßt“ allerdings in Aufregung versezt werden. Wenn man ‘unterhandelt, dann |chießt man nicht aufeinander. Wenn jemand mit 5 Thalern Polizeistrafe belegt wird, so wird ihm gesagt, daß er dagegen Beschwerde erheben kann. Davon ist hier feine Rede gewesen; niht einmal offiziss hat man eine folche Andeutung gemaht. An der Börse war man der Meinung, daß der Polizei - Präsident das Resolut ohne Wissen des Ministers auf höhere Veranlassung erlassen habe. Ohne Genehmi- ung des Ministers wäre ein solhes Refolut verfassungswidrig. Der inister hat immer nur von der Verfügung des Polizei- F gefprohen. Jh möchte dem Minifter Gelegenheit geben, ch darüber zu erklären, daß er diese Verfügung veranlaßt hat. Anders kann es ja au garniht sein. Die Regierung konnte in dem Abhalten des Getreidemarktes eine Gefährdung des öffentlichen Wohles erblicken und jeden Augenbli die Versammlung schließen lassen. Unter diesem Druck konnten keine Ge- schäfte abgeschlossen werden. Da verdenke ih es den ndlern nicht, daß sie die Versammlungen eingestellt haben. nn das Ober-Verwaltungsgeriht erklärt, daß die Verfügung den Geseyen entspriht, so werden die Händler doch nicht an die Pro- duktenbörsen zurückehren. Man will sich nicht der Beaufsichtigung ausseßen von Personen, die an den Geschäften selbst nicht betheiligt sind, weil dadur der Verdacht erweckt wird, daß die Börsenbesucher verdächtig find. Aeußerungen wie die des Herrn Hahn müssen aufs neue reizen und verbittern. Wie kommt man überhaupt dazu, das Landwirth schaftskammergeseß auf Berlin anzuwenden, wofür es gar- niht gilt, weil Berlin nicht zur Provinz Brandenburg gehört ? Die Großhändler sind zu der Einsicht gekommen, daß sie auch ohne Börse ihre Geschäfte machen können. Mit Genossenschaften und ähn- lihen Organisationen wird man gegenüber dem Großhandel nichts ausrihten. Die Preisnotierungen der Landwirthe, welhe verkaufen wollen, sind Anderen verdächtig und haben keine Wirkung, es bleibt thnen also nichts übrig, als in der Sahe sih rückwärts zu kon- zentrieren, und je jhneller sie das thun, desto besser wird es sein.

Minister für Handel und Gewerbe Brefeld:

Meine Herren! Ih möchte die Aeußerungen, die hier von ver- schiedenen Rednern speziel gegen mich und meine Verwaltung ge- rihtet sind, in zwei Gruppen theilen. Der eine Theil, der mir zu voreiliges, rücksichtsloses Vorgehen zum Vorwurf macht, und der andere Theil, der mir eine zu große Zurückhaltung, einen Mangel an Muth, Schwäche vorwirft. Ih glaube, ein unbefangener Dritter, der diese beiden Angriffe von der etnen und von der anderen Seite angebört hat, wird bei sih vielleiht auf den Gedanken kommen, daß der Weg, den ih eingeschlagen habe, am Ende doch die richtige Mitte ist. Jch lasse mi bei der Auslegung und Anwendung des Geseßzes [eiten durch meine persönliche Ueberzeugung ih habe nicht mit- gewirkt bei dem Erlaß des Börsengeseßes; mözen Sie cs für ein gutes oder schlechtes Gesey halten, nicht dle Spux von Verdienst an dem Erlaß des Geseyes fällt mir zu; ich habe nur die unangenehme Aufgabe, es auszuführen (Heiterkeit links.) Und bei dieser Ausführung lasse ich mich von meiner eigenen unbefangenen Ueberzeugung leiten; |ch halte mich dabei an dle bewährten Kräste,

gehört auch der Geheime Rath Wendelstadt, gegen den hier persönliche Angriffe gerichtet sind, die von der Vorausfeßung ausgehen, daß er seiner Aufgabe niht gewachsen sei. Fch muß diese Angriffe unbedingt zurückweisen, ih nehme für den Geheimen Rath Wendelstadt, der niein bewährter Gehilfe ist, der auf meinen Vorschlag zum vortragendèn Rath ernannt worden ift, in Anspruch, daß er ein tüchtiger, kenntniß- reiher Mann i}, dessen Vorkenntnisse und praktische Bewährung, nahdem er ein volles Jahr bei mir als Hilfsarbeiter gearbeit hat, ihn wohl berewtigen, in die Stelle einzutreten, die er jeßt bekleidet. (Bravo! rechts.)

Nun, meine Herren, was zunächst die Angriffe von seiten des Herrn von Eynern und des Herrn Richter betrifft, so hat Herr von Eynern mir den Vorwurf gemacht, daß ich die Verfügung des Polizei-Präfidenten bätte ergehen lassen, bevor eine Entscheidung des Ober-Verwaltungsgerihts ergangen sei. Ja, meine Herren, da muß doch Herr von Eynern meinen Ausführungen nicht recht gefolgt sein ; ih bin ja garniht in der Lage, eine Entscheidung des Ober-Ver- waltungsgerihts herbeizuführen, wenn nicht vorher die polizeiliche Verfügung erlassen ift; das is die Voraussezung für diese Ent- scheidung. Jch kann also thatsählich garniht anders, als diese Verfügung vorher ergehen zu lassen. Diese Verfügung des Polizei- Präsidenten is nun, wie Herr Abgeordneter Richter zutreffend an- genommen hat, keineswegs ohne mein Mitwissen und ohne meinen Willen erfolgt. Es ift mir darüber \peziell Vortrag gehalten worden, und ich habe demnächst den Herrn Ober-Präfidenten ersucht, zu ver- anlassen, daß nunmehr die noch fehlende polizeilihe Verfügung mit der Zwangsandrohung erlafsen werde. Daß in dieser Verfügung die Wortfassung gebrauht ist, „die Androhung des unmittelbaren Zwanges,“ ja, meine Herren, das entspriht dem herrschenden Gebrauch der Polizeibehörden und erklärt sich daraus, daß gerade die Worte „unmittelbarer Zwang“ diejenigen sind, die in dem § 132 des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltung angewandt sind. Da heißt es:

Unmittelbarer Zwang darf nur angewendet werden, wenn die

Anordnung ohne einen solhen undurchführbar ift. In diesem Falle hätte man nun auch Geldstrafen androhen können und insofern den unmittelbaren Zwang vermeiden. Das ist aber aus sehr gutem Grunde nicht geshehen. Die Geldstrafen mußte man ent- weder allen Mitgliedern androhen und das wäre sehr {wer ge- wesen, denn die Zahl der Mitglieder beziffert sich nach Hunderten —, oder man hâtte sih auf die Vorstände beschränken müssen; die Vor- stände waren aber in der Lage, jeden Augenblick zu demissionieren, und dann saß man da mit den Geldstrafen. Also das ging nicht, und deshalb mußte man zum unmittelbaren Zwang übergehen. Der Ausdruck „unmittelbarer Zwang" is nun herkömmlicherweise in die Verfügung wörtlich aufgenommen, wie es immer in solchen Fâllen geschehen ist. Etwas Beleidigendes hat darin nicht liegen sollen, und ih glaube, nah dieser meiner Darlegung wird es auch wohl kaum darin gefunden werden.

Nun muß ih zugeben, daß die Aeußerung, die von dem Börsen- kfommifsar auf der Börse mündlih gemacht worden ist, und die von den Herren Abgg. Richter und von Eynern besonders angegriffen worden ift, allerdings eine recht unglücklihe gewesen ist. Die Ver- fügung des Polizei-Präsidenten, die hier ergangen ist, hat ebenso wenig, wie alle sonstigen Verfügungen, die von mir veranlaßt werden, die Bedeutung einer Bombe. Aber das muß ih denn do sagen : wie man an dieser, wenn au deplacierten, doch im übrigen harmlosen Aeußerung in solchem Maße hat Anstoß nehmen können, das verstehe ih niht, es ist ebèn eine ‘Redensart, die in ähnlihen Fällen sehr häufig angewendet wird: nun ist endlich die Bombe geplaßt! Ich kann wirklih nur sagen: der Staatskommissar hat damit keinè n Falles einen besonderen Triumph aussprechen wollen, auf dem Stand- punkt \teht er in seiner ganzen Anshauung und Denkweise nicht, und auch, was seine Persönlichkeit anbetrifft, so kann ich dem Herrn Abg. Richter versichern, daß er sich in seiner Stellung vollkommen bewährt hat, seiner Stellung vollkommen gewachsen ift, und daß ich ihm für die Informationen, die er mir gegeben hat, wenn ich auch niht in allen Punkten mit seiner Auffassung ein- verstanden bin, doch in jeder Beziehung dankbar bin. (Bravo ! rechts.)

Nun, meine Herren, komme ih zu den Angriffen von der anderen Seite, insbesondere zu den Angriffen des Herrn Dr. Hahn. Herr Dr. Hahn hat mir gegenüber als besondere Autorität die Enquête- kommission zitiert, die sih dahin ausgesprochen habe, daß die Früh- bôrse thatsählich als eine Börse anzusehen sei. Jch habe bereits vorhin mih dahin ausgesprochen, daß ich mich bei der Auslegung des Börsengeseßes dur meine eigene Ueberzeugung leiten lasse, und durch das Material, das mir für die Auslegung zur Verfügung steht. Auf die Autoritäten würde "ich- nur in zweiter Linie mih stüßen. Es stehen aber der Autorität der Börsenenquêtekommission, die mir hier vorgeführt wird, auch andere Autoritäten gegenüber. Die eine habe ih bereits erwähnt, d. i. die Landwirthschaftskammer der Pro- vinz Brandenburg, die in ihrer Eingabe, die fie seiner Zeit an den Polizei - Präsidenten gerihtet und abschriftliß dem Minister des Jnnern mitgetheilt hat, ausdrücklih gesagt hat :

Es darf nun bet dieser Sachlage als zweifellos festgeftellt au- gesehen werden, daß einzig Ew. Hochwohlgeboren in der Lage sind, hier Abhilfe zu schaffen, und zwar deshalb, weil bislang notorisch und rechtlich der sog. „Frühmarkt“ nihcht sowohl als Börsen- einrihtung, wie vielmehr als „Markt*" betrachtet wird.

Es kommt aber noch hinzu, daß bei der Berathung des Börsenaus- \{us}ses, der auf Grund des Börsengesetes eingerichtet ift, insbesondere auch die Frage erörtert is, ob die Frühbörse als Börse oder als Markt anzusehen sei. Da find einfah die Ansichten auseinander- gegangen: die landwirthshaftlichen Vertreter sind der Meinung ge- wesen, fie sei eine Börse; dagegen die Kaufleute, die Vertreter des Handels, sind der Meinung gewesen : nein, es sei keine Börse, es sei ein Privatmarkt. Also die Ansichten sind durchaus verschieden, und namentlich die Ansichten der Vertreter des Handels sind hier so un- zweideutig zum Ausdruck gekommen, daß für fie nah meiner Meinung die beiläufige Aeußerung der Enquöôtekommission niht wohl in Betracht kommen kann.

Nun möchte ih aber noch hervorheben : es ist in dieser Aeußerung der Enquôtekommission auch nicht die Spur eines Grundes angegeben, weshalb sie die Frühbörse als eine Börse angesehen hat. Jh kann mich doh nicht ledigli durch die Autorität der Kommission bestimmen lassen ; ich muß doch auch wissen: welche Gründe hatte sie, das anzunehmen ? Jch weiß nicht, ob diese Erklärung überhaupt auf gleih forgfältigen

die mir zur Selte stehen, die als Kommissare mitgewlrkt haben bel der Vorbereitung uny dem Erlaß des Börsengesehßes. Zu dlesen

Erwägungen und Ermittlungen berußt, wie ich fie angestellt habe.

die Geschäfte an der Frühbörse liegen, welhe Einrichtungen dort be- stehen; ih weiß, was meiner Entscheidung zu Grunde liegt. Was der Entscheidung der Enquêtekommission zu Grunde liegt, wetß ich nicht, und deshalb nehme ich allerdings Anstand, mir ohne weiteres die Autorität dieser Auffassung anzueignen.

Nun, meine Herren, is der Herr Abg. Dr. Hahn der Meinung: ja, wenn man warten wollte, bis sich der Privatmarkt der Frühbörse, die jeßt als Privatmarkt anzusehen sei, entwickelt habe zu einer eigentlihen Börse, dann könnten Jahre darüber hingehen, und darauf könnten fie niht warten. Meine Herren, das ist mir ganz gleichgültig; ih kann den Privatmarkt nur dann für eine Börse erklären, wennZer eine Börse ist, und wenn das noch Jahre lang dauert, so kann ih daran nichts ändern, so muß ich warten, daran ift nun einmal nichts zu ändern.

Dann meinte der Abg. Dr. Hahn, das ganze Land würde mir Dank dafür wissen, wenn ich dazu überginge, die Frühbörse aufzulösen, gegen fie in gleiher Weise vorzugehen, wie gegen die Feenpalaft- Versammlung. Jh glaube doch, Sie sind darin mit mir einverstanden, daß das Geschäft, was an der Frühbörse umgeht, ein ganz einwandsfreies Geschäft ist, das zu stören wir eigentlichß keine Veranlassung haben. Das einzige, was wir wünschen, ist, daß dort Preisnotiecungen statt- finden, damit thatsählich die Preisbildung an der Frühbörse in voll- ständig korrekter Weise ihre Wirkung geltend machen kann, wir haben daher keinen Anlaß, im Augenkblick das Geschäft dort zu stören. Was hätte es nun für einen Zweck, wenn ih gegen die Frühbörse vorginge und sie auffordern ließe, si: sollte sich unter das Börsengeseßz stellen? Dann machte sie es vocaussichtlih ebenso, wie die Feen- palast-Versammlung; sie würde sich auflösen und dann würde die Frühbörje niht mehr stattfinden, und die erwünshte Einwirkung auf die Preisbildung würde ganz fortfallen. Da wäre es doch befser, wenn wir im Wege der gütlichhen Verständigung zum erstrebten Ziele gelangen könnten. Es sind ja schon, wie ich höre, die einleitenden Schritte gethan, und ih hoffe, daß es gelingen möge; ih meinerseits bin sehr gern bereit, meine Uaterstüßung eintreten zu lassen, daß wir dahin kommen, die Frühbörse in einen wirklichen Markt umzuwandeln, bei dem regelmäßige Preisermittelungen stattfinden für den Zweck einer Preisbildung, die dann allen zu gute kommen würde, die ein Interesse daran haben. Jch hoffe, daß dieses Ziel erreiht wird.

Ich möchte nur noch eins sagen. Der Herr Abg. Nichter hat mit aller Bestimmtheit erklärt, es würden die Versuche, nochmals zu einer Verständigung mit den Vertretern des Handels zu gelangen, über die Legalisierung der Börse von Erfolg nicht sein. Das will mir nun doch nicht einleuchten. Warum sollen denn die Vertreter des Handels und der Landwirthschaft nicht in dem Vorstand der Börse zusammenwirken können? Es sind doch in beiden, wie ich annehme, verständige und einsihtige Leute genug, die fi einer folchen Aufgabe wohl unterziehen werden. Sie wissen ja alle, daß es im öffentlihen Interesse liegt, ih glaube, das ganze Land hat ein Interesse daran, daß der Verkehr an der Produktenbörse wieder stattfindet. Warum sollten wir denn nicht zu einer Verständigung kommen ? Daß ein solcher Versuch vergeblich sein sollte, kann ih in der That nicht einsehen, und ih möchte Sie dringend bitten, statt solGer Prophezeiungen doch lieber Jhren Einfluß geltend zu machen, daß die Herren ih bereit erklären, mitzuwirken. Ih meinerseits gebe die Hoffnung nit auf, daß es endlih gelingen wird. (Bravo!)

Geheimer Regierungs-Rath Conrad: Der Abg. Hahn hat die Abwesenheit des Ministers für Landwirthschaft bedauert. Es ist erst gestern über die Verhandlung dieser Interpellation Beschluß gefaßt worden. Der Minister hatte sich entschlossen, an der Reise der Moorkommission theilzunehmen, und konnte die Betheiligung daran niht mehr aufschteben. 6

Abg. Gamp (fr. kons.): Es ist frivol, daß die „Nation“, welche unter der Leitung eines Reichstags-Abgeordneten fteht, von den Agrariern nur wie von Raubrittern spriht. Jn der Börsenreform bin q kein Anhänger des Extrems; die Nationalliberalen im Reichs- tage haben ja dem Börsengeseß ebenfalls zugestimmt. Wenn es ih um Unklarheiten dieses Gefeßes handelt, dann muß die Regierung zur Aenderung des Geseßes schreiten, um Klarheit zu schaffen. Das Ober-Verwaltungsgeriht versagt dabei; denn es kann den Frühmarft heute niht als eine Börse betrachten, während es nah wenigen Mo- naten der Meinung sein kann, daß er jeßt eine Börse geworden ift. Das Gese wollte den Berliner Frühmarkt zweifellos als Börse an- sehen. Das folgt aus den Verbandlungen der Börsenenquête und der Börsengeseßkommission des Reichstages. Die Frage ift nicht rihtig gestellt. Die Börse if auch ein Markt, und es handelt fich nur darum, ob der Frühmarkt eine Börse ift, d. b. ein Markt, auf welchem die Waaren niht effektiv vorhanden find, sondern nach

roben oder nach Typen gehandelt werden. Troß der be- chränkten Oeffentlichkeit is eine Deffentlichkeit auch auf dem Früb- markt vorhanden. Man bâtte die Behandlung des Frübmarkts als Börse niht hinausziehen follen bis zum Inkrafttreten des Börsen- gefeßes; man konnte vorher {hon darüber klar werden. Es kommt aber weniger darauf an, wer formell Recht hat, sondern es muß eine Verständigung herbeigeführt werden, die ih niht für ausgeshlofsen halte. Es if eigentlich niht vereinbar, daß man dem Aeltesten- Kollegium die Aufsicht über die Fondsbörse überläßt, obgleih unter seinen Mitgliedern die ärgsten Agitatoren der Produktenbörfe fich befinden. Wenn ibnen die Aufficht über die Effektenbörse abgenommen würde, so würden sie bald einen anderen Standpunkt einnehmen. Jh möchte die Regierung bitten, den Refolutionen, welhe der Reichstag elGnonen hat, Rechnung zu tragen. Daß das bisher noch nit ge- schehen ift, ist mit die Ursache der Aufregung îm Lande. Auf die Börse zu gehen, kann man die Kaufleute allerdings niht zwingen, aber die Deklaration is schon jeßt durch den Schlußnotenzwang theilweise vorhanden. Jh würde mich sehr freuen, wenn cine Verständigung ¡wischen der Landwirthschaft und den Kaufleuten, namentli® denen an der Ge ore, erreiht würde. Dann hätte die Interpellation ibren Zweck erreicht.

Abg. Schwarze (Zentr.) führt aus, daß alle SFwwierigkeiten nur dadurch entstanden seien, daß die Börse fh nidt dem Gesctz unterworfen babe. Wer sih dem Geseß unterwerfe, werde nit in seiner Ehre verleßt. Redner betrachtet den Frühmarkt ebenso als Börse wie die Feenpalaft- Versammlungen.

Abg. Rickert: Wir können mit der Debatte zufrieden scin; es fragt id, ob der Vorredner, der einer der Hauptmacher bei der Be- seitigung des Terminhandels war, damit zufrieden ift. Gegen den Verein der Produktenhändler ift nit korrekt verfahren, es mußte auf die Rechtsmittel aufmerksam geraaht werden. Man muß lachen über die Leute, die das Kindermärhen glauben, daß die Kaufleute russishes Getreide sogar mit Verluft nad Berlin bringen bloß aus Bosheit. Herr von Ploecy ift viel zu cinfichtig dazu, an solde Märchen zu glauben. Daß die Beseitigung des Terminhandels der Landwirtbschaft {aden würde, baben schon früher Landwirthe erklärt, sie baben aber leider die Vertretung der Landwirths{haft allein Herrn von Ploeg überlassen. Den Geseßen hat {h das Zentrum auch nicht immer unterworfen, wenn sie gegen die Katholiken gerichtet waren. Die Kaufleute haben fi dagegen gewehrt, und bofentlich werden sie nun ret lange die Zähne zetgen. Die heutige Debatte ft eine Bankcrotterklärung der agrarischen Politik: jet soll der Minister helfen, Er kann do aber keine Produktendörse aus der Erde

Jch habe die forgfältigsten Prüfungen darüber vornehmen lassen, wle

stampfen. Die Beseitigung des Termindandels bat die Börse