1883 / 33 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 07 Feb 1883 18:00:01 GMT) scan diff

seien, und daß, wenn der Verkauf in dieser Form stattgefunden

Erste Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

Berlin, Mittwoch, den 7. Februar

1883,

Nichtamilicßes.

Preußen. Berlin, 7. Februar. Jm weiteren Ver- laufe der gestrigen (24.) Sißung des Hauses der Ab- geordneten wurde die erste Berathung des Gesehentwurfs, betreffend die Zwangsvollstreckung in das unbeweg- liche Vermögen jortgesezt. Der Geheime Ober-Justiz- Rath Kurldaum Ul. erklärte, seit 1872 habe sich die Schädlichkeit des bisherigen Systems nah den neuerdings aufgenommenen statistishen Erhebungen bedeutend erhöht. Während damals nur" jede siebente Subhastation mit dem Ausfall der vorstehenden Gläubiger ausgelaufen sei, falle jeßt beinahe jede vierte Subhastation ohne Befriedigung der vor- stehenden Gläubiger aus. Dem Abg. Westerburg könne er erwidern, daß das Ober-Landesgericht in Hamm sich au für den Entwurf ausgesprochen habe. Einige allgemeine Ein: wendungen tônne er \on heute widerlegen, während er auf Spezialitäten in der Kommission antworten „werde. Wenn man sage, es sei ein Eingriss in das Vermögensrecht und werde den Kredit s{hädigen, jobald man dem Gläubiger eine Subhastation unmögiih mache, wo die Befriedigung seiner Forderung nicht zu erwarten sei, so sei dies do dersel e Grund-

faß, der zur Aufhebung der Schuldhaft Veranlassung gegeben

habe. Auch durch diese habe der Gläubiger keinen Vermögens- vortheil, sondern nur die Genugthuung, seinen Schuldner geschädigt zu haben. Das Vermözensrecht werde nicht in

Geld umgeseßt, sondern nur durch die Vertreibung des

Schuldners aus seinem Besiß befriedigt. Jn Bezug auf den Einwand, es werde dur das neue Verfahren ein Ausbeute- und Devastirungssystem eingeführt, welches im öffentlichen Interesse zu vermeiden sei, sei zu sagen, daß man einem Gläu- biger stets vergeblich klar zu machen suchen werde, wie derselbe im öffentlihenJnteresse dazu komme,jeineForderungen nicht befriedigt zu sehen. Das Resultat des neuen Verfahrens werde sein, daß ich der Schuldner eine größere Last abwälzen, und der Gläu- biger in einen besseren Vermögensstand gebracht werden könne. Bestreiten müße er, daß das römische Pfandrecht, auf welches in der Vorlage zurückgegangen sei, das allershlehteste sei, welhes ih denken lasse. Das römische Pfandreht fei von Hause aus ein sehr gutes gewesen und nur verdorben worden im Mittelalter durch die große Zahl der hinzukoinmenden PVartikularrehte. Diesen

Wirku"g des Gesehes aber werde je nach den verschiedenen

Gegenden verschieden \cin, Nicht zu vergessen sei ferner, daß

durch die Vorlage das materielle Hypothekenrecht entschieden modi-

fizirt werde. Deshalb müsse man sich auch fragen, ob der Gesb-

entwurf nicht mit dem bürgerlihen Geseßbuch in Widerspruch

stehe. Solche Gesetze sollten sich ins praktishe Leben ein-

bürgern, und müßt:n daher auf eine gewisse Stabilität be-

rechnet sein, Welche Garantie besie man nun, daß man

niht nach wenigen Jahren wieder ein wesentlih anders geartetes Gese bekonunc? Mache man hier nicht shon wieder ein Provisorium, über dessen Dauer man keine Kenntniß habe? Das sei sür ihn der Shwerpunkt der ganzen Frage. Niemand, au die Regierung nicht, könne zweifelhaft darüber sein, daß in dieser Materie eine gewisse Stetigkeit wünschenswerth sei, schon aus technishen Gründen; denn nach diesem Gescy würden die wohlcrworbenen Rechte eine wesentlihe Aenderung erleiden, und hiermit müsse. man sehr vorsichtig sein, und ohne die Garantie, taß diese Abänderung nicht bald wieder geändert werden solle, würde die ganze Aenderung sehr bedenklih er- scheinen. Man werde ihm auch zugeben, daß dies Geseß ein paar Jahre hindurch sich einleben müsse, denn die Wirk- samkeit solcher eminent praktishen Geseßze beruhe gerade darauf, daß sie sich vollständig eingebürgert hätten. Wenn nun die Heistelung eines deutshen bürger- ligen Geseßbuches in niht langer Zeit zu erwarten sei, und wenn es wahrscheinli sei, daß dies Gescß auf Grund ganz neuer P:ämissen andere Bestimmungen treffen werde, dann verstehe er nit, warum der Justiz-Minister sich mit diesem Geseh so beeilt habe, und er möchte von dem Minister eine beruhigende Erklärung darüber erbitten, wie derselbe sich diese Vorlage denke im Verhältniß zu den Arbeiten der Kom- mission, die das allgemeine deutsche bürgerlihe Geseßbuh bearbeite und hoffentlich in wenigen Jahren vorlegen werde. h Meraui ergriff der Justiz-Minister Dr. Friedberg das

ort:

Der Herr Vorredner hat im Anfange seiner Autführungen in so freundlichen Worten des Geseßes und der Art, wie es zu Stande ge- bracht ist, gedacht, daß ih dafür nur aufrihtig dankbar sein kann, indem ih aber das Verdienst dieser Arbeit zum größten Theil den- jenigzn meiner Herren Kollegen im Ministerium zuwenden muß, die hier an meiner Seite sitzen; denn diesen gebührt das gespendete Lob, wenn das Geseß wirkli so vortrefflich gearbeitet ist, wie der Herr Vorredner es bezeichnet hat; mir kommt der Dank dafür nur zu einem sehr kleinen Theile zu.

unglü@lichen Rechtszustand babe die preußische Geseßgebung nux allmählith beseirigen können. Unter früheren Verhält- nissen sei es niht zu übersehen gewesen, welche Rechte dem Gläubiaer zugestanden gewesen seien. Zest sei es geboten, den Gläubiger in scinem Rechte zu schüßen, und so auf das ursprüngliche gute Pfandreckt zurüczugehen. Jn der Kom- mission werde fih Gelegenheit bieten, auf das Einzelne näher inzugehen. / O e Abg. Dr. Grimm bemerkte, seine politischen Freunde betrachteten die Vorlage als einen glüdlihen Sclußstein der Zustizgesezgebung. Sie erkennen eine wesentlicze Verbesse- rung darin, daß im Anschluß an die Vorjhristen der Civil- prozeßordnung einzelne materielle Streitigkeiten aus dem Kreise der vom Volstreckungsrichter zu besorgenden Fälle her- ausgenommen, und dem gewöhnlichen Prozeß unterstellt würden. Aber noth freudiger begrüße er den Reformgedanken der Vor- lage, daß kein Gläubiger das Grundstück erstehen könne, ohne daß sämmtliche vorstehenden Realansprüche vollständig gedeckt

abe, die Hypothek. niht baar ausgezahlt, sondern von dem Esther doi werden solle. Die Mißstände bei den Korrealhypotheken und dem Erwerb zum Schein seien häufig besprochen worden. Eine Reihe von Kreditanstalten, fogar in Berlin, solle sih große werthvolle Grundstücke zu einem Gebot von 100 M haben zuschlagen lassen. Mit Korrealgläubigern werde ein söcmlicher Handel getrieben, indem der nachfolgende Hypothekgläubiger sich an den Korrealgläubiger wende, und ihm die Hälfte seiner Forderung biete. Der Vorschlag des Grafen von Bismar betreffs des amerikanischen Heimstätterechts sei doch nicht so von der Hand zu weisen. Es hafte auf dem Hause ncch die Verantwortung, daß s. Z. der Bauernstand so ohne alle Vermittelung ins Kreditleben geworfen sei. Das bis- ige Verfahren bei der Subhastation möge ja einfacher fin nämlich für den Richter, es sei bis jezt ein recht glattes Geschäft gewejen, und es sei begreiflih, daß man sich davon nit trennen wolle: fiat justitia, pereat mundaus, Daß die Nachgläubiger ein rechtlihes Jnteresse an der Subhastation ten, bestreite er. Sie hätten dies Interesse niht als echtegläubiger, sondern als Güterspekulanten. Er wisse nit, ob man sich für solche besonders ehauffiren solle. Von dem Geseze verspreche er * sich im Grgensaß zu dessen Gegneru eine besondere Stellung des Realkredits. Der Besißer bedürfe unkündbarer Realkredite zu geringen Zinsen und Amortisationen. Dies werde nur erreiht dur solide Kreditinstitute. Er wolle aber keine Perturbation und Zwangs- vollstreung, und eine unzeitige Zurückzahlung der Hypotheken. Jn dieser Beziehung werde nun die Vorlage einen wohl- Wâtigen Einfluß ausüben. Er mache über die Wirkungen derselben feine übertriebenen Versprechungen, hoffe aber, daß die Kommission dem Reformgedanken der Vorlage eine Gestalt geben werde, die alle Theile befriedigen werde. ; Abg. Dr, Hänel erklärte, er spreche niht im Namen seiner politischen Freunde, stche aber der Vorlage, die A Partei als eine politishe niht angesehen habe, viel Jym- pathischer gegenüber als der Abg. Westerburg. Zunächst jpreche er der sorgfältigen juristishen Auffassung, welche von der Unklarheit in den Verwaltungsgeseßen vortheilhaft ab- weiche, seine Anerkennung aus. Die Grundkonstruktion scheine ihm richtiger und gesünder als die bisherige des preußischen Rechts. Ob das eine oder andere System besser sei, könne sih erst zeigen, wenn man vor Mißbräuchen stehe, und diese würden durch das neue Gesez eingeschränkt. Erhöht im mathematischen Sinne werde der Werth des Grund- besißes durch diesen Gesehentwurf nicht, die Tendenz desselben gehe im Gegentheil dahin, eine Einshränfung des bisherigen unsoliden Kredites herbeizuführen. Allerdings dürfe dabe

nit vergessen werden, daß dur eine solhe Anordnung viel- fa au der völlig berechtigte Kredit. abgeschnitten werde. Die

Wenn aber der Herr Vorredner an mich die Frage ritet,

werdèn brauchten, sondern als othelen auf dem Grund- stück stehen bleiben könnten. Dypoty !

Darauf wurde die Vorlage an eine besondere Kommission von 21 Mitgliedern überwiesen.

Es folgte die erste Berathung einer Landgüter- ordnung für die Provinz Brandenburg.

Der Abg. Zelle bemerkte, bei dem in Rede stehenden Gesehe werde der Justiz-Minister nicht denselben Grund gel- tend machen können, wie bei dem vorangehenden. Es sollte eine so wiclige Materie, wie ‘die Landgüterordnung, zusam- men mit dem gemeinen bürgerlichen Rechte behandelt werden. Es würde nach diesem Geseße in der Mark Brandenburg ein verschiedenes Erbre@t gelten, je nachdem es sich um ländliche oder andere Grundstücke handele, und bei den ländlichen würde wieder ein Unterschied auf Grund der Veranlagung zur Grundsteuer zu machen sein. Hauptsächlich der Bauernstand werde mit diesen privilegirten Testamentsverfügungen, wie sie bisher no in keinem Rechtssystem bekannt gewesen seien, bedacht ; denn die. Besißer der Rittergüter in der Mark Brandenburg gehörten einer Klasse an, die sih in ihren Familienverhältz nissen bisher selbständig Ordnung zu schaffen gewußt habe. Der geplagte Bauer nun komme ihm vor wie ein kerngesunder Mann, zu dem der Arzt ungerufen trete, und demselben durch- aus ein Rezept verschreiben wolle. Jm Allgemeinen werde von allen märkishen Behörden anerkannt, daß ein Nothstand, wie derselbe zur Motivirung dieser Vor- lage da sein müßte, nicht vorhanden sei. Der Bauer sei mit dem bestehenden Gesch und der eingebürgerten Sitte bisher völlig ausgekommen. Noch 1863 habe die Staätszregierung selbst ausgesprochen, daß der Bauernstand ein solh2s Geseß als eine unverdiente Bevormundung ansehen müsse, und es mit um so größerem Mißtrauen betrachten würde, je weniger derselbe durch sein cigenes, stets auf Erhaltung des Grunde eigenthums gerichtetes Verhalten dazu Veranlassung gegeben habe. Und 1827 hätten auf dem: Provinzial - Landtage die Abgeordneten der Landgemeinden erklärt, alle ihre Kinder seien ihnen gleih lieb. Der Punkt, von welchem dieses neue Geseß ausgehe, jei die Provinz Westfalen. Von dem dortigen Bauernverein gehe die Anregung aus. Ein Mitglied des westfälishen Provinzial-Landtags habe sich als Gewährsmann vor vier Wochen im Herrenhause über den Erfolg des neuen Erbrechtsgeseßes wie folgt ausgesprochen: „Das müsse er aber konstatiren, daß Eintragungen in die Landgütterrolle bisher nicht stattgefunden hätten.“ Das sei doch aber die Probe auf

warum ich in einer Zeit, wo wir ein allgemeines. deutshes Geseßz- bu, wenn au erst in mehreren Jahren, zu ecwarten haben, auf diesem Gebiete mit so ge Swleunigkeit vorgegangen sei, so eres widere ich ihm: weil die Noth gerade auf diesem Gebiete in vielen Theilen unseres Landes und niht am wenigsten in dem Landestheile, dem der Herr Abgeordnete selbft angehört, so groß war, daß ic ge- glaubt haben würde, mi verantwortlih zu machen, wenn ih mit dieser Gesetzgebung bis dahin hätte warten wollex, bis wir das allgemeine deuts&e _ Gesezbub bekommen. Auhß ih hoffe, daß wir diejes, GeseßbuW in ein paar Jahren allerdings noch nit wohl aber, daß wir dieses Geseßbuch in gegebener Zeit be- kommen werden; ih glaube aber, es wird jedenfalls noch so lange dauern, daß dieses jet beabsichtigte Geseß Zeit haben wird, seine wohlthätigen Wirkungen noch manches Jahr vorher ausüben zu können. - Der Herr Abgeordnete erkennt an sich an, daß der Geseßentwurf ein gut-r, wohlthätiger sei, und sein Haupt- bedenfen besteht nur darin: er habe feine Garantie dafür, daß dieses Gesetz, wenn wir es jezt zu Stande bringen, nicht dereinst möwte durch das große deutsde Gesezbuch wieder abgeändert werden. Nun ift es allerdings rihtig, Niemand von uns hier in diesem Hause kann eine Garantie dafür übernehmen, daß die Grundsäße des deut- schen Gesetzbuchs demnäcbst si mit denen decken werden, die wir hier Ihnen vorschlagen und die wir zum Geseh zu erheben hoffen.

Das aber, meine Herren, glaube ih ohne Ueberhebung aus- spreben zu können; wenn der größte deutsde Staat eine solche Ge- seßgebung in Uebereinstimmung mit seiner Landesvertretung zu Stande bringt, wenn die Grund|äße, die in einem folhen Gese von Regierung und Landesvertretung angenommen werden, wenn dies seine Grundsätze sind, welche die al und Praxis Jahre lang vor- bereitet und als die richtigen erkannt hat dann, meine Herren, wird, glaube i, die deutshe Geseßgebung nothwendig auf demselben Weg gehen müssen, den wir dur dieses unser Geseß ihr vor- gezeichnet haben. Das ist keine Ueberhebung des CEinzelstaats, jondern das ist das natürlihe Gewicht, welhes ein großer Staat mit seiner Gesetzgebung, getragen von der Zustimmung der Wissenschaft und getragen von der Zustimmung der Landesvertretung, auf die deutsche Gesetzgebung wird auëüben dürfen und wird ausüben müssen. Darum, glaube ih, sollte der Herr Abgeordnete aus diesem Grunde dem Gesetze seine Unterstüßung wirklih nicht versagen; und ih bitte darum, „daß Sie Alle aus einer möglichen Geseßgebung der Bus kunft, nämlih dem möglichen deutschen Geseßbuh, nicht ein Ar- gument herleiten mögen, um das augenblicklih vorliegende Geseß, das cine Sen Nothstande abhelfen soll, auf die lange Bank zu schieben. : L :

Der Abg. Nocren erklärte, am meisten habe ihn für die Vorlage die allgemeine Zustimmung eingenommen, die ihre wesentlichsten Bestimmungen in den Kreisen der Grundbesißer gefunden habe. Die dagegen erhobenen Bedenken richteten si nur dagegen, daß der Schuß des Grundbesißes nicht weit genug gehe. Dem gegenüber betone er, daß es auf diesen Schuß nicht direkt ankomme, sondern daß es si eigentlih um die Regelung der Zwangsvollstreckung handele. Man könne auch die Materie nicht auf einmal regeln, sondern müsse vorsichtig abwarten, wie in der Praxis sich die Sache bewähre, und ob man den eingés{chlagenen Weg weiter verfolgen dürfe. Er betrachte alle diejenigen, denen die Vorlage nicht weit genug gehe, nicht als Gegner derselben, und ebenso wenig rechne er diejenigen dahin, Li den Grundgedanken selbst nit bekämpfen, sondern nur die praktischen Ausführungen desselben, Jn dieser Be- zichung stellten wohl den wundesien Punkt die Korreal- bypothekenverhältnisse dar, und „diese veranlaßten wirïliche Bedenken. Ec könne allerdings nicht so weit gehen, und, wie ein Redner des Herrenhauses gethan habe, die Korrealhypothe- ken für eine mißliche Art des Kredits erklären, ‘fondern er meine, man müsse mit dieser Art des Kreditgebens immerhin renen ; diese Schwierigkeiten würden ja aber in der Kommission beseitigt werden. Er glaube, in Folge dieses Geseges werde jeder Gläubiger wissen, daß derselbe für sein Darlehen nur so viel Sicherheit habe, als ihm die Befriedigung der vorher eingetragenen Gläubiger lasse. „Für günstig halte er auch die Bestimmung, daß die Kaufgelder nicht baar ausgezahlt zu

das Exempel. Wenn die Bauern ein neues Erbrecht so nöthig hätten, würden sie sich doch die gebotene Möglichkeit zu Nuße machen! Diese Erfahrungen hätten denn auch wohl dazu geführt, den märkishen Bauern nit bloß die Möglich- keit einer Verbesserung ihrer Lage zu geben, sondern sie gleih zu dieser Verbesserung zu zwingen. Man habe gesagt, das neue Gese wolle nur das Herkommen im Bauernstande fixiren. Eine solche Gesehgebung trete aber gerade dem Her- fommen entgegen. Sei denn der älteste Sohn immer gerade der zur Uebernahme des väterlichen Gutes gzeignetstz ? Werde nicht dur den Entwurf eine große Ungerechtigkeit in Bezug auf die Wittweund die minorennen Kinder geschaffen ? Wér hindere den Anerben, das Gut, das derselbe doch zu einem sehr niedrigen Preise bekomme, sodann mit Vortheil wieder zu verkaufen? Die in dem Entwurf vorgeschriebene Taxe vom 30faen Betrage des Grundsteuer-Reinertrages entsprehe doch dem wirklichen Werth durchaus nicht. Durch diese Abshäßung würden die übrigen Kinder auf ein Pflichttheil geseßt, und dadur die Eintracht in den Familien s{chwer geshädigt werden. Der märkische Bauer habe seine Familienangelegenheiten und sein Erbrecht bisher so gut selbst regulirt, daß derselbe die Hülfe dieses ‘Gesetzes nicht brauche, lasse man denselben also in Ruhe. Er shlage vor, da die Agrarkommission zu überlastet sei, den Ge- seßentwurf einer besonderen Kommission von 14 Mitgliedern zu überweisen.

Der Abg. Frhr. von Schorlemer-Als|t entgegnete, der Abg. Zelle habe Recht, man habe in Preußen zu viel Geseße gemacht, nämlih zu viel s{lechte Geseze. Wie massenhaft seien- die Kulturkampfsgeseße angefertigt worden; damals hätten die Herren von der Linken nicht über die Ueberproduï- tion geklagt. Wer die Nothwendigkeit dieses Geseßes bestreite, wie der Abg. Zelle, kenne eben die traurige Lage des Bauern- standes nicht. Es sei auch gar niht im Geringsten davon die Rede, daß es auf den Bauernstand abgesehen sei ; die Bauern im Provinzial-Landtag hätten gerade das Anerbenrecht verlangt ! Auth von einer Bevormundung des Bauernstandes sei gar nicht die Rede, es handele si imGegentheil darum, eine alte Bevormun- dung aufzuheben. Nicht der westfälishe Bauernverein und sein Vorsitzender seien die Urheber der Bewegung, sie sei von Hannover ausgegangen, Ob die Bauern jenes Vereins eigent- lich keine Bauern seien, könne der Abg. Zelle auf der nälhsten Generalversammlung, wenn derselbe wolle, persönli erproben! Redner ging sodann auf die bekannte Vorgeschichte des Geseß- entwurfs und der Landgüterrolle für Westfalen näher ein; der Märkische Landtag habe sich mit 58 gegen 6 Stimmen für das Anerbèenrecht erklärt, allerdings au einen §. 7 an- genommen, der das freie Dispositionsrecht vollständig wahre. Im Herrenhause seien die Erklärungen der Minister bezüglih der Ablehnung der modifizirten Vorlage Seitens der Ne- gierung nit so bestimmt gewesen, um das Abgeordnetenhaus zu bestimmen, die Höferolle wieder herzustellen. Die Re- gierung hätie hon für Westfalen das Anerbenrecht vorschlagen sollen, jet werde es ihr sehr schwer, von dem System der Höferollen zurüczutreten. Namentlich schwierig müsse die Stellung des Justiz-Ministers in der Frage gewejen sein. Für die Fassung des Herrenhauses werde er stimmen, troß der relativ ungünstigeren Lage, in welche Westfalen dadur ge- rathe. Wenn in Westfalen noch keine große Wirkung der Landgüterrolle zu verspüren gewesen sei, so müsse man erwägen, daß das Geseß erst sechs Monate, auf manchen Amtsgerichten erst zwei Monate in Geltung sei; außerdem seien die Westfalen sehr vorsihtige Leute und das eheliche Güterreht bereite in Westfalen besonders große Schwierigkeiten; es gebe nit we- niger als 18 verschiedene chelihe Güterrechte älteren und neuen Ursprungs. Au gingen Männer wie Frauen in

Westfalen ungemein ungern zum Gericht; von Seiten der