E A S S S R S E
Erste Beilage
zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.
N: 135.
Berlin, Dienstag, den 12. Juni
1883.
Nicßtamtliczes.
Preußen. Berlin, 12. Juni. Jn der gestrigen (101.) Sibung des Reichstags trat das Haus K e Bes rathung des Berichts der Reihs\chulden-Kommission än: I. über die Verwaltung des Schuldenwesens des Nord- deutshen Bundes bezw. des Deutschen Reichs; I1. über ihre Thätigkeit in Ansehung der ihr übertragenen Aufsicht über die Verwaltung: a. des Reichs - Jnvalidenfonds, b. des Festungsbaufonds und c. des Fonds zur Errichtung des Reichstag8gebäudes; IIT, über den Reichskriegs\haß und 1Ÿ. über die An- und Ausfertigung, Einziehung und Ver- nihtung der von der Reichsbank auszugebenden Banknoten.
Ueber diesen Bericht der Reichsshulden-Kommission ex- stattete der Abg. Horn Namens der Kommission mündlichen Berit; auf Antrag der Kommission wurde der Reichs- shuldenverwaltung und derjenigen des Reis-Jnvalidenfonds Decharge ertheilt für die Verwaltung des Reichs\hulden- wesens, des Reihs-Jnvaliden-, des Festungsbau-, des Neichs- G, des Reichskriegs\{haßes und der Banknoten- ausgabe.
“Dicali wurde die zweite Berathung des Reihshaus- halts- Etats pro 1884/85 mit dem Etat der Post- und Telegraphenverwaltung fortgeseßt.
Den Tit, 54 (Miethe für Postgebäude, welche auf Grund von Verträgen für die Postverwaltung neu errichtet werden, 451 000 é) beantragte die Budgetkommission, in einer Fassung anzunehmen, nach welcher alle die (etwa 140) Ortschaften in E aufgezählt werden, wo si derartige Postgebäude efinden.
Der Abg, Ricert konstatirte, daß derartige Miethsverträge einzig und allein von der Postverwaltung, und nicht etwa, wie behauptet worden, auch von der Kriegsverwaltung abge- shlossen würden. i
, Eine längere Diskussion galt der Frage, ob es ctatsreht- lih nothwendig sei, au die Orte Gelnhausen, Harzburg und cinige andere in dem Titel mitauszusühren. Das Haus be- {loß Zurü@verweisung des Titels an die Kommission zur nochmaligen Berichterstattung bis zur dritten Lesung. Der Nest des Ordinariums wurde ohne Diskussion nah den Kom- missionsanträgen erledigt.
Bei den einmaligen Ausgaben beantragte die Budget- fommission, die geforderten ersten Raten für Herstellung neuer Postdienstgebäude in Verden (53 000 M), Leer (90 850 44), Cüstrin (88 850 M6), Pösneck (57 500 6), Elbing (93 900 4),
fortgeseßten Diskontokrieg zwishen den einzelnen Banken. Er hätte die ganze Frage überhaupt nicht angeregt, wenn er zur Regierung das volle Vertrauen hätte, daß sie die Be- deutung der Frage begreife. Leßteres seine aber leider nah den Aeußerungen der offiziösen Presse nicht der Fall zu sein. Er hoffe, daß seine Rede nicht so ungehört verhallen werde, wie seine einstigen Reden, die er gegen- den Freihandel und für den Schußzoll gehalten habe. Der Bundeskommissar Geheime Negierungs - Nath Sw@hraut entgegnete, er habe zu konstatiren, daß bereits in der Reichstagssißun vom 10. März 1881 von dieser Stelle aus erflärt worden ti, daß die verbündeten Regierungen es für die deutschen Juteressen am zweckmäßigsten hielten, bis auf Weiteres bei dem Status quo zu verbleiben. Die seither ge- machten Wahrnehmungen hätten die Richtigkeit dieser Ansicht nit nur vollauf bestätigt, sondern verstärkt, und böten den verbündeten Regierungen feinen Anlaß, eine Aenderung des bezeichneten Standpunktes vorzunehmen. Was die verlangte Wiederaufnahme der Silberverkäuse anlange, so sei er mit dem Abg. von Kardorff vollständig einverstanden, daß die finanzielle Frage nicht die entscheidende sein könne, aber so ganz unwichtig sei sie denn doch niht. Deutschland habe die Silberverkäufe 1879 eingestellt, und bis dahin 44 Millionen Verlust gehabt. Wenn heute 100 Millionen verkauft wür- den, so würde Deutschland daran einen Verlust von 15 Millionen haben, Nun liege aber eine wirthschaftliche Noth- wendigkeit, die Silberverkäufe vorzunehmen, niht vor. Es zirkulirten noch 4 bis 500 Millionen Mark in Einthalerstücken, diese belästigten aber den Verkehr nicht, und hinderten au nicht die Goldeinsuhr, oder trieben das Gold aus dem Lande hinaus, Die Erfahrungen der leßten Jahre hätten klar nahge- wiesen, daß der Goldvorrath sich niht nur in Deutschland erhalte, fondern, daß Deutschland Gold vom Auslande zuströme, Man sage, der Diskont könnte bei der Reichsbank besser sein, wenn statt der Thaler Gold da wäre. Demgegenüber sei zu konstatiren, daß die Bank von England, deren Vorrath nur aus Gold bestehe, in der Diskontopolitik nicht besser gestellt sei, als die Reichsbank. Er komme nun zu der Frage der sogenannten Goldnoth. Hier rechne man größtentheils mit Vermuthungen statt mit Thatsachen, Man sage, es sei die Goldnoth bereits so weit, daß eine Goldvertheuerung vorhanden sei oder in Aussicht stehe. Nun sei unbedingt richtig, daß eine Ver- theuerung des Goldmaterials, des Geldes zu einem zunehmen- den Sinken der Preise führen müsse. Es sei aber nicht richtig, aus dem niedrigen Stande der Waarenpreise umgekehrt zu
Berlin (150 000 4), Neubrandenburg (80 000 4), Neu- münster (60 000 M), Stettin (100 000 4), Suhl (75 000 4) und Celle (90 000 6) sämmtli zu streichen. : /
Das Haus beschloß diesen R der Kommission gemäß bis auf die Forderung für Pösned, welche auf Antrag des Abg. Dr. Baumbach und auf Besürwortung dur den Staats- sekretär Burchard, entgegen dem Kommissionsantrage bewil: ligt wurde. i‘
Damit war der Etat der Post- und Telegraphen? Verwaltung erledigt.
Das Haus - bewilligte ferner ohne Debatte den Etat der Reichsdrudckerei.
Bei dem Etat des Neihs-Scchaßÿamts, speziell dem Titel, dex von den Ueberweisungen an die Bundesstaaten handelt, fam der Abg. Rickert auf den vorgesirigen Zwischenfall mit dem Abg. von Kardorff zurück, und verlas zum Beweise, daß der lebtere seiner Wählerschaft uneingelöste Versprehungen gemacht habe, verschiedene Stellen aus früheren Wahlflug- blättern, Wahlreden u. st. w. des Abg. von Kardorff, worin neue Zölle und Verbrauchssteuern verlangt würden zu dem Zweck, die Kommunallasten durch Ueberweisung der Grund- und Gebäudesteuer an die Kommunen zu erleichtern. Die neuen Zölle und Steuern seien eingetreten ; die Erleichterung der Kommunallasten aber noch niht. Der Abg. von Kardorff sei daher nicht berechtigt gewesen, ihm (dem Redner) auch nur hypothetish eine „dreiste Unwahrheit“ vorzuwerfen.
Der Abg. von Kardorff führte seine neulihe Aeußerung gegenüber dem Abg. Nickert auf ein Mißverständniß zurü, bestritt indessen nah wie vor, Versprehungen gegeben, und sie naher nicht eingelöst zu haben. h
Nah einigen weiteren Erörterungen wurde der Titel be- willigt.
Bei den Einnahmen aus dem Münzwesen bemerkte der Abg. von Kardorff : Die soziale, politishe und wirthschaftliche Bedeutung der hohwihtigen Währungsfrage werde von seinen Gegnern, den Anhängern der absoluten Goldwährung, vielfa untershäßt, und andererseits die Dauerhaftigkeit der gegen- wärtigen wirthschafstlihen Zustände überschäßt. Es brauten nur einige weitere Staaten bei sich die Goldwährung einzu- führen, und sofort würden die 800 Millionen, die man in Deutschland an Silber habe, noch erheblih weiter entwerthet. fit hon seien die Thaler 15 Prozent unterwerthig; die
ilbersheidemünze 25 Prozent, Der Abg. Bamberger wolle now weitere Silberverkäufe ; einer der Jünger desselben habe fo- gar behauptet, so wie früher das Kupfer vom Silber verdrängt worden sei, so müsse jet das Silber vom Gold verdrängt werden. Wo in aller Welt habe aber jemals eine Kupfer- währung bestanden? Seines Wissens nur in Rom, ehe dieses zu irgend welcher internationalen Bedeutung gelangt sei, Man habe ihm vorgeworfen, seine Feindschaft gegen die Goldwährung beruhe auf agrarischer Agitation. Er beziehe si aber auf erste Autoritäten im Gebiete des Münzwesens, auf den Professor Laveleye und auf den Eng- länder Göschen. Beide ständen in der Währungsfrage dutch- aus auf seinem Standpunkt. Er behaupte allerdings, daß die Einführung der Doppelwährung, die er vertrete, im Jnter- esse der nationalen Produktion liege, während die Goldwährung nur zum Nutzen der Kapitalisten diene. Die Beibehaltung des jebigen Zustandes in dem deutshen Münzwesen halte er aber für noch gefährlicher, als selbst die vom Abg. Bamberger vorgeschlagenen Silberverkäufe. Man habe England die Gold- währung nahgemaht. England könne sich aber bei feinen großen Bezügen aus den Kolonien den Luxus einer s{hleten Währung, eines {lehten Bankgeseßzes gestatten. Der Man- gel an Gold mache sich {hon fühlbar, und führe zu einem
deduziren, daß die Ursache eine wirkliche Geldvertheuerung sein müsse, Hervorragende Führer der Bimetallisten seien der Ansicht, daß zur Zeit eine Goldvertheuerung noch nicht vorliege. Ob eine solhé in Folge der großen Nachfrage nach Gold eintreten werde, gehöre in das Gebiet der Vermuthung. Die ganze Goldfrage sei abhängig von Maßregeln der anderen Staaten in der Währungsfrage ; gerade deshalb aber müsse die Reichsregierung außerordentlich vorsichtig sein, ehe sie selbst zu eigenen Maßregeln schreite. Was solle Deutschland denn gerade nölhigen, in dieser Frage, die fo sehr wichtig und s{hwierig und wesentlich international sei, zuerst vorzugehen? Man sage: die Thaler! Man habe 400 bis 500 Millionen Mark in Thalerstücken in Deutschland, die 14 Prozent unterwerthig seien; Frankreih habe drei Milliarden unterwerthige Fünsfrankstücke. Warum sei Frank- reih nicht dasjenige Land, das mit dem Bimetallismus anfange? Man sage: die Sitberproduktion und der Handel mit England. Auch dies treffe niht zu, namentlih der wachsende überseeishe Export solle dadur geschädigt werden, wenn in der Valuta zwishen England und Deutschland eine Differenz bestehe. Der niedere Stand der Papiervaluta in Oesterrei, in England und Rußland sei ja ferner besonders der landwirthschaftlihen Produktion lästig, doch hänge diese Frage weniger mit der Münzfrage, als mit der Finanzfrage zusammen. Die verbündeten Regierungen hätten ih einer internationalen Regelung der Frage gegenüber nicht ableh- nender verhalten, als andere Staaten ; eine weitere Fnitiative auf diesem Gebiet zu ergreifen, hielten dieselben aber nicht für nöthig, glaubten vielmehr, daß Deutschland mit seinen ge- ordneten Kredit- und Finanzverhältnissen abzuwarten in der Lage sei, wie die Sache sih weiter entwidckele,
Dex Abg. Dr. Bamberger bemerkte, dur die eben gehörte Erklärung sei scine Aufgabe bedeutend erleihtert. Daß die Unschlüssigkeit der Regierung gegenüber den großen Silber- vorräthen bedenklih sei, darin stimme er dem Abg. von Kar- dorff nur bei. Aber dessen heutige Ausführungen ständen im Widerspru mit dem, was derselbe in seinem leider nicht zur Diskussion gelangten Antrag verlangt habe. Der Ver- treter der Reichsregierung habe erklärt, daß die Regierung gesonnen sei, an dem status quo festzuhalten, Jn die Ver- waltungsmaßregeln der Regierung wolle er sich nicht ein- mischen, und nur das festhalten, daß die Regierung nicht prinzipiell auf die Silberverkäufe verzichten solle. Die im Münzgeseß vorgeschriebenen Silberverkäufe seien nothwendig zur Durchführung der Münzreform. Den jedesmaligen Zeit- punkt der Silberverkäufe festzuseßen, sei Sache der Regie- rung. Darin habe sich die Geseßgebung nicht einzumischen. Jn der Währungsliteratur sei festgestellt worden, daß es möglich gewesen wäre, deutsches Silber zu einem besseren Preise, also mit geringerem Schaden zu ver- faufen, als es jeßt möglich sei. Von der Regierung könne man allerdings nicht erwarten, daß sie jeyt ein- gestehe, sie habe sih damals geirrt. Man \{hrecke immer ‘vor den hohen Kosten zurück, welhe die Abstoßung des Silbers veruxsachen würde; aber wenn man mehr als 100 Millionen für den Anschluß von Hamburg und event. Bremen an den Zollverein zur Diéposition habe, wenn man für einen Kanal nahezu 50 Millionen bewillige, dann „werde man wohl auch für den geringen Verlust an den Silberverkäufen eine gute Währung eintauschen können. Er sei mit dem Negierungs- vertreter darin völlig einverstanden, daß die Lage der deutschen Finanzen noch verhältnißmäßig die beste sei. Deutschland
abe eine gute Golddeckung in der Reichsbank; das Vor- Lanlenséin des Silbers mache doch die Diskontopolitik noch empfänglich für manhe Schwankungen. Jedenfalls würde es
sih empfehlen, der Bank die Nervosität dadurch zu benehmen, daß man sie ganz auf Gold stabilire, und die silberne Únter- lage völlig bejeitige. Der Silberpreis sei seit mehreren Jahren im steten Sinken begriffen ; die Silberproduktion soi die gleiche geblieben, und übersteige bei Weitem die Goldproduktion ; auch die Jndustrie verarbeite viel weniger Silber als früher; es fjei “also kein Grund abzusehen, weshalb ‘der
Silberpreis wieder auf das alte Verhältniß von 1 zu 1151/4 steigen + sollte. ‘Die Bimetallisten fklammerten sich allein an die internationalen Vereinbarungen
bezüglih der Münzausprägungen. Die Voraussagungen des Abg. von Kardorff und der Doppelwährungsmänner, daß Deutschland an der Goldnoth zu Grunde gehen würdch, O jämmerlih zu handen geworden, denn bald nachdem diese Prophezeiungen ausgesprochen seien, sei das Gold in die deutschen Banken zurückgeströmt. Früher hätten die Bimetal- [isten die Doppelwährung felbst ohne England einführen wollen ; jeßt hätten sie sih auf den Standpunkt zurückgezogen, daß sie fie nur mit England wieder herstellen wollten. Man habe zwei Münzkonferenzen arrangirt und was sei daraus hervorgegangen? Die Verhandlungen derselben seien beinahe komisch zu nennen. (Redner ging speziell auf den Verlauf der beiden Münzkonsferenzen ein.) Die Welt entziehe sfich dem Gebrauch des s{chweren Silbergeldes und verlange nah Gold oder Banknoten. Er möchte den Herrn im Reichstage hier sehen, der 3 oder 4 Silberthaler in der Tasche habe. Der Vertreter der Reichsregierung habe übrigens zugegeben, daß die Preise niht in die Höhe getrieben seien durch die Ver- theuerung des Goldes, welche nah Meinung der Bimetallisten durch die starke Nachfrage nah Gold entstanden sein solle. Er hoffe, daß die verbündeten Regierungen auf ihrem Stan d- punkte auch ferner beharren würden.
_ Die Diskussion wurde geschlossen, und die Position be- willigt, ebenso der Rest dieses Etats ; ferner die Spezialetats der Reichsshuld, der Neichsstempel-Abgaben, des Bankwesens, der Ueberschüsse aus früheren Jahren, der Zinsen aus bez legten Reichsämtern, sodann aus dem Etat des Neichsamts des FJnnern der Titel: „Dritte Nate zur Errichtung des Reichs- tagsgebäudes“, der Matrikularbeiträge, und. {ließlich das Etats- und Anleihegesez vorbehaltlih der Feststellung der Schlußsummen.
Damit war die zweite Berathung des Etats erledigt.
Auf der Tagesordnung stand noch als leßter Gegenstand die dritte Berathung des Entwurfes, Hhetresfend die Abände- rung des Neichsbeamten-Geseßes ; das Haus beschloß jedo, sih zu vertagen.
Hierauf ergriff der Bevollmächtigte zum Bundesrath Staatssekretär des Reichs-Schaßamts Burchard das Wort:
Meine Herrea! Jch bitte um die Erlaubniß, eine Erklärung ab- geben zu dürfen, die zwar erst den leßten Gegenstand der heutigen Tagesordnung betrifft, die ih aber doch nicht länger dem hohen Hause vorenthalten möchte.
Die Kommissionsberathungen über die dem hohen Hause vor- gelegte Novelle zum Militärpensionsgeseß haben den verbündeten Re- gierungen zu ihrem Bedauern nicht die Ueberzeugung gewähren können, daß es gelingen werde, in der gegenwärtigen Session zu einer Ueber- einstimmung der Gesetzgebung Über diese Novelle zu gelangen. Unter diesen Umständen würde eine Annahme des gleichfalls vorliegenden Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Abänderung des Reichs-Be- amtengeseßes, und die darauf folgende Sanktion dieses Entwurfes cine verschiedenartige Behandlung der Reichs-Civilbeamten und der Offi- ziere der Armee bezüglich der Pensionssäte herbeiführen. Eine solche Disparität wünschen die verbündeten Regierungen zu vermeiden und sie werden in diesem Wunsche bestärkt durch Aeußerungen, welche in diesem hohen Hause bei früheren Berathungen gefallen sind, und welche ebenfalls darauf gerihtet waren, eine Gleichstellung beider Kategorien von Funktionären herbeizuführen.
Ich bin deshalb durch einen Beschluß der verbündeten Regierun- gen ermächtigt, den unter Nr. 146 vorliegenden Geseßentwurf im
amen Sr. Majestät des Kaisers aus der Berathung des Neichstages zurückzuziehen.
Der Präsident von Leveßow segle auf die morgige Tages: ordnung unter Anderem die dritte Berathung des Etats.
Der Abg. Richter (Hagen) verzichtete auf das ihm ge- \chäftsordnungsmäßig zustehende Recht des Widerspruches gegen eine so vorzeitige Anseßung der dritten Lesung, da er dadurch doch nur die dritte Berathung um einen Tag hinausschieben, aber nit vereiteln würde, zumal auch eine Anzweifelung der Beschlußfähigkeit bei der starken Präsenz der übrigen Parteien ohne Erfolg wäre. j
B vertagte sih das Haus um 51/, Uhr auf Dienstag 12 Uhr.
— Die in der gestrigen (79.) Sißung des Hauses der Abgeordneten bei der ersten Berathung des Geseß- entwurfs, betreffend die Abänderung der kirchenpoli- tishen Geseße, nah dem Abg. Nichter (Hagen) vom Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten von Goßler ge- haltene Rede hat folgenden Wortlaut:
Meine Herren! Wenn man si der Verhandlungen des 25, April * erinnert und namentlich den warmen Appell vor Augen hat, welchen der Hr. Abg. Dr. Windthorst an die Staatsregierung richtéte, ange- fihts der \creienden und keinen Augenblick länger mehr mit anzu- sehenden Nothlage sofort mit geseßgeberishen Maßnahmen vorzu- gehen nah der Richtung des österreichischen Gesehes, wenn man mit diesem Appell vergleicht die heutigen A über die gegenwärtige Vorlage, so habe ih doch etwas den Eindruck nicht zurückhalten können, als ob die Staatsregierung mit ungleihem Maße gemessen worden ist. Der erste Eindruck, welchen die Vorlage in“ breiten Schichten unseres Volkes und weit darüber hinaus über die Grenzen des preußischen Staates gemacht hat, ist meines Erachtens der rihtige, nämlich derjenige, daß die Regierung in - der That aus einer weiten und howherzigen Entschließung heraus eine groß ‘angelegte Reform unserer kirchenpolitischen Geseßgebung angebahnt hat. (Dho!“ links.) Meine Herren, diesen Eindruck wird sih dié Regierung nicht verküim- mern lassen; es ist unrichtig, wenn durch die Ausführungen des ersten Herrn Vorredners die. Bedeutung der Vorlage so Ums{ränkt und umschrieben worden ist, als ob es si{ch nur ‘um ein Nothgeseß, eine Nothscelsorge handele. eine Herren, die Motive und ‘der Wortlaut des Gesehes sprechèn entshieden dagegen ; darüber ist gar kein Zweifel, daß, wenn man sich über die novelliftische Fassung, die ja naturgemäß-ein folches Gesez haben muß, hinweg- jeyt und die Vorlage in Verbindung mit“ den bestehenden Geseßen ringt, daß in der That eine so tief eingreifende, grundsäßliche und