1883 / 150 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 29 Jun 1883 18:00:01 GMT) scan diff

Erfte Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Siaals- Auzeiger.

M 150.

Berlin, Freitag, den 29. Juni

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Nichtamkligßes.

Preußen. Berlin, 29. Juni. Jm weiteren Ver-

Taufe der gestrigen (16.) Sißung des Herrenhauses empsahl Herx von Winterfeld Namens der Kommission dem aus dem Abgeordnetenhause in abgeänderter Fassung zurück- gekommenen Entwurfe der Landgüterordnung für die Pro- vinz Brandenburg die Zustimmung zu ertheilen. Herr Graf von Arnim-Boigzenburg befürwortete diesen An- trag. Wenn es ihm auch erwünscht gewesen, daß die früheren Beschlüsse des Herrenhauses, entsprechend den Wünschen des Provinzial-Landtages, Geseß geworden wären, so sei do zu- zugeben, daß au die Höferolle das von ihm gewollte Ziel, wenn au auf anderem Wege, verfolge. Uebrigens sei es ein großer Jrrthum, die intendirte Jntestaterbfolge als eine ultra reakttionäre Maßregel darzustellen.

Herr Graf von der Sculenburg-Beeßendorff erklärte si gegen den Kommissionsantrag. Die erste Aufgabe müsse die Erhaltung und Hebung des Bauernstandes sein, Redner ver- wies in eingehender Weise auf die Geschichte des Bauernstan- des der Mark Brandenburg, und wie er stets unentwegt zum Herxscherhause gestanden. Die Bauern wären und seien die Festesten Stützen unseres Königsthrones, würden sih aber auf die Dauer der Einsicht nicht verschließen können, daß sie der Macht und dem Einfluß des Kapitals zum Opfer fallen würden. Sie hiergegen zu \{hüßen, sei die Absicht des früheren Beschlusses des Herrenhauses gewesen und er bedauere, daß die Regierung ihren Einfluß im anderen Hause nicht geltend gemacht Habe, um diese Beschlüsse durchzubringen. Er könne deëhalb nux gegen die Vorlage stimmen.

Nachdem noch Herr Graf von Brühl darauf hingewiesen, daß, da man das Gute nit haben könne, es sich darum nur handle, das weniger Gute abzulehnen oder anzunehmen und baß er sih für die leßtere Alternative entscheide, wurde die Debatte geschlossen und die Vorlage en bloc angenommen. Es folgte als dritter Gegenstand der Tagesordnung die Berathung des Geseßentwurfs , betressend das Staatss{chuldbuch. Die Kommission empfahl, den Veränderungen des Abgeordneten- hauses gegenüber die §8. 15 und 21 in der Fassung der Re- gierungsvorlage wieder herzustellen. Nachdem der Referent Herr von Pfuel den Antrag befürwortet, empfahl Herr Mevissen die Nothwendigkeit für den sparenden Mittelstand die Ge- legenheiten zu einer soliden Kapitalanlage zu vermehren, um denselben von den zweifelhaften Werthpapieren abzuhalten, die bei eintretender Krisis das Großkapital billig ankaufe. Er wünsche deshalb weiter gehendere Erleichterungen als sie die Vorlage darbiete.

Hexr Camphausen empfahl die Annahme des Gesehes, welches er als einen Fortschritt auf dem Gebiete unseres Staatss{chuldenwesens bezeichnet.

Der Finanz: Minister von Scholz stimmte dieser Ansicht zu. Die Vorlage sei nichts Vollkommenes, sondern gleichzeitig ein Versuch, an den si weitere Vorschlage knüpfen fönnten, wenn si die praktishe Ausführung bewähre. Er bitte aber, die Camphausenshen Abänderungsanträge zu 8§. 1 nit an- zunehmen.

Herr Graf zur Lippe hegte manche juristishe Bedenken gegen das Geschästsverfahren bei der Schuldbuchbehörde. Die Einsendung der Gelder an dieselbe sei shon deshalb bedenk- li, weil die Post für etwa eintretende Verluste keineswegs immer einen vollkommenen Ersaß leiste.

Nachdem Herx Strulmann den Antrag Camphausen als eine wesentlihe Verbesserung des Geseßes bezeihnet, der Finanz- Minister von Scholz dagegen exklärt hatte, daß die Annahme desselben eine völlige Umarbeitung des Geseßes nothwendig machen würde, auf die man aber verzihten müsse, wenn das Gesetz zu Stande kommen folle, wurde die Generaldebatte ge- \{lossen. An derx Diskussion über §. 1 und den hierzu vor- liegenden Antrag Camphausen, dem §. 1 als Absaß 2 hinzu- zufügen: „Bei neuen Emissionen jener Anleihe können, ohne vorgängige Ausfertigung und Vernichtung von Schuldver- schreibungen, Eintragungen in das Staatsschuldbuh auf den Namen derjenigen Gläubiger, welhe auf die Aushändigung von Schuldverschreibungen auf den Fnhaber Verzicht leisten, gebührenfrei bewirkt werden“, betheiligten sih neben dem An- tragsteller die Herren Graf zur Lippe und Struckmann und der "Finanz-Minister von Scholz und sein Kommissar Ge: heime Ober-Finanz-Nath Rüdorff. Dann wurde der Antrag abgelehnt und §. 1 angenommen. Ï

: Die 88. 2 bis 5 wurden debattelos genehmigt. Bei 8. 6 beantragte Graf zur Lippe, dem dritten Absaÿ am Schlusse die Worte hinzuzufügen: „zu deren Anfertigung die Hauptvéerwal- tung der Staatsshulden hierdurch ermächtigt wird“. Nachdem der Antragsteller den Antrag befürwortet und der Finanz- Minister si ebenfalls süc denselben erklärt hatte, wurde der- selbe vom Hause angenommen. Debattelos wurden sodann die 88. 15 und 21 dem Antrage der Kommission gemäß in der Fassung der Regierungsvorlage wieder hergestellt.

Ein weiterer Antrag des Grafen zur Lippe wurde abge- Lnt und der Rest der Vorlage angenommen. Um 5 Uhr 50 Minuten wurde dann die Sißung auf Abends 7 Uhr ver: tagt. Tagesordnung mehrere kleinere Vorlagen.

Jn der gestern Abend stattgefundenen 17. Sigzung des Herrenhauses, welche der Präsident Herzog von Ratibor um 7 Uhr % Minuten eröffnete und welcher der Justiz: Minister Dr. Friedberg und eine große Anzahl von Negie- rungskommissaren beiwohnte, seßte das Haus sofort die Be- rathung des von der Vormittagésizung verbliebenen Restes der Tagesordnung fort. Herr Graf von der Sculenburg- Angern erstattet Namens der Budgetkommission Bericht über Rechnungen der Ober-Nehnungskammer für das Jahr vom 1. April 1881/82 und beantragt die Decharge zu ertheilen. Das Haus beschloß dem Antrage gemäß ohne Debatte und erachtete die Petitionen der Handelskammern zu Frankfurt a, M., AaWen und Burtscheid, Stolberg und für die Kreise Arnsberg, Meschede und Brilon, betreffend die Er- haltung der amtlihen Probiranstalt zu Frankfurt a. M., für nicht geeignet zur Erörterung im Plenum.

Es folgte die einmalige Schlußberathung über den Gejeß-

entwurf zur Abänderung des Gesetzes, betreffend die Landes- bank in Wiesbaden. Der Berichterstatter Herr Lotichius beantragte die unveränderte Annahme der ‘Vorlage nah den Beschlüssen des Abgeordnetenhauses. Der Regierungskommissar erklärt, daß die Staatsregierung wegen des vom Abgeordneten- hause angenommenen Zusaßes wegen der Ermäßigung der Bürgschaftsbedingungen das Geseß nicht illusorisch machen wolle, daß sie si aber jeßt {hon gegen die daraus ent- stehenden Konsequenzen verwahren müsse. Das Haus genehmigte den Antrag der Kommission. Der dritte Gegenstand der Tagesordnung wax die ein- malige S@&lußberathung über den aus dem Abgeordneten- hause in abgeänderter Fassung zurückgekommenen Geseh- entwurf, betreffend die Kichenverfassung der evange- [ish-reformirten Kirche der Provinz Hannover.

Der Berichterstatter Herr Meyer (Celle) beantragt, den Entwurf in derselben Fassung anzunehmen, in welcher er aus dem Abgeordnetenhause herübergekommen ist. Herr Struck- mann machte auf die Gefahren ausmerksam, welche der evan- gelisch-reformirten Kirche daraus entsländen, wenn nach dem Geseße die Lutheraner, welche innerhalb der Gemeinden woh- nen, stimmberechtigt sein sollen. Der Regierungskommissar, Ministerial-Direktor Barkhausen hielt es für unverständlich, daß die Vorlage mit dem in Verbindung stehen solle, was der Vorredner erwähnte, Das Geseß wurde hierauf in un- veränderter Fassung angenommen.

Es folgte die einmalige Schlußberathung über den 34. Bericht der Staatsschuldenkommission, betreffend die Ver- waltung des Staatsshuldenwesens im Rechnungsjahre vom 1. April 1881/82, Der Berichterstatter Graf von der Schulenburg- Angern beantragte in Uebereinstimmung mit dem Abgeordneten- hause, der Staatsschuldenkommission Decharge zu ertheilen, und das Haus trat diesem Antrage ohne Diskussion bei.

Herr Graf zur Lippe erstattete hierauf den Bericht der Matrikelkommission, und das Haus stimmte den Anträgen der Kommission zu.

Es folgte die einmalige Schlußberathung über den Ge- seßentwurf, betreffend die Ausübung des dem Staate zustehen- den Stimmrechtes bei dem Antrage auf Ausdehnung des Unternehmens der Westholsteinishen Eisenbahngesellshaft auf den Bau und Betrieb einex Eisenbahn von Wesselburen nah Büsum. Der Berichterstatter Herr Bredt beantragte, dem Ge- seßentwurf in Uebereinstimmung mit dem Abgeordnetenhause

und das Haus trat dem Antrage ohne weitere Debatte bei. Hexr von Schuhmann exstattete Namens der Agrarkommis- sion mündlichen Bericht. über die Geseßentwürse, betreffend

die Befugnisse der Strombauverwaltung gegenüber den Ufer- besißern an öffentlichen Flüssen, und betreffend die Aufhebung der Ufer-, Waid- und Hégungsordnung sür das Herzogthum Schlesien und die Grafschaft Glaß vom 12. September 1763 und beantragte, den. Geseßentwürfen in Uebereinstimmung mit dem Abgeordnetenhause die Genehmigung zu ertheilen. Nach einigen furzen Bemerkungen des Herrn von Woyrsch und des Regierungskommissars Geh. Regierungs:-Naths Stiliéteni von Zedliß und Neukirh wurde der Antrag der Kommission genehmigt.

Der leßte Gegenstand der Tagesordnung war der mündlihe Bericht der Agrarkommission über die Petition des Fischereipächters Gawlick zu Rastenburg um Abänderung der Filchereiordnung. Der Berichterstatter Herr von Woyrsch beantragte, die Petition dex Königlichen Staatsregierung als Material für eine Revision der provinziellen Ausführungsver- ordnung zum Fischereigeseß zu überweisen. Das Haus trat dem Antrage beîi.

Schluß der Sißung 81/z Uhr. Nächste Sißung Sonn- abend 10 Uhr.

Die in der gestrigen (86.) Sißung des Hauses der Abgeordneten bei der dritten Berathung des Ent- wurfs eines Gesetzes, betreffend die Shulversäumnisse, nat dem Abg. Dr. Windthorst von dem Minister der geist- lichen 2c. Angelegenheiten von Goßler gehaltene Nede hatte folgenden Wortlaut :

Den Standpunkt, welchen ich den Ausführungen des Hrn. Abg. Dr. Windthorst gegenüber einnehme seine einleitenden Säße habe ih nicht verstanden; das war bei dem Geräusch, welches herrschte, von meinem Plaße aus nicht möglich kann ih im wesentlihèn nur dahin carakterisiren, daß ih in allen erbeblichen Punkten genau ent- gegengeseßter Ansicht bin. Er hat seine Ausführungen mit allge- meinen Bemerkungen verflocten, ‘die in seinem Munde nicht neu sind und denen ih , bei jeder Gelegenheit, wo ih es für rihtig erachtet habe, auch entgegetreten bia, Ich halte die Entwickelung unseres preußischen Volss{ulwesens für eine gesunde, die betreffende Gesetzgebung für eine ritige und werde, #o lange ich ein Wort mitzusprechen habe, nicht die Grundlage verlassen, die in unserer Verfassung und in unserer historischen Gntwidelung dem preußischen Volks|hulwesen gegeben ist, und der ich in diesem vorliegenden Geseßentwurf zu einem neuen Ausdruck verhelfen möchte. Die allgemeine Behauptung des Hrn. Abg, Dr. Windthorst, daß die Vorausseßung für die gegenwärtige Vorlage hinfällig geworden sei, weil die preußische Schule eine andere geworden sei, unter- schreibe ich nicht. Der Hr. Abg. Dr. Windthorst hat zwar bereits im Voraus gejagt, er erwarte von mir eine rosige Schilderung unseres Schulwesens. Das werde ih aber nit thun. Jh mache keine rosigen Schilderungen, und wenn die Herren nur die Güte haben möchten, die Nachweisung über den Stand unserer Volksschulen ein- zusehen und zu studiren, die ih dur Vermittelung des statistischen Bureaus nur in dem Streben nah objektiver Treue aufgestellt und auch hier mitgetheilt habe, so werden Sie, wenn Sie überhaupt ¡wischen den Zeilen lesen können und wollen, ‘genau erkennen, daß i unsere Schulverhältnisse nit rosig ansehe. Das! En ab, sie in ihrer geseßlichen Grundlage und in ihrer thatjählichen Entwickelung für gesund zu halten, und ih habe nur den dringenden Wunsch, daß die Herren, wenn demnächst die große Frage na der Aufbesserung unseres Volks\chulwesens an sie herantritt, dann auch mit voller Hand die Mittel zur Besserung “dem Staat gewähren werden. Geschicht dies, dann wird au eine ganze Reihe von den Bedenken und Beschwerden, wie folche der Hr. Abg. Dr. Windthorst hervorgehoben bat, verschwinden, vor Allem die Bedenken, daß es den kleinen Leuten und den Kindern der- selben zu {wer gemacbt wird, die Schule ausreichend zu benußen.

ic Grundsätze, von denen die Schulverwaltung bei der An- E der Schulen ausgeht, sind auch ‘in meiner Nachweisung klar

unverändert die verfassungsmäßige Zustimmung zu ertheilen, -

Das hält mich aber nicht

zu erkennen, indèm ih allermaßen darnach strebe, vie großen Entfer- nungen, die vielfach den regelmäßigen Besuch der Schule ers{chweren, möglichft herabzudrücken. Dieses Ziel ohne sehr große Opfer zu er- reihen, ist bei der Anfiedlungéart, die wir in Preußen in fehr ver- schiedener Form haben, bei der Mannigfaltigkeit ver Terrains- bildungen außerordentliG \chwierig; die Bildung angemesse- ner Schulzirkel verfchiebt fsich naturgemäß in Niederungen, im Gebirge, Küsten, auf Nehruagen und in dergleichen un- regelmäßigen Terrains. Es wird troß aller Mühe immer Ver- hältnisse geben, die vom Standpunkt ves staatlichen Durhschnitts aus zwar übersehen werden können, die abe, wenn man den Einzelfall De unerwünscht erscheinen. Aus sol(en Details aber diz genérelte Behauptung ableiten zu wollen, als ob wir bei der Einrichtung der Schulen auf einem falsden Wege uns befinden und auch immer be- finden müssen, dem muß ih widersprechen.

Was ferner den Charakter, den konfessionellen Charakter der Volks\{ule betrifft, so haben wir auch darüber bereits vielfa unsere Gedanken ausgetausht. J habe meine Stellung durhaus fest ge- nommen und ich versuce, soweit es in meiner Kraft fteht und soweit es die billige Rücksicht auf die Entwicklung der Verhältnisse der unter- haltungspflihtigen Gemeinden gestattet, die Gcundgedanken der Verfas- sung8urkunde festzuhalten. Darüber habe ih auchim hißigen Kampfe keinen Zweifel gelassen, und daran halte ih auch fest. Aber weil nun nicht gegenwärtig ausnahmslos alle Schulen \o organisirt find, wie es in der Verfassungsurkunde gedacht ist oder der Herr Vorredner es ver- langt, deshalb zu behaupten, unsere Volksschule habe sfck{ überhaupt geändert, darin kann ich ihm nicht folgen. Sehen Sie fi doch die großen Ziffern in der nachgedachten Nahweïsung an, wie unter unseren 33 000 Schulen die Simultanisirung in der That eine be- scheidene geblieben und eine immer besheidenere geworden ift, Gesteht man das aber zu, wie es meines Erachtens bei einer wohlwollenden Prüfung der thatsählihen Verhältnisse nothwendig ist, so werden Sie, meine Herren, auch andererfeits anerkennen, daß der preußische Staat und die Staatsregierung, soweit ih das Sein und A unseres Staates verstehe, niemals dazu die Hand bieten Tann , den Ast abzusägen, auf dem er _sißt, und der Aft, worauf er sißt, ift vor Allem die allgemeine Schul- pflidt und die Volksschule, wie fie sich entwickelt hat, Weiter ist der Hr. Aba. Dr. Windthos in Details eingegangen, wobei er dem Hrn. Abg. Freiherrn von Zedlitz das war in der That charakteristisck zugerufen hat: ja, die kleinen Leute sind die Wähler, und die Wähler werden dem Hrn. Abg. Freiherrn von Zedliß {hon die Antwort geben. Glücklicherweise ift die Regierung nit in der Lage, mit Wählern unmittelbar rechnen zu müssen, wenn sie natürli au die Produkte dieser Wahlthätigkeit R vor fh sieht, Diesen Details gegenüber möchte ih doch anführen, daß, wenn man nicht nur bestimmte Gegenden im Auge hat, sondern sich ein offenes Auge für die Entwickelung im ganzen Gebiete des Staates erhalten hat, gerade in unseren niederen Volksschichten das dringende Bedürfniß vielfach vor- handen ist, ihre Kinder in die preußisde Volksschulezuscicken und ihnen diejenige Bildung angedeiben zu lassen, welche fär ihre moralische, religiöse und wirths{aftlihe Bildung als ersprießlih erscheint.

Den Hinweis auf eine Reihe von Bedürfnissen unserer kleinen Leute in wirths{aftliber Bezichung verstehe i, îch kenne diefe Ver- hältnisse aus eigener Erfahrung, weil ih, wie ich ohne Nuhmredig- keit sagen kann, eiù intensiv wirthschaftender Landrath gewesen bin, und mich immer darum gekümmert habe, zu erfahren, wo die ävmeren Leute in unserem Vaterlande der Schuh drückt. Aber ih kann nicht dem Hrn. Abg. Windthorst folgen, wenn er sagk, die Leute brauchen in gewissen Zeiten ihre Kinder zum Bestellen, zum Hüten und Ernten; die Bun kleinen Leute haben damit in ihrer eigenen Wirthschaft nichts zu thun.

Die Aufgabe, die im Interesse der kleinen Leute zu stœllen ist, ist die, Formen und Mittel zu finden, die Kinder vom Hüten fern zu halten. /

Ich weiß sehr wohl, das ist ein. \{wieriger Punkt, ex trifft außer den kleinen Leuten au den großen und mittleren Grundbesitz, aber wenn es eine Gefahr für die kleinen Leute giebt, \o ist es eben die, daß ihre Kinder genöthigt werden, den Sommer über zu hüten: Jch will keine dunkele Schilderung daran knüpfen, abev daß die: Kinder beim Hüten körperlih und moralisch leiht zu Grunde gehen, ist für jeden, der die Sache aus cigener Anshæuung kennt, nicht wohl zweifelhaft. Allerdings kenne ich Theile in unserem Vaterlande, wo der Bauer das Kind, welches ihm zum Hüten anvertrau2" ist, auch. gut nährt, bewahrt und \{ühßt es sei fern von mir, einer gewissen westfälischen Gegend in dieser Beziehung zu: nahe treten zu wollen; wenn man aber den Durchschnitt zieht durch den preußi- schen Staat, so kann ich nur wiederholen, das. Hüte- und: auch das Scharwerkerwesen is überhauyt eine schwere Gefahr:

für die Kinder der niederen Leute in unserem Vaterlande. Sehen Sie sih doch einmal in der Praxis die Fälle an, prüfen Sie doch

einmal, wie viel weibliche Kinder unbeshädigt aus diesen Hüte- und Scharwerkerverhältnissen hervorgehen. Das sind auch unsere Mit- bürger und Mitmenschen, 2nd wenn Jenaud, wie ih, diesen Verhält- nissen sehr nahe gestanden hat, nicht blos als Beamter, sondern. auch nah seiner ganzen inneren Veranlagung, fo p si, nicht bezweifeln, daß da Schäden vorhanden find, deren Größe ih nit aufdeckten, aber- doch andeuten möchte. J will nicht behaupten, da der Sbulzwang: und die Einrichtung des Bolks\{hulunteurichts allein dem geschilderten Uebelstand Einhalt thun wird, aler daß es doch immer vor= theilhaft und fegensxeih ift, Kindar bis zun vollendeten vier zehnten Jahre in einer religiöfen, humanen , intellektuellen: Erziehung und Unterweifung zu belassen, sie ferm zu halten von dem Verführungen, die sie, losgelöst von der Familie und der Schule, im Leben erdulden, darüber kann meines Erachtens kein Zweifel sein, und das Ziel it doch ein berechtigdes , daß jedes Kind, melches na. unserer Gesetzgebung verpflichtet ist, bis zum. vollendeten vierzehnten Lebensjahre die Schule zu besuchen, auch das Glück haben muß, die-- ses Alter in der Schule zu erreichen, che es. in das Leben trit und feinen Unterhalt zu erwerben hat. Allerdiags ist auch ein folches Kind kaun gestählt, alle Versuchungen, die: an dassele: herantreten, zu bestehev, aber es kommt ganz anders au8gerüstel in d Leben hinein, wenn 8 cine abges{losßene Schulbildung mit sid niaunt. Da ‘Sie cinmal gewünscht haben, daß; die Debatte diesen weiten. Raßhmev. gewinnt, so habe ih mid nit gescheut, auch azf die all= gemeinen Fragen einzugehen, und ih kaun nur wiederholen: so lange i an meiner jeßigen Stelle stehe, werde ih diejenige Stellung der Schwe nicht verkümmern lassen, die Fie bisher civgenommen hat. *

Jm weiteren Verkaufe der gestrigen (86) Sitzung des Hauses der Abgeordneten wurde die dritte: Berathung des Entwurfs eines Gesezes, betreffend die: Schulversäumnisse, mit der Spezialdebatte fortgeseßt 8. 1 lautet nach dem Beschlusse in zweiter Lesung :

Eltern und deren geseßliche Vertreter, sowie alle diejenigen, Personen, deren Obhut schulpflichtige Kinder unterstellt sind, ins besondere Dienst-, Lehr- und Arbeitsherren, haben tafür Sorge zu tragen, daß die ihrer Hausgenofsenshaft angehörigen, zum Besuch der öffentlichen Volksschule verpflichteten Kinder, die Schulstunden regelmäßig besuchen.

eer zuz emar ili Ä