1919 / 232 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 10 Oct 1919 18:00:01 GMT) scan diff

Not ein paar Worte über die kurländishe Sache! Gine Zeitung hat sie möge mir diese Anleihe bei ihr ents{uldigen am Mon tag die Politik der Unabhängigen, außerhalb dieses Haufes natürli, nicht. übel mit dem Verhalten eines tummen August verglichen, der sih entweder sfinnlos närrish benimmt oder aber mit flicgenden Nock schößen hinter den Leuten hersaust, die ordentlihe Arbeit machen, um fo zu tun, als ob er auch etwas leistet. (Große Heiterkeit.) In der baltishen Frage haben die Unabhängigen nur Reden oder direklte Unwahrheiten aufgetis{t. Sie haben niemals vorshlagen können, wie die Schwierigkeiten, über die ih mir voll- ständig klar ' bin, rasch überwunden werden können, ohne daß noch weiter Unheil für unse: Land entsteht, Jeden gangbaren Weg, den man mir weist, soweit militärishe Dinge in Betracht kommen, werde ih sehr gern beshreiten. Aber wenn ich mich darauf beziehen darf Herr Cohn hat ja ebenfalls heute keine Vorschläge gemaht —, der Aufruf der Parteileitung der Unabhängigen Sozialdemokratie vom Sonntag is nach meinem Empfinden einfach lächerlih wegen seiner inneren Widersprüche. Daß Forderungen gestellt werden, die eine \hlechte Wiedergabe von Befehlen darstellen, die ih eine ganze Reihe von Tagen vorher gegeben habe, ist an sich nicht wesentlih. Aber ih werde aufgefordert, den Widerstand der Truppen sofort zu brecen. Ja, wenn ich wüßte, wie man das Kunststück fertig bringt, dann würde ih auf den Nat der Unabhängigen Sozialdemokratiz nihti gewartet haben, sondern hätte {hon selber danach gehandelt. So, wie die Worte dastehen, sind sie leeres Geschwäß. Daß ih eine Armee nach Kurland schicke, das erwartet die „Freiheit“ doch niht. Beim ersten Transport von Soldaten nah dem Osten ginge doch ein Miesen- geschrei los, nun würden noch mehr Leute über die Grenze geschickt. Aber ih bin mir auch darüber klar, daß ih aller Wahrscheinlichkeit nach keine Truppe in Deutschland auftreiben könnte, die ih verladen könnte mit dem Befehl, in Kurland Krieg gegen deutshe Brüder zu führen. (Lebhafte Zustimmung von rets bis zu den Sozialdemokraten.) Also, es muß der Versuch gemacht werden, diesen fürhterlihen Knoten durch andere, undlutige Mittel zu lösen. (Erneute Zustimmung. -— Zurufe von den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

Eine sofortige Sperrung der Lebensmittel is mir zwar angeraten worden; aber mit Nücksiht auf das lettishe Land halte ih auch diese Maßregel zurzeit noch nicht für anwendbar. (Sehr richtig! bei den Demokraten.) Die sofortige Sperrung der Lebensmittel würde natür- lich Plünderungen der Truppe zur Folge haben. (Sehr wahr! bei den Demokraten und Sozialdemokraten. Zuruf von den Unabhängigen Sozialdemokraten: Als ob die nicht auch so stattfänden!) Jch gebe ¿u, Frau Luise Zieh, daß unter den Leuten manch einer ist, an dem wir keine Freude haben! Aber stellen Sie sih auch einmal vor, wenn der Mann aus der Heimat gar nichts mehr zu essen bekommt, wie der über die lettishen Lebensmittel und Viechbestände hergeht. Also es ist eine Sicherungsmaßregel im Interesse des lettischen Landes, das wir mögli unversehrt verlassen wollen, wenn der Truppe bisher die Verpflegung weiter geliefert worden ist. Für Schaden, der im Lande entsteht, würde natürlich sowieso auch das deutsche Volk aufkommen müssen. Also, es muß chon vorsichtig verfahren werden,

Es ist von den Herren Unabhängigen in ihrem Aufruf von der Negierung gefordert worden, den Konflikt mit der Entente sofort zu beenden. „Keinerlei Konflikt mit der Gntente!“ Das sagt dieselbe Pariei, deren Redner, Herr Cohn, uns vorhin anempfohlen hat, mit der englischen Militärmission in Berlin Schlitten zu fahren. (Heiter- keit im Zentrum, bei den Demokraten und Sozialdemokraten.) Also die Herren Unabhängigen sind niht in jeder Stunde gleichmäßig darauf bedacht, Konflikte mit der Entente zu vermeiden und die Entente zufriedenzustellen,

Die Alliierten Regierungen —— das möchte ih ganz kurz wenigstens in diesem Zusammenhange betonen —, die jeßt gegen Deutschland erneut mit Blockade und anderen Zwangsmaßzregeln drohen, sollten nicht vergessen, daß sie monatelang gefordert haben, daß dic deutschen Truppen im Baltikum bleiben. (Sehr richtig!) Nun könnten wir von ihnen auch etwas mehr Verständnis für die allmählih ent- standenen außerordentlichen Schwierigkeiten erwarten.

Wie töriht wenn ich von dieser unabhängigen Kundgebung noch mit einem Sah sprechen darf die Forderungen sind, die dort erhoben werden, sei daran gezeigt, daß zwar die sofortige Zufrieden- stellung der Entente gefordert wird, daß der Abgeordnete. Cohn dann aber ausführlicher wird sih wahrscheinlich der Herr Außenminister darüber noch äußern *— wieder fordert, daß wir die sofortige Her- stellung des Friedenszustandes mit Sowjel-Rußland herbeiführen. Ich glaube, ih bin von den Mitgliedern der Regierung der erste gewesen, der in der Nationalversammlung in Weimar über unser Ver- hältnis zu Rußanld gesprochen hat, und ih habe im Auftrage und in absoluter Uebereinstimmung mit sämtlichen Mitgliedern der Regierung damals zum Ausdruck bringen können, daß wir selbstverständlih so rash wie möglich einen geordneten, geregelten, friedlihen, freundsaft- sichen Zustand mit Rußland wünschen. Aber was die Forderung des Herrn Cohn jeßt bedeuten soll; daß wir in geregelte Nechtsbeziehungen gur russischen Regierung treten sollen, das zeugt do wieder von einer erbarmungswürdigen politisben Unwissenheit. Die Entente verbietet uns jede Vereinbarung mit Rußland. Das steht im Friedensvertrage ausdrüdlich drin. Folgten wir also dem Rat, den Herr Cohn gibt, so hätten wir sofort neue Konflikte. (Hört, hört! bei den Sozial- demokraten.) Solche Torheiten können in den Zeitungen geschrieben oder geredet werden, aber eine Regierung darf nicht so töricht handeln. Wir geben Ihnen die- Zusicherung, daß wir bemüht sein werden, dur entscklossenes Handeln neues Unheil von unserem Lande abzurehren. (Lebhaftes Bravo.)

Hierauf nimmt der Reichsminister der Aut‘wärtigen An- elegenheiten Müller das Wort, dessen Rede wegen ver- späteten Eingangs des Stenogramms in der nächsten Nummer dieses Blattes im Wortlaute wiedergegeben werden wird.

Abg. Eisenberger (Bayr. Bauernbund): Wir sind mit der jebigen Zusammenseßung der Negierung “einverstanden. Wenn der Zug zur Arbeit auch noch schwah ist, so freuen wir uns doch dieses Anfangs und hoffen, daß es so weitergehen wird. Wirtschaftl4ch Schwächere wird es immer geben, und deéhalb mag der Streik auch unier Umständen, namentlich béi der Ausbeutung durch Bergwerks- besißer und auch durch die landwirtschaftlichen E be- rechtigt sein; aber ein Gisenbahner- und Beamtenstreik. schadet der All- gemeinheit ungeheuer. Die Bauern fragen sich, warum nicht auch sie einmal streiken sollten. Deshalb i es notwendig, daß die Regierung eine vernünftige Bauernpolitik treibt. (Schr rihtig!) Wenn das Er- mnährungéproblem gelöst werden foll, .tann muß die terung eine

Saupolitik treiben, um die Schweinezucht zu fördern. (Große -Heiter- -

fait im ganzen Hause und bei der Regierung.) NaG dem Muster der außzersten Rechten und der äußersten Linken fann unser Volk nit regiert werden. Die Umgestaltung der Arbeitslosenfürsorge ist not- wendig. Die Betriebsräte sind für die Kleinbetricbe nicht möglich. Auf die Frage der Schuld an der Revolution will icy nit eingehen. Hätten wir noch die Monarchie, so hätten wir wahrscheinlich überhaupt noch feinen Frieden oder einen noh schlechteren. (Sehr ritig! links.) Die Finanzreform, wie sie geplant ist, kann nicht verwirklicht werden. Wenn ih auch nicht gegen eine Vereinheitlichung des Neiches bin, so meine ih doch, daß es besser ift, zufriedene Einzelstaaten zu haben, als daß man solche ÉErperimente macht. Wir müssen alle arbeiten und besonders den Mittelstand und die Handwerker schüßen.

Abg. Meerfeld (Soz): Wenn wir den Belagerungszustand entbehren könnten, wären wir die Ersten, die für seine Beseitigung -ein- treten würden. Aber solange mit monarchishen Umtrieben zu rechnen ist, ist leider an seine Beseitigung noch nicht zu denken. Wir schen im Kompf gegen die Megierung in den Parteien der äußersten Recbten und der äußersten Linken ein ungleiches Brüderpaar: Cohn— von Gräfe und Däumig—Graf Westarp. Die Wiedervereinigung der Arbeiterschaft wird von den großen Massen der Arbeiter unzweifelhaft ersehnt. Die Erzählungen des Herrn Abgeordneten “Cohn über ein zweideutiges Verhalten meiner Pdätei in den Novembertagen sind nicht richtig. Niemand hat daran gedacht, eine Regierung ohne oder gegen die Unabhängigen zu bilden, Worüber man sich nicht einigen konnte, war die Näâtefrage. Daran mußten die Verhandlungen scheitern. Die heßerischen Agitatoren, die von der Nechten und von der Linken gege: uns und gegen die Regierung arbeiten, wissen nicht, was sie tun. Sie wissen nicht, daß sie va bangue spielen. Das Unglük der Arbeiterschaft wäre auch das Unglück der Unternehmer, wenn wir auf diese Weije zun Ende unserer Krafi kämen. Die Verheßung muß aufhören. Der Aufruf der Unabhängigen wegen des Anschlags auf Haase, von dem zus gestanden wird, daß er von einem Geistesëranken herrührt, zeigt ffrupol- lose Demagogie, vanebên aber auch eine sehr niedrige Einschäßung der eigenen Leser. Innerpolitish gibt es keine vheinische Frage. Bie erdrückende Mehrheit des rheinischen Volkes steht auf einem Boden, der jede LVosreißzung entschieden zurückweist, die MRheinländer wollen nux eine Lösung der Frage in Verbindung mit dem eiche, i Auch im Zentrum hat sih in dieser Beziehung eine erfreuliche Wandlung voll- zogen. Die falsche Rheinpolitik der Franzojen wird 1m Rheinland niht verstanden. Cöln ist eine internationale Stadt geworden, ein Babel, eine Vergnügungsstätte sondergleichen Geht das Jheinland uns verloren, so sind die Unabhängigen von diesem vtesultat nicht freigusprechen. Die Nheinländer ble.ben deutshgesimnt, sie wollen von Frankreich nichts wissen. Auch da ist der ärmste Sohn wieder dec treueste. (Beifall bei den Sozialdemokraten.) : L

Abi, D: Trguo (D! Nat)! Jede MRegierung muß Autorität besien, sie darf sie aber nicht mißbrauchen. Die Zulotimt Tan man sih aber nur \c{affen mit Leistungen und nicht mit Mitteln der Gewalt. Das Schlagwort von den Bolschewisten der Hechten Und der Linken ist ein shönes Wahlmanöver, weiter uihts. Würde man uns nicht besonders ho einschäßen, so würde man über uns fchon längit zur Tagesordnung übergegangen sein. Wir bekämpfen die Regierung nicht einer Person wegen, sondern wegen ihrer Leistungen, zu denen wir fein Vertrauen haben können. Meine Partei treibt geradezu politische Selbstverleugnung, wenn wir bisher die Autorität der Vregierung stüßten, Wir werden aber gegenwärtig, namenitlich auch in der Presse, in einer Weise behandelt, als ob alles Unheil nur von uns herfäme. (Sehr richtig! links.) Was tut die Regierung, um ihre Autorität zu enweisen, was schafft sie an Leistungen, an denen das Land draußen wirklich Freude haben kann? Für das Ministerium des Wiederauf- baues ist bis heute noch keine Abgrenzung seiner Befugnisse gegenüber dem Auswärtigen Amt erfolgt. Die Verantwortlichkeit des Aus- wärtigen Amtes dem Auslande gegenüber könnte fohr leiht durch diejes Ministerium verschoben werden. Eine Klarstellung ist da dringend nôtig, damit festsleht, daß diejes Ministerium in allen politishen Gnt- scheidungen mit dem Auswärtigen Amt lonform geht. _Cine Jrvonie der Geschichte ist es, daß diejenigen, die der alten Verfassung gen: über den Eid gebrochen haben, heute für die Heilighaltung des Eides cintreten. Wer die Wurzel abgerissen hat, darf sich nicht wundern,

wenn kein Baum wächst, Die deutschnationalen Beamten hatten ein autes Necht zu erfahren, was man im neuen Eide von ihnen fordere, jie wollten wissen, ob ihnen die in der Verfassung zugesagten Hechte gewährleistet würden, namentli daß ihre „politische Gesinnung ihnen [reistehe. Eine Negierung, die aus der Nevolution kommt, muß ein flein wenig bescheidener fein, als die jeßige es ist. Jn leßter Zeit ist mandes Buch mit Lebenserinnerungen veröffentliht worden. Der 9. November kommt heran. Vietleicht veröffentlicht auch Herr Cohn seine Lebenserinnerungen, aus denen zu sehen ist, wer alles an der Nevolution beteiligt gewesen ist. Das muß dem deutschen Volke offen und mit der gleihen Verantwortlichkeit gesagt werden. Ver- öffentlichen Sie Ihre Akten genau so_ wie die Männer, die man heute mit Schmuß bewirft, Bereits vom Frühjahr 1915 ab hat die damals noch vereinigte Sozialdemokratie bei der Marine für die Verbreitung revolutionärer Zeitschriften wöchentlih je 10 Pfennig eingesammelt. Uéber diese Angelogenheit müssen wir eine aktenmäßige Klarsteilung bekommen. Die Nevolutionéregierung ist zu schwer belastet, um an die sittliche Kraft des Volkes appellieren zu können. Die National- versammlung hat ihre Aufgabe erfüllt bis auf das Wahlgeseß. Wollen wir verfassungsmäßig vorgehen, dann müssen wir uns darüber einig sein, daß cine Verlängerung der Nationalversammlung dem widerspricht, was eine demokratische Volksvertretung will. (Sehr gut!) Wenn der „Vorwärts“ sogar cinen Bericht gibt, aus dem die scbmachvolle Behandlung der Deutschen in der Pfalz hervorgeht, so nimmt mich es nicht wunder, da aud bei uns im Lande unsere alten Einrichtungen in den Staub gegogèn und die Männer heruntergeriÄen werden, die uns 40 Jahre hindur glänzend geführt und zum Wohlstand gebracht haben. (Große Unruhe links, die si zum allgémeinen Lärm aus- wächst.) Als kürzlich ein Angehöriger einer fremden Militärmission mit dem Eisernen Kreuz erster Klasse am Potsdamer Plaß eine Straßenbahn besteigen wollte, wurde ex von dem Schaffner zwar zurückgewiesen, das Publikum aber beschränkte sih auf stummen In- grimm. Unerhört is auch das Kaiserbild im „Ul“. (Pfuirufe rechts.) Wenn derartiges bei uns vorkommt, so darf man sih über die Behandlung durch unsere: Feinde nicht wundern. (Große Unruhe.) Das ganze Volk hätte von der Regierung bei der Verabschiedung des Generalstabes gerne ein Wort der Anerkennung für das gehört, was diese Einrichtung dew deutschen Volke gewesen ist. Den 72. Geburts- tag Hindenburgs hat man stillschweigend vorübergehen lassen, statt dessen denkt man nur daran, wie man mit den Ententesozialisten wieder Fühlung bekommen kann. Unsere Regierung sollte aus dem englischen Cisenbahnerstreik lernen, daß die Arbeiter zunächst an ihre Arbeits\tätten / zurückgebracht wevden müssen, bevor man ik nen Zuge- ständnisse maht. (Sehr richtig!) Die Negterung hat nichts getan, um dem wilden Börsenspiel, bei dem die Auslandäwerte im Veittel- punkt stechen, einen Hemmschuh anzulegen. Wie steht es mit der Millicrde in Gold, die für unsere Ernährung in Brüssel hinterlegt werden mußte? Jn der Sache der Broschüre: „Einst und jeßt“ haben wir ein durcbaus gutes Gewissen. (Zuruf links: Sie haben überhaupt keins!) Minister Hergt und der Gesck6ftsführer der Partei haben erflärt, ‘daß die fraglihe Broschüre von unserer Partei nicht aeschrieben 1st (bort, Hhört!), die Herren haben sie heute zum ersten Male gesehen. Beréits vor drei Wochen if dem beauftragten Krimi- nalbeamten bei der Haussuhung gesagt worden, daß uns diese Broschüre vollig unbekannt sei. Sämtliche Flugschriften werden von der Partei gezeichnet, anonyme Broschüren und Drucksachen haben wir niemals herausgegeben. (Neih&wehrminister N o sk e ruft: Das steht im. Widerfpruch mit der Erklärung des Herrn Hergt von heute morgen! Große Unruhe rechts, Ruf links: Verlogene Gesellshäfi! Minister No ske: Herr Hergt hat das zugegeben.) Auch die „Deutsche Tageszeitung“ hat zu Protokoll gegeben, daß die Deutschnationale Partei niht Auftraggeber diefer Broschüre sei. Im „Vorwärts“ und im „Berliner Tageblatt" wird die Deutsh-

nationale Partei als ‘eiñe solche hingestellt, der man überhaupt alles

Monarchie.

nachsagen kann. (Sehr richtig! bet den Sozialdemokratea.) Der „Vorwärts“ schreibt, so gründlich sei die Deutschnationale Partei niemals entlarvi worden. Es aibt feine Parallele für einen sola Angriff, wie er hier gegen uns gerichtet ist. Redner weist die Zeichnung des „Uk“ vor, in dem Galenburg als Verräter des Kaisers dargestellt wird, sowie cin anderes Blatt, in vem Hirte burg als Massenmörder ktingestellt wird. (Erregte Rufe rets: Pfuit} Die „Deutsche Tageszeitung“ hat die emwähnten Pamphlete nicht

bestellt. (Minister No s ke: Das hat mir Herr Herat zugegeben!) Wir wissen sehr wohl, daß Herr Noske ein Anhänger der Sozial- demokraten ist. Das deutsche Volk hat bei den Wahlen seine

Meinung bundgegeben: die erwartete sozialistis2 Mehrheit is nicht erschienen. Der Minister spricht von dem bettelarmen Offizierkorps: man hätte nur früher die Armut und Bedürfnislbosiakcit des Offizicer- korps anerkennen follen. Wenn der Minister nicht. auëdrüccn wollte, daß er nur arme Offiziere vorschieben wolle, so hätte er scinen Saß anders ausdrüdcken müssen. Das dadurch entstandene Mißverständnis hätte von vornherein abgewendet werden müssen. Es fommt uns nicht darauf an, Mißverständnisse zwischen uns und dem Herrn Neicbêwehrminister entstehen zu lassen, aber den gestrigen Angriff konnten wir nicht über uns ergehen bassen. In der baltischen Frage stehen wir auf dem StandpUnkt, daß wilde Formationen nicht ge- duldet werden Tönnen; Hatte die Negierung aber früher binter unseren Truppen gestanden, danu hätte die Entente ihre Forderungen nicht überspannt. Unsere Soldaten wollen ia nicht als Militaristen dort bleiben, sondern als ehrlide Bürger und Bauern. Wenn der Neichswehrminister Zeitungen verbieten will, dann sollte ex zuerst einmal das Skandalblati „Die Freie Presse“ verbieten. (Zustimmung rechts.) Der Aufruf des Majors Bischoff ist in der offiziellen Presse unter Auslassung ciniger Säße veröffentlicht worden, in denen auf den Volschewismus und Spartakismus hingewiesen ist. Als Clemenceau das Wort spra von den überflüssiaen 20 Millionen Deutschen, da ging uns das durch. die Seele. Das Wort kann leider zur Wahrheit werden. Unsere Truppen sollten Deutschland ent- Tasten und im Baltifkum fviedliche Bürger und Kulturträager werden. Cs ist kein Trost, daß es Frankreich auch s{lecht geht, ih wünsche gar micht, daß es Frankreich schlecht acht, aber uns geht es immer noch scchlecht. Dur die Revolution sind wir noch einmal in diese Lage gekommen. (Lebhafter Beifall rehts, Lärm links.) Wir wollen nicht ins Ministerium eintreten (Heiterkeit), aber wir wünsten, daß eine Regierung kommen - möchte, die nicht von Parteirücksichten ge- bilder 1st, sondern nur nichts anderes wollte, als dem Lande zu helfen. Wir treiben nationale Opposition, aber aus nationalen Gründen, nit aus nternationalen. Wir würden es begrüßen, wenn das Aergste vom deutschen Volke abgewendet werden könnte, aber ih Fehe leider trübe in die Zukunft, denn es is noch nie ein Volk so betrogen worden. (Stirmischer Beifall rechts, Zischen links.)

RNeichswehrminister N o s k e: Der Herr Abgeordnete Trauh hat von dem wünschenswerten Verbot eines üblen Blattes mit homo- sexuellen Anzeigen gesprochen. Das Blatt ist allerdings, wenigstens in seinem JInseratenteil, eine einzige Schweinerei, Meine Befugnisse auf Grund des Belagerungszustandes gestatten mir aber nicht, wie ih habe feststellen müssen, ein Verbot des Blattes herbeizuführen, was ich ausdrüdlich bedaure,

Der Herr Abgeordnete Traub hak dann erklärt, seine Parteifreunde hätlen eine Aussprache mit mir nicht gesuht. Jh möchte diese Dar- legung niht charakterisieren; ih stelle den Sachverhalt fest. Ein Herr, der den Deutschnationalen politisch außerordentlih nahesteht, hat gestern mit Herren dieser Partei nah meiner Rede gesprochen. Nach den mir gemachten Mitteilungen ist bei dem Gespräch beiderseitig der Auffassung Ausdruck gegeben, es fei unerwünscht, den Konflikt weiter zu vershärfen, ob dem nicht durch eine Aussprache vorgebeugt werden könnte, Dazu habe ih mich bereit erklärt, Jch finde es mt fehr angenehm und nicht sehr nett, daß der Herr Abgeordnete Traub jeßt den Eindruck zu erwecken versucht, als ob 1ch seinen Parteifreunden nachgelaufen wäre. Jch habe mich im übrigen durch Zwischenrufe geäußert. Jh will nah der Aussprache, die ih heute vormittag gehabt habe, aus Erwägungen heraus, die durchaus verständlih sind ih möchte niht die Truppe dauernd zu einem Zankapfel zwischen den Parteien werden lassen —, zur Sache weiter nicht äußern. Aber ih glaube, ich kann es dem Urteil des Hauses ruhig überlassen, welcher Unterschied zwischen einer anonymen Drue\chrift und einex anonym gedruckten Postkarte besteht, j

Abg. Frhr. v. Ri ch thofen (Dem.): Wir sind wieder în bie Negierung eingetreten, weil das für uns eine politifhe Notwendigkeit war. Wir wollten die Verantwortung mittragen. An den jeßigen Zuständen is nicht die Revolution |{chuld. Wir sind irregeführt worden, es sind niht alle Möglichkeiten ergriffen worden, um den Krieg rechtzeitig zu beenden, Die historishe Stunde der Demokratie hat jeßt geschlagèn, allein die Demokratie kann unser Vaterland retten. Die Pläne der Mechten würden zum Ruin des Vaterlandes führen. (Sehr richtig! links.) Der Zusammenhang derx inneren und äußeren Politik i außerordentlih eng, und es 1} ein großer Fehler, daß uns früher niht Klarheit über die auä@waärtige Politik gegeben worden ist, Hinter der neuen Verfassung steht die Mehrheit des Volkes, diese Verfassung ist die Grundlage für unsere Politik. Die Parteien, die dieje Grundlage ablehnen, können niht an der MNegierung beteiligt werden. Wenn man ein Schiff sicher in den Hafen bringen will, darf man es nicht überlasten und vor allem nicht schief laden. Die Herren von der Rechten bekennen sich noch zur Die Herren haben eine Wandlung durhgemacht, sie scavärmen jeßt für das parlamentarisde System. Es ift auffällig, daß die Deutsche Volkspartei, die doch zum Teil sich aus den früheren Nationalliberalen gebildet hat, jeßt so royalistisch geworden 1st. Es ist bedauerlich, daß die Deutsche Volkspartei der Verfassung mcht zu- gestimmt hat. Dadurch is} sie in eine Opposition gedrückt worden, wie es sonst wohl nicht der Fall gewesen wäre. Herr Traub allerdings ist eine Autorität in der Umwandlung der Parteien. (Heiterkeit.) Herr Stresemann haï mit Recht bedauert, daß das Bürgerliche früher nicht die nötige Macht gehabt hat. Er wird anerkennen müssen, daß jeßt diese Macht gestärkt ist. Unsere Monarhisten haben geaenüber den Noy«listen andere: Länder den Fehler, daß sie keinen Prätendenten habeu. Sie verraten uns nicht, wen sie für die Wiederkehr der Monarchie erküren wollen. Etwa den früheren Kaiser oder den Sohn oder einen General oder etwa einen Politiker? (Heiterkeit.) Die höheren politishen Beamtenstellen dürfen niht mit Persönlichkeiten beseßt werden, die innerlih nit die Politik der MNegierung vertreten fönnen, Das Abschiedss{reiben des Negierungépräsidenten in Potsdam, v. Massenbach, ist in dieser Hinsicht anerkennenêwert. Die- selbe Kluft, die uns von der Rechten trennt, trennt uns von der: Unabhängigen, die eine wahre Demokratie niht anerkennen. Ihr Wunsch, allein die Negierung bilden zu können, wird sich in abfehbarer Zoit nit erfüllen lassen. Eine Revision des Friedensvertrages muß möglichst bald im Einvernehmen mit den anderen Mächten versucht werden. Dieser Vertrag ist für uns nit erfüllbar. Dazu müssen wir aber im Ausland eine andere Atmosphäre in den Anschauungen über unser Volk schaffen. Wir sind abhängig vom Ausland und müssen den Anschluß an das Ausland wieder gewinnen. Wenn uns die Opposition in diesem Streben helfen will, foll es uns willkommen sein. Es geschieht aber leider nit. Was von der Nechten geschieht, trägt leider nicht dazu bei, Vertrauen im Ausland zu gewinnen. Das Verhalten der Rechtèn wird im Gegenteil im Ausland nit verstanden. Die Persönlichkeiten, die in der ganzen Welt immerfort von sich reden machen, sollten bedenken, daß sie damit dem deutschen Vollke keinen Dienst erweisen. Unsere Lage im Baltikum ist dadur

(Fortseßung in der Zweiten Beilage.)

* vorzubeugen. Von:

zum Deutschen Reichsanzeiger und

232.

(Fortsezung aus der Ersten Beilage.)

Fehr ersckchwert, daß unsere Trup! ven an der Seite bon russishen Truppen tehen, die die Träger der \ckärfstenw Reaktion sind. ‘Die (Möglichkeit, mit der Sowjetregierung in amtliche Beziehungen zu treten, üt uns n. [Jn Zukunft müssen wir aber ungen zu Rußland anstreben, wenn bielleiht die jeßigen Machthaber einer freiheitlihen Regierung na der Art der Deutschen Plaß ger iat haben, und deshalb it es nit wünschentwert, daß .sie dadur erscknwert wird, daß deuts ce Truppen in einem ru\si§en Lande

- Cyr « dlr den Ee genommen. twiéder Beziehungen zu ‘Nu

likte mit der Entente kommen, von ber wir nun einmall (abhängig ind. Unser Einfulhr- und Ausfuhrhandel maß in jeder Weise gepflegt (werden; viele Geschäfte können nicht perfeftioniert werden, weil die Anträge lange Zeit in den Aktenschränken der Behörden ruhen. Es müssen ferner alle Garantien geschaffen werden, um in den Ubstimmungsgebieten das Sclbstbestimmungsreht der Völker zur Seltung zu bringen. An den Völkerbund wollen wir mitarbeiten, wenn er au nit so aussicht, wie wir uns ihn vorstellen. Das Wiederaufbauministeriuum muß in enger Füblung mit dem Ministerium D Auéwärtigen bleiben, denn in tem [Friedensvertnag liegt eine dauernde | efährbung der 'Souveränität des Deutschen Reiches. Wir müssen es verhindern, daß die Entente in unsere innere Ver- waltung eingreift. Die innere wie äußere Politik muß, wenn sie von Erfolg gekrönt sein soll, unbedingt nit nur von der Regierung felbst, Fondern auch von den Parteien, von einem starken nationalen Empfinden étragen werden; aber andererseits mit einem |Nationallismus, keinem hauvinismuis. (Sehr wahr!) Auch meine Partei hätte gern einen früheren Termin für die Wablen gehabt, aber die Zeiten sind für Wahlen jeßt nit günstig. Die eigentliche [Aufgabe der National- bersammlung ist noch_ nit gelöst, wir müssen dem Volk au ein atige baa Gefühl der Sicherheit gcben, daß das neue Deuts{#land in r Lage und aewillt ist, auf diejem neuen verfassungsmäßigen Boden zu arbeiten. Wir müssen au nach dem Friedené\{luß wider all- máählich zu besseren Beziehungen zum Ausland gelangen. Wir freuen uns des Dptimismus des Reickékanzllers binsihtlid der Zukunft des deutschen Volkes. Wir müssen optimisti\{ cin, da wir tagtäglih (am Rande des Abgrundes stehen: Na diesem Winter muß unser Bolfk wieder eine Rolle für die Mensckheit \pielen können, na&dem es ihm gelungen sein wind, aus dem Sturz der Revolution beraus wieder (Sesittung zu kommen. Dann werden wir vor das Volk dteten und mit Ruhe sein Urteill abwarten. (Beifall links.) Darauf wird vertagt.

Persönlich bemerkt

Abg. Dr. David (Soz.): Aus der Rede des Abg. Cohn konnte ber Vorwurf herausgeleitet werden, ib oder meine Partei hätten am . November eine zweideutige Politik getrieben, indem wir mit den bürgerlichen Parteien oder den Unabhängigen die Regierung hätten bilden wollen, Diese Auffassung wäre eine völlige Entstellung der historishen Vorgänge. Uns lag am 9. November vor allen Dingen daran, alle [infsstebenden Elemente zusammenzufassein, um einem blutigen ets Gia und einem siegreiden reaktionären Rüdslag / en Bürgerlichen waren Herr Schiffer und von Krause noch. in. der Regierung, und daß 8 so bliebe, damit waren die Unabhängigen einverstanden.

Abg. Dr. Cohn (U. Soz.): IH Habe nuv eine ganz einfache barmlose Tatsache festgestellt. (Heiterkeit.) Freibher von Richthofen wird mir bestätigen, op Dr. David mit ihm über die neu zu bildende Megzerung verhandelt hat. Dr. David hat dabei zugegeben, daß der Kaiser und der Kronprinz nicht die Regierung führen könnten, daß aber die Regentschaft für ein Enkelkind' des Kaisers vorbehalten bleiben solle.

Abg. Freihery von Richthofen (Dem.): Dr. David hat am O. November, 10 Uhr Morgens, ausdrüdlich erklärt, daß eine Regie- xung ohne Unabhängig? undenkbar s&. Er hat zur Bedingung ge- macht, falls wir in die Regierung eintreten wollten, meine Wenitgkeit und Dr. Junk, daß wir uns auf den Boden der Nepublik stellen müßten. Die nationallibevale Partei gab uns die Frmächtigung dazu und wir gaben unsere Einwilligung, um das Vaterland in dieser scweren Zeit zu retten, wir behielten uns indessen vor, daß die end- gültige Regelung der zukünftigen \taatsrehtlichen Verhältnisse in Deutsland von dem Auêgana der Wahlen zur Nationalversammlung abhängig gemacht werden müßten.

.__ Abg. Dr. David (Soz): Für uns war eine Regierungs- bildung ohne die unabhängige Partei ausgeschlossen. Von den bürger- Tichen Mitgliedern der Regterung verlangten wir das Bekenntnis ZUT Republik. (5s ist vollkommen geo, daß wir später eine Paiserlihe S-ellvertretung in Vorschlag gebracht hätten, Scheidemann hatte ja {or im Laufe des Vormittags von der Rampe des Retcbs- tags aus die Republik? ausgerufen. Die Herren der nationallißeralen Partei blieben mit Zustimmung der Unabhängigen in der Regierung. (Fin Vorwurf kann uüns nicht gemacht werden.

Abg. Dr. C ohn (U. Soz.): Das regierende Kabinett sollte nur aus Sozialisten bestehen, die Bürgerlichen sollten die Fachministerien behalten, Ueber die Aeußerung Dv. Davids, betreffend die Regent- schaft des Kaiserenkels, können sih Dittmann und Ledebour äußern. : Nächste Sizung Freitag 1 Uhr. (Anfragen, Fortsezung, Etat des Pensionsfonds, Kolonialverwaltung und Post.) Schluß 634 Uhr.

ft die Reaktion kämpfen. |Auf keinen Fall dürfen wir in neue Kon-

Preußische Landesversammlung. 61. Sihung vom 8. Oktober 1919.

[E Nachtrag.

Die Rede, die bei der Beratung des Haushalts für die Eisenbahnverwaltung und der zu diesem ge- stellten Anträge der Minister der öffentlichen Arbeiten O es e r gehalten hat, hatte folgenden Wortlaut:

Minister der óöffentliden Arbeiten Oeser: Meine Damen Und Herren! Die Auffassung, der die beiden Herren Redner Ausdruck® gegeben haben, beruht darauf, daß hier der Osten untershiedlich vom Westen behandelt wird, und daß gewisser- inaßen die Bürger des Ostens als Bürger zweiter Klasse behandelt pn:ürden. Jch muß mich ganz entschieden gegen diese Auffassung ver- wahren. [Meine Damen und Herren, es liegt mir durckausë fern, irgend jemand als einen Bürger zweiter Klasse zu behandeln, und bor allen Dingen liegt mir fern, irgendeine Tendenz etwa gegen den Often obwalten zu lassen in den Maßnahmen der Eisenbahn- berwaltung. (Zurufe.) Ja, ib weiß meine Herren, daß ih eine aroße Reihe von Stiefkindern habe; jeder Landesteil behauptet von sich, er würde als Stiefkind von der Eisenbahnverwaltung behandelt. Das trifft natürli nicht zu, sondern die Eisenbahn wird rein aus técbnishen und allgemein llandesroirts{haftlichen- Gesichtépunkten heraus vermaltet, und die Ene dec Maßnahme, zu ‘der wir uns Fiex notgedrungen haben entsdließew müssen, deren [Schwere und

Zweite Beilage

Berlin, Freitag, den 10. Oktober

Härte wir durhaus anerkennen, von der wir wissen, daß sie als geradezu unerträglich von den betreffenden Landesteilen aufgefaßt werden muß, liegt eben in den \§wierigen Betriebsverhältnissen, unter denen wir augenblicklih stehen. Jch bin zu meinem lebhaften Be- dauern genötigt, zu sagen, daß die Verhältnisse in den nächsten Wochen und Monaten voraus\ihtlih kaum besser, sondern eher noch shlechter werden dürften. (Zurufe.) Meine Damen und Herren! Seit ih an dicser Stelle stehe, werden Sie von mir hoffentlich den Eindruck erhalten haben, daß ih mein Amt ernst und gewissenhaft auffasse. Jch berufe mih auf die Ausführungen, die 1ch in diesem hohen Hause und au. außerhalb gemaht habe, in denen ich immer wieder und wieder darauf hinweisen mußte, wie s{wierig die Ver- hältnisse der isenbahnverwaltung sind, und da 3, wenn eine durh- greifende Besserung nit zu erzielen is, wir in den Herbstmonaten vor eine ernste Katastrophe gestellt werden können. Es ist bisher nit gelungen, die Versorgung mit Kohlen, die Versorgung mit Lokomo- tiben und die allgemeinen Leistungen im Betriebe und in den Werk- stätten auf eine derartige Höbe ¿w bringen, daß wir von so ein- schneidenden Maßnahmen, wie sie hier durhgefütrt werden mußten, absehen können.

Wenn Sie nun fragen: warum wird diese Maßnahme nicht allgemein, sondern nur für den Osten durchgeführt? \o beruht das darauf, daß sie getroffen worden ist im Hinblick auf das ober - \chlesishe Kohlenrevier, auf die Vorräte, die dort auf den Halden vorhanden \ind und die, meine Damen und Herren, nach gewissenhafter (Erwägung abgefahren sein müssen, bis der |Friedens- vertvag zur Durchführung gebracht ist. Da es aber nit möglich ist, sie im normalen Betriebe abzufahren, müssen wir die hier besprochene Maßnahme so nell wie mögli4 durchführen, um diese Vorräte dem einheimishen Wirtschaftsleben nidt ctwa verloren gehen zu lassen.

nen und Herren! Diese Maßnahme nun zugleih auf den Westen auszudehnen, wo sie zurzeit noch nicht not- wendig ist, aber ebenfalls notwendig werden kann, wäre meines Erachtens eine Hardlung des verantwortlichen Ministers, die er nicht vertreten könnte. Denn nur um eine Gleihmäßigkeit herzustellen, den Westen im gegenwärtigen Augenblick ebenso zu behandeln wie den Osten, wo es notwendig geworden ist, das könnte id betrieblich nicht rechtfertigen und deshalb auch vor dem Lande nit vertreten. Aber ih wiederhole und betone, daß die Wahrsheinlichkeit oder die Mög- lichkeit einer solden Einschränkung für den Westen sib durdaus er- geben Tönnte, und daß id dann zu weitergehenden Maßnahmen au dort schreiten muß. Es kann notwendig werden, daß wir den Per- sonenverkehr so gut wie vollständig einstellen (hört, hört!), daß wir nur noch den Arbeiterverkehr und den notwendigsten Geschäflsverkehr, den Nahrungsmittel-, den Mil®%- und ten Postverhr aufrecht- erhalten, um die Versorgung des Landes mit Lebensmitteln und Kohle einigermaßen siderzustellen, stehe ib vor der Frage, ob ich die Nahrungsmittel und die Kohle nit dorthin tranéportieren soll, wo sie dringend gebraucht werden, dafür aber den Personenverkehr aufre bt erhalten Tann, dann bleibt eine andere Entscheidung nicht mehr mögli, als daß der Personenverkehr zurückgedrängt werden muß, weil das Wirtschaftsleben des Landes und die Ernährung der Be- mohnerscaft doch noch notwendiger ist als der Personenverkehr. (Sehr richtig!) ;

Meine Damen und Herren! Wie sind die Zustände entstanden? Vergessen Sie nicht, daß die deutshen Staatsbahnen 5000 der aller- besten urd leistungsfähigsten Lokomotiven an die Entente abzugeben hatten. Diese 5000 Lokomotiven fehlen uns überall, während die Gntente den erhofften Nußen davon nicht gehabt hat: denn soviel wir wissen, stehen die Lokomotiven kalt auf den Strecken und verrosten, während unser Wirtschaftêleben dadur notleidet. Hätten wir diese 9000 Lokomotiven zur Verfügung, dann brauchten wir nvht so zu

verfahren.

Nun, meine Damen und Herren, läßt si nicht vershweigen, daß tebt die Wochen und Monate kommen, in denen si an unserem Volke die Streiklust bitter rähen wird, die im Frühjahr und im Sommer herschie. (Sehr richtig!) Damals hätten wir Kohlen ab- transportieren können. Es ging nicht, weil der Betrieb in den Berg- werken, bei den Staatseisenbahnen ‘allenthalben ftillgestellt wurde. Diese Wochen und Monate, die uns verloven gegangen sind, lassen sich nicht wieder einholen, und wenn nun die harte und {were Periode tommt, in der es an Kohlen und Nahrungsmitteln fehlt, in der die Unternehmungen vor dén Zwang gestellt werden können, ibren Be- trieb einzustellen aus Mangel an Kohlen, dann werden jene, die diese Streiks hervorgerufen haben, die Verantwortung für diese Zustände nicht von sih abwäl;en können. Es rächt si: eben aub am Volk alles, was im Volk gesündigt wird.

Meine Damen und Herren! Eine große Sdwywierigkeit ist für uns au heute noch die Kohlenversorgung. Wir sind nicht ge- nügend mit Betriebskohlen versehen; wir bringen es nit über einen Durchschnittsbestand von neun Tagen, während wir mindestens für 20 Tage Kohlen haben müßten, um einigermaßen wirtschaftlih wver- fahren zu können. Einige Direktionen haben nur noch für vier, fünf, sechs Tage Kohlen im Durchschnitt, d. h. daß an vielen Betriebsorten die Kohle mangelt: und nun die Lokomotiven lange Wege zurüdzulegen haben, um befohlt zu werden, oder daß die Kohlen erst mal innerhalb des Direktionsbezirkes hin- und lherges{oben werden müssen, damit ste an die Sielle lommen, sie gebrauht werden. Das kostet Mens hen, Material und Feuerung, ohne daß damit irgend etwas genüßt wird, und all unser Drängen nah einer besseren Belieferung mit Kohlen hat bisher noch feinen Erfolg gebabt.

Aber nicht nur darin liegen die großen Schwierigkeiten, sondern vor allen Dingen auch in der \chlechten Beschaffenheit der Kohle. Unsere Lokomotiven sind auf gute Lokomotivkohle einge- richtet; die bekommen wir heute niht mehr. Wir müssen die Kohle nehmen, die wir eben bekommen, wir müssen im großen Maßstab Koks verfeuern, der für uns unwirtschaftlih ist. Aber in dieser Kohle sind nun auch Beimischungen, Steine vor allem, der \soge- nannte Berg, die die ‘Qualität weiter herunterdrüdten. Wir haben

Meine Dam

festgestellt, daß wir Tag für Tag 4000 Wagen Siteine fahren, die als

Preußischen Staatsanzeiger.

1919.

Kohle bdeklariert sind (hört, hört!), die als Koble bezahlt werden müssen, also Steine als Beimischung in der Kohle.

Aber nicht nur das! Wenn nun eine solche \blechte Kohle unter die Lokomotive kommt, so gibt sie natürli keine Hitze, keinew Dampf. Der Zug bleibt auf der Strecke liegen. Der \{lechte Bestanùdteil muß ausgeklaubt werden aus der Kohle. Der Zug liegt ein oder zwei Stunden, bis die Lokomotive wieder Dampf hat und weiterfahren kann. Die Folze davon ist niht nur, daß dieser ei n e Zug stillsteht, sondern daß die ganze Reihe von Zügen, die sih hinter ihm befinden, ebenfalls zum Stillstohen gezwungen sind, daß si die Wkomotiven alle unter Dampf befinden, daß die Feuerung nutlos vergeudet wird und die größten Stockungen in dem ganzen Betrieb eintreten, Stokungen, ‘ie wirts{aftlih nicht nur \chädlich sind, die auch das Personal unnôtig belasten und uns den Betrieb in außergewöhnlihem Maße ersbweren. Dadur, meine Damen und Herren, kommt das, das ‘der Techniker die „Dilkflüssigkeit des Betriebes" nennt, Wir würden vielleicht mit unserem Material noch auskommen Tönnen, wenn der Betrieb so flott vonstatten ginge, wie es früber der Fall gewesen ist. Aber zu derselben Leistung, zu der wir früber 10 000 Wagen gebraucht hätten, brauchen wir heute 25 000 Wagen (hört, hôrt!), weil der Verkehr entsprechend langsam ist, und es troß aller Anstrengungen, die wir machen, nit möglich ift, „eine Be- s{leunigung des Verkehrs durchzusetzen.

Das liegt an einer gan:en Reihe von Umständen, zum Teil auch an den Sckwierigkeiten, die aus der Umstellung von dem früheren in den jeßicen Zustand bestehen, an der Durchführung des Acht- stundentages, an der notwendigen Mehrleistung, die turb die Un- regelmäßigkeiten eintritt usw. Es liegt mit an den Verheerungen, die der Krieg hervorgerufen bat, Verheerungen, die nit nur das rollende Material und die Anlagen getroffen haben, sondern au die Menschen; denn die Menschen leisten eben heute in der Staats- cisenbahnvenvaltung ebenso wenig wie in den übrigen industriellen Betrieben das ncrmale Maß von früher. Auch auf die Vorgeseßten wirken die Verhältnisse ein. Es wird niHt mit dem Druck und der Gnergie gearbeitet wie früher; aud das ist eine Folge, eine Nach- wirkung des Krieges. Während des Krieges mußte von außen in die Staatseisenbahnverwaltung hineingearbeitet werden, Verordnungen mußten erlassen werden unier dem Dru der Verhältnisse, die die Verantwortung vow den Vorgeseßten wegnahmen und in andere Instanzen legten. Die Umschaltung nun, daß der Vorgesebte selbst wieder dem Lande, dem Betriebe gegenüber verantwortlich ist, daß er die Pflicht hat, dafür zu sorgen, den Betrieb wieder flott zu ge- stalten, diese Umschaltung durhzuseßen, ist in der Kürze der Zeit bisher nit gelungen. Jch darf von dieser Stelle aus den Appell an alle, aw Arbeiter, an Beamte, an Vorgesette und Untergeébene wiederbolen, daß sie der Pflicht eingedenkt seien, die ste dem Lande gegenüber haben, und daß sie als Arbeiter und Beamte els \oóziali- sierten Unternehmens nun auch das tun, was wir“imttér als die Folge und das Ziel der Sozialisierung hören: daß soziälifierên! Heißt mehr leisten. Von diesen Mehrleistungen \ind wir beute“ noch ent- fernt (sehr wahr! ünd Zurufe rechts); wir bemühen uns, sie“ berbei- zuführen.

Die Einstellung des Scnellzugsverkehrs tim O stem ist nicht nur aus den Gründer. die 1ch vorhin {on andeutcte, ondern auch aus dem ganzcn Zustande des Betriebes \dtwendig ge- worden. Wir braufen die sogenannte Vorflut. “Es tit den größten Schwierigkeiten verbunden, im die Grubenbezirke *häs*nötige Leermaterial hineinz;ubringen und bie beladenen Züge von“ tortt* ab- zufahren. Diese Schwierigkeiten werden dadur multipliziert, daß wir die Bahnstrecken über Posen und Gnesen niht mehr Ver- fügung haben und genötigt sind, große Umwege zu fahrer utd*Bahn- strecken zu benugen, die für diesen starken Verkehr nit éitgerichtet sind, und daß wir durch Engpässe hindurch müssen und dèn “Betrieb nicht so in der Hand baben wie vor dem Kriege, weil einm Fäl der Zu- und Abfahrtstraßcn im beseßten Gebiete liegt. Diese von uns unabhängigen Umstände ve:pflichten uns zu wirtschaftlicten Mehr- leistungen und grogen Umwegen und gestalten dew Betrieb sehr \ckchwierig.

Nun ist aber der Nuf nah Kohlen allgemein; auch Ostpreußen bittet täglih dringend um mehr |Kohlen, um bessere Kohblenver- sorgung. Es ist unmöglih, die Kohlenversorgung und die Menschen- beförderung jeßt gleihmäßg durchzuführen. Es mußte eingegriffen werden. Die Streckèn müssen freigemeht werden; es müssèn Loko- motiven für den Kohlenverkehr gewonnen twerden, wozu aub die {Skhnellzugslokomotiven tauglich sind. In leßter Zeit äst der Mangel an Leerwagen besonders groß geworden. Das hängt wohl zum Teil mit den Leistungen zusammen, die wir für die Entente durchzuführen gezwungen sind, indem wir Kohlen nah Frankreich zu fahren haben. Der Rükstrom der Leerwagen aus Frankrei ist außerordentlich langsam (hört, hört!); wir bekommen die Leerwagen nicht wieder in die Hand. (Hört, hört!) Daneben sind an uns größere Anforderungen durch den Rücktransport der Gefangenen gestellt worden. "Es ist ganz selbstverständlich, daß durch die Schuld der Staatseisenbahn- verwaltung nicht ein einziger Gefangener au nur eine Stunde länger im feindlichen Lande bleiben soll, als unbedingt notwendig ist. Wir müssen also diese Verkehre leisten, sie gehen allèn anderen vor.

Nun stehen wir jeßt wor dem Herbstverkehr. Wir müssen damit rechnen, daß außercewöhnlihe Anforderungen an uns gestellt werden. Rüben, Kartoffeln, Getreide muß befördert werden, daneben müssen auch Kohlenw befördert werden. Alle diese Anforderungen, die sih in den nähsten Wochen fortgeseßt steigern werden, die größer sein reerden, als es der gegenmärtige Zuständ der Staatseisenbahnen er- laubt, müssen einigermaßen befriedigt werden.

s Da bleibt keine andere Möglichkeit übrig, als den Personen- verkehr in dem Maße einzuschränken, wie es für die Beförderung der Güter notwendig ist. Da nun die gegenwärtige Stockung im Osten entstanden ist und sih auf den Osten bezieht, war es ganz selbstverständlih, daß wir den \Personenverkehr im Osten einshränken mußten. (Nufe rechts: Vber nicht vollständig einstellen!) Ja, wenn wir den Schnellzugverkehr nicht vollständig einstellen, fo er-

2 R

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reihen wir mit diesex Maßnahme nicht das, was wir erreichen nüssen,